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1608 DAPIER-ZEITUNG. No. 53. Deutsche Papierindustrie. (Fortsetzung zu Nr. 15.) Geschäftsbcherfabrik von Riefenstahl, Zumpe & Co., Berlin O., Holzmarktstrasse Nr. 67. Seit 1. April laufenden Jahres hat die Fabrik ihre Geschäfts- und Arbeitsräume nach dem Quergebäude des stattlichen, nach der Spreeseite gewendeten Hauses Nr. 67 der Holzmarktstrasse verlegt. Geschmackvoll ausgeführte Schilder mit grossen goldenen Buchstaben weisen bereits an der Strassenseite auf Art und Umfang des Geschäfts hin. Das Fabrikge bäude selbst ist für die Bedürfnisse der Anstalt besonders erbaut und macht mit seinem warmtonigen Ziegelrohbau schon von aussen einen freund lichen Eindruck. Die werthvollen Hauptstoffe der modernen Fabrikbau kunst: Stein, Eisen und Glas, sind fast ausschliesslich verwendet, und das feuergefährliche, minder widerstandsfähige Holz wurde nur dort benutzt, wo seine gute Eigenschaft als schlechter Wärmeleiter den Ausschlag gab. Das Erdgeschoss ist hauptsächlich für Geschäftszimmer und Lager räume in Anspruch genommen, im ersten Stock befindet sich Buch binderei, im zweiten Buchdruckerei, im dritten die Liniiranstalt, im vierten das Papierlager. Der Keller birgt Dampfmaschine, Kessel, Abfälle und Vorräthe verschiedener Art. Die Reihenfolge der Fabrikation geht fast regelmässig von oben nach unten. Daher dürfte es sich für kurze Beschreibung dessen, was wir bei Auch die Kopflinie wird oft gedruckt, seltener dagegen die Querlinien. Herr Riefenstahl, der die Güte hatte, selbst den Führer zu machen, gab der Rollenliniatur für durchgezogene Querlinien vor allen andern Her stellungsarten den Vorzug, und der Augenschein bewies, dass diese Arbeits weise wenigstens auf der hier befindlichen Maschine Linien von grosser Zartheit und Gleichmässigkeit in Ton und Stärke erzeugt. Besonders anerkennenswerth war das tadellose „Register“. Bei Vorderseite und Rückseite stand Linie auf Linie. In der ein Stockwerk tiefer liegenden Druckerei arbeiten 7 Schnell pressen, 3 Zweifarbenmaschinen, 2 Tiegeldruckmaschinen und mehrere Kopf druckpressen. Die Tiegeldruckpressen, darunter eine von sehr grossem Format, sind von der Maschinenfabrik Augsburg bezogen, die einfachen Maschinen meist von Sigl-Berlin. An den Tiegeldruckinaschinen wie an den Schnellpressen hat Herr Riefenstahl mehrere Verbesserungen angebracht, z. B. sehr praktische Anlegevorrichtungen, die namentlich an den Cylinder- schnellpressen gute Dienste zu leisten scheinen und das Punktiren ent behrlich machen. Auch in der Setzerei gab es bemerkenswerthe und zweckmässige Ein richtungen. Eine solche war an Schriftkasten kleineren Formats ange bracht, um dieselben bis zu den Versalienfächern zugänglich zu machen. Wenn man sonst aus einem solchen Kasten setzen will, ohne ihn auf zustellen, muss man ihn fortgesetzt mit Hand und Knie stützen, oder den darunter stehenden Kasten halb aufziehen, damit er als Stütze diene. einmaligem Besuche sahen, empfehlen, denselben Weg einzuschlagen und mit Uebergehung des vierten Stockwerks die Umschau im dritten zu be ginnen. Hier stehen die wichtigen Helferinnen der Geschäftsbücherfabrik, die Liniirmaschinen verschiedener Systeme. Drei langgestreckte Rollenmaschinen mit ausgedehntem Bandwerk beanspruchen den besten Theil des Raumes, während 4 Feder-Liniirmaschinen mit viel kleinerem Platz fürlieb nehmen. Unter den erstgenannten Maschinen verdient besonders diejenige unser In teresse, welche Herr Riefenstahl aus einer amerikanischen Rollenmaschine durch vollständigen Umbau hergestellt hat. Hier werden die Bogen durch ein mit Gummistreif versehenes Lineal selbstthätig vom Papierstoss abge streift und in rascher Folge den endlosen Bändern übergeben. Der An legetisch liebt sich selbstthätig um denselben Betrag, um welchen der Pa pierstoss kleiner wird. Die rasch folgenden Bogen machen den Eindruck einer endlosen Papierbahn, und es erscheint glaubhaft, dass eine solche Maschine bei flottem Gang in 5 Minuten 500 Bogen durchlassen kann. Unsern Lesern, deren Interesse für Geschäftsbücher-Herstellung durch mehrere Aufsätze unseres Mitarbeiters E. G. geweckt wurde, dürften einige Mittheilungen über die Grundsätze willkommen sein, nach welchem die Firma Liniatur und Druck anwendet und verbindet. Gewöhnlich werden auf der Rollenmaschine nur durchlaufende Querlinien, mitunter gleichzeitig mit der rothen Kopflinie gezogen, die rothen Längslinien dagegen gedruckt. Bei den hier befindlichen Kasten ist weder das Eine noch das Andere er forderlich, da verlängerte und über den oberen Rand hinausragende Seiten leisten den Kasten hinreichend stützen, auch wenn er bis zur obersten Fachreihe ausgezogen ist. Zum Druck der Bücherköpfe (Debet, Credit u. s. w.) werden nicht Schriftzeilen oder Galvanos verwendet, sondern in Messing geschnittene Polytypen. Diese ziemlich kostspielige Einrichtung zeugt von der Sorg falt, welche die Firma ihren Erzeugnissen zuwendet, denn Schriften aus minder widerstandsfähigem Metall würden sich bei den ungewöhnlich grossen Auflagen bald abnutzen, und Abzüge aus verschiedenen Theilen der Auflage würden merklich von einander abstechen. Besonders gross scheint der Umsatz in Abreisskalendern und Wechsel formularen zu sein. Von beiden Drucksachen, die immer auf grösseren, Bogen zusammengedruckt und später auseinander geschnitten werden, lagen " ganz bedeutende Mengen auf Tischen und am Boden. Vier hydraulische Pressen von Karl Krause in Leipzig sorgen für Beseitigung der „Schattirung.“ Bessere Arbeiten, zu welchen man hier Geschäftsbücherfolien stets rechnet, werden einzeln zwischen Glättpappen gelegt und eingepresst. Auf diese Weise verschwindet das vom Druck zurückgebliebene Relief so vollstärdig, dass z. B. Schreiber dieser Zeilen (Buchdruckfachmann),’ gedruckte Querlinien nicht mehr von gezogenen unterscheiden konnte.