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No. 33. PAPIER-ZEITUNG. 1129 Zeitungsartikel nach und nach vorgehen, so hätte ein solcher Versuch, auch die Tagespresse für die Antiqua zu erschliessen, sicherlich die Aussicht des Gelingens für sich, während so sich jeder Zeitungsbesitzer, trotz der ihm erwachsenden Vortheile scheut, damit den Anfang zu machen. Ver- mochte doch auch im Werkdruck die in den 70er Jahren eingetretene lOprozentige Erhöhung des Antiquasatzes, welche allerdings einen Kück schlag befürchten lassen konnte, den Gang der weiteren Antiqua-Verbreitung nicht aufzuhalten. Doch kehre ich nunmehr wieder zum Accidenzdruck zurück, so kann ich aus meiner eigenen Praxis hinzufügen, dass trotz vorhandener Fraktur schriften im Jahre 1876 von 8929 Aufträgen nur 163 in Frakturlettern ausgeführt wurden. Wenn diese Verhältnisse sich seit dieser Zeit wohl noch mehr zu Gunsten der Antiqua gewendet haben mögen, so folgt daraus, dass die Antiquafrage für den Accidenzdruck so gut wie gelöst ist. Frei lich darf dabei nicht äusser Acht gelassen werden, dass gerade dieser Ge schäftszweig es verlangt, schneller und öfter als der Werkdruck der Mode und ihren Launen zu folgen. Hauptsächlich für den Handel arbeitend, fühlt man doch gerade jetzt in unseren grösseren Accidenzdruckereien, wie unser Vaterland be strebt ist, sich den Export zu erschliessen. Da nun die Majorität zu Gunsten einer Minorität sich nicht den deutschen Schriftzeichen anbequemen wird, so folgt daraus, dass in diesen Kreisen wohl die Fraktur, aber nicht die Antiqua zu entbehren ist, und es hiesse die Interessen des Handels schlecht wahren, diese dem Ausländer ungewohnte, ja missliebige Schrift form ihm endlos ad oculos zu demonstriren. Wir begegnen hier derselben Rücksicht, welche der Buchhandel bei allen nicht allein auf das deutsche Publikum berechneten Büchern schon seit langer Zeit nimmt. Dem Absatz im Ausland zum Gefallen werden hier alle die von den Frakturfreunden angeführten Bedenken dem deutschen Leser gegenüber einfach ignorirt, warum also auf halbem Weg stehen bleiben und die Produktion eines so wichtigen, der Wissenschaft, der Kunst und dem Handel gleich un entbehrlichen Gewerbes wie das der Buchdruckerkunst absichtlich hemmen und länger unterbinden, als unumgänglich nothwendig ist? Bei dem Umstand ferner, dass sowohl die Stempelschneider als auch die Schriftgiesser im wohlverstandenen eigenen materiellen Interesse in den letzten Jahrzehnten die Frakturschriften ganz vernachlässigt haben, wird man von selbst auf die kunstgewerbliche Seite der Antiquafrage hingelenkt. In dieser Beziehung heisst es im Journal für Buchdruckerkunst, Jahr gang 1883, im Artikel: „Fürst Bismarck und die Antiquaschrift“ (von un serm Mitarbeiter A. H. — D. Red.) sehr richtig „Der Widerstreit zwischen Fraktur und Antiqua ist nämlich ganz analog dem zwischen Gothik und Renaissance. Bei aller Berechtigung, welcher wir der Gothik als Stilart (nicht aber als nationalem Stil, denn sie war bekanntlich fast allen euro päischen Kultur-Völkern gemeinsam) in der Gegenwart zuerkennen, dürfen wir uns doch der Ueberzeugung nicht verschliessen, dass die allgemeine Strömung jetzt der Renaissance zudrängt. Sobald nun dieser Stil der herrschende geworden — in der Typographie ist er es nahezu — wird auch ein verfeinerter Geschmack die eckigen, knorrigen Formen der Fraktur aus der Nähe der schön gerundeten Renaissance-Ornamente verbannen und der Antiqua, resp. der Mediaeval sich zuwenden.“ Nicht unerörtert mag ferner hierbei bleiben, dass namentlich bei Werken gemischten Satzes die Antiqua durch die Kursiv und das leider nicht zu umgehende Sperren der einzelnen Worte eine ungleich grössere, die Harmonie des Satzbildes nicht durch halbfette Schriftcharaktere beein trächtigende Abwechselung bietet. Wem wäre nicht aus früherer Zeit der Versuch einer liegenden Fraktur abschreckend in Erinnerung, der gerade als so misslungen sich herausgestellt hat, wie die neueste Berliner Frakturschrift (Pap.-Ztg. Jahrg. 1884, Seite 1284) oder die zur Zeit der Mediaeval-Epoche versuchte Reproduzirung alter Frakturtypen? Aus diesen und mannigfachen anderen Gründen sollte daher jeder Gebildete für seine Person nach Möglichkeit zur Wiedereinführung der Antiqua auch dadurch beitragen, dass er sich beim Schreiben nur der latei nischen Schriftart bedient. Freilich soll dabei nicht verschwiegen werden, dass gerade diese die Gefahr der Unleserlichkeit vielleicht mehr in sich birgt als die Fraktur. Aber davor zu schützen vermag auch die letztere nicht, denn in erster Linie wird wohl hier wie dort in der dabei herrschen den Eile die Hauptursache zu suchen sein. Da es sich aber für den Buch drucker — mit Ausnahme der Schule etwa ist Niemand so sehr wie dieser Stand an endlicher Lösung der Antiquafrage interessirt — nicht um die Handschrift, sondern um die Druckschrift handelt, so ist es von demselben doppelt freudig zu begrüssen, dass vor kurzem ein „Verein für Latein schrift“ sich gegründet hat. Möge in Folge seiner Wirksamkeit das jetzt herrschende Quodlibet bis zur allgemeinen Durchführung der Antiqua nach Möglichkeit sich verkürzen. „Die Zukunft gehört unter allen Umständen der Antiqua. Wozu da noch für eine Spanne Zeit aus falsch verstandener Pietät an der dem Aus sterben geweihten Fraktur festhalten wollen?“ Also schliesst ein das gleiche Thema behandelnder Artikel Carlos von Gagern in der Deutschen Schriftsteller-Zeitung, und zu einer solchen Wandlung sollte in erster Linie jeder Buchdrucker sein Theil beitragen. Internationaler Wettstreit in Brüssel. Der Cercle de la Librairie in Brüssel bereitet für den von uns schon mehrfach erwähnten Wettstreit ein Prachtwerk vor, in welchem alle gegenwärtig in Belgien zur Anwendung kommenden Typen auf besten belgischen Papiersorten zur Anschauung gebracht werden sollen. Belgische Schriftsteller werden dazu Originalbeiträge liefern, so dass der Text nicht minder interessant zu werden verspricht, wie die Ausstattung. Von dem Werk soll nur eine kleine Zahl numerirter Exemplare hergestellt und zum Preise von je 150 Franken verkauft werden. Schriftgiesserei-Neuheiten. Die-Bauer’sehe Giesserei in Frankfurt a. M. hat das Fort setzungsheft Nr. 8 ihrer Schriftproben herausgegeben. Dasselbe ist mit jener gediegenen Pracht ausgestattet, welche den Proben- Ausgaben der grösseren deutschen Giessereien eigenthümlich ist und sie gleichzeitig zu Musterleistungen von Satz- und Druck technik macht. Naturgemäss gipfeln die Bestrebungen nach guter Wirkung in der Ausstattung des Umschlags, welcher hier in 4 Farben und Gold auf braunem Naturkarton ausgeführt ist. Der Inhalt des Heftes zeigt, dass die Aufmerksamkeit der Firma besonders auf Vervollkommnung und Ergänzung von Werk- und Auszeichnungsschriften gerichtet ist, von welchen erstere sämmtlich auf sogenannten Komplettmaschinen gegossen werden. Diese Maschinen liefern bekanntlich gebrauchsfertige Schrift, während die Erzeugnisse von Giessmaschinen gewöhnlicher Art erst eine längere Behandlung durchmachen müssen, bevor sie zur Ablieferung fertig sind. Die Frakturschriften der Firma fanden Vermehrung durch den Colonel-Grad (7 Punkt) der so genannten „Kanzler-Fraktur“, einer klaren, leserlichen Werk schrift mit ziemlich grossem Auge, welche somit für Zeitungs druck besonders geeignet erscheint. Von Antiqua-Werkschriften bringt das Heft als siebente Garnitur eine „Neue schmale Antiqua“, die trotz ihrer schlanken Formen keineswegs ängstlich gedrückt erscheint. Besondern Beifall verdient die „Neue Mediaeval mit Cursiv“, welche in den Graden Nonpareil bis Cicero vorliegt. Die beiden Schriften sind breit, klar und kräftig und vereinigen die Vorzüge eleganten englischen Schnitts mit der charakter vollen Bestimmtheit der französischen Werkschriften. Am wirksamsten treten diese Vorzüge in der Cursiv vor, in welcher bis auf wenige befremdliche Formen, z. B. das allzu gerade stehende w wohlthuendes Gleichmass herrscht. Diese Cursiv ist nach unsrer Ansicht eine der schönsten bis jetzt geschnittenen Schriften dieser Art, und wir nehmen gern Veranlassung, sie als Textschrift dieses Aufsatzes nebst der zugehörigen Antiqua unsern Lesern zu zeigen. Von den zahlreichen, im Heft enthaltenen Auszeichnungs schriften sind „Breite halbfette Aid ine“, „Neue Egyptienne“, , Verzierte Gothisch “ und die grösseren Grade von „Accidenz- Gothisch“ eigene Erzeugnisse der Firma. Die übrigen Ergän zungen gehören meist dem Mediaeval-Reich an und tragen der zunehmenden Vorliebe für diese Schriftart in angemessener Weise Rechnung. Eine Reihe von Zeugnissen bekannter Druckereien, welche den Proben vorangestellt sind, belegen die in Fachkreisen allgemein bekannte Thatsache, dass der „Kom- plett-Guss" in keiner Weise dem gewöhnlichen Guss nachsteht. Briefumschläge. Dass irgend eine bestellte Arbeit als „Makulatur“ gedruckt wird, kommt auch in der bestgeleiteten Druckerei vor. Wird der Fehler noch vor Ablieferung bemerkt, so hält der gewissenhafte Buchdrucker die Auflage zurück, sorgt für neuen fehlerlosen Druck und sucht das Papier der verunglückten Auflage so gut es gehn will zu verwerthen. Wenn der Kopfdruck für Briefumschläge von diesem Missgeschick betroffen wird, so ist der Schaden wegen des ziemlich bedeutenden Stoff werths besonders empfindlich. Kleinere Druckereien suchen dann wohl die Umschäge selbst zu benutzen, indem sie ihre Firmazeile auf ähnliches Papier drucken und in schmalen Streifen auf die fehlerhafte Zeile kleben. Dies sieht aber immer etwas armselig aus und macht keinen guten Eindruck. Auf eigenthümlich geschickte Art hat sich kürzlich in solchem Fall ein Provinzdrucker geholfen, dessen Verfahren die „Typogr. Jahrbücher“ beschreiben. Er druckte über die fehlerhafte Zeile hinweg eine breite fette Leiste, an welcher einige Verzierungen angesetzt waren, in saftigem Schwarz mit Sikkatif, liess sie gut trocknen, druckte dann seine Firma in fetter Schrift mit Goldfarbe auf, stäubte mit heller Goldbronze ein und erhielt so eine ganz ungewöhnlich reich aussehende Kopfzeile in Gold auf schwarzem Grund. Der Ausweg ist jedenfalls sehr hübsch erdacht, und wir wollen dem findigen Schwarzkünstler nur wünschen, dass die Deutsche Reichspost gegen seine goldschimmernden Brief-Umschläge nichts einzuwenden hat. Die Dummen und die Todten ändern ihre Ansicht niemals.