Volltext Seite (XML)
1126 PAPIER-ZEITUNG. No 33. Jubelfeier. Am 3. August beging die Eichberger Papierfabrik im Hirsch berger Thal den Tag ihres 50jährigen Bestehens. Die Besitzer, Herren Richard und Georg von Decker, hatten zahlreiche Einladungen ergehen lassen, und um 3 Uhr Nachmittag versammelten sich vor dem Schloss die Geladenen, unter welchen sich der Kreislandrath, Geh. Regierungsrath v. Hoffmann und der Direktor der Reichsdruckerei, Herr Geh. Ober- Regierungsrath Busse, befanden, nebst der Decker’schen Familie. Inzwischen kam der Festzug von mehr als 400 Arbeitern unter Führung der Musik des fünften Jäger-Bataillons, voran ein Häuflein von 5 Personen, mit faltigem Gesicht und grauweissem Haar: die Veteranen der Fabrik. Eine vorgetragene Tafel besagte, dass sie länger als 35 Jahre in Diensten der Anstalt standen. Die zweite Tafel lautete: „Länger als 30 Jahre: 13 Personen“, dann „länger als 25 Jahre: 28“, Länger als 20 Jahre: 97“, „Länger als 10 Jahre: 193“ und endlich „Kürzer als 10 Jahre: 165 Personen“. Aus diesen Zahlen könnte man schliessen, dass von einer „veränderungssüchtigen, nicht sesshaften Fabrikarbeiter - Bevölkerung" wenigstens in Eichberg nicht die Rede ist. Vor der Fabrik angelangt, nahmen die Arbeiter angemessene Aufstellung, und der Werkführer der Fabrik, Herr Gustav Goy, richtete an die Besitzer eine kurze Ansprache, welche Herr Rittmeister Richard von Decker mit einem Hoch auf sämmtliche Arbeiter beantwortete. Dann setzte sich der Angaben sind häufig kleine anekdotenhafte Züge verwoben, die mit einem Schlag das Charakterbild der erwähnten Person erhellen und den Leser zu lebhafter Antheilnahme veranlassen. So wird trotz der peinlich sach gemässen Darstellung das Bild des intelligenten geschäftsklugen Breslauer Goldschmieds Kiessling, der den ersten Gedanken zur Gründung der Fabrik fasste, und des biederen Apothekers Schlöffel, der seine technischen und chemischen Kenntnisse dazu hergab, sehr lebendig. Wohlthuend berührt es. wenn man aus der Festschrift ersieht, dass ganze Generationen ihr Schicksal mit dem der Fabrik verknüpft haben. So wurde z. B. Carl Louis Krieg im Jahr 1837 als Buchhalter angestellt. Er rückte 1852 zum Direktor auf, liess seinen Sohn als Papiertechniker ausbilden, und seit 1862 ist dieser, Herr Otto Krieg. Direktor der grossgewordenen Fabrik Die erste Sozietät Kiessling & Schlöffel wurde durch Ausscheiden Schlöffels schon 1846 gelöst. An Stelle des letzteren trat nun Johann Andreas Bock, ebenfalls Apotheker. Aber auch die Firma Kiessling & Bock bestand nicht lange. Eine der besten Kunden der Fabrik war damals die Königliche Geheime Oberhofbuchdruckerei (R v. Decker) in Berlin. Das Eichberger Fabrikat fand bei derselben so grossen Beifall, dass sie schliesslich durch ihre Aufträge fast die ganze Produktion in Anspruch nahm. Das führte naturgemäss dazu, das Rudolph von Decker 1852 die Fabrik als Eigen thum erwarb. Seitdem ist die Fabrik im Besitz der Familie von Decker geblieben. Nach dem Tode Rudolph von Decker s kam sie an dessen drei Söhne, Richard, Georg und Gustav von Decker, von denen Zug, vermeint durch die Herren und Damen aus dem Schloss, wieder in Bewegung nach dem eigentlichen Festlokal, dem grossen Papier-Sortirsaal der Fabrik Unter einer Büste des verewigten Herrn Rudolph v. Decker war eine kleine Rednerbühne aufgeschlagen, die nach Absingung eines Chorals zuerst von dem Landrath Herrn v. Hoffmann betreten wurde. Derselbe gab eine Darstellung der Entwickelung der Fabrik, rühmte das gute Einvernehmen zwischen Inhaber und Arbeitern und schloss mit einem Hoch auf seine Majestät den Kaiser. Darauf schilderte Herr Fabrikdirektor Krieg in klarer, kerniger Rede die Bedeutung der Eichberger Industrie für die dortige Gegend, die Wohl fahrts-Einrichtungen der Fabrik und die Erfolge, welche die wohlwollende Leitung in der Heranbildung tüchtiger, besonnener und sparsamer Arbeiter erzielt hat. Er endete mit einem Hoch auf fernere erspriessliche Zusammen arbeit und das Gedeihen der Fabrik. Zum Schluss sang die Versammlung „Nun danket alle Gott“, und dann ging es an die im Fabrikhof aufge schlagenen Tafeln zum Festessen. Hierbei wurde zunächst die Festschrift vertheilt, von welcher jeder Arbeiter ein Exemplar erhielt. Auch die Musik war nicht unthätig, besonders bei dem auf das Essen folgenden Tanz, der die ganze Gesellschaft bis nach 12 Uhr beisammen hielt. Am andern Morgen 6 Uhr begann die Fabrik wieder ihre geregelte Thätigkeit. Die erwähnte uns vorliegende Festschrift kann nach Form und Inhalt als Muster einer gediegenen Fabrikgeschichte gelten. In Quartformat auf prachtvolles kräftiges Büttenpapier von der Reichsdruckerei in edler Schwabacherschrift gedruckt, mit starkem Umschlag aus Granitkarton ver sehen, macht sie schon äusserlich einen vornehmen und gediegenen Eindruck. Die Ausführung ist des kostbaren Stoffes würdig, ein treffliches Beispiel für die Leistungsfähigkeit der Reichsanstalt. Zwei Lichtdruckbeilagen, wahr scheinlich auch in der Reichsdruckerei hergestellt, erläutern den Text. Die erste giebt Zusammenstellung von Brustbildern der Begründer und Vor besitzer, der jetzigen Inhaber und Geschäftsleiter, die andere eine Ansicht der Fabrik vom Jahre 1868. Die allmälige Entwickelung des Eichberger Fabrikbetriebes ist in ein facher, auch dem Arbeiter verständlicher Sprache geschildert, in jenem klaren Stil, der leider nur Wenigen eigen ist. In die rein geschichtlichen der letztere 1881 ausschied. Während die Fabrik zur Zeit ihrer Er richtung mit einer Papiermaschine, 3 Wasser rädern und 6 Holländern arbeitete, hat sie heute 2 Papiermaschinen, 2 Schöpfbütten für Handpapiere, 3 Turbinen, 10 Dampf maschinen und 20 Holländer, von welchen 10 die doppelte Grösse der früheren haben, eigne Gasanstalt u. s. w. 160 männliche und 200 weibliche Arbeiter bilden den Durchschnitt des gegenwärtigen Personen bestandes. Die Ausdehnung der Anstalt ist aus dem hier beigefügten Bilde zu er kennen. Die Jahres - Erzeugung beträgt etwa 40 000 Centner Papier aller Gat tungen, von welchem die Nachfolgerin der v. Decker’schen Kgl. Geh. Oberhofbuch druckerei, die Deutsche Reichsdruckerei, noch immer bedeutende Posten bezieht. Aus der Zunftzeit. Wir erhielten von einem alten Papier macher folgende liebenswürdig - drollige Zuschrift, welche auf die in Nrn. 30 und 31 enthaltenen Mittheilungen aus Happels Relationes curiosae Bezug hat: Mit Gunst, grossgünstige Meister und Gesellen! Ich fühle mich veranlasst, auf das von Herrn Boesch aus Happel Niedergeschriebene, was für Leute zur Papiermacherei gehört haben. Folgendes zu sagen: Es ist falsch, dass der Büttenarbeiter Büttenknecht genannt wurde, sondern er hiess Büttgesell. Büttenknecht wurde der hölzerne Formenhalter genannt. Wenn der Büttgesell dem Gautscher die Form mit Bogen zugeschoben, wurde diese an den Formenhalter gelehnt, damit der Bogen, während der Gautscher den Filz auf dem Bogen schwenkte, etwas ablaufen konnte. Als Knechte wurden in der Papier macherei nur abgerichtete Holländermüller bezeichnet und zwar mit dem Wort „Hausknecht“. War dieser Posten durch einen Gesell besetzt, so wurde derselbe „Mühlbereiter“ genannt. Es geht schon daraus hervor, dass kein Gesell Knecht genannt werden durfte, da in der Zunft alles Knechtische verboten war; kein Sohn eines Hirten und Scharfrichters konnte lernen, auch durfte kein Papiermacher eine Tochter von Besagten heirathen. Vor etwa 60 Jahren, als die Stampfer und Glätter ihre Zunft gebräuche anfingen zu beschränken und sich Fabrikanten nannten, konnte' auch lernen wer wollte und heirathen nach Gefallen, was aber den alten Handwerksbrüdern nicht recht war. So hatte bei meinem Vater ein Schäferssohn 1835 schon 2 Jahre gelernt, als ihm von Jemand gesagt wurde, dass er als Schäferssohn, wenn er in die Fremde käme, nicht geachtet würde, und da ist er infolgedessen abgegangen. Ich schreibe dieses nieder nur „von wegens Handwerk“. Mit Gunst! Merseburg. H. Hertel. Lichtempfindlichkeit der Holzpapiere. Einen augenfälligen Beweis für die verderbliche Einwirkung des Lichts auf geringe Druck papiere liefern die tragbaren Auslagen der Berliner Zeitungsverkäufer Die wandernden Händler suchen rasche Uebersicht der vorräthigen Zeitungen dadurch zu erzielen, dass sie alte Einzelnummern auf einem Gestell so vereinigen, dass die Köpfe der verschiedenen Blätter deutlich sichtbar sind. Diese Zusammenstellung bleibt oft mehrere Monate unberührt und wird bei dem langen Aufenthalt des Verkäufers auf der Strasse kräftigster Einwirkung des Sonnenlichts ausgesetzt. Nach einiger Zeit verwandelt sich da? im Anfang ziemlich reine Weiss in erdfarbiges Gelb, später sogar in Braun, und die anfangs so frischen Zeitungsblätter bekommen das Aus sehen vertrockneter Mumien.