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Frankenberger Erzähler Unterhaltungsbeilage zum Frankenberger Tageblatt Wtck jeder Mitwochs«, Freitags« und SonntagS-Nummer ohne Preiserhöhung des Hauptblattes b-igegeben. Mittwotü dm 8. Mi 1S18 8r<rLden5erjreKninl5 . Was der Schöpfer hat gewollt Unter deinem Lebenslauf, Hast du seiner Lieb' gezollt: Träume dich zu ihm hinauf! — Da er seine Menschen liebt, Prüft er sie durch das Geschick! — Wenn er ihnen Segen gibt, Schenkt er ihnen Trost und Glück! — Hast in deiner bangen Zeit Du nicht manchmal sein gedacht? — Erkennend ihm dein Herz geweiht, Das in Sehnen äufgeroacht? — Schütze diesen Glaubsnsklang, Den du betend hast gefunden, Der dir durch die Seele drang: Gott erleichtert deine Stunden! — Hans Zesora. Erzählung von A. L. Lindner. 3 NnchLnick verboten D-er Oktober kam heran. In der Oberförster« drängte fsich die Arbeit mehr als je, und so geschah es, daß Erich.trotz besten Willens mehrere Tage nicht zur Stadt kommen konnte- Da klingelte man ihn eines Morgens an. Das Rodenbachsche Mädchen war am Telephon, raum verständlich vor Auf regung, aber Erich begriff doch, daß Schlimmes geschehen fei und daß Malve seiner bedürfe. Der lange gefürchtete Schlag war gefallen; wieder war nun in einem Hause die Freude erloschen. Stunden hindurch hatte Malve in tiefer Ohnmacht ge legen. Der Arzt, den das jammernd« Mädchen herbeigeholt, oerlieb gerade erst das Haus, als Erich kam. Weitz und gebrochen lag Mvlve da, wästdte nur immer- strrt den Kopf auf dem Kissen hin und her wie m den unerträglichsten Schmerzen. ' „Er ist tot — er ist tot — er ist tot." Das eintönige Wimmern schnitt Erich ins Herz. Und wie fremd und irre dis Stimme klang. War die Erschüt terung für Hirn und Nerven allzu stark gewesen? Besorgt beugte er sich über sie. Bertholds Erkennungsmarke war gesunden worden, da mit war dis Gewißheit feines Tod«s gegeben. Heute früh war die amtliche Nachricht gekommen. Das Bataillon hatte an dem verhängnisvollen Tage so schwere Verluste erlitten, daß nähere Mitteilungen über das Ende des Oberleutnants No denk ach nicht zu erhalten gewesen waren. Das war alles. Ein froher, glücklicher Mensch war aus den Reihen der Lebenden verschwunden, wie . ein verschwebender Schatten. Nie Ehr würde sie, die er so sehr gelebt hatte, fein freundliches Gesicht sehen, seine Helle Stimme hören. Nicht einmal der arme Trost blieb, zu wissen, wo das Grab ihn deckte. Planlos schweiften die suchenden Gedanken durch das fremde Land- Aus der verwöhnten, glücklichsten Frau war eine Witwe geworden, die dem Leben völlig hilflos und weltfremd gegen- S.derstand. Was war sie denn ohne seine tragende und stützende Liebe? „Ich kann nicht leben ohne ihn, und ich will's auch nicht." - Immer wieder kam das. Beklommen stand Erich neben ihr, j schweigend in heißem Mitleid. Cre müßte jetzt hinab in > Tiefen, dis bitterer waren als der Tod und ebenso einsam- ' Was sollten da Menschenworte? - Enn Stunde verging so. Dann wurde Malve ruhiger. Sie lag mit fest geschlossenen Augen uird Lrppen, als ob sie sich Erich's Gegenwart gar nicht mehr bewußt sei. Um dis Mittagszeit steckte das Mädchen schüchtern den ! Kopf in dis Tür. Es sei angerichtet, flüsterte sie, ob Herr . Oberförster nicht etwas genießen wolle. Die Aufforderung l brachte es ihm zum Bewußtsein, daß er in der Tat hungrig ss:. Er war vor Lau und Tag ausgestanden und hatte einen weiten Weg ms Revier gemacht. Allen seelischen Erschütte rungen zum Trotz verlangte der Körper sein Recht. Er sah auf Malve. Müßte man sie nicht nötigen, i etwas zu sich zu nehmen? Doch dann schien's ihm, als ob - sie schliefe, und er brachte es nicht über's Herz, sie zu stören- i Sacht ging er hinaus, um sich nach oen Kindern umzüsehen. , Die beiden ältesten hatten bei Elise in der Küche gespielt; chrr ! Schürzchen zeigten die Spuren vielfältiger Unternehmungen. „Wo is Mutti?" fragte Bubi. Auch das Schwesterchen > wackelte auf seinen dicken Beinchen heran und hängte sich , an des Onkels Hand. In der Kinderstube krähte aus vollem - Halle das jüngste. „Die armen kleinen Würmer. Wenn die wüßten, was s heute passiert ist," meinte Elise mitleidig. Erich nahm die Kinder, die schon ihr Mittag bekommen : hatten, mit sich, während er rm Eßzimmer eilig und zerstreut ! genoß, was man ihm vorgejetzl hatte. „Wo is Vati?" fragte Bubr, und „Krieg" antwortete Klein Berta in fast quietschendem Tone. Dies Frage- und Antwortspiel, das Elise ihnen beigebracht haben mochte, setzte sich ein kleines Weilchen in heilem Krescendo fort, bis sich endlich Erich den Jungen einfing. „Du mutzt das jetzt nicht mehr sagen, Bubi, hast Du gehört?" Die Kinderaugen fragten und staunten ihn an: „Wa-um?" „Weil Vati jetzt beim lieben Gott ist." „Wa—um?" Und Bubi fragte ihn immer wieder: „Wa—um?" Ja, ja, das Leben mit all seinen Fragen, lösbaren wie unlösbaren, würde allmählich an die kleinen Schelm« heran- Irrten, und immer würden sie sich nur an die Mutter wenden können. Jetzt war's noch leicht. Aber einmal würde auch die Zeit kommen, da dem Jungen die festere Hand und der weitere Blick eines gutM Vaters not tat. Arme Malve, viele Pflichten und große Verantwortung warteten ihrer. Aber vielleicht war dies Gegengewicht g«g«n die lastende Verzweif lung auch ihr Glück. — Horch — ging da nicht eben die Verandatür? Das konnte doch nur Malve sein. Ja, wirklich, jetzt sah er sie Lurch den Garten schreiten, hastig und doch unsicheren Schrittes; verstohlen sich umblickend, wie einer, der kern gutes Gewissen hat. Erichs Blicke folgten ihr. Gut, daß sie die Lethargie abgeschüttelt hat, dachte er. Aber wie — den Steig am Gebüsch hinunter, rechts abbiegend — Herrgott — da gmg's ja zum Fluß! Unsanft setzte er Klein Berta zu Boden, stieß das Fenster auf, war mit einem Satz draußen, stürzte den Weg hinunter: „Malve! — Malve!" Auf dem Steg, an dem noch Bertholds Leines Beat schaukelte, fand er sie, dir Hand auf einen Pfahl gestützt, vornüber ins Wasser starrend. Da war er schon neben ihr, faßt« sie. „Malve — was machen Ci«? Was wollen Sie hier?" fragte er scheinbar ruhig. Sie schreckte zusammen, .wie eine ausgestörte Schlafwand-