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MMufferTageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaff, B« »WUrdniffer Taeedlatt- «rschrinl an allen Werktagen nachmittags S Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in Kar G-schüft,stelle unk Ken Ausgabestellen 2 AM. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,30 RM., bei Postbeftellung 2 «M. zuzüglich Abtrag. , , , ,, . — ,, . gebühr. Einzelnummern I6«psg. All-Poftan stallen Wochenblatt für Wrtsdruff u. Umgegend Postboten und unsereAus. trügerund Deschäflsftellen nehmen zu jeder Zeit Be- ftellungcn entgegen. Im Falle HSHerer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto b-iliegt. für Äürgerkum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die 8 gespaltene Raumzeile 2V Npfg., die 4 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40R«ichs- pfennig, die 3gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 Reichsmark. Nachweisungsgebühr 20 Reichspfennige. geschriebene Erscheinung«- s— . tage und Platzvorschrist« werden nach Mögltchk-it Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 berücksichtig,. Anzeigs» annahmebisoorm.lOUHr. —- Für die Richtigkeit da ¬ durch Fernruf übermittelten Anzeigen übernehmen wir keine Garantie. Jeder Rabottanspruch erlischt, wenn derBetragkurch Klage eingezogen werdenmuh oderderAuftraggeberinKonkurs gerLl. «nzeigcnnehmen alleDermiltiung-stellenentgegen. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nr. 131 - 86. Jahrgang T-legr-Adr .Amtsblatt' Wilsdruff-Dresden Postscheck Dresden 2640 Mittwoch, den 8 Juni 1S27 Von KoluMs Ar Chamberlin. Vierundzwanzig Stunden Flug über den Ozean, ein Paar Stunden Flug noch über festes Land und Newyork und Berlin schütteln sich die Hände. „Good-bye Newyork — Halloo Berlin!" Ist das ein Traum? Ist das Sinnes täuschung? Nein, es ist kein Traum und unsere Sinne sind wach und hell. Da ist Chamberlin, der Leutnant Chamberlin aus Amerika! Gestern — nicht wahr, das war doch erst gestern? — saß er noch in Newyork bei Frau und Freunden, und heute — wahrhaftig heute schon! — sitzt er lebig und leibhaftig mitten in Berlin. „How do you do, Chamberlin?" Er ist nur schnell einmal herübergeflitzt, um uns „Guten Tag" zu sagen, und propellert rasch wieder zurück. So ist jetzt das Leben! So werden wir bald alle Tage leben! Wir war das doch mit Amerika? Schlagen wir die Geschichte auf! 1492. In der Frühe des 12. Oktober. Hoch oben vom Mast der Kolumbus-Karavelle hat ein Matrose im Mondenschein ein vorspringendes Gestade ent deckt, und „Land! Land!" erschüttert ein Ruf die Luft. Das ist Amerika, das ist eine neue, vorher nie gesehene, aber geahnte Welt! 36 lange Tage, 36 bange Nächte war der genuesische Seefahrer unterwegs, aber das Ziel ist er reicht: Europa hat Amerika gefunden und wird es nun nicht mehr aus den Augen verlieren. Mühsam ist die Fahrt: in wochenlangem, hartem Kampf mit Woge und Sturm durchfurcht das Segelschiff die Wasserwüste, aber das Ziel, das drüben winkt, ist des Schweißes der Stre benden wert. Völker verbinden sich, ein Umschwung kommt in die sozialen und kulturellen Verhältnisse der alten Mutter Europa und der Handel nimmt eine andere Ge stalt au. Slber 36 Taae Fahrt! So geht es Jahrhunderte lang — bis 1819. Das ist ein neuer Markstein auf dem Wege zur Überwindung der Entfernungen. 1819 gelingt es Fulton, mit einem Dampfer die strecke von Savannah bis Liverpool in 26 Tagen zu durchkreuzen. Die ncuersundene Dampfschissahrt wirkt Wunder und die Entwicklung schreitet immer rascher vor wärts. Bald ist der alte Raddampfer durch die Schiffs schraube verlängert und bald ist auch das Doppel schraubensystem eingeführt. Immer mehr werden die Überfahrtszeiten heruntergedrttckt: von zwanzig Tagen auf zehn, auf acht, auf sieben. Deutsche Schiffahrtsgesell schaften treten in hervorragender Weise in den Wett bewerb ein: der Norddeutsche Lloyd, die Hapag. Und man kämpft um das „Blaue Band" des Ozcans: immer schneller, immer schneller soll die Fahrt nach drüben von- statten gehen. Rekordfahrten heben an, und mit 1500 blühenden Menschenleben sinkt die „Titanic" in die Tiefe. Das Herz stockt! Ist es nun zu Ende? Der Fahrschnelligkeitswahnsinn hat in furchtbarer Weise Opfer gefordert, und „Höher geht es nicht!" sagt, von den Elementen besiegt, die Masse Mensch. Und dennoch geht es höher — im buchstäblichen Sinne des Wortes: höher. Hoch oben die Luft tritt in den Wettbewerb mit dem Wasser tief unten. Das lenk bare Luftschiff ist da, das lenkbare Flugzeug folgt. Tastende Flüge zuerst, immer weiter sich dehnender Flügel schlag dann, und der unscheinbare Motor erobert Land und Meer. Aber von Europa nach Amerika in einem Zuge, in einem einzigen, ununterbrochenen Fluge? Das zu denken schon scheint Wahnsinn, aber dieser Wahnsinn hat Methode! September 1924: ein deutsches Luftschiff überfliegt trotz Böen und Sturm den Atlantischen Ozean und landet pünktlich, wie nach dem Kursbuch, an dem Ziel, das es sich gesetzt hat. Die Welt hält den Atem an. Aber dann der Jubclruf: „Hallo Deutschland! Hoch Zeppelin! Hoch Eckener!" In vier, in drei Tagen wird man nun herüber und hinüber können: Sonntag Abfahrt von Ber lin nach Newyork, am Wochenend wieder zurück in Deutschland! Aber noch sind die letzten Möglichkeiten nicht ausgeschöpft. Schneller noch, waghalsiger noch muß es gehen. Drei Tage, drei volle Tage für Europa—Amerika? Aber das ist ja vielzuviel vergeudete Zeit in unseren schnellebigen Tagen. Der Mathematiker, der Meteorolog, der Pilot setzen sich hin und rechnen aus, wieviel Zeit allerhöchstens man brauchen würde, um mal rasch — so zusagen im V-Flug — hinüberznfliegen. In zwei Tagen muß es zu schaffen sein! Kleinigkeit, wird gemacht! Nungesser fliegt, wird flügellahm und versinkt, wie einst der junge Ikarus. Aber Pioniere, die sich opfern, müssen sein. Aufregung, Spannung, eine Träne aufrichtigen Mitleidens — aber die Welt geht weiter, die Welt fliegt weiter. Hallo, Lindbergh! Ein „fliegender Narr", aber immerhin mehr Flieger als Narr. Newyork—Paris in dreißig und einigen Stunden! Das mach' mal einer nach! Und es macht es sofort einer nach, es macht es sofort einer noch besser: über Lindberghs Zielstclle hinaus schießt Chamberlin, der Leutnant Chamberlin. Hut ab vor Chamberlin! So stehen augenblicklich die Dinge um Amerika und um uns hier in Europa. Jetzt ist das der Rekord — aber weißt du, was morgen sein wird? Noch erscheint als Tollkühnheit, was bald vielleicht ein Alltäg liches sein wird, und die heute noch Wickelkinder sind, wer den vielleicht eines^ges, wenn sie Großväter sen werden, ihren Enkeln erzählen: „Damals, als man vom Tempel hofer Feld in Berlin ans den Rekordflug zum Mars unternahm..." Dr. Sch. SzmshM WMlin Rd Levine in Berlin. Das Alte stürzt... Ms vor kurzem der amerikanische Überseeslieger Lind bergh auch Brüssel und London besuchte, aber den kurzen Flug nach Berlin zu machen vermied, haben wir Deutschen uns alle doch ein bißchen geärgert. Aber so, wie es jetzt gekommen ist, jetzt, da Deutschland, Berlin Flugziel wurde, können wir eigentlich ganz zufrieden damit sein, daß wir sozusagen damals „geschnitten" wurden, denn die Leistung des Mannes, der die fast 7000 Kilometer von Newyork bis nach Mitteldeutschland bewältigte, ist noch viel größer als die seines Vorgängers, der ja allein, ohne Begleiter, nach Frankreich flog. Wir tun recht daran, Chamberlin zu feiern; denn man soll den Eindruck, den solch eine sportliche Leistung ersten Ranges gerade in Amerika macht, nicht gering einschätzen, und die Vereinigten Staaten werden eifersüchtig aufmerken, ob in Deutschland dieser Leistung auch äußerlich mit der selben Anerkennung entgegengetreten wird, die sie in Amerika erregt, und ob der amerikanische Flieger Lei uns dieselben Ehrungen genießt, deren sich sein Vorgänger in Paris und London, den Hauptstädten der einstigen Kriegs verbündeten, erfreute. Man unterschätze derartige volks psychologische Strömungen nicht, auch wenn wir vielleicht ein wenig anders denken, den Wert der Leistung mehr innerlich empfinden, weniger Freunde äußerlichen Ge pränge für derartiges sind. Kleine Geschenke erhalten nicht bloß die Freundschaft, wie das Sprichwort sagt, son dern sie können auch neue Freundschaften an bahnen, verlorengegangene von neuem knüpfen. Und gewissermaßen machen wir auch eine Dankesschuld dadurch quitt, wenn wir den amerikanischen Flieger, der zu uns kam, mit Ehren und Anerkennung überhäufen; hat man doch die Führer unseres „Zeppelin", als er drüben in Lakehurst niedergegangen war, gefeiert, wie eben nur Amreika feiern kann. Wie lange wird es noch dauern und der Passügler- flug von Deutschland nach Amerika ist kein Jkarusträum mehr, gelangt man in zwei Tagen von Berlin nach New york. Enger rücken die Länder, die Kontinente zusam men, fallen äußerliche Grenzen, die nicht in den Luftraum emporragen. „Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit" — fast ein Symbol ist es, daß Deutsch land, daß gerade Berlin als Mittelpunkt dieses einst so geschmähten, immer noch unterdrückten Deutschland zum Ziele dieses Fluges gemacht wurde. Noch gar nicht so lange ist es her, daß die letzten Fesseln fielen, in die sogar unsere doch so überaus friedliche Luftfahrt geschlagen war, und in raschem Siegeszug konnte sie sich den Platz erwerben, der ihr durch Wissen und Können gebührt. So ist neues Leben aus den Ruinen e m p o r g e b l ü h t und wir empfinden es als besondere Genugtuung, daß gerade der Vertreter einer Ration, dis vor neun Jahren in erster Linie unseren Zusammenbruch herbeiführte, es nun gewesen ist, der ein neues geistiges Band geknüpft hat zwischen den Gegnern von einst. Ge wiß überschätzen wir nicht die Wirkung einer derartigen Tat; aber wir wissen, daß das Erscheinen eines ameri kanischen Fliegers über Deutschland wieder ein Schritt aus dem Wege vom Kriege weg zu einen wirklichen Frie den und zu einer besseren Verständigung hin bedeutet^ Oer Ozeanflieger am Ziel. Landung um 17,55 (5,55 nachmZ Ahr. Das tückische Geschick, das der Vollendung des Fluges Newyork—Berlin noch im letzten.Augenblick durch einige Mißhelligkeiten entgegentrat, ist besiegt. Über die Not landungsetappen Eisleben und Kottbus wurde Dienstag gegen Abend der von Anfang an bestimmte Endpunkt der Fahrt, Berlin, erreicht. Begeisterter Empfang in Berlin. Um 16.15 (4.15) Uhr stieg die „Columbia" mit Cham berlin und Levine an Bord in Richtung Berlin vom Kott busser Flugplatz auf, begleitet von 14 Flugzeugen der Deutschen Lufthansa. Nach 17.00 (5.00) Uhr nachmittags kam das Geschwader über dem Berliner Weichbild an und konnte von allen Straßen beobachtet werden, erschien bald über dem Flughafen in Tempelhof, wo eine dichtgedrängte große Menschenmenge in begeisterte Ovationen ausbrach. Die Flieger kreisten zum Willkommen längere Zeit in ele gantem Fluge über der Reichshauptstadt und landeten dann um 17.55 (5.55) Uhr auf dem Tempelhofer Feld. Der Jubel war unbeschreiblich. Die Zuschauermcnge war trotz der Enttäuschung vom Montag auch am Dienstag bis ins Riesenhafte gewachsen. Es hatten sich vielleicht 100 000 Menschen angesammclt. Die amerikanischen Flieger wurden sofort bei der An kunft durch den Neichswirtschaftsminister Dr. Curtius sowie durch den amerikanischen Botschafter Schurman be grüßt, ebenso durch den Vertreter der Stadt Berlin Dr. Curtius sprach im Namen des Reiches und des Preussischen Staates. Während der Reden erschollen un aufhörlich die Hochrufe der begeisterten Zuschauer. Musil ertönte und spielte abwechselnd die amerikanische und die deutsche Nationalhymne. Es war ein unbeschreiblicher Augenblick. Abends fand zu Ehren der Flieger in der amerika nischen Botschaft ein kleiner Empfang im intimen Kreise statt. Mittwoch mittag werden Chamberlin und Levine vom Reichspräsidenten und vom Reichskanzler empfangen werden. Für Mittwoch abend hat die amerikanische Bot schaft bereits Einladungen zu einer größeren Festlichkeit ergehen lassen. Hindenburg empfangt die Flieger. Empfang durch Reichskanzler Marx. Besondere Veranstaltungen zu Ehren der Flieger trafen Neichsbehördcu, die Stadt Berlin, die amerikanische Botschaft, die Staatsregierung, die Deutsche Luft-Hansa und der amerikanische Botschafter. Chamberlin und Le vine wohnen in der amerikanischen Botschaft. Chamberlin wird nicht nur, wie es ursprünglich hieß, vom Reichspräsi denten, sondern auch vom Reichskanzler empfangen werden. Mittwoch findet ein Essen beim amerikanischen Bot schafter statt, ferner ist ein Essen bei dem Neichsaußen- mnister vorgesehen. Am Mittwoch findet eine Magistratssitzung statt, in der über beabsichtigte Empfänge der Stadt Berlin be raten Wird. Vorgesehen ist ein Bankett, entweder in der Wohnung des Oberbürgermeisters oder im Rathause oder in der Städtischen Oper. Der amerikanische Bot schafter war bei der Ankunft auf dem Tempelhofer Felde und richtete einige Worte an seine Landsleute. Für das preußische Staatsministerium war Staatssekretär Weißmann anwesend. Für Donnerstag ist ein Diner bei Außenminister Dr. Stresemann geplant. Die Deutsche Luft-Hansa wird die Flieger durch ihre Anlagen führen, einen Theaterbesuch, Besichtigung von Potsdam, mit einer anschließenden Fahrt auf den Havelseeu veran stalten. * Amerika uad Chamberlin-Landung. Deutschlund wird populär Neuyork, 7. Juni. Die Begeisterung über die Lan dung Chamberlins in Berlin wächst in Amerika von Stunde zu Stunde. Ueberall und besonders an allen Zeitungsständen ver folgt man in höchster Spannung den Berliner Triumphzug der Ozeanflieger. Die Zeitungen veröffentlichen Großaufnahmen Hindenburgs, Schürmanns, deutscher Städte, des Tempelhofer Feldes, Bilder aus der Reichshauptstadt und natürlich auch Aufnahmen von den beiden erfolgreichen Fliegern. Präsident Coolidge richtete an den Reichspräsidenten von Hindenburg fol gendes Kabeltelegramm-: Ich danke Ihnen für freundliche Bot schaft über Flug Chamberlin und Levine. Die besten Wünsche Amerikas an Deutschland. Ich freue mich, meine besten Wünsche an das deutsche Volk anzufügen und Ihnen gleichzeitig für diesen Empfang zu danken, der Amerika zuteil wurde. PiWemsaug is der WmkmiM Bvlschsst Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Berlin, 8. Juni. Heute vormittag fand in der ame rikanischen Botschaft, wo die beiden Transozeanflieger Wohnung genommen haben, ein Presseempfang statt. Der Botschaftsrat Poole gab bekannt, daß zahlreiche Glückwunschtelegramme ein gelaufen seien, die soweit möglich auch beantwortet würden. Daraufhin wurden von den einzelnen Pressevertretern an die beiden Flieger verschiedene Fragen gestellt. Chamberlin erzählte, daß jetzt noch kein festes Programm-für seinen weiteren Aufent halt in Europa vorgesehen sei. Bisher sei nur eine Einladung von der österreichischen Regierung zum Besuche Wiens einge- troffen. Diese Einladung hätten die Flieger jedoch bis jetzt noch nicht angenommen. Ob sie nach Paris, London oder Moskau fliegen würden, sei noch nicht bestimmt. An und für sich möchten sie gern mehrere europäische Hauptstädte besuchen und dabei besonders die flugtechnischen Einrichtungen der einzelnen Länder kennenlernen. Sollte er eine Einladung nach Moskau erhalten, so sei es nicht ausgeschlossen, daß er sie annehmen werde. Er glaubte jedenfalls noch sechs Tage in Berlin zu bleiben. Auf die Frage erklärte -Chambcrlin weiter, daß er zahlreiche An gebote von Filmunternehmern erhalten habe. Ferner fei ihm- von einem amerikanischen Konsortium ein Angebot von 100 000 Dollar gemacht worden, falls er nach Amerka zurückfliegen werde.