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Ameritanisch-cnglische Einigung in Sich, Paris, 14. Dezember. .Radio" melde, aus Washington, daß man in amerikanischen politischen Kreisen der Ansicht sei, daß zwischen Amerika und England eine Einigung in der Frage sei Verrechnung der amerikanischen Ansprüche herbeigesührt werden wird. Die amerikanische Regierung sei bereit, mit de Rückzahlung der Bcsatzungskosteu länger als 1v Jahre zu warten Der Krieg in Marokko. — Abd el Krim gefangen. London, 14. Dezember, über den Krieg in Marokko wird aus Madrid gemeldet, in Melilla gingen Gerüchte um. daß Abd el Krim gefangcngcnommen worden sei. Indessen s:nd diese Gerüchte von m Behörden noch nicht bestätigt worden Mehrere Dampfer .w nach Larra'ck und Melilla gesandt worden, nm die I: . resllassc 21 zurmJubcsördern. China vor dem Ausbruch eines neuen Bürgerkrieges Ncwyorh 14. Dezember. Tic Lege in Kiangsu ist ani das äußerste gespanni. Tjchangtsolins Truppen sind aui dem Marsche nach Schanghai und haben bereits die Stadl Tcffckau bei Tientsin passiert. Kiangsu und andere Provinzen haben Truppen gegen Tschang ausgcbolen. Man befürchtet den Aus btiuch eines neuen Bürgerkrieges. Vom UNglZNbigsn ThgMÄS Mö anderen MMLrislen. Auch ein Eroßstadtbild. Von Martinus Michel. Auch Häuser haben ihre Seelen, selbst wenn sie in jener Steinwüste stehen, die der gebildete Berliner W. W. nennt. Durch unser Haus zog vor dem Kriege ein Hauch alt- preuszischer Zucht und Ordnung. Der Wirt mit langer Pfeife und gesticktem Käppchen schlürfte in Filzschuhen über den Hof und hob den Krückstock drohend gegen Buben und Mädels, die lärmten und tollten oder gar Apfelsinen schalen achtlos beseite warfen. Tag und Nacht brannte das Feuer unter Hebung und Warmwasserversorgung, Fenster und Türen waren dicht, und der Mieter zitterte, wenn er «m Ersten den Zins nicht zahlen konnte. Schwarz-weiß- rote Fahnen wehten am 27. Januar von jedem Balkon und in jedem Fenster brannten vier Kerzen. Jetzt ist es anders geworden. Unser alter polternder Hausvater ist tot. Der neue Besitzer sitzt irgendwo in Lon don oder Warschau und die Erund- und Bodengesellsbafr. die seinen sauber erschobenen Besitz verwaltet, beschränkt ihre Tätigkeit auf Ausstellung von Mietsquittung auf mehr oder minder vornehmen Kopfbogen. Inzwischen fällt der Putz und die Farbe von den Wänden, das Dach leckt wie ein Sieb und um Heizung und Warmwasserversorgungen zanken sich Pförtner und Mieterrat. Denn die walten über unser Schicksal als Errungenschaften der glorreichen Revo lution. Die schwarz-weiß-roten Fahnen sind längst zer schnitten und anderer Geist geht durch unser Haus. Kein Wunder, ich gelte als räudiges Schaf. Wenn an der Haustür die Jünglinge aus dem Hochparterre mit Hitlermützen und Hitlerjacken, aber mit schwarz-rot-golde- nen Armbinden und Rosetten an mir vorüberstreifen, dann schießen sie finstere Blicke, und die Zeitungsfrau überreicht mir mit offensichtlicher Geringschätzung die nationale Zei tung, während sie meinem Nachbar das „Berliner Tage blatt" in den Kasten steckt. Ich seufzte. Da kichert und wispert es in den Ecken: Die Hausgeister: „Nimm's nicht so schwer. Sie sind gar nicht so schlimm, unsere Berliner! Sie machen es nur mit, weil es Mode ist." Sollten sie recht haben? Unten im Erdgeschoß, in der Kneipe, geht es oft hoch her. Droschkenkutscher und Arbeiter vom nahen Bau verkehren dort. Der dicke Budiker schenkt ein kräftiges Bier und einen ordentlichen Schnaps. Da wird scharf ge zecht und tapfer gesungen, nicht etwa Lieder zum Schutz und Trub nein, zu meiner Schande muß ich gestehen, meist Weisen, die sich nicht für zarte Ohren eignen oder gar die Internationale. Und erst mit der Polizeistunde verlassen die letzten Gäste, mehr oder minder erschüttert, das Hinter- zimmer -es „Gemütlichen Schsvpens". Komme ich dann selber — Gott sei dank, es geschieht selten — erst nach Hause und gar in Uniform, dann klammert sich meine Frau ängstlich an mich und will einen großen Bogen macken. Ich aber schreite unverzagt fürbaß, denn ich weiß, sobald ich auf acht Schritte heran bin, ertönt von einer scharfen Stimme das Kommand.-: „Augen rechts'" Und die Hände fliegen an die Mützen s JIus unserer Heimat 1 Wilsdruff, am 16. Dezember 1924. Merkblatt für den 18. Dezember. Sonnenaufgang 8» I! Mondaufgang 8^ N. Sonnenuntergang 3" ss Monduntergang 11" V. 1742 Gebhard Leberecht Fürst Blücher von Wahlstatt in Rostock geb. — 1770 Ludwig van Beethoven in Bonn geb. — 1915 Zusammenbruch der vierten italienischen Jscmzo- osscnsivc. * Rauhreff — Schnee. Ter Winter entfaltete gestern und vorgestern während des ganzen Tages eine märchenhafte Schön heit, in welcher wir ihn leidere nur zu wenig schauen. Rauh- reif! Die Bäume des Laub- und Nadelwaldes, jede Masche der Zäune, Gräser und Strauchwerk waren dicht behangen mit den zarten Kristallen. Wie ein Märchen aus „Tausendundeiner Nacht" wirkte das prächtige Wmterbilö. Das Regiment des Winters kann prachtvolle Eindrücke hervvrzaubern und ist schön genug, sich die Menschen zum Freunde zu machen. Heute hat die Kälte merklich nachgelassen und der Himmel ist grau in grau überzogen Schon tanzten am Morgen weiße Flocken zur Erde nieder und der Anfang zu emem weißen Weihnackten ist ge macht. Hoffen wir das Beste. Silberner Sonntag. Der Weihnachtsengel geht wieder durch die Lande. Leise erfüllt ein stilles Flüstern die Räume. Weih nachtliche Stimmung lag über dem Leben und Treiben am gest rigen silbernen Sonntag, der auch unserer Stadt größeren Besuch der Bewohner aus der Umgebung brachte. Allem Anschein nach war auch der Verkehr in den Geschäften zufriedenstellend. Die meisten Einkäufe werden sich freilich erst im Lause dieser Woche und -m Anfang der nächsten abwickeln. Nun winkt noch der „goldene" Sonntag, hoffentlich wird er auch unseren Geschäfts leuten, die für den Weihnachtseinkauf gerüstet sind wie nie zu vor, zu einem solchen. Einbrecher entfalten in unserer Stadt und in der Umgebung jetzt eine erhöhte Tätigkeit. In der Nacht zum Sonntag sind dieselben in den Stall des Eisenbahnbeamten Müller an der Limbacher Straße eingedrungen und haben zwei Ziegen und zwei Hühner mitgenommen. Die letzteren haben sie an Ort und Stelle abgeschlachtet. Der Hühnrrdieb, der in der Brauerei Herzogswalde in der Nacht zum Freitag 22 Hühner abschlachtete und in Mohorn einen Hahn und sechs Hühner lebend mitnahm, ist am Freitag früh mit seiner Beute in Kesselsdorf in den nach Freital verkehrenden 7-Uhr-Kug eingestiegen und zwar in den vordersten Wagen vier ter Klaffe. Er war etwa 165 bis 170 Zentimeter groß, trug dunklen Uederknöpfer und Klappmütze und befand sich im Be sitze von zwei Säcken; in dem einen waren lebende Hühner. In feiner Begleitung war ein Knabe im Alter von ungefähr sechs Jahren mit dunklem Schal und Zipfelmütze. Wer über den Mann nähere Auskunft geben kann, wird gebeten, dies bei der nächsten Bolizeistelle sofort zu tun, damit dem frechen Burschen schnellstens das Handwerk gelegt und er der verdienten Strafe zugeführt wird. Musikalischer Ünterhaltungsabend des Iungdeutschen Ordens. Am Sonnabed den 13. November lud die Wilsdruffer Bruder schaft des Iungdeutschen Ordens zu einem musikalischen Abend nach dem Gasthof Klipphausen ein. Der geschmückte große Saal bot der weit über 70V zählenden Zuschauermenge genügend Raum. Das inhaltreiche und gut zusammengestellte Programm wurde mit dem Friederftus-M-arsch eingeleitel. Schon mit diesem Stück erwarb sich das bekannte Helbig-Orchester allgemeinen Beifall. Kurze Begrüßungsworte entbot in markiger Weise Bruder Gd- Gesolgsmeister Böhme (Klipphausen). Gesangsvorträgen von Schwester Knips (Dresden), wie „Dem Unendlichen", „Heim weh" und „Mahnung", wurde allgemeines Lob der Anwesenden zuteil. In ausgezeichneter Weise verstand es Bruder Zickler (Dresden), durch mehrere Gedichte die Aufmerksamkeit der An wesenden auf sich zu lenken. Meisterhaftes bot das Helbig-Or chester in der „Ouvertüre 1813", Zwei Fanfarenmärschen, a) Kreuzritterfanfare, b) Fehrbelliner Reitermarsch. Rasender Bei- Produktdnsverhältniffen: Minister Prof. Dr. Popoff (Berlin): sprach Bruder Großmeister Kuhr das Schlußwort, dem der erste und vierte Vers des Deutschlandliedes folgte. -Ein flottes Tänzchen folgte diesen .meisterhaften Darbietungen. S—. 5. Sächsische Landwirtschaftliche Woche. Für die 5. Säch sische Landwirtschaftliche Woche, dir vom 26. bis 30. Januar in Dresden stattfindet, sind noch folgende Redner gewonnen worden: Freiherr v. Richthofen-Boguslawitz: Bodenbearbeitung und Dün gung zur Herbeiführung höherer Erträge; Dr. Georg Felber: Betriebsorganisation und Betriebsführung, unter den heutigen Produktionsverhältnissen; Minister Drof. Dr. Popeff (Berlin)': Saatgutsiimulierung. Kostenlose Arbeitsvermittlung für Hausangestellte. Nach den gemachten Erfahrungen ist den meisten HausangeesMen noch zu wenig bekannt, daß der Oeffentliche Arbeitsnachweis besonders auch für diese Berufsgruppe tätig ist, Vermittlungen in offene Stellen völlig kostenlos vvrzunehmen. Die Arbeitnehmer wer den daher darauf hingewiesen, daß sie sich sofort nach erfolgter Kündigung des Dienstverhältnisses, spätestens aber nach Eintritt der Stellenlosigkeit beim zuständigen Oefsentkichen Arbeitsnach weis eintragen lassen, damit dieser schon während der Kündigungs frist für die Beschaffung einer neuen Arbeitsgelegenheit bemüht sein kann. Ein guter Ausgleich von Angebot und Nachfrage kann jedoch nur gewährleistet werden, wenn die Arbeitgäber von Hausangestellten mehr als bisher dem Oeffentl. Arbeitsnachweis sofort Mitteilung geben, wenn sie die Absicht haben, neues Per sonal einzustellen. Freie Auswahl unter den- zugewiesenen Per sonen bleibt den Arbeitgebern Vorbehalten. Den in fast jedem Orte bestehenden Frauenvereinen darf eine Einwirkung auf ihre Mitglieder anheimgegeben werden, sie auf die Möglichkeit der kostenlosen Zuweisung von Hausangestellten aufmerksam zu machen. Vermiltlungsaufträge von Arbeitgebern sowie Meldun gen von stellungsuchenden Hausangestellten nimmt entgegen der Oeffentliche Arbeitsnachweis Meißen und Umgebung mit seinen Meldestellen -in Nossen, Lommatzsch- und Kotitz. Disnstausfal! bei den (tätlichen Behörden ani 27. Dezember. Das Gesamtministerium macht bekannt: Aus Gründen der Heiz- stofffparung ist der 27. Dezember 1-924 bei allen staatlichen Be hörden des Landes grundsätzlich dienstfrei zu lasten. Durch Ein richtung eines Sonderdienstes ist dafür Sorge zu tragen, daß dringende Sachen erledigt werden können. Grumbach. (F ahrr a b d i e bstah l.) Aus einem Gute wurde am 14. Dezember abends ein Herrenfahrrad Marke Presto Nr. 28 307 gestohlen. ssaAfen unüNschbaNchsNl Dresden. (T ö öi i che r K n f a l l.) Der herrschaftliche Kut scher August Iselt vom Rittergut Lockwitz verunglückte dadurch töd lich, daß ihm L:e Pferde durchgingen und er etwa 1000 Meter weit geschleift wurde. Die Pferde waren von jungen Leuten aus Uebermut scheu gemacht worden. Dresden. (Einspruch gegen Pensionierung.) Beim Landtag ist ein Einbruch des früheren stellverrtretenden Kreishauptmanns von Bautzen, Dr. Raschke, gegen seine Ver setzung in den Ruhestand eingegangen. Sebnitz. (B l umen i n b u st r i e.) Die Blumenindustkie, die seit fast einem -Jahre ziemlich stdckte, scheint sich jetzt wieder etwas zu beleben, was im Hinblick auf ihre große Bedeutung für den hiesigen Bezirk sehr yu wünschen wäre. Neustadt. (Ehrenmal.) Zur Errichtung eines Ehrenmales beschloß man, eine Warenlotterie zu veranstalten. Die Geneh migung dazu ist bereits eingeholt. Langburkersdorf. (Gasversorgung.) Das Fehlen des Gases als Heiz- und Kraftmittel hat sich schon längst als nachteilig bewiesen in Privachaushaltungen wie in der Blumenindustrie. Nun endlich soll der langgehegte Wunsch unseres Ortes nach Gas versorgung in Erfüllung gehen. Breinig. (Wahlhumo r.) Bei Auszählung der Stimmen fand man bei zwei 'Mahlzetteln nachstehende Stellen aus der Bibel verzeichnet: Iesaia 41, Bers 24: „Siche, Ihr seid aus Nichts und Euer Tun ist auch nichts und Euch wählen ist ein Greuel!" Der zweite Stimmzettel lautete: Matthäi Kap. 9, Bers 16: „Wie da sichet geschrieben. Niemand flickt ein alt Kleid mit einem Lap pen von neuem Tuch, denn der Lappen reißet doch wieder vom Kleid und der Niß wird ärger." — Eine besondere Resignation vertrat ein Wähler aus Ebendörfel, der auf der Rückseite des Stimmzettels folgenden Vers verzeichnet: „Ob links wir wählen oder rechts — kann uns nichts nützen, nichts schaden — in Ber lin wird gefressen, gesoffen, gezecht — und wir Ochsen müffen's bezahlen." Bautzen. (Die Schirgiswald er Affäre vor G e - r i ch t.) Am Freitag begann vor dem gemeinsamen Schöffen gericht in Bautzen der Prozeß gegen den Berliner Handelsan- walt Heinrich Sklarz und Genoffen wegen betrügerischen Bank- Me arbeitet der AuManer? Von * * * Wir kennen alle das Wort vom amerikanischen Arbeitstempo und glauben, daß der Amerikaner als Kauf mann wie als Angestellter uns durch die Art und Weise seines geschäftlichen Arbeitens stark überlegen ist. Mit einer Mischung von gelindem Grausen und Respekt nahmen wir auch seinerzeit die Kunde auf von dem aus Amerika kommenden Taylorsystem, das durch rück sichtslose, aber auch in gewissem Sinne geniale Ausnutzung der menschlichen Arbeitskraft den einzelnen Arbeiter und Angestellten unter Vermeidung jedes Zeitverlustes und jeder unnötigen Hantierung in den großen Produktions prozeß einreihen will. Ist man erst einige Zeit drüben in einer der Riesen städte der Union, so steht man, daß in der Tat dort sehr viel gearbeitet wird. Man schont die menschliche Arbeits kraft keineswegs und es ist keine Frage, daß in der Groß stadt, zum mindesten in Newyork, Chikago, San Fran zisko, Baltimore, Philadelphia und wie alle diese schnell emporgeschossenen Industrie- und Handelszentren heißen, der amerikanische Kaufmann und auch der Angestellte einen Raubbau mit seiner Gesundheit treibt. Aber darin unterscheidet er sich nicht so sehr von dem deutschen und von dem Londoner Großkaufmann, der auch gewohnt ist. einen langen Arbeitstag voll Hetze und Unruhe zu haben. Das, was den Amerikaner vor allem vom Europäer und besonders vom Deutschen unterscheidet, ist die mensch lich nicht gerade sehr erfreuliche, aber für den Erfolg des amerikanischen Kaufmanns immerhin bedeutsame ab solute Einseitigkeit und Konzentriertheit seiner Persönlichkeit und seiner ganzen Arbeit. Der Amerikaner geht gewissermaßen mit Scheuklappen durch die Arbeit des Lebens. Er sieht nicht nach rechts und nicht nach links und will auch nichts anderes sehen als sein Geschäft, weil er einmal alles fürchtet, was ihn Zeit kosten und vom Ge schäft abziehen könnte, und weil er sich auch schließlich durch diese lange gepflegte Einseitigkeit seiner ganzen Bildung und Ausbildung schon dazu erzogen hat. daß ihn andere ^.'nige ms vas Geldverdiener« und hinterher sein harm loses Vergnügen innerhalb oder außerhalb der Famili- einfach gar nicht mehr interessieren. Der amerikanische Kaufmann, z. B. der Newyorker, rommt um 8 Uhr, spätestens um ö Uhr ins Geschäft. Um oiese Zeit, insbesondere vor 8 Uhr, wenn die Riesenmassen der Angestelltenheere aus ihren aus Ersparnisgründen meist viele Kilometer weit außerhalb der eigentlichen Stadt gelegenen Wohnungen in das Stadtinnere Hinein strömen, beginnt der brausende Rhythinus des ameri kanischen Arbeitstages. Von dann ab wird aber auch mit aller Konzentration und Energie durchgearbeitet. Lediglich um die Lunch zeit, die den dPitschen Begriffen der Mittagszeit entspricht, stürzen in größter Eile Teile der arbeitenden Heere, Kaufleute und Angestellte zusammen, ohne jede soziale Unterscheidung — das kleine Tipp fräulein neben dem schwerreichen Mäntelfabrikanten oder Schiffsreeder — hinunter auf die Straße in die nächste Frühstücksstube. Dort wird innerhalb 15 Minuten teils im Stehen, teils im Sitzen eilends ein leichtes Essen ein genommen — in der Regel zunächst Früchte, wie die wundervollen saftreichen Grapefruits, Riesenfrüchte, die eine Art Mischung von Orange und Zitrone darstellen, schließlich ein einfaches Fleisch- oder Geflügelgericht und eine Süßigkeit, dazu das unvermeidliche Glas Eiswasser — der Alkohol ist bekanntlich in Amerika durch Staats gesetz verboten — oder eine Tasse vom stärksten schwarzen Kaffee. Die Bedienung in diesen lediglich auf die aller schnellste Abfertigung sehr großer Massen eingerichteten Lunchstuben geht mit blitzartiger Geschwindigkeit vor sich. Eine halbe Minute nach der Bestellung hat jeder Gast die gesamten von ihm geforderten Gerichte vor sich stehen. Er erhält gleichzeitig seine kleine Rechnung in Form eines schmalen Scheckzettels, die er beim Hinausgehen aus dem Restaurant dann im Vorbeilaufen bezahlt. Nach 20 Mi nuten sind alle Speisenden wieder oben in den Bureaus und es ergießt sich nun die andere Hälfte, die inzwischen weitergearbeitet hat, hinunter um ebenfalls in 20 Minuten wieder oben zu sein, so daß dann wieder mit voller Be setzung weitergearbeitet wird bis um 5 Uhr. Dann, nach diesem nur von kurzer Pause unterbrochenen langen Arbeitstag fluten wieder die großen Armeen zurück nach der Peripherie der Stadt und nach den vielen Vorstädten. Die Hauptstraßen sind mit Automobilen und Automobil omnibussen in kilometerlanger Folge so bis aus das letzte kleine Plätzchen angefüllt, daß sich diese endlose Schlange von fauchenden, prustenden und tutenden Wagen nur ganz langsam allmählich vorwärtsschieben kann, an jeder Straßenecke unterbrochen durch die Signale des Schutz manns, der in kurzen Abständen immer erst den aus den Seitenstraßen flutenden Verkehr im rechten Winkel durch die Hauptstraße durchlassen muß. Auf den Bahnhöfen setzt wieder dann der Kampf der vielen Hunderttausende um ihre Plätze ein und müde und gerädert, gehetzt und abgespannt fahren sie dann alle endlich ihrem Heim zu. Daß übrigens in den Geschäftsstunden dann wirklich gearbeitet wird, dafür sorgt schon die in dieser Hinsicht wohl praktische, in mancher anderen Hinsicht für unsere Begriffe dagegen höchst unsympathische Einteilung der Bureau räume. Während in Deutschland in den großen Geschäften und Bureaustuben der Ches und seine _ Vertreter gewöhnlich in stolzer Abgesondertheit in ihren Kabinetten thronen und die Angestellten gern ein Schwätz chen machen, das nur dann schnell verstummt, wenn einer von den Geschäftsgewaltigen plötzlich ihr Zimmer betritt, so spielt sich in Amreika in den Banken, Jndustriebureaus. Rechtsanwalts offiziell alles immer in ganz großen Sälen ab, in denen 10, 20, 30, 40 Menschen und mehr, jeder an «einem Tische, sitzen, jeder seine Bücher, seine Schreib maschine und sein Telephon vor sich. Das gibt natürlich einen für unsre Begriffe unerträglichen Heiden spektakel, in dem ein deutscher Buchhalter auch nicht srei Zahlen addieren und ein Korrespondent schwerlich einen richtigen Brief schreiben könnte. Aber die Ameri kaner, die überhaupt als große Kinder, die sie nun einmal sind, den Lärm und das Durcheinander lieben, fühlen sich in diesem Spektakel durchaus wohl, haben ihre Nerven daran gewöhnt und stören sich gegenseitig nicht im gering sten. Dafür sitzt aber der Ches inmitten seiner Leute und sieht alles, was vorgeht.