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No. 94. PAPIER-ZEITUNG. 2921 Sehr wirksam ist es, ein Stichwort in flotter Schreibschrift hinzuwerfen und es in Holzschnitt oder Aetzung ausführen zu lassen. Die Beispiele 7 und 8 sind kräftige Beweise hierfür: sagte einer unserer Geschäfts freunde, der uns vor eini gen Tagen besuchte, »Ihre Muster sind sehr schön und ich finde die Preise ausnehmend billig, aber die Zeiten sind so schlecht, dass die Leute meist nur Schund kaufen! < Es gelang uns jedoch, den Kunden zu über zeugen, dass auch in schlechten Zeiten gute Geschäfte gemacht werden können, und dass unsere neuen Kleiderstoffe bei ihrer Schönheit und Preiswürdigkeit sich gleichsam von selbst verkaufen usw. Beispiel 7. In den Mustern 5—8, so derb und wirksam sie sind, ist nichts Anstössiges enthalten, nichts, was selbst ein feines Gefühl ver letzen könnte. Wem der gewählte Text noch zu reklamenhaft kaufs eine Preis-Ermässigung von 10 pCt. bei allen Bijouterieen bewilligen zu können. Sie wissen, dass wir in Einzelsachen, wie in vollständigen Garnituren ein ausserordentlich umfassendes Lager halten, und gerade jetzt vor Weihnachten ist unsere Ausstellung im ersten Stock unsers Geschäftshauses eine wahre Augenweide. Wir laden Sie ein usw. Beispiel 8. klingt, der kann ihn unter Beibehaltung der Stichwörter so steif und langweilig machen, wie er es für gut findet. Die Sache lässt sich übrigens bei gewohnter Auffälligkeit auch in den Stich wörtern noch milder halten, z. B. in folgender Weise: Was wir können und was wir nicht können! Wir können Ihnen die Versicherung geben, dass — wir versuchen werden, Sie durch schnelle, gewissenhafte Bedienung und billig be messene Preise zu befriedigen. Sie werden in dieser Hinsicht zu keiner Klage je Veranlassung haben. Wir können ferner teststellen, dass wir in künst- lerischer Hinsicht durchaus das Beste zu bieten vermögen. Wir haben drei Künstler für Entwürfe ständig beschäftigt und ausserdem viele Hilfskräfte, die für uns arbeiten. Wir können aber auch in technischer Hinsicht — das Vollkommenste leisten, was durch die neuere Praxis erreichbar ist. Wir besitzen einen Stamm erprobter Arbeiter und sind mit allen er denklichen Maschinen und Einrichtungen versehen. Wir können aber nicht ausgezeichnete Arbeit — =F für Bazarpreise liefern, weil wir das, was wir annehmen, gut ausführen, auch weil wir beste Rohstoffe verwenden und unsere tüchtigen Arbeiter anständig bezahlen. X. & Y., Kunsttischlerei in Z. Beispiel 9. Diese Beispiele werden genügen, um den Beweis zu führen, dass die in den Mustern 1—4 angedeutete Richtung der Reklame mit unästhetischem Beigeschmack weder berechtigt noch nöthig ist, und dass man in Ankündigungen sehr wirksam sein kann, ohne grob und gemein zu werden. Unbezügliche Dinge in die Reklame hineinzuziehen, sollte man vermeiden. Wenn das Stichwort nicht den zu verkaufenden Artikel darstellen kann, so entnehme man das erste beste Wort dem laufenden Text, rede aber nicht zuvor von Völkerkrieg um nach sehr gewagten Umschreibungen auf die Sache selbst zu kommen. Alles, was Enttäuschung hervorrufen kann, sollte bei Aufstellung von Reklametexten grundsätzlich vermieden werden. Verfasst man Anzeigen, um die Leute zu belustigen, oder um sie aufzuregen? Nein, man will seine Waaren absetzen. Nun, dann wähle man auch Mittel, die den Kunden nicht abschrecken, son dern ihm eine günstige Vorstellung nicht nur von der Güte der zu verkaufenden Erzeugnisse, sondern auch von der nobeln Sinnesart ihres Verkäufers beibringen. So wenig Jemand gern mit Leuten umgeht, die hässliche Reden im Munde führen, so wenig man zur Gesellschaft Leute wählen würde, die schlecht oder nachlässig gekleidet sind, so geringe Aussicht hat eine auf ähn lichen Grundlagen beruhende Ausdrucksweise in Ankündigungen, zahlungsfähige Käufer heranzuziehen. Hermann Hoffmann. Das deutsche Buchbindergewerbe. B. Nach dem dreissigjährige» Kriege. (Schluss zu Nr. 92.) Zu den Goldschnitten und auch zur Deckenvergoldung wurde schon zu Anfang des 18. Jahrhunderts neben echtem Gold viel unechtes Metall- und Zwischgold verwendet. Die Metallschnitte wurden mit Ochsenblut aufgetragen, zu minder- werthigen Vergoldungen wählte man Zwischgold, das sich besser als Metallgold drucken liess. Die Einrichtung der Buchbinderwerkstätten des 18. Jahr hunderts hatte schon ziemliche Aehnlichkeit mit kleinen, ohne Maschinen arbeitenden Sortimentsbuchbindereien der Jetztzeit. Die Periode der Holzdeckel war allerdings noch nicht vorüber — noch zu Beginn unseres Jahrhunderts forderte man beim Meister stück einen Band mit Holzdeckeln — daher spielten unter den Werkzeugen Hobel und Bohrer noch eine wichtige Rolle. Dagegen wurde durch die neuern Arbeitsweisen der Franzbände und spätem Pappbände doch auch der Uebergang zu unserer Zeit angebahnt, und man benutzte bereits die meisten der heut gebräuchlichen Werkzeuge. In dem schon genannten Buche »Orbis sensualium picti« vom Jahre 1737, das, nebenbei gesagt, die Abbildungen sämmtlicher Gewerbebetriebe, also auch eine Papiermühle, Buchdruckerei, Schriftgiesserei usw. enthält, ist im ersten Bande eine Buchbinder werkstatt abgebildet, deren Erklärung wie folgt lautet: Reut zu Cag bindet die Bücher der Buchbinder, indem er die Sogen, wann fie geplanirt, trocnet; darnac fallet und schläget, alsdann hefftet, presset in her Presse, welche hat 3wo Scrauben, am Rücken leimet, mit dem Schnitthobel beschneidet; endlic mit Pergament ober feder überzeucht, aus. machet unb ihnen anschläget bie Clansuren (Gesperr). In demselben Werke ist über die damals gebräuchlichen Bücher formate und -Einbände zu lesen: Pas 3uc nach ber äusserlichen Gestalt ist entweder ein Foliant ober ein Quartbuc in Octav, in Duode3 ober in Registerform ober in lang format; mit Clausuren ober Bändern unb Buckeln nwendig sind bie Blätter mit j weyen Seiten; zuweilen gespalten mit Columnen unb mit Rand schrifften. Eine andere hübsch gestochene Buchbinderwerkstatt befindet sich als Titelbild im zweiten Bande von Prediger’s »Buchbinder und Futteralmacher« von 1744. Fig. 34 zeigt eine Nachbildung des Blattes. Wie man sieht, besteht diese Buchbinderei aus einem Parterre-Raum und einem darüber gelegenen Zimmer. Im untern Raum ist links ein Buchbinder beschäftigt, eine Buchdecke mit der Rolle zu verzieren. Er stützt die Rolle dabei — wie es noch jetzt geschieht — mit dem Griffende gegen die Schulter. Neben ihm steht auf einem Stuhle das Kohlenbecken, in welchem die Rollen und Fileten erwärmt werden. Rechts ist ein anderer Buchbinder beschäftigt, planirte Bücher »aus dem Falz zu schlagen«. Die Bücher, welche früher meist auf ungeleimtes Papier gedruckt waren, wurden vor dem Binden planirt, d. h. durch dünnes Leimwasser gezogen und dann bogenweise zum Trocknen aufgehängt. Im Hintergründe ist eine Frau mit