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Mo. 79. PAPIER-ZEITUNG. 2419 Mitscherlich-Prozess. (Fortsetzung zu Nr. 77.) Ueber die Ausführung der Kochung, die nach Beklagtem ganz abweichend von dem Mitscherlich’schen Verfahren sein soll, diktirte mir Herr Wolff im Termin vom 15. Mai wörtlich folgende Angaben: • Das Holz wird vor dem Kochen gedämpft; bei besonderer Ver arbeitung von Sägespänen ist das Dämpfen nicht erforderlich. Zum Kochen dient Lauge (saurer schwefligsaurer Kalk von 1° Gehalt). Die Zeitdauer der Kochung beträgt 36 bis 50 Stunden. Der Druck im Kocher wird bis zu 312 Atmosphären Spannung getrieben. Die Tem peratur der, Kochflüssigkeit beträgt 125 bis 128° C. Die Beendigung der Kochung wird mit Jodlösung erkannt.« Wie weit diese Angaben den thatsächlichen Verhältnissen ent sprechen, konnte bei der Besichtigung nicht festgestellt werden. Um hierüber Sicherheit zu erhalten, würde eine fortgesetzte Ueberwachung des Betriebes und eine schwer ausführbare Kontrollirung der Richtigkeit der Angaben der Hilfs-Instrumente Thermometer, Manometer usw. erforderlich sein. Die erste Operation, das Dämpfen, erfolgt ebenso wie in Mitscher lichs Geheimschrift auf Seite 29 angegeben ist. Auffällig erscheint die Angabe, auf welche noch zurückzukommen sein wird, dass die Kochung mit einer Lauge von nur 1° Gehalt aus geführt wird, während Mitscherlich nach Geheimschrift Seite 28 Laugen von 6—7° verwendet und es für nothwendig erkannt hat, dabei andere Verhältnisse von Holz und Lauge zur Anwendung zu bringen, je nach dem die Konzentration der Lauge 6 oder 7° beträgt. Wollte man hieraus einen Unterschied der Fabrikationsweise her leiten, so würde zunächst festzustellen sein, ob die Angabe des Beklagten richtig ist, und ob die Instrumente, mittels derer die Grädigkeit der Lauge ermittelt wird, beim Beklagten identisch mit denen Mitscherlichs sind. Dies ist erforderlich, da Laugenwaagen mit den verschiedenartigsten Skalen in der Technik gebräuchlich sind, und da sämmtliche Mess instrumente, nicht allein die Laugenwaagen, sondern auch die Thermo meter usw., sehr häufig absichtlich mit ganz willkürlichen Skalen, deren wirklicher Werth nur dem Fabrikleiter bekannt ist, versehen werden. Dies geschieht, um Arbeiter und Sonstigen keinen Einblick in die wirk lichen Verhältnisse gewinnen zu lassen. Solche Vorsichtsmaassregeln kommen auch in Schwarza zur Anwendung, denn auf meine Frage, ob ein an dem Kessel befindliches Thermometer, dessen Stand ich beob achtete, richtig zeige oder eine falsche Skala besitze, erwiderte Herr Wolff, er habe richtige und falsch zeigende Thermometer und wisse nicht, ob das betreffende Thermometer richtige oder fälsche Angaben mache. Da der Leiter der Fabrik nicht weiss, welche Angaben sein Thermometer, durch dessen Stand die Kochung hauptsächlich zu regeln ist, macht, so ist die oben gemachte Angabe, die Kochung werde bei Temperaturen von 125—128° C ausgeführt, mit Vorsicht aufzunehmen. Das Gleiche gilt von der Dampfspannung im Kessel. Die angeb lichen Verschiedenheiten bei der Kochung beruhen in Folgendem: Nach der Geheimschrift Seite 33 soll die Spannung im Kessel nie über 3 Atmo sphären steigen, während Beklagter bei 31/2 Atmosphären Druck arbeitet. Nach der Geheimschrift wird die Temperatur anfangs auf 110° gehalten, um nach 12 Stunden bis auf 117° gesteigert zu werden, während der Beklagte angeblich bei 125 bis 128° kocht. Diese Abweichungen, wenn sie wirklich bestehen, ändern an dem Wesen des .Kochprozesses nichts. Das Hauptsächliche beim Mitscher- lich’schen Verfahren besteht in einem Kochen bei Temperaturen, welche über 108° liegen, da die Einwirkung der Löseflüssigkeit erst bei 110° beginnt. Die Zeitdauer der Kochung beträgt nach Geheimschrift Seite 35 bei Mitscherlich 36 bis 48 Stunden, der Beklagte gebraucht dazu nach seiner Angabe ebensoviel Zeit, nämlich 36 bis 50 Stunden. Die Beendigung der Kochung erkennt man an dem Verhalten der Löseflüssigkeit, an dem schliesslich verbleibenden Gehalt derselben an schwefligsaurem Kalk. Mitscherlich ermittelt diesen durch eine einfache Probe nach dem Volumen des auf Zusatz von Ammoniak entstehenden Niederschlages. Beklagter verfährt dabei nach einer jedem Chemiker geläufigen Methode, bei welcher die Menge der schliesslich noch vor handenen schwefligen Säure durch Jodlösung ermittelt wird. Beide Methoden führen zum gleichen Ziel. Um letztere Methode aber anwenden zu können, muss zunächst bekannt sein, wieviel schwefligsaurer Kalk in der Flüssigkeit schliesslich noch vorhanden sein muss. Hierfür ist zuerst von Mitscherlich Anweisung gegeben (Geheimschrift Seite 34); vor Mitscherlich hat Niemand hierüber die geringste Kenntniss gehabt, und ohne diese Kenntnisse erworben zu haben, ist die Untersuchungsmethode, welche Beklagter verwendet, völlig bedeutungslos. 2. Bereitung der Löseflüssigkeit. Die Bereitung des zur Lösung dienenden säuern schwefligsauern Kalkes erfolgt in Schwarza nach einem andern als dem Mitscherlich’schen Verfahren, jedoch unter Benutzung von wichtigen Erfahrungen, welche Mitscherlich gemacht hat, und unter Verletzung von Mitscherlich's Patent anspruch II. Mitscherlich sagt in seiner Geheimschrift Seite 27: Das Gefährlichste bei dem ganzen Prozess ist die Entstehung der Polythionsäuren, weil durch dieselben die Kochung vollständig verdorben werden kann. Sie bilden sich, wenn Schwefel bei der Verbrennung von Kies oder Schwefel durch Sublimation mit den schwefligsauren Gasen in den Thurm gelangt. Darum muss auf Sublimation stets geachtet werden.« Auf die Gefährlichkeit der Sublimation und die dadurch bewirkte Bildung der schädlichen Polythionsäuren wird in der Geheimschrift wiederholt hingewiesen. Vor Mitscherlich hat Niemand die leiseste Ahnung davon gehabt, dass die Gegenwart der Polythionsäuren einen nachtheiligen Einfluss bei der Kochung des Holzes ausüben könne, und es vermag auch heute noch Niemand eine Erklärung dafür zu geben, weshalb durch die Gegenwart der Polythionsäuren die Kochung voll ständig verdorben werden kann. Die Erkenntniss dieser Thatsachen ist eine wichtige Entdeckung Mitscherlich’s. Unter diesen Umständen musste es auffällig erscheinen, als Beklagter in dem Termin vom 15. Mai erklärte, er habe bereits auf der Schulbank gelernt, dass keine Subli mation eintreten dürfe. Um sich auf das Sicherste vor der von Mitscherlich erkannten Gefahr der Sublimation des Schwefels zu schützen, benutzt der Beklagte ein bis dahin in der Technik noch nicht angewandtes Verfahren. Die Decke des eisernen Verbrennungsofens wird durch Wasser gekühlt, wodurch der sublimirende Schwefel in dem Ofen zurückgehalten und dadurch verhindert wird, in die Absorptionsgefässe zu gelangen. Hätte nicht Mitscherlich’s Erfahrung vorgelegen, so würde durch aus keine Veranlassung zur Anwendung dieser Maassregel erforder lich sein. Beklagter beruft sich in dem Schriftsatz vom 12. Dezember 1889 auf das allgemeine Bekanntsein der Fabrikation des sauren schweflig sauren Kalkes und zitirt zu diesem Behufe zwei vom Unterzeichneten bearbeitete Werke. Hierzu ist zu bemerken, dass an beiden Stellen zwar die Fabrikation von schwefligsauren Salzen, die allgemein bekannt ist, beschrieben ist, dass aber dasjenige, worauf es bei der Fabrikation von Cellulose gerade ankommt, die Noth wendigkeit der Vermeidung einer Schwefel-Sublimation, sich weder an der einen noch an der andern Stelle erwähnt findet und auch nicht erwähnt werden konnte, da zur Zeit der Abfassung jener Werke nichts von den schädlichen Folgen einer solchen Sublimation bekannt war. Beklagter verletzt bei der Bereitung der Löseflüssigkeit ausserdem den Anspruch II des bei Begründung der Fabrik in Schwarza noch giltigen Patentes 4179. Dieser Patentanspruch lautet: • Die Bereitung der Lösung des sogenannten sauren schwefligsauren Kalkes unter Wiederbenutzung der ausgetriebenen schwefligen Säure«. Auf die Wiederbenutzung der nach beendigter Kochung aus dem Kessel entweichenden schwefligen Säure ist Mitscherlich das Patent ertheilt worden. Es hat daher äusser Mitscherlich Niemand das Recht zu dieser Wiederbenutzung, Beklagter verwendet die schweflige Säure aber regelmässig bei der Darstellung des sauren schwefligsauren Kalkes und begeht damit einen Eingriff in Mitscherlich’s Patentrecht. 3. Aufbereitung der Rohcellulose in versandtfähige Form. Zu dieser Operation wird die aus den Kochern kommende Roh cellulose a) auf mechanischem Wege in isolirte Fasern unter Absonderung der festgebliebenen Holztheile zerlegt, b) durch Schwemmen in Wasser von schwereren Theilen getrennt und durch Waschen mit grossen Mengen von Wasser von den bei gemengten schwer löslichen Kalksalzen und sonstigen fremden Stoffen befreit, und c) auf geeignete Weise entwässert. Mitscherlich verwendet zu dem unter a angegebenen Zweck ein Stampfwerk, sagt aber ausdrücklich auf Seite 39 der Geheimschrift: • Es kann dieser Zweck selbstverständlich durch viele andere Einrich tungen erreicht werden.« Von den vielen andern Einrichtungen, welche selbstverständlich zu dem angegebenen Zwecke dienen können, verwendet der Beklagte einen von Dietz konstruirten, als Separator bezeichneten Apparat. Die unter b benannte Reinigung der Rohcellulose bewirkt Mitscher lich nach Seite 39 der Geheimschrift durch sehr langsames Schwemmen in langen Rinnen, in welchen Aeste, Steine, Gips usw. sich absetzen, Kalksalze und sonstige fremde Stoffe gelöst werden. — Genau auf gleiche Weise verfährt Beklagter. Für die endlich erfolgende Entwässerung verwendet Mitscherlich in der Regel eine eigene Vorrichtung, in welcher die Cellulose die Gestalt von Brocken annimmt. Er sagt aber ausdrücklich Seite 40 der Geheimschrift: »Soll die Cellulose nicht in Brocken, sondern in Pappform verschickt werden, so wird sie auf das Sieb ohne Ende der Entwässerungsmaschine gebracht.« Beklagter bedient sich der in Pappenfabriken allgemein angewandten Entwässerungsmaschinen mit endlosem Sieb. Die übrigen Hilfsvorrichtungen, deren Mitscherlich sich bedient, wie Holländer, Kollergang, sind in Schwarza ebenfalls vorhanden. Aus all dem Vorstehenden ergiebt sich, dass Beklagter mit Aus nahme der Bereitung des säuern schwefligsauern Kalkes in all seinen Operationen den Mitscherlich’schen Angaben folgt, und nur in ganz nebensächlichen Dingen von denselben abweicht. (Schluss folgt.) Korea hat im Jahr 1892 1535 Pikuls Papier (1 Pikul, 60,479 kg) im Werth von 18 405 Dollar eingeführt, die Ausfuhr betrug 1801 Pikuls im Werth von 44 669 Dollar.