Volltext Seite (XML)
Wilsdruffer Tageblatt 3 Blatt. Nr 96 — Sonnabend, den 25 April 1931 Vertrau' dich, Herz, der Liebe Vertrau' dich Herz der Liebe! Was immer dich bewegt, Mitteilend auf die Schultern Der Liebe sei's gelegt! Ihr zeig' dein ganzes Leben, Wo's strahlt im hellsten Licht Und wo mit mächt'gen Wolken Es Wahn und Schuld umflicht! Was immer du verbrochen, Gesteh' ihr's, sie vergibt: Gerecht das sind gar viele, Doch mild ist nur, wer liebt! Und fielst du, Ruf zur Liebe Empor aus der Tiefe Grab, Sie reicht dir in den Abgrund Die starke Hand hinab Sie führt dich zu den Höhen, Und wankt und bricht dein Mut, Sie küßt dir Glut in's Auge Und Flammn dir in's Blut! »Auf," sprickt sie, „du wirst siegen, Denn Liebe traut dir's zu. z Und Liebe kennt dich besser z Und liebt dich mehr als du!" Friedrich Halm. Lieber ein Kleines. Ev Joh. 16, 16: über ein Kleines, so werdet ihr mich nicht sehen, und wieder über ein Kleines, so werdet ihr mich sehen, denn ich gehe zum Vater. „Es ist bald wieder gut!" — das ist ein Zauberwort. ° Wie oft hat es uns beruhigt, wenn Mutter das so liebe- j voll und tröstend sagte! Es ist aber nicht bloß ein Wort für Kinder. Auch wir Erwachsenen sollten uns viel mehr j daran halten. Wir klagen soviel über das „es dauert - nur kurze Zeit" — wir klagen dabei über die Vergänglich keit alles Irdischen und denken dabei an die Freudendes Lebens. Ach ja, so stimmen wir zu, es ist schon richtig, es ist leider so wahr: die Welt vergeht mit ihrer Lust. Warum setzen wir nicht hinzu, was doch mindestens ebenso richtig ist: die Welt vergeht mit ihrem Weh? Und in der Welt das Wehe, es vergeht auch? In einem feinen Gedicht sagt Paul Heyse: Dulde, gedulde dich fein! über ein Stündlein Ist deine Kammer voll Sonne. Und doch drängt sich einem dabei der Einwand auf: schön gesagt und gut gemeint — aber wieder über ein Stünd lein, was dann, wenn's wieder ohne Sonne sein heißt? So, wie er es meint, ist's doch ein matter Trost, weil er nur von einem Wechsel spricht ohne eigentlichen Sinn und ohne rechte Gewißheit. Jesus sagt dasselbe. Aber er fügt etwas hinzu: er stellt über den Wechsel den Vater der wechselt nicht. Der bleibt ewig der gleiche, eben: der Pater. Non ihm kommt Freude und Leid, nicht zufällig und willkürlich, sondern beides irgendwie zum Segen. Mit dieser Gewißheit kann er so ruhig und tröstend selbst von seinem Kreuzestod sagen: über ein Kleines! Einer, der ihn ganz verstanden hat, der hat es so ausgesprochen: Alles Ding währt seine Zeit, Gottes Lieb in Ewigkeit! vLtnö zahlen mehr als je zuvor.. Vom Dresdner Leben. Es war am Abend des 1. April. Miltags war Dresdens neuer Oberbürgermeister Dr. Külz in sein Amt eingewiesen worden; nun saß er in der Oberbürgermeisterloge des Staat lichen Schauspielhauses, wo man bisher so ost seinen Vor gänger Dr. Blüher gesehen hatte, und erfreute sich an der aus gezeichneten Ausführung des „Faust". Wer kennt daraus nicht die Szene des Osterspazierganges? Die Bürger promenieren geruhsam durch die FrühUngslandschast, und sie unterhalten sich über die Dinge, die sie und ihre Stadt bewegt. Und da sagen sie auch: Nein, er gefällt mir nicht, der neue Bürgermeister! Nun, da er's ist, wird er nur täglich dreister. Und sür die Stadt, was tut denn er? Wird es nicht alle Tage schlimmer? Gehorchen soll man mehr als immer Und zahlen mehr als je zuvor! Da schmunzelten erst viele der Theaterbesucher, und dann lächelten sie, und schließlich ging lautes und fröhliches Lachen durch den ganzen Zuschauerraum. Aller Blicke waren nach der Oberbürgcrmeisterloge gerichtet: Dr. Külz mußte die Sache natürlich gleichfalls humoristisch nehmen und mitlachen. Eine kleine nette Episode, ein Zufall! Und doch auch bei nahe mehr. Wirtlich, der neue Oberbürgermeister gefüllt vielen nicht, seine Wahl ist ja auch vorher lebhaft umstritten gewesen, denn die politischen Leioenschaftcn sind nun einmal groß, und Dr. Külz steht selbst an hervorragender Stelle der Parteipolitik. Aber das braucht gegen seine Eignung zum Oberbürgermeister nichts zu sagen, nnd man darf wohl annehmen, daß er alle Krafts einsetzen wird, nm sein Amt bestens auszufüllen. Aber leider, der Schluß des Faust-Zitates ist schon wahr geworden: »- : - Und zahlen mehr als je zuvor!" Daran ist nun Dr. Külz auch wieder nicht schuld, er hat ja dre katastrophale Finanzlage der Gemeinden überhaupt und Dresdens insbesondere nicht herbeigesühri — doch ist das für die, die bezahlen müssen, kein Trost, iz Millionen wenigstens sollte das Desizil des neuen Stadthaushaltplanes ausmachen, und da man es unbe dingt beseitigen und zum Ausgleich kommen wollte, hat nun der Am Beschlüsse gesaßt, die in allen Kreisen der Bevölkerung Entsetzen erregen. Bei den Fürsorgeempsängern, weil an den Bedarsssätzcn des Wohlfahrtsamtes 6,4 Millionen gestrichen werden sollen, bei allen Einwohnern, wett der Zuschlag zur BUrgcrsteuer nicht weniger als 350 Prozent betragen soll — ein Ehepaar hätte in der niedrigsten Klasse hiernach rund 40 Mart gegen bisher 9 Mart zu zahlen! — bei verschiedenen einzelnen BevölkerungSgruppcn, die noch besonders belastet werden, zum Beispiel bei allen denen, die irgend ein Musik instrument besitzen, weil die Musikinstrumentensteuer auch in Selten soll. Obwohl ihre Erhebung für 1930 aus- drucktlct) aw „einmalig» bezeichnet worden war . . . aus überall. Kaum irgendwo ein Lichtblick, ""d Ängste, daß es noch schlimmer kommen daß man sich auch darüber streitet, ob es «irlltch notwendig ist, für mehr als 6 Millionen Mark jetzt eine neue Grotzmarkthalle zu bauen. Die alte ist gewiß nicht vorbildlich mehr, aber genügt hat sie den Ansprüchen schließlich bisher doch. So warnt die Kausmannschaft davor, eine neue Belastung der Finanzen herbeizuführen, aber die Stadl findet in ihren Plänen Unterstützung bei den Standinhabern, die natürlich Interesse an einer modernen Gestaltung der Halle haben, die höheren Standgelder seelenruhig auf die Verbrau cher abwälzen werden, und froh sind, daß der unsinnige ur sprüngliche Plan, diese Markthalle draußen außerhalb der Stadt bei der neuen Kaditzer Brücke zu errichten, fallen gelassen worden ist. Allerdings ist diese Brücke, die der Volkswitz joder Volksunwille) „Blüher-Brücke ins Leere" nennt, nun erst recht überflüssig geworden! Auch sie hat Millionen gekostet . . . Also, wie gesagt, überast Streit und Unzufriedenheit. Unzufrieden ist auch der Zoologische Garten, der trotz seiner Schönheit und Mannigfaltigkeit immer weniger Besucher aufzuweisen hat. Und nun hoffen manche Leute auf den Sommer mit der Wieder holung der Internationalen Hygiene-Ausstellung, die am 16. Mai eröffnet werden soll. Die Eintrittspreise hat man dieses Mal, gewarnt durch die Erfahrungen des Vorjahres, zwar er heblich herabgesetzt — aber wird das Helsen in einer Zeit, in der nun einmal das Geld so außerordentlich knapp ist? Gereimte Zeitbilder. Von Gotthilf. Nach Deutschland zogen drei Offizier', Die kamen aus Frankreich gegangen, Und als sie kamen ins deutsche Revier, Da packt sie ein heimlich Verlangen. Der eine sprach: „Amis, wir sind hier, Und nun wird gleich angefangen: Ich nehm meinen Kodak und photographier Und schick' dann das Bild an Briangen!" Der andere sprach: „Wie wohl ist mir! Wir Franzosen sind klug wie die Schlangen! Ich hole mein Zeißglas und spionier' — Wie paßt das zu unsern Belangen!" Der dritte sprach: „Dasselbe schier Ist mir durch den Kops gegangen: Ich stell' an den Zaun mich und stehe Schmier So machten wir das schon als Rangen!" Da gingen selbander die Offizier', Wo Königsbergs Glocken klangen, Und raunten und schmusten: „Hier bleiben wir, Hier hält es uns fest wie mit Zangen! Wir wünschen ja nicht, daß etwas passter', Und daß sie beim Stehlen uns fangen, Doch wenn was passiert, kommt, wild wie ein Stier, Das Brüderlein poln'sches gegangen. Das Brüderlein poln sches pflanzt auf das Panier Und Hai vor dem Boschen kein Bangen, Das Brüderlein poln'sches, ich konstatier', Hai öfters schon Krach angefangen!" So sprachen zusammen die Offizier', Als sie bis Königsberg drangen, Dort har man die drei dann im Festungsquartier Bei Gaunerstückchen gefangen. Doch wie von den drei'n sich auch jeder gerier', Man Hai sie nicht aufgehangen, Sie wechseln hinüber ins poln'sche Revier Und kriegen 'nen Kuß auf die Wangen. Keinen Fußtritt kriegten die Offizier' Stuf die Rllckenverlängerungswangen — Wie schade, wie schade! Denn ging' es nach mir, Man tat ihnen schon eine langen! Vas Herz äer Olympiakämpfer. Von Detlev Sieveking. Die Veränderung des Herzens durch sportliche Betäti gung ist seit einigen Jahren der Gegenstand besonders ge wissenhafter medizinischer Untersuchungen. Von den deutscher Wissenschaftlern hat auf diesem Gebiete vi. Herbert Herx- heimer, der an der II. medizinischen Klinik unter Professo: Von Bergmann an der Berliner Charite arbeitet, internatio nale Bekanntschaft erlangt. Im Augenblick der Vorbereitung Deutschlands zu der kommenden Olympiade in Los Angeles gewinnt seine Untersuchung des Herzzu standet der Olympiateilnehmer besondere Aufmerksamkeit vr. Herxheimer konnte die Herzgrößen und das Körper gewicht von 246 Olympiateilnehmern der wichtigsten Sport zweige prüfen und durch ihre wissenschaftliche Beobachtung alle Streitfragen über das Verhalten des Herzens in den veo schiedenen Sportgebieten einwandfrei klären. Es ist selbst verständlich, daß sich ihm ausschließlich gut trainierte Sportle: stellten, die schon durch viele Jahre hindurch ihren Körper zu Höchstleistungen gesteigert haben und gewiß als die Auslese des Erdballes in ihren Sonderdisziplinen betrachtet Werder müssen. Für die Allgemeinheit aller Sportler und Turner ist es dabei besonders wissenswert, daß sich die Herzgößen de: Mehrkämpfer und der Kurzstreckenläufer kaum von den Herzen der durchschnittlichen Menschheit unterscheiden, Das bedeutet also, daß in diesen Sportarten auch das schärfste Training nicht zu einer Vermehrung des Herzvolumens führt. Dieses Untersuchungsergebnis wirkt sehr wichtig, Weil die Kurzstreckenläufer zu den Leichtgewichten, die Mehr kämpfer aber zu den Schwergewichten bei den Sportsleuteu gehören. Bei den zehn Sportzweigen, die vr. Herxheimer besonders aufführt, stehen die Mehrkämpfer im Gewicht mü durchschnittlich 79,06 Kilogramm an dritter, in derHerzgröß« an vorletzter Stelle, während die Kurzstreckenläufe mit 66,0L Kilogramm an siebenter, mit der Herzgröße an drittletzter Stelle einzureihen sind. Der Gelehrte gewann die Reihenfolge und die Wert für die Herzgrößen in der Weise, daß er das Herzvolumen ii Beziehung setzte zum Körpergewicht. Die Grundlage für sein Berechnungen bildeten Röntgenaufnahmen de! Herzens. Er photographierte die 246 Olympier aus eine: Entfernung von 2 Metern mit einer Röntgenapparatur in Atemstillstand und bei einer Belichtung von 1,2 Sekunden Die Ausnahmen wurden im Stehen gemacht, was deshall wichtig ist, weil der Querdurchmesser des Herzens beim stehen den und beim sitzenden Menschen um zwei Millimeter ver schieden ist. Den Querdurchmesser des Herzens setzte vr Herxheimer dann in Beziehung zum Körpergewicht und ge wann so den Herzquotienten, den Herzteiler, eine Ziffer also in welcher der Anteil des Körpergewichts auf je ein Teil de« Herzvolumens zum Ausdruck kommt. Je größer der Teiler das ist bei den Brüchen bekanntlich die Ziffer unter den Strich, desto kleiner ist das Geteilte, desto kleiner ist alsi auch bei den nunmehr milgeteilten Herzteilern das Herz. Dei Herzquotient der Mehrkämpfer beträgt der der Kurz, streckenläufer, die ebenfalls bereits erwähnt wurden, ^»-,3 Das sind die Werte für die Herzgröße auch des gesunden, nich in besonderem Grade Sport treibenden Menschen. In dies« Gruppe hinein gehören ferner die Langstreckenschwim - mer. Sie sind mit einem Körpergewicht von 79,51 Kilo- gramm die überhaupt schwersten Sportler und gleichzeitig du Männer mit der geringsten Herzgröße; denn ihr Herzquotien beträgt Welch bedeutender Gewichtsunterschied liegt zwischen ihner nnd den im Durchschnitt nur 59,39 Kilogramm wiegenden also mehr als 20 Kilogramm, 40 Pfund, leichteren Mara thonläufern. Diese haben zugleich das verhältnismäßig bei weitem größte Herz mit einem Herzquotienten von Der Marathonlauf stellt also ganz besondere Ansprüche an das Herz. Zu den Sportlern mit über 79 Kilogramm Körper gewicht gehören außer den Mehrkämpfern und Langstrecken schwimmern die Schwerathleten, die mit 79,43 Kilo gramm dicht bei den Schwimmern stehen, aber ein verhält nismäßig größeres Herz haben; denn ihr Herzquotient ist mit */ss,s ermittelt worden. Besonders wuchtige Leute sind noch die Ruderer; sie wiegen 75,2 Kilogramm im Durchschnitt unk gehören zu den Sportlern mit den weitaus größten Herzen Ihr Herzquotient von */m,7 wird nur von den Lang streckenradfahrern mit b»s,7 überboten. Die Langstrecken radfahrer stehen also an Herzgröße den Marathonläufern nm sehr wenig nach. Zu der Gruppe der Sportler mit den größter Herzen gehören auch noch dieBoxer mit einem Herzquotien ten von 52,7 bei einem Gewicht von 61,18 Kilogramm. Grade dieses Ergebnis der Untersuchungen der Olympia kämpfer ist für Deutschland von besonderer Wichtigkeit, da dic Messnngen unserer Boxer vor einigen Jahren einen Herz- quotiemen von ^7-,!- also ein auffallend kleines Herz ergeben hatten; danach müßten die Borer sogar ein kleineres Herz haben als die Nichtsportler. Diese Ziffer war immer als fehlerhaft angesehen worden. Die Olympiauntcrsuchung, be der die Spitzenklasse der Welt vertreten war, hat die Mög lichkeit gegeben, die Faustkämpfer nun richtig einzureihen. Ein weit kleineres Herz als die Langstreckenradfahrer haben die K u r z st r e ck e n r a d f a h r e r, die Flieger, mi! einem Herzquotienten von obwohl sie mit einem Durch schnittsgewicht von 69,52 etwas schwerer sind als die Pedal ritter der langen Entfernungen. Ungefähr auf der Mitü zwischen Kurz- und Langstreckenläufern steht die Herzgröhc der Mittelstreckenläufer mit einem Quotienten von */sl,i bei einem Gewicht von 65,28 Kilogramm. Aus dem Vergleich der Läufer erkennt man klar, daß die Herzgrößc mit der körperlichen Beanspruchung sehr genau Schritt hält Im großen und ganzen ist also die Mehrbeanspruchung des Herzens durch eine nicht übertriebene, sich von Rekord leistungen fernhaltende Sportliebhaberei keine Gefahr, sondern eine Quelle der Kraft und der Lebensfreude. Eines der größten Kriminalrätscl gelöst. Von G. Toran-Berlin. Aus den hinterlassenen Papieren eines Hellsehers fäll: jetzt ein Strahl in das geheimnisvolle Dunkel um Jack tln Ripper, dessen Frauenmorde bisher das größte Kriminal rätsel aller Zeiten bildeten. Ueber vierzig Jahre sind ver gangen, seit der vom Blutrausch besessene Aufschlitzer iv Gassen und Höfen der nächtlichen Londoner Slums auf di« Ausgestoßenen der Gesellschaft jagte und sie in bestialische: Weise verstümmelte. Ein halbes Jahr lang fand man damals alle vierzehn Tage ein blutbesudeltes Opfer des Rippers ir den stinkenden Gossen Ost-Londons, dessen verängstigte Be völkerung Nacht um Nacht wie von der Kobra hypnotisiert« Kaninchen ins Dunkel starrte, ohne je den Aufschlitzer zr sehen. Ganz London siedete damals vor Empörung und Auf regung. Im Unterhaus hagelte es Anfragen über die Um fähigkeit der Polizei, während die ganze Welt gespannt aus die Meldung von der Verhaftung des Mörders wartete Aber die Polizei blieb machtlos. Die besten Kriminalisten alle: Hauptstädte des Kontinents waren um ihre Mitarbeit go beten worden und saßen in Scotland Pard, bereit einzugreifen sobald nur der geringste Anhalt für i)ie Person des Mörder« gefunden sein würde. Tausende von Pfnnd waren als Bs lohnung ausgesetzt für eine solche Spur; tausende von Poli zisten und Detektiven waren Tag und Nacht unterwegs in ds vagen Hoffnung, den Ripper zufällig auf frischer Tat ev greifen zu können. Aber der kam, schlachtete und verschwand Und als es dann endlich einmal gelungen war, ihn zu stellen da durchbrach er mühelos die um ein ganzes Viertel gezogen Sperrkette der Polizei. Schließlich aber brach die Mordserö ganz plötzlich ab, und allmählich verblaßte das Grauen. Nu: die Kriminalisten aller Lander fuhren fort, sich mit der Morden zu beschäftigen. Wer sie hatten nur wenig, woran sie ihre Spekulationen aufbauen konnten: ein Paar Postkarten an den Londoner Polizeipräsidenten gerichtet, auf denen de: Rippcr angekündigt hatte, an welchem Tage er sich ein neue- Opfer suchen würde, „aus der Klasse jener Frauen, die siä mir verhaßt gemacht haben". Diese Postkarten waren in eine: ausgeschriebenen Hand abgefaßt und legten die Vermutung nahe, daß der Verbrecher den besseren Ständen entstammte Und diese Tatsache, zusammen mit der Feststellung, daß de: Ripper seine Opfer mit chirurgischer Geschicklichkeit ver stümmelt hatte, ließen im Laufe der Jahrzehnte immer Wiede: die Vermutung laut werden, daß der Aufschlitzer ein Arz: gewesen sein könnte. Diese Theorie scheint jetzt bestätigt worden zu sein durck ein von dem kürzlich verstorbenen Hellseher Robert James Lee hinterlassenes umfangreiches Dokument. Auf über fünfzig engbeschriebenen Seiten stellt der Tote darin die Behauptung auf, daß er auf Grund seiner hellseherischen Fähigkeiten ir Zusammenarbeit mit der Polizei den Ripper als einen de: angesehensten Aerzte des damaligen Londons entlarvt habe, daß die Durchsuchung des Hauses des (nicht genannten) Arztes neben blutigen Kleidungsstücken schwerwiegendes Belastungs material hervorgebracht hätte, und daß der Ripper von einem Konsilium aller Nervenspezialisten für geisteskrank erklärt unk in eine Irrenanstalt überführt worden sei. Zur Täuschung des Publikums sei der plötzliche Tod des Arztes angezeig: worden und um ein übriges zu tun, hätte man sogar eine Beerdigung inszeniert und einen mit Büchern beschwerter Sarg im Erbbegräbnis der Familie des Arztes beigesetzt. Alle an der Affäre Beteiligten, erklärt Lee in dem Doku ment weiter, seien zu strengstem Stillschweigen verflichtet worden und er selbst habe aus der königlichen Schatulle eim lebenslängliche Pension bezogen, nachdem er vorher von de: Königin Victoria empfangen worden war. Mit einem Schwur, nie ein Wort über die Affäre zur verraten, erklärt der Hell seher auch die posthume Methode seiner sensationellen Ent hüllungen, die in London gewaltiges Aufsehen erregt haben. Die Polizei hat sich noch nicht dazu geäußert, und es wird auch nicht erwartet, daß sie es je tun wird. Aber die Nach forschungen verschiedener Reporter haben ergeben, daß Lee, s der im einundachtzigsten Jahre starb, tatsächlich von derKöni- l gin Victoria gleich nach dem p,ötzl:chcn Abbruch der Mord- j ferie empfangen wurde und daß er auch bis an sein Lebens- f ende eine Pension bezogen hat. Diese Tatsachen sowie der Umstand, daß das hinterlassene Dokument ebenso logisch wic s ausführlich ist, lassen zum mindesten die Vermutung zu, daß > die von Lee gegebene Aufklärung richtig und damit eins der größten Kriminalrätsel der Welt endlich gelöst ist.