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s der Strecke Lille—Paris zu. 'Der Führer des Ei'lzüges', ! der eine Unregelmäßigkeit an der Lokomotive entdeckt hatte, § stieg auf den Tender. In demselben Augenblick fuhr der 'Zug unter einer Brücke durch, wobei dem Zugführer der ! Kopf vom Leibe gerissen wurde. Bekämpfung der Wolfsplage in Rußland. Um die ! Bevölkerung zur Jagd auf Wölfe zu ermuntern, hat die Sowjetregierung bekanntgemacht, daß für jeden auf der Jagd erlegten Wolf eine Prämie von 15 Rubel gezahlt werden wird, für eine Wölfin 20 Rubel. In Lettland hat zu Anfang dieses Jahres nach den eingelaufenen Berichten der Forsteien die Zahl der Wölfe 207 betragen. Die Raub tiere haben sich unterdessen jedenfalls vermehrt. Blinde Passagiere. Die Polizei in T a n g e r hat in den Kohlenbunkern des Dampfers „Marsa II" sechs Ma rokkaner entdeckt, die dort bereits 48 Stunden ohne jede Nahrung verbracht hatten. Die betreffenden Marokkaner behaupten, einem Unbekannten 100 Frank für die heim liche Einschiffung, die mit Hilfe eines Trimmers vor sich gegangen sei, bezahlt zu haben. Der Trimmer wurde ver haftet. Vor Freude gestorben. Die 62jährige Katherine Diech Marston, die jetzt in Neuseeland lebte, erhielt vor einigen Wochen die Nachricht, daß ihr Sohn, den sie seit 15 Jahren nicht gesehen hatte und von dem sie annahm, daß er im Weltkriege gefallen fei, sich in London aufhalte. Er hatte bisher keine Möglichkeit gehabt, mit seiner Mutter in Verbindung zu treten, da ihm die Adresse — sie war erst während des Krieges nach Neuseeland übergesiedelt — un bekannt war. Frau Marston ist nun nach England ge reist, um ihren Sohn wiederzusehen. Als sie ihn nach der Landung in Southampton erblickte, wurde sie von der Erregung derartig überwältigt, daß sie tot zu Boden stürzte. Dunte Tageschronik. Berlin. Am Freitag, den 3. September 1926. findet die Einweihung des Berliner Funkturms und die Eröffnung der Großen Deutschen Funkausstellung 1826 statt. Der Festakt, der pünktlich um 11 Uhr vormittags beginnt, wird aus alle deut schen Sender übertragen. Halle. In Coswig in Anhalt fanden sich Wespen in riesigen Mengen zum Jahrmarkt ein, so daß die Buden mit Zuckerwaren und Limonade sich ihrer nicht erwehren konnten Sie mußten ihre Betriebe schließen. Danzig. Die Teilnehmer am 63. Deutschen Genossenschafts tage wurden auf der Durchreise durch den Danziger Senat be grüßt. Auf dem Begrützungsabend verlas der Vorsitzende, Geheimrat Alberti-Wiesbaden, ein Telegramm des Reichsprä sidenten, in dem dieser dem Deutschen Genossenschaftsverbandc besten Erfolg für seine Tagung wünscht. Paris. Das „Journal Officiel" veröffentlicht ein Dekret, wonach die Preise für Zigaretten und Tabak erhöht werden. Paris. Der Rekordpreis für ein Pferd ist soeben bei einer Versteigerung inDeauville geschlagen worden, wo ein einjähriges Pferd, „Winnipeg", für 450 000 Frans erworben Worden ist. Paris. Wie aus Lissabon gemeldet wird, ist durch ein heftiges Unwetter in verschiedenen Gegenden Portugals großer Schaden, insbesondere an der Ernte, angerichtet worden. Messina. Auf den Lipariinseln wurden mehrere Ortschaf ten durch Erdstöße hcimgesucht. In Malfa sind 400 ein stöckige Häuser beschädigt, in Selmo 60 Häuser, von denen etwa 30 nun unbewohnbar sind. prozeßdevollmächtigte und SeWnde. Von Justizinspektor Hennebeil, Essen. Um eine ordnungsmäßige Vertretung der rechtlichen In teressen der Parteien sicherzustellen, hat der Gesetzgeber im ß 78 der Zivilprozeßordnung vorgeschrieben, daß in allen Pro zessen, die vor dem Landgericht, dem Oberlandesgericht und dem Reichsgericht anhängig zu machen sind, die Parteien durch bei diesen Gerichten zugelassene Rechtsanwälte vertreten sein müssen (Anwaltsprozeß). Für die amtsgerichtlichen Prozesse besteht ein solcher Anwaltszwang jedoch nicht. Rechtsanwalt kann nur werden, wer durch Ablegung zweier Prüfungen seine Fähigkeit zum' Richteramt nachgewiesen hat. Der Ausbildunqsgang der Rechtsanwälte ist also der gleiche wie der der Richter. Der ersten Prüfung mutz ein mindestens dreijähriges Studium aus einer Universität vorangehen. Nach Ablegung der zweiten Prüfung, der großen Staatsprüfung, kann der also Geprüfte seine Zulassung als Rechtsanwalt be antragen. Er Wird bei dem betreffenden Gericht in die Liste der bei diesem Gericht zugelassenen Rechtsanwälte eingetragen WM HWim SöMkslsg Roman von Aarl Gauchel. : Und nun? — Wie ein störendes Wirrsal hatte das Er scheinen des Freundes in den ruhigen Lauf der Dinge ein gegriffen. Wer hätte das ahnen können? — Und was im Grunde war denn eigentlich geschehen? — Doch nichts Posi tives! Nichts Greifbares! Nichts, das einem Verschulden des einen, noch des anderen zugeschoben werden konnte. Aber dennoch schwebte etwas in der Luft, unsichtbar, gespenstisch, drohend. Hans Westermann fühlte es,- hauchartig lag es über seinem sicheren Cichselbstfühlen, lähmend auf seiner Siegesgewißheit. Und das machte ihn verstimmt, gereizt, nervös; das ließ ihn nicht Ruhe finden und raubte ihm die Lust an jeglichem Tun. Und zu alledem war noch etwas in ihm erwacht, das er bisher nicht kannte:, ein heißes, unruhevolles Gefühl gegenüber dem Wesen, das er mit kühler Selbstverständlichkeit solange als ein ihm sicheres Eigentum betrachtet hatte. Zum ersten Male sah er in Käthe das Weib, das rei fende köstliche Weib, zum ersten Male mit den Augen des Mannes. Da tat ein Abgrund in ihm sich auf, jäh und ge waltig brach das Empfinden in ihm hervor, das solange unter der kühlen, korrekten Gelassenheit wie unter einer Aschen schicht geglommen hatte. Eine gewaltige Sinnes- und Wesens änderung trat bei ihm in die Erscheinung. Das war nicht mehr der nüchterne Verstandesmensch, der mit diplomatischer Ruhe nach einem möglichst vorteilhaften Kompromiß angelt, das war der Mann, dessen Energie sich strafft und der bereit ist zu erbittertstem Kamvfs, der je zwischen Männern ausge fochten wird, zum Kampf um das Weib. Und getrieben von dem Drange nach einer Entschei dung, machte er sich eines Tages auf den Weg zur Rheinluft. Es fügte sich günstig: er traf das junge Mädchen allein im Garten. Unbefangen und lustig lachend, reichte Käthe dem Belter Cousin beide Hände hin, und in fröhlichem Ge plauder schritten sie nebeneinander über die sorgfältig ge harkten Kieswege dahin. Allmählich wurden die Psade enger, dichter trat das Unterholz von beiden Seiten Hexan, und un vermerkt lief der Park in den Wald hinein. Von dem weißen Hause da drüben war nur mehr die Turinzinns sichtbar, und lustig flatterte der Flacmenwimpel dort oben im Wmdr. UND yat vanu nach Ableistung des Rechtsanwalteides die Be rechtigung zur Ausübung der Anwaltspraxis. Seine Bevollmächtigung hat der Rechtsanwalt in jedem einzelnen Rechtsstreit durch Vorlegung einer schriftlichen Voll macht nachzuweisen, die zu den Prozeßakten genommen wird. Die Prozetzvollmacht ermächtigt zu allen den Rechtsstreit be treffenden Prozeßhandlungen. Die von dem Bevollmächtigten vorgenommencn Handlungen und abgegebenen Erklärungen sind für die Partei in gleicher Weise verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen oder abgegeben wären. Für seine Tätigkeit erhält der Rechtsanwalt Gebühren nach Maßgabe der Gebührenordnung für Rechtsanwälte. Ist der Gegner der von ihm vertretenen Partei in die Kosten ver urteilt, so kann der Rechtsanwalt die feinem Auftraggeber er wachsenen Kosten durch einen von dem Justizinsprektor des Prozetzgerichts zu erlassenden vollstreckbaren Beschluß zur Er stattung durch den Gegner festsetzen lassen. Er erlangt durch den Kostenfestsetzungsbeschluß die Möglichkeit, diese Kosten evtl, im Wege der Zwangsvollstreckung von dem Gegner beizu treiben. Auch in amtsgcrichtlichcn Prozessen wird die Partei zweck mäßig — besonders in rechtlich-schwierigen Sachen — oder falls die Partei durch Mangel an Zeit an der Prozeßführung gehin dert ist, ihre Vertretung einem Rechtsanwalt übertragen; er forderlich ist dies allerdings nicht, vielmehr kann die Partei, soweit sie nicht in der Lage ist, selbst an Gerichtsstelle zu er scheinen, irgendeine andere volljährige Person bevollmächtigen, für sie die erforderlichen Erklärungen abzugeben. Voraus setzung ist, daß der Beauftragte sich durch eine schriftliche Voll macht ausweisen kann. Das Fehlen der Vollmacht hat die Wirkung, daß gegen die Partei auf Antrag der Gegenpartei das Versäumnisurteil erlassen werden mutz, weil die ohne schrift liche Vollmacht vertretene Partei einer nicht erschienenen Partei gleichsteht. Wer sich also vor Schaden und Kosten be wahren will, der gebe seinem Bevollmächtigten stets eine schrift liche Vollmacht mit; das gilt auch für Ehefrauen, da diese ohne schriftliche Vollmacht zur Vertretung des Mannes nicht be rechtigt sind. Das Gericht kann Bevollmächtigte und Beistände, die das mündliche Verhandeln gewerbsmässig betreiben, zurückweisen. Eine Anfechtung dieser Anordnung findet nicht statt. Beschwerden über die Geschäftsführung eines Rechtsan walts sind nicht an die Justizbehörden, sondern an die am Sitze eines jeden Oberlandesgerichts befindliche Anwaltskam- mer zu richten, da die Anwälte der Justizaufsichtsbehörde nicht unterstellt sind. Vermischtes. Der dräuende lange Rock. Der kurze Rock unserer Damen soll, wie aus Paris gemeldet wird, dem Unter gänge geweiht sein und den Platz wieder dem langen, wenn auch noch nicht allzulangen Rock räumen wollen. Verantwortlich für den neuen Schritt der Mode, den die: kurzröckigen Frauen einen Rückschritt nennen, ist die Ge mahlin des Königs Alfons von Spanien, die auf die- Mode eine ähnliche Diktatur ausübt wie weiland König Eduard vil. von England, nur daß dieser ausschließlich die Männerröcke beeinflußte und daß es dabei auf Länge und Kürze nicht allzusehr ankam. Die spanische Königin aber zeigte sich während ihres jüngsten Aufenthaltes in Paris ostentativ nur in langen Röcken und ihre Hof damen taten das gleiche, worauf die großen Pariser Schneider sofort gleichfalls umschwenkten und lange Röcke zu lancieren begannen. Für den Herbst schon sagt man den riesigen Umschwung voraus. „Auf Wiedersehen, Herr Scharfrichter!" In Paris sollte dieser Tage der Mörder August Marcelle, ein Mensch von zwanzig Jahren, in aller Früh hingerichtet werden. Als man ihn abholen wollte, erklärte er, daß er nie ein Frühaufsteher gewesen sei und daß man seine Hinrich tung für eine spätere Stunde ansetzen möge; das er- bittete er sich als letzte Gnade. Da der Staatsanwalt einverstanden war, ließ man Marcelle bis 8 Uhr schlafen. Nun hatte er noch einen allerletzten Wunsch: er wollte zwei Flaschen guten Sekt trinken. Auch das wurde ihnk gewährt. Zigaretten rauchend schritt Marcelle dann zur Guillotine, wo er seinem Verteidiger sein herzliches Bei leid aussprach. Daun folgte eine herzliche Ansprache an den Scharfrichter. „Ich bedaure sehr, Herr Scharfrichter," sprach der Hinrichtungskandidat,,„daß ich Sie so früh aus Ihrer Ruhe aufgestört habe und daß Sie meinetwegen so lange haben warten müssen. Ich bitte sehr um Entschul digung und will Sie fürderhin nicht mehr belästigen. Auf Wiedersehen, Herr Scharfrichter!" Ein paar Sekunden später war das Urteil vollstreckt. — „Girlstreik" Seim Maharadscha. Alles, was früher Mädchen hieß, heißt jetzt, wenn es tanzen kann und öffent lich auftritt, aus deutsch „Girl". In den deutschen Revue theatern gibt es jetzt überall „Girls", einige sind echt, die anderen sind aus dem Berliner Norden und sagen in ihren Mußestunden „ick" und „det". Der Maharadscha Von Durbar hat nun während seines Aufenthaltes in Europa, wo er sich mit dem Ziele, die Frauen kennenzu lernen, längere Zeit aufgehalten hat, eine große Anzahl „Girls" kennengelernt und ein Dutzend davon zu feinen „Lieblingsfrauen" gemacht. Der Maharadscha weilt jetzt Wieder in Durbar und hat dort außer den Girls noch einen Harem mit nicht tanzenden Frauen. Diese Frauen wurden auf die importierten Girls eifersüchtig und es ergaben sich Konflikte. Ernst wurde die Sache, als die „Girls" in ganz sachlicher Weise eine „Organisation" gründeten. Die Geschichte begann höchst modern sofort mit einem Streik, da die „Girls" eine Lohnerhöhung for derten, was der Finanzminister von Durbar ablchnen zu müssen glaubte. Die Girls weigerten sich daraufhin, bei einem Tanzfest, das der Maharadscha zu Ehren eines vornehmen Gastes aus dem Nachbarlande veranstalten wollte, aufzutreten und überreichten ein Ultimatum. Wahrscheinlich wird nun ein GirlLarifschiedsgericht zu sammentreten müssen. i Lumen. Sport »ml Spiel j Deutscher Handballmeistcr siegt in Magdeburg. Der deutsche Handballmeister PSV.-Berlin schlug am Sonntag in Magdeburg die dortigen Preußen mit nicht weniger als 19 : 7. ' Meisterschaften in Braunschweig. Die DSB. trug in Braunschweig ihre restlichen Meisterschaften aus. Den Marathonlauf gewann als Überraschungssieger Reich mann-Siegen vor dem Charlottenburger Hempel. Im Zehnkampf konnte zwar Holz seinen Titel wiedererobern, doch war ihm der noch sehr jugendliche Weiß-Berliner SC. stark auf den Fersen. Ms dritter placierte sich ebenfalls ein BSC.er, Westerhaus. Die Frauenmeisterschaften er gaben zwar einige neue Rekorde, aber ihre Anerkennung ist sehr zweifelhaft, da böiges Wetter herrschte und manchs der Leistungen lediglich durch den guten Rückenwind zu stande kamen. Den Diskuswurf gewann Milly Reuter- Frankfurt mit 38,34 Meter (Weltrekord!). Fräulein von Bredow-Berlin sicherte sich mit einem 1,49,5-Meter-Hoch- sprung erneut die Meisterwürde. Das Schlagballweit- werfsn sah wieder Frl. Luxem als Siegerin und auch der Berliner SC. konnte seine Meisterschaft in der 4X100- Meter-Staffel wiedergewinnen. Im 100-Meter-Lauf war Frl. Wittmann-Berlin die beste und siegte glatt in 12,5. Frl. Henoch-Berlin wurde im Kugelstoßen von Frl. Häuß- lein-Elberfeld mit der guten Leistung von 11,48 Meter geschlagen, während die Charlottenburgerin Frl. Makel- mann ihren Kampfspielsieg im Weitsprung mit 5,18 Meter wiederholen konnte. Überlegener deutscher Sieg im Leichtathletik-Drei- Mnderkampf. Der Leichtathletik-Dreiländerkampf Deutsch land—Schweiz—Frankreich, der in Basel stattfand, endete mit dem überlegenen Siege der Deutschen, die 127,5 Punkte errangen, während es Frankreich nur auf 89,5, die Schweiz auf 68 Punkte brachte. Kongresse und Versammlungen. Die Ökumenische Woche in Bern. Dis Ökumenische Woche, die der Fortführung des bei der Stockholmer Weltkirchenkon- ferenz begonnenen Einigungswerkes der Kirche dient, nahm im Berner Münster mit Ansprachen des Bischofs Osten feld- Kopenhagen, des Erzbischofs Stefan- Sofia und des Professors Sigmund Schultze - Berlin ihren Anfang. Die kommenden Tage sind Sitzungen der Kommissionen Vorbe halten. Der wichtigste Ausschuß ist der für die Einrichtung eines internationalen christlich-sozialen Forschungsinstituts, der unter deutscher Leitung steht. Die Vollsitzung des Voll- zugsausschusses der Konferenz, die 66 Vertreter aus den prote stantischen, anglikanischen und orthodoxen Kirchen der Welt zusammenführt, beginnt am 26. August. Gleichzeitig tagt der Vorbereitende Ausschub der Ökumenischen Bewegung für jZlaube und Verfassung, die eine Kircheneinigung aus dem Boden einer Bekenntnisasmelnschaft ausirebt. Hans Westermann hatte halt gemacht, und hier unter den fahlwerdenden Bäumen haschte er nach des Mädchens Hand. „Käthe, ich habe etwas Ernstes mit dir zu besprechen! Ein scheuer Blick aus den blauen Augen streifte sein Gesicht, und die bebende Stimme des hübschsn Geschöpfes strafte den lustigen Ton Lügen: „Na, dann schieß man los, alter Jungs!" Und Hans Westermann begann. Nervös wühlte die Stockspitze in dem weichen Sandboden, und so sorgfältig ab gewogen und gewählt auch seine Worte fielen, die Stimme klang merkwürdig rauh und brüchig: „Sieh einmal, Käthe, von Kind an kennst du mich nun; wir haben uns immer recht gut vertragen und wissen voneinander mehr als sonst wohl zwei junge Menschenkinder. Da ist es denn schwer, aus der traulichen Unbefangenheit heraus den Ton zu finden, der dir eben das sagt, was ich dir jetzt zu sagen habe. Jenen Ton meine ich, der nicht zum Herzen der Cousine oder Freundin, sondern der zum Herzen des Weibes spricht. Aber die Jahre des Wartens sind verrauscht, und auch du mußt stündlich darauf gefaßt sein, dis Stimme des Mannes zu hören, wie sie dir zurust: „Komm, sei mein Weib." Gewiß wird dir der Wunsch deines Vaters, der Wunsch deiner Großmuiter nicht mehr unbekannt sein, gewiß sind dir auch die sicher zu nennenden Aussichten bekannt, die sich an dis Erfüllung dieses Wunsches knüpfen. Aber so verlockend auch diese Aussichten für mich sein mögen, und ich gestehe gern, daß sie gerade sür meine Wesensart etwas Faszinierendes haben, wenn ich hsute vor dir stehe, mit der herzlichen Bitte auf den Lippen: „Komm in mein Heim, Käthe, werde mein Weib", so sind nicht diese Aussichten für mich maßgebend und bestimmend gewesen — ich hätte sonst früher zu dir sprechen können — sondern allein der Umstand, daß ich dich wahr und ehrlich liebe, daß ich nicht Käthe Moseler, den Sprößling der Letzow-' Mergenthin, sondern daß ich das Weib in dir zu eigen be gehre. Und aus dieser Liebe heraus bitte ich dich: Gib dich mir zu eigen, Käthi, sei mein! ' Stumm, mit zusammengepreßten Lippen, stand das Mädchen vor ihm und starrte filmenden Auges an ihm vorbei in die däm mernde Waldeinsamkeit und fand nicht die Worte der Erwiderung. Und wieder begann er, und seine Worte klangen eindring- sich and voller Wärme: „Ich weiß es, Käthe, es ist vieles, was dich unbestimmt sein läßt, was dich zagen macht; die gütlich veränderte Stellung zueinander, der Gedanke, daß dis . verlockenden Aussichten zu leicht als die Triebfeder unserer ; Vereinigung angesehen werden können, das alles macht dich ! schm and besangen. Ich dränge dich auch nicht um eine j Entscheidung, nur vor dis Tatsache wollte ich dich stellen, daß ich dich liebe, daß ich dich zu meinem Weibe begehre, daß deins Liebe mein Glück, meine Zukunst ist. Zurzeit ver lange ich noch keine Antwort darauf, noch nicht; ich weiß deine Empfindungen zu schätzen. Aber um das bitte ich dich, prüft dich, frage dein Herz, erwäge das Für und Wider, und wenn du dich danu entschlossen hast, dann gib meiner Frage die ehrliche Antwort. Fragend sah er zu ihr nieder, wie sie vor ihm stand, schlank und rank, bleich und ernst ganz im Banne der ent scheidenden Stunde. Aber schon hob sie das Haupt und sah voll zu ihm auf, und nie glaubte er so voll und tief den) ganzen Zauber ihrer herben Jungfräulichkeit empfunden zu. haben wie in diesen Sekunden. Leise, schmerzlich fast schüttelte sie das Köpfchen: .„Ich' kann nicht, Hans; ich komme nicht los von dem Gedanken, daß du mir Bruder bist, ich dir Schwester. Und ändern wird sich das nie, ich weiß es gewiß. Meine Gedanken wollen das andere nicht denken, mir kommt es wie ein Grauen, wie ein Entsetzen dabei. Nein! Lieben kann ich dich nicht! Das will jauchzendes Glück und träumendes Leid, will Sehn sucht und zitternde Wonne haben bei dem Gedanken an den Geliebten. Und an dich denk ich so freundlich-ruhig, sof schwesterlich-gut, wie die Liebe es nimmer tun wird." Und ihre Stimme sank zu geheimnisvollem Flüstern; ihr Köpfchen schob sich vor, als höre sie fernes, jauchzendes, sehnsuchtstrunx- kenss Singen: „wir jungen Mädchen, wir tragen ja doch allesamt das Bild dessen im Herzen, den wir einst werden lieben müssen,, und du," sinnend schüttelte sie das schöne Haupt, „du Hans, dein Bild ist es nicht." Stumm hielt Westermann den Kopf gesenkt. Er hatte es ja gewußt, oh, er hatte es ja gewußt! Da stahl ihr Blick sich über sein Gesicht, scheu abbittend und neugierig zugleich. „Bist du mir böse, Hans?" Und in einer kindlich-mütterlichen Lebhaftigkeit ganz dem bang sorgen den Gedanken folgend,, der sie erfüllte, sagte s!s im marinen Trösterton: „Gräme dich doch nicht, dummer Bub, weil das alberne Mädchen nicht will. Warte, ich spreche schon mit Großmama, und wenn es nicht anders geht, fahr' ich zum Kaiser nach Berlin, du wirst doch noch Freiherr v. Letzow- Mergenthin, auch ohne daß du mich garstige Puppe zu hei raten brauchst. Sei mir stille, Hansi, die Genugtuung bin ich dir schuldig." Und sie sah ihn an, als müsse er jetzt ganz bealüÄ aMguchzen, Md war traurig, als nichts dergleichen geschah. ° (Fortsetzung folgt.)