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No 48. PAPIER-ZEITUNG. 1625 Abraham a Sta Clara über das Papiergewerbe. Zu den originellsten Schriftstellern und Predigern gehört der berühmte Barfüssermönch Abraham a Sta. Clara, der eigentlich Ulrich Megerle hiess, 1642 zu Krähenheimstetten in Schwaben geboren wurde und in der Folge nach Wien kam, wo er sich einen grossen Ruf als Kanzelredner erwarb und auch 1709 daselbst als kaiserlicher Hofprediger starb. Er zeichnete sich durch seine volksthümliche Sprache, seinen allerdings oft ans Burleske streifenden, meist aber treffenden und immer originellen Witz aus; seine Schrift gegen die Türken „Auf, auf, Ihr Christen!“ (1683) gab Schiller die Anregung zu der Kapuzinerpredigt in „Wallensteins Lager“. Als Schrift steller war Abraham a Sta. Clara sehr fruchtbar. Ein heute selten ge wordenes Werk „Etwas für Alle, das ist eine kurtze Beschreibung allerlei Standt-, Ambt- und Gewerks-Personen mit beigedruckter sittlicher Lehre und biblischen Concepten" (Wiirzbg. 1699) enthält in 100 Kapiteln die Beschreibung aller Stände und ist mit Kupfern von Christoph Weigel geziert, welche denjenigen nachgestochen sind, die sich in dem Werke „Abbildung der Gemein-Nützlichen Haupt-Stände von Christoph Weigel (1698) finden und ilie, soweit sie das Papiergewerbe betreffen, vor einigen Jahren in der Papier- Ztg. unter dem Titel „Das Papiergewerbe vor 200 Jahren“ veröffentlicht ■wurden. „In solchem geringfügigen Werckel“, heisst es in der Vorrede, „seind die meisten Professiones, wordurch aus sonderbarer Göttlicher Weis heit die Welt erhalten wird, gar kurtz entworfen und vorgestellt, anbei aber auch beflissen, eine geistliche und sittliche Lehr darein zu brocken, damit der geneigte Leser neben dem Vorwitz auch einen erspriesslichen Seelen - Nutzen schöpfen könne.“ Die geistliche und sittliche Lehr, die dareingebrockt, ist allerdings oft gewaltsam mit der betreffenden Pro fession in Zusammenhang gebracht, wie der geneigte Leser selbst sehen wird, dein wir hier das Wichtigste mittheilen, was er über das Papier gewerbe sagte: Von dem „Papierer" meldet er im 36. Kapitel: „In Aegypten, nächst dem berühmten Fluss Nilo, ist ein Gewächs, welches den Namen hat Papyrus, auf dessen Blätteren und subtil abgeschnittenen Rinden die Alten vor Zeiten geschrieben, dann ehe und bevor das Pergament und jetzige Papier auf kommen, hat man auf Holz, Blei, Blätter und Steiner pflegen zu schreiben, wer aber das dermalige Papier, so aus leinenen Hadern mit sonderem Fleiss gemachet wird, habe eigentlich erfunden, seynd sehr viel unterschiedliche Meynungen, und wollen einige, dass es zu Chartago seinen Ursprung und Namen genommen: Charta, Seye deme, wie ihm wolle; gewiss ist doch, dass dieses Handwerck der gantzen Welt höchst nützlich anstehe. Es ist fast nichts verächtlicher», schlechters und wilders als ein Fetzen, ein Hader, ein Lumpen, die man öfters auf den Mist wirfet, die auch ein geringes Dienst - Mensch mit dem Besen hinauskehret, mit dem die muth- willige Hunde auf der Gassen spielen; die zuweilen der Bauer in den Kraut-Garten hanget, worvon die Vögel auch sich sollen scheuen, gleichwohl aus solchen schlechten Fetzen und Fuss-Hadern wird das edle schöne Papier, so auch die höchsten Monarchen sowohl in Händen als Ehren halten. Was seynd anderst die arme und elende Leute als verworfene verachte Fuss-Haderen, welche auf öffentlicher Strassen öfters müssen liegen, und ihnen in vielen Häusern nicht ein Winkel vergönnet wird: Aber Gedult! ihr bedrängten Tropfen, Gedult! Die Welt machet aus Hadern das Schnee weisse Papier, und Gott wird euch als verachte Fuss-Haderen nach dem zeitlichen Tode bekleiden mit dem Schnee-weissen Kleid der ewigen Selig keit. 0 wie hat sich das Blättel so wunderbarlich gewendet bey dem reichen Prasser und bey dem Bettler Lazaro 0 Lazare! Hadern und Lumpen kommen euch zu Ehren, wie dann bald hernach der reiche Gesell begraben worden in der Höll, Lazarus aber von den Engeln getragen worden in die Schooss Abrahä. Am jüngsten Tage wird der Verdambten eine aus den grössesten Beinen sein, wenn sie werden sehen, dass viel arme Leute, die sie mehrmalen nicht angeschauet, die sie von der Hausthür ge- schaffet, in grösserer Glori werden sitzen, und manche geweste alte Spinnerin oder Wäscherin werden auslachen die vorhin prächtig gekleidete Damesen; ja gar oft ein Thorwärtel wird in der Herrlichkeit sitzen, unterdessen seine geweste Herrschaft beim Teufel; darum nur Gedult! ihr Arme, Ver achte, nur Gedult! Lumpen und Haderen kommen auch zu Ehren. Neben unterschiedlichen Sorten und Gattungen des Papiers, ist auch eines, so da nicht zum schreiben tauget; daher es von den Lateinern Charta bibula, auf Teutsch aber das Fliess-Papier genennet wird: wann man solches zu einer nassen Schr ift leget, so ziehet es selbe an sich. Zum Exempel, Du schreibest diese Worte: Schelm, Dieb etc. legest aber alsobald ein Fliess-Papier darauf, alsdann wirst Du diese zwei Worte auch auf dem Fliess-Papiere finden: Dieses ist fast ein Sinnbild einer bösen Gesellschaft, dann wer sich zu Gottlosen gesellet, der wird auch bald dero schlimme Sitten an sich ziehen ..... Augustinus, das grosse Kirchen-Licht be kennet, dass er von bösen Gesellen alle Laster-Thaten erlernet habe. Mit dem Papier hat der allmächtige Gott sehr viel Wunderwerke ge- wirket. Von tausend von Beispielen erzählt Abraham a Sta. Clara in ziemlicher Breite nur eines, und zwar, dass der Erzbischof Antonius v. Florenz einen Korb voll Aepfel dem Bauern nur mit einem „Gott ver gelte Dir's!“ bezahlte. Da dies dem Bauern zu wenig dünkte, so schrieb der Erzbischof diese Worte auf ein Papier, liess eine Waage bringen und siehe da, der kleine Zettel hatte ein schwereres Gewicht als der Korb voll Aepfel, was ein besonderer Trost für alle Almosenspender ist. Das Kapitel Papierer wird dann mit folgenden Worten geschlossen: „Die Papierer haben allezeit ihre Werkstatt bei dem Wasser, sie aber seynd keine sonderbare Liebhaber dieses Element, dann ihnen ist Charta bibula weit angenehmer beym Wein und Bier; mit Fetzen und Lumpen gehen sie zwar um, ob aber auch unter ihnen einige schlimme Lumpen- Hunde anzutreffen, will ich disfalls keinen Ausspruch thun. Gut wäre es wann sie alle auf die Weisse des Gewissens so genau giengen, wie auf die Weisse des Papiers; aber zuweilen seynd die Leute beschaffen wie die Bücher, davon selten eins ohne Esel-Ohr.“ Soweit Abraham a Sta. Clara über die Papierer, von welchen er aller dings beinahe gar nichts berichtet und sich lieber an die von ihnen ver arbeiteten Lumpen hält, die zu den von ihm beliebten Gleichnissen sich freilich viel besser eignen. Ueber die Buchdrucker berichtet der Herr Hofprediger Folgendes: „Glaublich ist es, wie die meisten Scribenten solches bestätigen, dass diese werthiste, und der ganzen Welt höchst nutzlichiste Kunst habe in Teutschland ihren Anfang genommen, ob nun der Urheber gewest sein Joannes Guttenberger, ein Burger zu Mainz, aber von Strass burg gebüriig, oder ein anderer, mit Namen Joann Faust, will ich dermalen diese unter so vielen strittige Meinungen nicht erörtern, sondern lasse es bei dem, dass aller Menschen Zungen nicht genugsam loben und diese Kunst sattsam hervorstreichen können. Sie ist fürwahr diejenige, so alle Künsten ernähret, sie ist diejenige, so alle verwichene Dinge auf frischem Fuss erhalt, sie ist diejenige, so den gelehrten Leuten ein unsterblichen Namen schmiedet, sie ist diejenige, so den schon längst geführten Wandel auf Erden sowohl Christi des Herrn als seiner Heiligen uns mit lebendigen Farben entwirft, und folgsam einen Weg weiset zu allen Tugenden. Ihr Epicurer, die ihr im Wappen ein Wampen führet, und nunmehr den Leib, diesen garstigen Gast, sucht wohl zu traktiren, müsst wissen, dass auch die edle Seel gleichwohl, und zwar forderst, mit einer Nahrung muss ver sehen sein, ihr Speiss sucht sie aber nicht unter den Fressern, sondern unter den Pressern; ihr Bissel (kleine Bisschen) erwartet sie nicht von der Kocherei, sondern von der Druckerei, ein gutes Büchel ist der Seel ein Küchel (Küchlein), wormit sie sich ernähret. Ein geistlicher Tractat ist der Seel das beste Tractament, ein Opusculum ist ihr ein Jusculum, mit dem sie sich erquicket, darum noch recht soll Joannes Guttenberger ein Urheber dieser Kunst sein gewest, dann sie ja nichts als alles Gutes der Seelen vortragt und vorlegt.“ Auf neun Seiten dieses Kapitels nimmt Abraham a Sta. Clara die Gelegenheit wahr, das Lesen der geistlichen Büher in seiner bekannten Manier zu empfehlen. Als Probe derselben geben wir nachstehend einen Abschnitt aus diesen Auslassungen: „Adam! Adam! Dein Essen ist gewest vermessen. Adam! Adam! Du hast das Obst gessen und wir haben noch das Fieber davon. Adam! Adam! Du hast den verbotnen Bissen genascht und wir wegen dieses Bissen müssen noch büssen. Adam! Adam! wegen des gestohlenen Confect seynd wir worden Infect; nachdeme Adam ge- sündiget, da hat er seine erste Zuflucht genommen zu den Feigen blättern, die Blätter müssen ihn bedecken; aber die Blätter eines geist lichen Buchs haben weit eine andere Beschaffenheit, diese thun nicht be decken, sondern aufdecken, und einem jeden seine Schänd und Schaden zeigen: Sie zeigen dem Hoffärtigen seinen aufgeblasenen Wandel, wie sehr derselbige Christo zuwider, der mehrmal mit dieser Lection hervorkommt, lernet von mir, wie sanftmüthig und demüthig ich bin. Sie zeigen dem Neidigen seine Hunds-Art ... Sie zeigen dem Unkeuschen seinen Wunst und Stank . . . Sie zeigen dem Reichen seinen Geiz, und wenn er schon kein Schneider, so soll er doch denken an das Nadel-Loch, wordurch ehender ein Cameel wird gehen, als ein Reicher in den Himmel u. s. w. Adam! Adam! Deine Blätter haben Dir Deine Schänd in etwas zugedeeket aber uns Adams- Kinder thun die Blätter eines geistlichen Buchs die Mängel aufdecken, damit -wir dieselben sollen bereuen, und für denselben uns ferners hüten: 0 was ist halt für eine gesunde Seelen-Speiss ein geist liches Buch!“ Zum Schluss kommt der groteske Prediger doch auch wieder auf die Buchdrucker zu sprechen, von denen er sagt: „Obschon die Buchdrucker wegen solcher heilsamen Kunst sehr preiswürdig sein, und dessenthalben auch von grossen Königen und Monarchen in sonderen Ehren gehalten werden, auch mit vielen Gnaden und Privilegien, so sie von denselben empfangen, recht und billig dörfen prangen, so findet man doch auch einige unter ihnen, die zwar in Quart, Oktav, Duodez wissen zu drucken, unter dessen aber gleichwohl Vögel in Folio abgeben, dann es finden sich eben falls unter ihnen gewissenlose Leute, welche da vergifte Lehren, ehren rührige Pasquille und auch der Ehrbarkeit • höchst nachtheilige Sachen unter die Press legen, wordurch der Kirchen, dem Land und Lands-Fürsten der grösste Schaden kann zugefüget werden. So ist zugleich auch einer und der andere anzutreffen, welcher im Setzen so schleuderisch und saum selig, dass mehrmalen an statt Resel (Röschen) Esel, an statt Famulus Mulus, an statt Judaeus Deus, an statt Gaula Aula, an statt Prasinus Asinus zu lesen ist Item, wissen einige unter ihnen ihren Nutzen gar wohl in acht zu nehmen, indem sie in der Still, ohne Erlaubnis» des Authoris eine Butten Exeinplaria zulegen, wer aber unter ihnen nicht also beschaffen, wie ich glaube, dass die meisten ehrlich und redlich sein, so soll man solchen billig alles Gutes nachsagen, ja weil sie so gerecht und vollkommen im Drucken seynd, so werden sie weder hier noch in jener Welt unterdrückt.“ Der dritte und letzte Vertreter des Papiergewerbes in unserem Buche ist der Buchbinder; von diesem schreibt Abraham a Sta. Clara: „Man muss sich allhier in keil en Disputat einlassen, welches älter seye, die Henn oder das Ei? Der Buchdrucker oder Buchbinder? Dann weilen das Bücher schreiben lang vor der Druckerei im Schwung gangen, so folget unläugbar, dass schon dazumal der Buchbinder Arbeit von nöthen gewesen. Ein jeder Mensch hat eine besondere Freud, wormit er sich begnüget: Einer hat eine Freud im Geld . . . Ein anderer hat eine Freud am Wein ... Ein anderer hat eine Freud im Jagen . . . Ein anderer hat eine Freud mit Weibern . . . Ein anderer hat eine Freud mit der Musik . . . Andere aber haben wiederum eine Freud in andern, aber sehr viel seynd anzutreffen, welche ihre einzige Freud und Ergötzlichkeit haben in den Büchern und schönen Bibliotheken, desgleichen ist gewesen ein Pisistratus zu Athen, Cornelius Sulla zu Rom, ein Jolius Aphricanus zu Caesarea und gleich nach denen