Volltext Seite (XML)
gegen den sttr zem Vaterranv gefallenen unbekannten Vvr- daten, und damit auch gegen die Mutter, die ihn gebar. Die äußere Form, in die sich diese „nationalistischen" Gefühle politisch kleideten, ist der Faszismus. Wie der Südländer alles übertreibt, so übertreibt er auch den natio nalen Gedanken. Aber wer mit politischen Größen rechnet, muß diese Übertreibung als reale Macht anerkennen. Ihr gegenüber bedeutet beispielsweise die Deputiertenkammer gar nichts; M u s s o li n i, der ungekrönte König Italiens, geht überhaupt nicht mehr hin, hat ihr zuguterletzt noch in stärksten Worten seine Mißachtung ausgesprochen. Und sie schwieg dazu. Eine neue Wahlreform, die Italien zu einem großen Wahlkreis macht und der stärksten Partei ohne weiteres zwei Drittel der Mandate zuspricht, wird oie Herrschaft des Faszismus auf mindestens fünf Jahre verankern. Und damit Mussolinis, der übrigens erst wenig über die Vierzig hinaus ist. Der Vatikan, der 1912 aus seiner früheren politi schen Zurückhaltung heraustrat, rechnet mit dieser realen Größe besonders deshalb, weil die eigentlichen Gegner des Faszismus der Liberalismus und die Sozialdemokratie ist; diese beiden aber hängen eng mit der italienischen Frei maurerei zusammen, die, ganz anders wie die deutsche, stark politisch und kirchenfeindlich ist. Das hat vor allem historische Gründe, da die Einigung Italiens bekanntlich gegen den Widerstand des Vatikans durchgesetzt wurde und ein Werk des Liberalismus ist. Nun hat demgemäß Musso lini die liberal-freimaurerischen Versuche, die Kirche vor allem in der Schule jeden Einflusses zu berauben, wieder rückgängig gemacht. Die Popolaren-Partei, die auf katho lischer Grundlage steht, kann also seine Schulpolitik nicht be kämpfen, zumal zahlreiche Kardinale und sonstige Ange hörige der Kurie begeisterte Anhänger Mussolinis sind. Gerade aber die kirchlichen Interessen würden vielleicht ge fährdet werden, wenn Mussolini nun diese kirchenfreund- liche Schulpolitik aus parteipolitischem Gegensatz gegen Don Stürza und sein Gefolge abbremsen würde. Daher hat der Vatikan erst vor wenigen Tagen be tont, daß seine kirchliche Autorität nicht zur parteipolitischen Beeinflussung mißbraucht werden dürfe, die Kirche stände über den Parteien. Schon das richtete sich zweifellos gegen- die Popolaren, von dem übrigens ein Teil zum Faszismus überschwenkte. Jetzt muß der geistig bedeutendste Führer dieser Partei zurücktreten. Und wir sehen, daß der Vati kan seinen Frieden mit dem neuesten Italien damit prak tisch gemacht hat, der freilich, wie angedeutet, ein ganz anderer ist als der der Vorkriegszeit. Es ist die Versöh nung des religiösen Bekenntnisses mit dem nationalen, vielleicht nationalistischen Gedanken; beide stützen sich gegenseitig — wie wir es übrigens seit 1872 auch in Frankreich erlebten. Was aber für uns Deutsche bei dieser Entwicklung des italienischen Nationalismus — zurzeit wenigstens — das erfreulichste ist, das ist seine schroffe Einstel lung gegen Frankreich. Man steht Plakate, die die „lateinische Schwester" verhöhnen, in deutlichster Form. Namentlich seit dem Ruhreinbruch und ganz besonders, als der Bries des Papstes an den Kardinalstaatssekretär Gasparri bekannt wurde. Da tilgten selbst di- offiziösen Mussaliniblätter das letzte Gefühl für die verbrecherische ehemalige „Schwester" aus ihren Spalten. Von dem zweiten Schreiben des Papstes, wegen der deutschen Sabo tageakte, sprach kein Mensch; das war unerheblich, wurde sofort als von französischem Druck erpreßt betrachtet. So ist die Folge des Krieges für Fwlicn eine innert Geschlossenheit geworden, wie wir e rusche sie nur neid voll bewundern können Sie englische RegierungserklÄung. Zusammenarbeit mit Frankreich. über den Inhalt der wichtigen Erklärung des Kabinetts Baldwin im Parlament meldet die französische Agentur Havas in einer als amtlich bezeichneten Londoner Depesche im voraus, diese nur kurze Erklärung werde hauptsächlich den Zweck haben, den heutigen ungesunden Zu st and Europas darzulegen, und sie werde darauf Hinweisen, daß das System der Ruhrbesetzung eines der Symp tome für diesen Zustand sei. Sie werde keinerlei Erklärungen zu Gunsten Deutschlands enthalten und nichts zum Ausdruck bringen, was Deutsch land in seiner Haltung bestärken könne. Gleichzeitig werde die Erklärung aber auch nichts enthalten, was französischen Ohren unangenehm klingen würde. Die englische Re gierung wünsche in der Hauptsache, ihr Urteil über die der zeitigen Verhältnisse auseinanderzusetzen, wobei sie auf die wachsende Abneigung der öffentlichen Meinung gegen das Fortbestehen der gegenwärtigen Lage in Europa Rücksicht nehmen würde. Sie habe indessen nicht die Absicht, eine unabhängige Politik zu treiben. Sie wünsche vielmehr ein 'enges Zusammen wirken mit Frankreich aufrechtzuerhalten. Im übrigen werde die englische Politik in keiner Weise als gegen die französischen Interessen gerichtet betrachtet. Die englische Regierung werde also der deutschen Regierung kein Separatangebot machen. Man muß bei dieser Darstellung beachten, daß sie aus französischer Quelle stammt. Etwas anders klingt es in der englischen Presse. So schreibt „Daily Telegraph", es sei ja allgemein bekannt, daß in der Frage des Sach verständigenausschusses zur Festsetzung der deutschen Zah lungsfähigkeit die stärksten Meinungsverschie denheiten zwischen England und Frankreich herrschen, es sei nicht einzusehen, weshalb dieser Punkt in der Er klärung unerwähnt bleiben solle, da die britische Regierung gerade auf ihn den größten Wert lege. Im übrigen wird berichtet, daß die Hauptlinien der englischen Regierungs erklärung dem französischen Botschafter vorher be kanntgegeben worden sind, und man hat in London den Eindruck, daß die auf dieser Grundlage nach Paris gegebenen Berichte eine Entspannung der Lage ber- bcigeführt zu haben scheinen. * Benesch als Vermittler. In London weilt augenblicklich der tschechische Außen minister Benesch, hauptsächlich zu dem Zwecke, die Bespre chungen über die Auflegung der tschechischen Natioualanlcihe zu vervollständigen, aber zweifellos hat er auch die Absicht, d i e Rolle des Friedensstifters zwischen England und Frankreich zu spielen. Man glaubt aber, daß er zu spät kommt, um darin noch etwas Gutes zu tun. Herr Benesch vertritt die Ansicht, daß nur die enge Zusammenarbeit zwischen Frankreich und England dem Lhaos in Mitteleuropa, das die englische Regierung befürchtet, Vorbeugen könnt. Limburg abermals besetzt. Zur französischen Garnison erklärt. Am Donnerstag, früh 6 Uhr, wurde die Stadt Lim burg, die seit dein 15. Mai nur für besetzt erklärt wurde, militärisch besetzt. Die Stadt wurde seitens des franzö sischen Kommandos als französische Garnison vom 12. Juli ab erklärt. wordeN liebem Dam? Frau et len avÄ wgen i< >hen Bi ie hiesft , ein au egt wird utbarke? 2° zum Eli shäuse! hre us» , U. 1« atz 1, sigarret Di o gell sw. vli ür di Silsdrii ÜO an d erbett iW esucht chluß. j ,en unt -st. d Ä ÜB preisnü ri d.D >iek eil r« 1 md r« en Kat st. «hei Sraul rl bi der A ülll> waggo' uod !L- k- HSN. MdmfferAaM« Fernsprecher Wilsdruff Nr. 6 Wochenblast für Wilsdruff und Umgegend Postscheckkonto Dresden 2640 arscheiü! bl« am weitere« nur Montag«, Mittwoch« u. Ar-tta«« nachmittag« ö Uhr für den folgenden Tag. Be,ug«prei« bei Selbstabholun- monatlich Ml., durch unsere Au«ttLger zugemagen in der Siad« monatttch M!„ auf dem Lande M!., durch die Post bezogen vierteljährlich Ml. mii Zuffekiungsgebühr. Alle Postaustalten und Postboten sowie unsere Austräger und Geschäftsstelle nehmen jederzeit Bestellungen entgegen. Im Aaste höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger LetriebsstSrungen hat der Bezieher leinen Anspruch auf Lieferung der Zeitung »ter Kürzung des Bezugspreises. Erscheint seit Znserttonspreis Ml. für die » gespaltene Korpus,eile oder deren Houin, HeNamen, die r spalt«g« Korpus,eil, Ml. Bel Wiederholung und Zahresauftrag entsprechender Preisnachlaß. Bekanntmachungen im amtlichen Teil snur von Behörden) die rgefpaiiene Korpuszette Ml. Nachweisungs-Gebühr pfg. Anzeigenannahme bis vormittag« 10 Uhr. Aür die RIchtigleii der durch Aernrus üb-rmiN-it-n Anzeigen Üdemehmen wir leine «araniie. Zeder Hab«» anspruch eriischt, wenn der Bettag durch Klage elngqogen werden muß »der »er «ufttaggeber in Kontur« ger«. dem Jahre 1S41 Dieses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amtsgerichts zu Wilsdruff, des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen. Vorleger und Drucker: Arthur Zschunke in Wilsdruff. Verantwortlicher Schriftleiter: Herman« Lässig, sür de» Inseratenteil: Arthur Asch«»»«, Heide tu Wilsdruff. 82. J«hrg««g. Nr 81. Sonnabend / Sonntag 14. /15. Juli 1923 Amtlicher Teil. Nachdem eine weitere Erhöhung der Löhne und f der Preise für Kohlen, Materialen usw. eingetreten ist, werden nach Geoör des Ernährungsaus chusses sür das Gebiet des Kommunalverbandes Meißen Stadt und Land für bie ans Umlagegetreide heroestellten Erzeugnisse an Mehl, Brot und Semmeln Mit Wirkung vom 16 Juli 1923 ab die aus nachstehenden Bestimmungen ersichtlichen Preise festgesetzt: I. Mehlpreise. 1. Der Höchstpreis, den die Bäcker und Mehlhändler kür den cir Mehl, frei Bäcker haus, an die Mühle zu enirichten hab-n, beträgt ab 16. Juli 1923 130270 Mk. für 85°/,iges Roggenmehl und 140! 10 Mk. für 85»/oiges Weizenmehl. 2. Die Bäcker und Mehlhändler haben vom 16 Juli 1923 ab bei der Ausstellung der Bezupsscheine sür den cir M«hl 4000 Mk. Gebühr zu entrichten. 3. Die Mehlhöchstpreise, welche die Bäcker und Mehlhändler fordern dürfen, betragen für die vom 16. Juli 1923 ab geltenden Brotmarken beim Bezüge von weniger als 20 kA für Noggenmehl 1650 Mk. für 1 für Weizenmehl 1800 Mk. für 1 II. Brotpreise. Die Brotpreise für das Schwarzbrot betragen für die vom 16. Juli 1923 ab geltenden Brotmarken 1841 Mk »ü- da« und 3509 MK. für das 1900-s-Brot. IH. Gewicht und Höchstpreis für Semmeln. Der Höchstpreis für die Semmel mit einem Gewicht von mindestens 70—75 e beträgt 225 Mk. IV. Verschiedenes. 1 , An den in der Bekanntmachung vom 27. Juni d. I erlassenen Backvorschriften wird nichts geändert. 2 Erfolgt vor dem 16. Juli eine Verausgabung von Brot- und Mehlmengen auf Brotmarken, die erst am 16 Juls Gültigkeit erlangen, so sind bereits die neuen Preise zu zahlen. Vom 16. Juli ab sind auch für Brot und Mehl auf Marken, die auf die Zeit vor dem !6. Juli lauten, die neuen Preise zu entrichten. 3 Die nächste Einreichung der Getreide- und Mehlbestaudsauzeigen und Abgabe der vereinuahmten Brotmarken hat am 16. Juli zu ertoloen 4 Wegen Belieferung der ab 23. Juli geltenden Brotmarke« wird auf die in den nächsten Tagen erscheinende Bikanntmachung verwiesen. Die vorzeitige Belieferung diese? Brotmarken hat zu unterbleiben. 5 Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen dieser Bekanntmachung werden nach dem Reichsgefttz über die Regelung des Verkehrs mit Getreide vom 4. Juli 1922 bezw. auf Grund des Höchstpreisgesetzes bestraft. Meißen, am 12. Juli 1923. nso 40 2 I. Der Kommunalverbanü Meißen-Stadt und -Land. (Amtshauptmannschast). Kleine Zeitung für eilige Leser. * Die Stabt Limburg wurde von den Franzosen besetzt und zur Garnison erklärt. * Die Südgrenze des besetzten Ruhrgebiets ist zurückverlegt worden; Hattingen ist nicht mehr besetzt. * Die englische Regierungserklärung wirb voraussichtlich keinen selbständigen Verhandlungsvorschlag an Deutschland an- künidigen. * Poincarö hat seinen Standpunkt in der Verhandlungs- srage in acht Punkten niedergelegt. * Der tschechische Außenminister Benesch, sowie die Vertreter Italiens und Belgiens in London bemühen sich um eine Ver mittlung zwischen Frankreich und England. Das neue Italien. Von einem Deutschen, der auf einer Reife durch Italien die dortigen politischen Verhält nisse studierte, wird uns folgender Bericht über seine Eindrücke gesandt: Der offizielle Rücktritt Don Sturz os von der Lei tung der „Popolaren-Partei", die etwa dem deutschen Zentrum entspricht, hat dadurch seine besondere Bedeutung, daß er erfolgt ist auf einen Druck vom Vatikan her. Man versteht diesen Druck. Denn wenn man sich das politische Leben Italiens einmal etwas aus der Nähe ansieht, so ist es leicht erklärlich, daß die K a m p f st e l l u n g, in der sich die Popolaren- Partei dem Faszismus gegenüber befindet, eine große Gefahr in sich birgt. In den Straßen und den Cafts sieht man überall dasselbe Bild: Wenn einige Italiener zusammen plaudern, dann redet immer nur der Faszist unter ihnen; die andern spenden ihm Bei fall oder — schweigen vorsichtig. Das ist bezeichnend. Denn man setzt sich ungern dem Wort aus, das jetzt die schwerste Beschimpfung enthält; das heißt: „Du bist „nittisiert", bist Anhänger Nittis." Das ist der bekannte frühere italienische Ministerpräsident, der in seiner Amtszeit die Kriegs- deserteure amnestierte. „Nittisiert" ist also alles, was nach Liberalismus, Weltbürgertum, Völkerversöhnung, Ab rüstung und dergleichen riecht, und was dem neuen italie nischen Geiste damit aufs schärfste widerspricht. Italien ist das Land der Plakate, und überall schauen dem Wanderer die grellen Anschläge ins Gesicht, die über schrieben sind „6ombutwmi!" „Kriegskameraden!" Aus dem Weltkrieg, in dem Italien eigentlich nur Niederlagen erlitt, ist die junge Generation herausgekommen mit einem ungeheuer starken kameradschaftlich-stolzen Solidaritäts gefühl. Es gilt nur, >«er „draußen" war. Seinen klassi schen Ausdruck findet das in der Verehrung des „unbe kannten Soldaten", der zu Füßen des gewaltigen Viktor-Emanuel-Denkmals, des ersten italienischen Königs, der Italien die Einigung brachte, beigesetzt worden ist. Zwei Offiziere halten ständig die Wacht an diesem Grab mal, und unabsehbare Züge namentlich der Hinterbliebenen der im Kriege Gefallenen drängen sich zu diesem Ehren denkmal, das die Nation „ihrem Helden" errichtete. Neue Züge werden sich heranwälzen zu dem zweiten Monument, für das jetzt in Italien überall gesammelt wird: das Monument der „Heldenmutter", der Mutter, die dem Vaterlande den Sohn, den Soldaten, den Verteidiger und Kämpfer gebar. Diese beiden Punkte einigen Italien, bedeuten die brausenden Ströme in seinem ganzen Dasein, seinem politischen Denken. Daher war es für alle Italiener wie ein Schlag ins Gesicht, daß Nitti die Deserteure sre-- ließ, die also ein schimpfliches Verbrechen verübt hatten