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Kankenbevger Tageblatt W^ks-W^WS« Dienstai den LS. November ms nachmittags »I. Jahrgang Rr. 27» Abermals: Schwamm drüber! RDM, 28. 11. Am Montag fand in Rom im Beisein Mussolinis dis ordentliche General» Versammlung- der Vereinigung der italienischen Aktiengesellschaften unter dem Vorsitz ihres Prä sidenten, des Senators Pirelli, statt. Dieser er stattete einen umfangreichen bricht, in dem er hervorhob, daß besonders verdienstvoll die Wie derbelebung der Landwirtschaft durch Mussolini gewesen sei. Van ihr aus werde, so sei zu hoffen, die gesamte Wirtschaft gesunden. Zur Kriegsschul denfrage sagte Pirelli u. a. folgendes: In Lau sanne habe man ein gutes Beispiel gegeben, indem man die Lösung angenommen habe, die Italien schon lange offen als einen der wich tigsten Punkts der Wiederaufbaupolitik gefordert gehabt habe. Zur Ueberwindung der Krise seien nicht vorübergehende Maßnahmen, sondern ein „Schwamm drüber^ notwendig. Wer könne leug nen, daß die Frage der Kriegsschulden gegenüber den Vereinigten Staaten nicht dasselbe Aussehen habe? Ms die Folge von Lausanne seien 130 Milliarden Bürger der grosM europäischen Gläu bigerländer bereit, Deutschland eineinhalbmal so viel zu schenken, als die ungefähr 130 Millionen Amerikaner ihrerseits Europa schenken müßten. Die ganze Frage müsse in ihrer Beziehung zur schweren Weltwirtschaftskrise betrachtet werden. Unter diesem Gesichtspunkt scheine es außer Zwei fel, daß das Interesse der Bereinigten Staaten am Wiedsraufblühen der Weltwirtschaft weit größer fei als das Interesse, unsichere Guthaben politischen Charakters aufrecht zu erhalten. Eine wirtschaftliche Erholung würde durch Streichung der gesamten Kriegsrechnungen kräftig gefördert. Schließlich sei Europa der beste Kunde der ame rikanischen Nation. So habe Europa in den letzten Jahren rund 50 Prozent der amerikanischen Ausfuhr aufgenommen, darunter allein 80 Pro zent der Baumwolle und 80 Prozent des.Ge treides. Es habe in der kurzen Zeit ständig steigende Mengen von Fertigwaren aus Amerika bezogen. Amerika würde an Kriegsschulden in den nächsten Jahren ungefähr ein Viertel Mil liarden Dollar jährlich erhalten, seine Ausfuhr sei aber infolge der Krise um eine zehnmal höhere Summe gesunken. Nachdem Pirelli noch weitere Verluste der amerikanischen Wirtschaft durch die Krise vergleichsweise angeführt hatte, erklärte er es als einleuchtend, daß das Interesse Amerikas darin liegen müßte, nicht weiter Tau sende von Millionen von Dollar im Jahre in folge der Wirtschaftskrise zu verlieren, um dafür aus dem erschöpften Europa ein paar Hundert Millionen Dollar Jahreszahlungen an Kriegs schulden herauszuholen. Frankreichs Haltung in der Kchuldenfrage noch unbestimmt Herriot will die zweit« englische Note abwarteu Paris, 29. 11. (Funkspruch.) Die französische Negierung -hat ihre endgültige Haltung in der die Verhandlungen in Ruhs zu führen. Dis „Kölnische Volkszeitung" und sine Reihe anderer Zeitungen verzeichnen im Zusammenhang mit der politischen Lage in Berlin die bekannte deutschnationale Forderung auf Zusammenlegung der vier wirtschaftlichen Ministerien zu einem Krisenministerium. Alle hieran geknüpften Be- trachtungen und Behauptungen, wonach der Füh rer der Deutschem tionalöH Dr. Hugenberg, die Bewilligung dieser Forderung zur Voraussetzung für die Unterstützung des kommenden Kabinetts gemacht habe, sind, wie dis Tekegraphsn-llnion erfährt, in das Reich der Kombinationen zu ver weisen. Vermutungen Die „Vossische Zeitung" erfährt, daß rlotatioardnnt u. »«la,:k S. Rotz»«, (Sah. Kraft Robbers) la Fronten»«,. Beraatwortlich ftir die Redaltiou: Karl Liegert, Franken»«, DK MKMdllM Aw-SchKU« — . i lv-naor (stratzers erwartet. Dars werde woyl monat« erreichbar sei oder nicht. Der „Tag" weist darauf hin, .daß die per sonell« Zusammensetzung des neuen Kabinetts natürlich mich ihren Einfluß auf di« Haltung der einzelnen Re'chstagsfraktionen ausüben werde, insbesondere dann, wenn etwa der kommend« Reichskanzler. durch die auch von den Deutsch- nationalen geforderte Neubesetzung des Kabinetts auf mehreren Posten einen grundsätzlichen Wan del in der Politik des Reichskabinetts zum Aus druck bringen sollt«, sei es auf politischem, sek es auf wirtschaftlichem Gebiete. Es müssen Experi ment« vermieden werden. Dia Gerüchte von einer Aufnahme vor» Dr. Gerek« und von Knebel- Döberrtz in dos neu« Kabinett machten es not wendig, diese Forderung energisch zu unterstreichen. Die „Germania" hält es für möglich, daß die Besprechungen mit den Nationalsozialisten nicht schon heute oder morgen zu einem endgültigen Abschluß führen, und sagt, es wäre auch nicht gut, wenn dieser neue und sehr ernsthafte Versuch, verhängnisvolle Konflikte zu vermeiden, über- stürzt werden würde. Die gegenwärtige Lage sei so ernst und die Konsequenzen, die sich aus ihr ergeben können, seien so gefährlich, daß mit Ge duld und Zähigkeit auch die allerletzten Möglich keiten ausgeschöpft werden müßten, um das deutsche Volk ohne neu« unabsehbare Konflikte über den Winter zu bringen. Der „Vorwärts" stellt fest, daß Gsneral von Schleicher von vornherein nicht mit einer Duldung durch die Sozialdemokraten habe rech nen können. Sie blieben in der Opposition. Der „Vorwärts" vertritt weiter die Auffassung, daß von Schleicher mehr Hoffnung hegen könne als Herr von Papen und weist dabei besonders auf die Preußenbesprechungen zwischen National sozialisten und Zentrum hin. 1 Millimeter Höhe -i^palUs, s— ZK mm breit) 7>/, Pfennig, im RedaMonsteil l— 7S mm bieit) LV Pfennig. Meine Anzeigen find dei Ausgabe zu bezahlen. Ftir Nachweis und Bermiiilung 2S Pfennig s-nderaebühr. — Für schwierige Satzarten, bei Ankiin- digungen mehrerer Austraggeber in einer Anzeige und bei Platzuor- schriften Ausschlag. Bet größeren Aufträgen und im Wiederhalungsab- druck Ermäßigung nach feststehender Staffel. Uebergangskabmett Schleicher? Äsnmer noch Verhandlungen mit Parteien und Versanden «Vtimismus in Verttn die ausschlaggebend« Unterredung sein, nach der sich ReichSwehrminister von Schleicher «kn ge naues Bild davon werde machen können, ob «in« Art politisches Moratorium für die Wmtm- Da« Tageblatt erscheint an jedem Werktag: Monats-Bezngsprct« : 1^0 MI. Bet Slbholun» In den Ausgabestellen de- Landgeblete» 10 Pf», mchr, bei Zutraguug Im Stadtgebiet iS Pfg., im L-ndgcbiet r» Psg. Botenlohn. Wochenkarten SO Pfg-, Einzelnummer 10 Psg.. Sonnabendnummer 20 Pfg. tvoftlcheMonto: Leipzig rsrol. Gemeiodegirokomo: Frankenberg. Fernsprecher Sl. — Telegramme: Tageblatt Frankenbergsachse». Mingt der Menstsü die EnWewuna? Der Montag «hat immer -noch nicht die Neu bildung der Roichsregkeru-ng gebracht. In poli tischen Kreisen verstärkt sich jedoch nunmehr der Eindruck, daß die Entscheidung nähergerüät ist. Man nimmt an, daß der Dienstag «ine ent scheidende Klärung bringen wird. Im Vorder- Mmnd der Erörterungen stehen nach wie vor so wohl ein Kabinett von Papen- wie ein Kabinett von Schleicher. Line Entscheidung, wer von diesen Persönlichkeiten mit der Neubildung der Reichs- regiönmg betraut wird, dürft« daher auch am Dienstag fallen, wenn die Besprechungen der genannten beiden Persönlichkeiten bis dahin zum Abschluß gelangt sind. Wie verlautet, dürfte am Dienstag eine erneute Fühlungnahme Mischen von Schleicher und Führern der NSDAP statt- flndm, vo« der es abhängen wird, ob von Schlei cher die Neubildung der Reichsregierung über- »ümmt. Die Verhandlungen Schleichers Nach dem Ergebnis der Besprechungen, dis General von Schleicher und von Papen am Mon tag geführt haben, muß es als nicht unwahr- scheinlich gelten, daß es am morgigen Dienstag oder jedenfalls in wenigen Tagen gelingen wird, ein Uebergangskabmett unter der Führung des Generals mm Schleicher zu bilden. Von Schleicher dürfte in seinen Besprechungen, bei denen er u. a. mit- Leipart, Breitscheid, Gerekr, Otte, Brau weiler, Prälat Kaas und anderen Persönlichkeiten der Volkspartei verhandelte, vor allem klarge- stellt «haben, welche Haltung die Parteien gegen über «mein mm ihm geführten Uebergangskabmett «innohmen. Hierbei dürft« er weder grundsätz liche Zu- und «noch Absagen verlangt, sondern «nur allgemein die Stimmung festgestellt haben. In seinen Besprechungen mit Breitscheid hat sich ergeben,. daß die SP^ nrnndMllch zu einem Kabinett Schlei her in Opposition steh', während sowohl Zentrum als auch Bayerische Volkspartei und DVP nicht abgeneigt sein dürften, ein Ka binett Schleicher zu tolerieren. Eine Besprechung Mischen von Schleicher und Hugenberg hat nicht fiattgefundm, ebensowenig übrigens wie Hugen berg mit v. Papen verhandelt hat. Die Lntschei- duvg «Wer das Zustandekommen eines Uebergangs- kabinetts von Schleicher, «hängt also nur noch von den Verhandlungen mit der NSDAP ab. Da Straßer und Frick voraussichtlich bereits im Laufe des morgigen Dienstag in Berlin erntreffen werden, darf man annehmen, daß bald eine Unterredung zwischen diesen beiden Herren pmd von Schleicher stattfinden wird. In politischen Kreisen glaubt man, daß eine Verständigung Mischen von Schleicher und der NSDAP nicht ausgeschlossen ist, wenn von vornherein klargestellt wird, daß das Kabinett «mir ein Uebergangs- kabinett für ganz kurze Zeit ist. Wenn dies eindeutig festgelegt wird und von Schleicher auch «och auf den Teil der sozialpolitischen Maß nahmen und der Verfassungsreform verzichtet, die von den Parteien bekämpft wurden, die sich nun mehr zu einer befristeten Tolerierung des Ueber- gangskabinetts bereit erklären, kann das Kabinett von Schleicher als gesichert gelten. - Bezeichnend für den Optimismus, mit dem «man die Bemühungen von Schleichers in, Ber lin verfolgt, ist, dag auch bereits die Käbm-etts- liste von Schleichers in den Blattern besprochen wird. So nimmt man an, daß von Schleicher als Reichskanzler auch das Wehrminksteriums zu bohalten wünscht, um jederzeit in die Bendker- Istraße zurückkehren zu können, weiter daß er das Innenministerium, falls «s ihm nicht ge lingt, hierfür einen nationalsozialistischen Ver trauensmann zu gewinnen, Dr. Bracht überträgt, daß das Landwirtschaftsministerium von Herrn von Knebel-Döberitz übernommen wird, und daß endlich Wirtschaft und Arbeit von Landrat a. D. Dr. Gereke übernommen werden. Die letzte Kom bination wird allerdings noch nicht ganz ernst genommen, wie es sich bet den genannten Be- Ktzungen der Ministerien überhaupt vorläufig um Vermutungen handeln dürfte, die allerdings ein «gewisses Maß von Wahrscheinlichkeit für sich ha- i AM« und kriegsschuldensrage Die Streichung der gesamten Kriegsrechnungen fördert die wirtschaftliche Erholung Der Reichswehrminister von Schleicher hatte am Montag eine Unterredung mit dem Führer der Zentrumspartei, dem Prälaten Kaas. Die Unterredung dauerte über zwei Stunden. Er gebnis und Inhalt wurden für streng vertraulich erklärt. Wie jedoch aus Zentrumskreisen ver- , kautet, hat der General von Schleier in der Unterredung über Art und Umfang dos ihm vom Reichspräsidenten zuteil gewordenen Auftrages be richtet. In der Unterredung wurde hierauf die > Stellungnahme d«s Zentrums zu diesem Auftrag erörtert. Wie es heißt, ist der Gesamteindruck beim Zentrum günstig und es wird nicht ftir ausgeschlossen gehalten, daß auf der Grundlag« dieses Auftrages «ine Verständigung zu erreichen ist. Aks Begründung hierfür wird angeführt, daß die gesamte Lago neuerdings.auch bei der Linken nüchterner als bisher beurteilt werde. Auch sei den Gewerkschaften «in starkes Entgegen kommen hinsichtlich der "sozialpolitischen und lohn- > politischen Notverordnungen, zum Toll sogar auch ihre Aufhebung zugesagt worden. 'Jedoch rechnet man in ZentrumÄreifen damit, baß die Ver handlungen sich noch längere Zeit hmziehm wer den, evtl. bis zum Zusammentritt dos Reichstags, d. h. bis zum 6. Dezember. General von Schlei cher beabsichtige jedenfalls, nichts zu übereilen und bm. Genannt ist Jür das Arbeitsministerium auch Stegerwald, doch scheint das Zentrum eine ' «Entsendung eines Parteimitgliedes in das Ka- ' binett von Schleicher davon abhängig machen ' zu wollen, daß auch die NSDAP offiziell einen Mann in das Kabinett von Schleicher entsendet. ' Von den bisherigen Ministern würden dann also ' Herr von Neurath (Mußen), Schwerin von Kro sigk (Finanzen) und Eltz von Rübenach (Post und Verkehr) bleiben. Die letzte Entscheidung «Regt jedoch in allen diesen Fragen beim Reichsvväsidenten, so daß es durchaus noch möglich ist,, daß von Papen doch noch einmal oam Reichspräsidenten mit der Kabinettsbildung beauftragt wird — vorausge setzt, daß von Papon hierzu bereit ist. ZN Mm Ml KonsliNslabineN Die nationalsozückistischm Führer Frick und Straßer sind- heuten früh amr München in. Berlin ein getroffen. Der Führer der Reichs- § . tagsfraktion, Dr. Frick, wird sich alsbald nrrt dem Kanzlerkandidaten von Schleicher über die politische Lage unterhalten. Line weitere Füh- Lrngnahme über diese persönlich«« Unterredung zu zweit hinaus ist von nationalsozialistischer Seite keinesfalls vorgesehen. Ueber die Haltung der Nationalsozialisten verlautet zuverlässig, daß sie nicht bereit find, sich einem Kabinett Schleicher gegenüber anders zu verhalten als einem Kabi nett Papen. Die Hoffnungen, daß es Schleicher gelingon würde, die Nationalsozialisten zu einem Waffenstillstand, oder sogar zu einer Tolerierung bis zum Frühfahr veranlassen zu können, sind denrmkch hinfällig. Unter diesen Umständen er scheint eS sehr fraglich, ob Schiecher für das Kanz leramt überhaupt noch in Frage kommt. Man nimmt an, baß der Reichspräsident den General nur für den Fall als Kanzler in Aussicht genom men «hatte, daß er sich einer günstigeren parlamen tarischen Lage gegenübersohen würde als Papen, der gleichfalls nach wie vor Vertrauensmann des Reichspräsidenten ist. 'In politischen Kreisen wefft man darauf hm, daß, wenn alle Verhandlungen mit den Parteien gescheitert sei«n, die Ernsthaf tigkeit der Bemühungen des Reichspräsidenten und seiner Beauftragten auf jeden Fall unter Be weis gestellt soi. Wenn aber Schleicher sich eben so wie Papen einer starken Oppositionsmehrheit im Reichstag, gegenübersehon würde, dürste jetzt für den Reühspräsidenten kein «Anlaß vorliegen, sich von Papen zu trennen. Allerdings weift man darauf hin, daß in dem Konflikt, der mm m jedem Falle-zwischen Präsidiakkabmett und Volks vertretung entstehen wird, Herr von Schleicher doch «ine günstigere Stellung -hätte als von Pa pen, da Zentrum und Bayerisch« Vokkspartei gegenüber einem von ihm geführten Kabinett nicht in Opposition treten würden und da auch verschiedene MirtschaftSkreise gleichfalls «in Kabi nett Schleicher begrüßen würden. Dennoch scheint die Erwägung Oberhand zu gewinnen, daß man ohne die Möglichkeit einer Zusammenarbeit mit der Volksvertretung die Position des Gen«rals von Schleichers als des Reich« mehrministe rs über dm Winter nicht unnötig belasten sollt«. Herr von Papen selbst hat persönlich keine große Nei gung, die Kanzlerschaft wieder M übernehmen, zumal der bevorstehende Winter schwermksgmde Maßnahmen erfordern wird. Trotzdem würde Herr von Papen das vom Reichspräsidenten van ihm geforderte «Opfer bringen, obwohl er selbst emo Lösung Schleicher vorziehen würde. Sollte «S zum Konflikt mit dem Reichstag kom men, so nimmt man in gutunterrichteton Kreisen an, daß man nicht, wie in einem Teil der Presse an gekündigt wurde, dm Zusammentritt des Reichs tages auf Grund des Artikels 48 hinauszögern würde, da die konstituierende Versammlung des Reichstages «ine Muhvorschrift der Reichsverfas- fung ist. Vielmehr würde es dann wahrscheinlich wieder zu einer Auflösung des Reichstages kom men. Mir diesen Fall allerdings bestehen Er- waMmgm, ob nicht angesichts des „Notstandes" dre Neuwahlen um einige Zeit verschoben worden Kimm. .' " ,