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Buchgewerbe. Druckindustrie, Buchbinderei, Buchhandel. Sachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme, Mitarbeiter und Korrespondenten erhalten angemessenes Honorar. Eingesandte Werke finden Besprechung. Kopfleisten. In dem Aufsatz »Buchausstattung der Gegenwart« wurden auf Seite 105 Form und Ausführungsart von Kopfleisten eingehend be sprochen. Eine dort schon erwähnte, ausdrucksvolle Form ist die Kopfleiste mit oberer Ausbuchtung. Sie schliesst sich der rechteckigen Form der Seite gut an, bietet aber zugleich auch eine Art Bekrönung, welche bei einem Sinnbild des oberen Abschlusses gut am Platz ist. Von solchen Kopfleisten bringen wir heut zwei Beispiele nach Originalzeichnungen unseres Mitarbeiters Albert Hoffmann. Die Or namente 'sind im Stil deutscher Renaissance gehalten, unter enger Anlehnung an die wirkungsvolle Manier, welche Heinrich Aldegrever bei seinen zahlreichen ornamentalen Arbeiten anwendete. Bei Ausführung für die Praxis würde es sich empfehlen, den hier dunkel gehaltenen Hintergrund durch Aufsetzen enggereihter weisser Punkte, in sogenannter »Schrotmanier« aufzulichten, damit die Leisten nicht zu schwer wirken. Die Mittelformen beider Leisten können, unter Weglassung der zweiten, in Voluten, aufgerollten Rankenpaare, auch als Vorlage für Vorder- und Rückseite eines in Lederschnitt auszuführenden Geld täschchens benutzt werden. Leipziger Buchgewerbe. Herr Dr. Oskar von Haase machte bei Gelegenheit der letzten Hauptversammlung der Deutschen Ingenieure in Leipzig über den gegenwärtigen Stand der für den Buchhandel arbeitenden gewerb lichen Anstalten Leipzigs folgende interessante Mittheilungen. Die Bedeutung des dem Buchhandel dienenden Druckgewerbes in Leipzig beruht hauptsächlich auf seiner Leistungsfähigkeit, der grossen Zahl geschulter Arbeiter, dem massenhaften und vielartigen Schriftenmaterial, den Maschinen und Nebenapparaten, wie sie die grossen Gesammtgeschäfte und Lohn- druckereien bieten, sodann aber in der Pflege einer Reihe von Spezialitäten. So ist Wilhelm Drugulin, früher Fr. Nies und Carl B. Lorck, im fremd sprachigen Satz und ornamentirten Druck rühmlich bekannt, Giesecke & Devrient für Werthpapierdruck und Herstellung vielfarbiger Landkarten, C. G. Naumann für kaufmännischen Accidenzdruck, Fischer & Wittig für Illustrationsdruck, desgleichen für guten Werkdruck Bär & Hermann, Otto Dürr, A. Th. Engelhardt, Grimme & Trommel, C. L. Hirschfeld, G. Kreysing, Julius Mäser, Metzger & Wittig u. A. mehr. Auch die Hilfsgewerbe sind kräftig entwickelt. Die Schriftgiesserei hat zwar ihren Hauptplatz in Frankfurt a. M. behalten, doch ist die von J. G. Scheiter & Giesecke den bedeutendsten ebenbürtig, auch C. A. Kloberg u. A. leisten Tüchtiges; eine Specialität betreiben Zierow & Meusch, die sich auf Messinglinienfabrikation für Buchdruck beschränken. Der wissenschaftliche Holzschnitt wird in erster Linie von J. G. Flegel, der künstlerische Facsimileholzschnitt von Kaeseberg & Oertel gepflegt. In der Lithographie für wissenschaftliche Zwecke zeichnet sich J. G. Bach (Jul. Klinkhardt) aus, eine grosse Bedeutung haben die selbständig für den Weltverkehr arbeitenden Farbensteindruckereien von Meissner & Buch, Wezel & Naumann, Eschebach & Schäfer gewonnen; als selbständige Kartographen sind H. Wagner und E. Debes zu nennen. Die Zinkographie und Lichtdruckerei aller Art hat noch nicht genügende Vertretung gefunden, wenn auch eine Anzahl von Firmen, R. Los, 0. Schoenert, Ed. Graebier, G. H. Boulton u. A., ganz Ordentliches bietet. Mächtige Entwickelung hat seit Mitte des Jahrhunderts die Buch binderei als Massenerzeugung und in künstlerischer Beziehung in Leipzig erfahren. J. F. Bösenberg begann, Heinrich Sperling führte den Dampf betrieb ein, ihnen folgte J. R. Herzog, sodann Gustav Fritzsche, der rasch vorwärts strebend sich die grosse kunstgewerbliche Bewegung in Deutsch land besonders zu Nutze machte. Neben diesen grossen Geschäften, welche Leipzig zu einem Hauptplatz für die deutsche Buchbinderei gemacht haben, ist unter vielen Anderen noch Joh. Mauls (Julius Hager) als Vertreters guter Buchbinderkunst zu gedenken, sowie der Graviranstalten des Platzes. Das Leipziger Papiergeschäft ruht hauptsächlich in den Händen der in Sachsen selbst arbeitenden Firmen Ferd. Flinsch und Sieler & Vogel, daneben ist seit neuerer Zeit die rührige Handlung von B. Sigismund, sowie die grosse Buntpapierfabrik von Gustav Najork & Praetorius zu nennen. Die Maschinenindustrie für das Buchgewerbe hat in Leipzig erst neuer dings Bedeutung gewonnen; für den Bau von Schnellpressen sind die Fa briken Ph. Swiderski und Schmiers, Werner & Stein hervorzuheben; die selben haben ihre Verdienste seit 1867 bezw. 1869 hauptsächlich im Bau lithographischer Schnellpressen, welche an Stelle der bisher von G. Sigi in Wien gelieferten und zuerst von C. G. Röder eingeführten traten; da gegen haben alle auswärtigen Schnellpressenfabriken hier ihre Agenturen. Für Buchdruck herrschen in Leipzig die Schnellpressen von König & Bauer in Oberzell bei Würzburg; aus der Fabrik des Erfinders Friedrich König, welcher in Leipzig 1790—94 im Breitkopf’schen Geschäft gelernt und noch an der seit Gutenberg wenig veränderten hölzernen Presse, welche erst 1800 durch die eiserne ersetzt wurde, gearbeitet hatte. Die König- sehe Schnellpresse, im Jahr 1814 zuerst für die Times in London ver wandt, 1826 zuerst durch F. A. Brockhaus nach Leipzig gelangt, hat sich dort bei der Eigenart des Leipziger Verlags langsam verbreitet, so dass im Jahr 1840 in Leipzig mit 10, in Stuttgart mit 30 Schnellpressen ge druckt wurde. Seitdem hat sich, als in den Gründerjahren König & Bauer nicht genügend liefern konnten, die Augsburger Maschinenfabrik guter Aufnahme zu erfreuen gehabt. Der rasche Aufschwung der Buchdruckerei hat seitdem ungezählte Spielarten dieser Maschinen gefördert, bis zur Mehrfarben-Rotations-Maschine für Druck auf endloses Papier, sowie zu leider verwickelten Setz- und Ablegemaschinen, Giesskomplettmaschinen u. dergl. mehr. Eine Specialität als Maschinenbauer hat Karl Krause, welcher Maschinen aller Art für die Buchbinderei baut. Als Beweis für die überlegene Leistungsfähigkeit Leipzigs gegenüber der Reichshauptstadt erwähnte der Herr Vortragende auch die That- sache, dass die grossen Modezeitungen Berlins, ebenso wie die beiden dort erscheinenden illustrirten Zeitschriften in Leipzig gedruckt werden. Die Veranlassung zu dieser Auswanderung der Druck-Aufträge liegt indess weniger in der geringeren Leistungsfähigkeit der Berliner Buch druckereien, als vielmehr in der grösseren Anspruchslosigkeit der Leipziger Arbeiter, welche den Geschäftsleitern ermöglicht, billigere Preise zu stellen. Bei der Herstellung grosser Zeitschriften spielt die Preisfrage eine so bedeutende Rolle, dass man es den Verlegern nicht verargen kann, wenn sie bei gleichen Leistungen das billigere Angebot vorziehen. Stiftung eines Verlegers. Herr William Galignani, in Firma Gebrüder Galignani, vermuthlich Gründer und Herausgeber der in Paris erscheinenden englischen Zeitung »Galignani’s Messenger«, hat testamentarisch unter dem Namen »Maison de Retraite, Galignani Freres« eine Heimstätte für 100 männ liche und weibliche Personen gestiftet. Fünfzig derselben sollen ein Jahrgeld von 500 Francs zahlen, und fünfzig Freiplätze sollen folgendermaassen vertheilt werden: Zehn an alte französische Buchhändler oder -Drucker, deren Wittwen oder Töchter nach Bestimmung des »Cercle de la librairie et de l’imprimerie« (Verein der Buchhändler und -Drucker). Zwanzig an französische Gelehrte, deren Väter oder Mütter, Wittwen oder Töchter nach Bestimmung der »Socit de secours des amis des Sciences fonde par le baron Thenard« (Wohlthätig- keitsverein der Freunde der Wissenschaft, gegründet von Baron Thenard). Zwanzig an französische Schriftsteller oder Künstler, deren Väter oder Mütter, Wittwen oder Töchter nach Bestimmung »de l’Institut de France, sections de 1’Academie franaise et des Beaux-Arts« (Academie franaise und Academie des Beaux-Arts sind Zweiganstalten der Gesammtakademie in Paris). Die hundert Insassen sollen jeder ein geheiztes Zimmer und einen Nebenraum erhalten, die Mahlzeiten sollen in besonderen Zimmern eingenommen werden, jedoch so, dass beide Geschlechter getrennt bleiben. Auch eine Kapelle und ein Lesesaal mit Bibliothek soll den Bewohnern zur Verfügung gestellt werden. Alle durch die drei erwähnten Gesellschaften gemachten Ernen nungen sollen in deren Blättern veröffentlicht werden, jedoch nur mit den Anfangsbuchstaben der Namen der aufgenommenen Personen. Zur Aufnahme ist äusser vorstehend genannten Erfordernissen ein Alter von 60 Jahren, sowie grosse Achtbarkeit und Sittenreinheit vorausgesetzt. Wer eine Freistelle erhalten will, muss sein Zimmer ausstatten, seine persönlichen Ausgaben bestreiten und Heizung und Beleuchtung bezahlen. Die Anstalt ist im Bau begriffen.