Volltext Seite (XML)
Ko, SLi «KN L 114,— » 8 -s« 8S§ Also «he ich mit Herrn Seidelmann nach Genf reiste, blieb ich noch ein paar Tage hier im Schloß, um die Zimmer der Komtesse vollends einzurichten. Es passierte gar nichts besonderes. Graf Ravenau verließ seine Gemächer nur, um im Pari spazieren zu gehen und einmal nach Gerlachhausen, das ist ein Gut, zu fahren. Aber gleich am dritten Tage, als ich hier mar, kam nach Tisch ein sehr vornehmer, junger Herr in den Schloß Hof geritten und wurde vom Grafen in seinem Arbeits zimmer empfangen. Ich hörte später, es sei Götz von Ger lachhausen. Ich konnte mich unbemerkt durch einige Räume bis- an die Tür des Arbeitszimmers schleichen. In diesem Salon stand ich nun und versteckte mich sorgsam hinter dem Türvorhang. Und da konnte ich alles hören, was die Komtesse Jutta ist sehr schön und immer traurig. Ich mochte schon gern, daß sie vor Leid bewahrt wird. feinen Arm. „Du bist unwöhl, Großpapa. Darf ich nicht bei Dir bleiben und Dich pflegen?" Er lächelte gerührt und drückte sie an sich. „Dank für Deinen guten Willen! Es ist aber unnötig. Ich gehe sofort zu Bett. Morgen Aüh bin ich wieder frisch,. dann sehen wir uns' wieder." Er nickte ihr zu und ging. Sie blickte ihm lange nach. In ihrer Seele lag «ine bange Frage. Was hatte - ihr« Mutter getan, daß der Großvater sie noch im Tode mit unversöhnlichem Haß verfolgte? Dem Toten soll man alles verzeihen, war fi« belehrt. worden. Ein heißes Mitleid Mit der toten Mutter erwachte in ihr, eine sich erbarmende Liebe. Mochten alle Menschen im Groll-ihrer gedenken — sie war ihr Kind — sie wollte in Liebe ihrer gedenken. beiden Herren sprachen. . Erst war davon die Rede, daß Graf Ravenau wünschte, Herr von Eerlachhausen sollte Komtesse Jutta heiraten. Der junge , Herr machte verschiedene Einwendungen, als wenn er nicht recht wollte. Aber Graf Ravenau ließ gar nichts gelten und sagte sehr laut: „Sie und kein anderer sollen Juttas Gatte und mein Nachfolger werden." Herr von Eerlachhausen sprach dann etwas von einer früheren Liebe. Da schnitt ihm Graf Ravenau das Wort ab und sagte: „Ich weiß, ich weiß, das^ ist ja eine alte Geschichte. Lassen wir das ruhen. Sie brauchen Jutta keine große Leidenschaft entgegenzubringen. Die Hauptsache ist, daß Sie mein Nachfolger werden. Nur bei Ihnen bin ich ganz sicher, daß Sie jenes verworfene Weib nieMals in Ravenan und Schönrode dulden werden. Ich habe Ihr Wort, Juttas Mutter mit allen Mitteln von ihr fernzuhalten. Solange es geht, soll Jutta nicht erfahren, daß ihre Mutter noch lebt. Ist sie aber nicht anders vor dieser Abenteurerin zu schützen, drängt sich diese trötz oller Vorsicht an sie heran, dann übergeben Sie Jutta die^ Pa piere. Hier, in diesem Geheimfach meines Schreibtisches, finden Sie im Fall« der Not eine Niederschrift von mir und alle ' Beweise der Schuld dieser Frau. Dann wird sie selbst nichts mehr mit ihr zu tun haben wollen." — So ungefähr-sprach der Graf und Herr von Eerlachhausen gab sein Ehrenwort, daß er alles Kin werde, was der Herr Graf verlange. Gnädige Frau können, mir glauben, ich erschrak sehr, qss. / ich das hörte. Daß Komtesse Juttas Mutter noch lebt, weiß hier kein Mensch. Der Silberdiener erzählte mir, sie sei eine wunderschöne Frau gewesen. Er sagte mir, daß Gräfin Gwendoline, so hieß die Mutter der Komtesse, vor vielen Jahren mit ihrem Manne auf. einer Wagenfahrt verunglückt und gestorben sei. ' Und nun hörte ich, daß sie lebe. Ich werde natürlich keinem Menschen außer Ihnen verraten, was ich erlauscht habe. Meins arme, junge Herrin tut mir leid.. Weiß ich doch von Ihnen, daß ein Unheil über ihrem-Haupts schwebt. Ich will alles tun, um Ihnen zu helfen, es abzuwenden. Sonst weiß ich nichts mehr zu berichten, als daß Herr von Eerlachhausen für Komtesse herrliche Rosen geschickt hat. Und ein Gespenst soll es hier im Schlosse geben. Davon schreibe ich der gnädigen Frau das nächste Mal. Ich bin nun sehr müde und will Sie nicht länger auf den Brief wgrten lassen. Ich hoffe, gnädige Frau zufriedengrstellt zu haben und will auch in Zukunft alles beachten und Nachricht geben. Bitte nochmals um Verzeihung wegen des Armbandes. Gehorsamst und hochachtungsvoll Johanne Möbius." Aüfatmrnd lehnte sich Johanne einen Augenblick zurück und rieb sich die müden Augen. Dann adressierte sie den Brief: „An Frau Dolly v. Sterneck, Berlin W .50, Kur fürstendamm t08, lll." » - Johanne hätte schön alles zum Ankleiden ihrer Herrin zurechtgelegt, als diese erwachte. Flink und gewandt leistete die Zofe ihr Dienste. Noch eh« Jutta die Toilette beendet, wurde ein neuer Strauß Rosen für sie abgegeben. Mit leichtem Er röten nahm sie, ihn in Empfang und öffnet« das schmale Kuvert, das die Rosen begleitete. Es enthielt-, ein Kärtchen mit der Aufschrift: „Götz v. Gerlachhausen wünscht Komtesse Ravenau Men recht fröhlichen guten „Morgen." . Jutta fühlte sich durch diese wenigen Worte erfrischt und gehoben. Wie hübsch war es von ihm, ihr auf diese Weise neuen Mut einzuflößen! . , Eilig vollendete sie ihren Anzug und begab sich auf die Veranda, wo sie gestern den Tee genommen. Dort war drr Sinnend ließ sie sich von Johanne das schwere Haar l für dis Nacht ordnen. ' Als ihr Johanne ein leichtes, weiches Neglige über geworfen, entließ sie dieselbe — und-setzte sich noch eine Weile an das Fenster. Der Mond stand fast über d«m Schloß und beleuchtete den Drachenbrunnen. Ihre Gedanken ver- . weilten noch immer bei der Szene mit dem Großvater. Plötz lich löste sich ein klarer Gedanke aus dem Ehaos ihrer Gefühl«. „Jetzt weiß ich, weshalb ich so länge von Ravenau fern- s gehalten wurde. Ich habe^das Erbe meiner toten Eltern angetteten. Großvater liebt mich wohl, weil ich das Kind : Hernes Sohnes bin — aber der Haß, den er gegen meine . Mutter hegt, warf auf mein Dasein einen Schatten." Sie schlug die Hände vor das Gesicht und weinte, bis ihr das Herz leichter wurde. Dann ging sie schnell zu Bett und entschlief trotz aller vorausgegangenen Unruhe bald. Als Juttas Zofe, Johanne, nachdem sie von ihrer jungen Herrin entlassen worden, in ihr hübsches Zimmerchen trat, das neben den Gemächern der Komtesse lag, begann sie eilig in ihrem Koffer zu kramen. Sie holte Briefpavier und Schreibzeug daraus hervor, schloß die Tür von innen zu und letzte sich zum Schreiben, nieder. „Sehr geehrte gnädige Frau! Wollen Sie gütigst entschuldigen, daß ich Ihnen noch nicht ausführlich berichtet habe. Ich bin aber bis jetzt nicht «ine Stunde freigewesen. Wie ich Ihnen schon mitteilte, wurde ich auf IP: vorzügliches Zeugnis sofort in Ravenau engagiert und mußte mit dem Haushofmeister, Herrn Seidel mann, nach Gens reisen, um meine junge Herrin Komtesse Jutta Ravenau. von 'der Pension abzuholen. Ihren Befehlen, gnädige Frau, bin ich trotzdem, so gut es ging, nachgekommen. Gnädige Frau können sich, ganz auf mich verlassen. Ich werde gewiß nicht vergessen, daß Sie mich vor dem Gefängnis bewahrt haben. Ehe ich Be richt gebe, will ich nochmals heilig versichern, daß ich das entwendete Armband ganz sicher vom Versatzamt eingelöst und zurückgegeben hätte, wenn mir nur Zeit geblieben wäre. Aber gnädige Frau hatten es zu meinem Schrecken gleich ent deckt. Aber, liebe gnädige Frau, es war wirklich nicht Schlech tigkeit, ich konnte mir nicht anders Helsen. Mein Bräutigam mußte nach Amerika, weil er sich im blinden Zorn an seinem Feldwebel vergriffen und eine schwere Strafe zu erwarten hatte. Da gab ich ihm mein Erspartes, und weil es nicht reichte, versetzte ich das Armband. Ich halte nicht . Zeit, das Geld anders zu beschaffen. Nun ist er gottlob in Sicher heit, und ich dänke Ihnen noch tausendmal, daß Sie mich des Armbandes wegen nicht ins Unglück brachten. Ich will nun hier auch alles nach Ihrem'Wunsche besorgen, auch wenn mir gnädige Frau nicht eine so hohe Belohnung versprochen hätten. Nun will ich erzählen, was ich weiß.. Sie haben mir ja versichert, daß kein Unrecht dabei ist und alles nur den guten Zweck bat, meine junge Herrin vor eine großen Gefahr zu behüten Sir fu^ e ihr« Tränen zurückzudrängen. Es tat ihm wehe, wie sie sich mühte. Langsam erhob er sich. „Ich hätte mich nicht Hinreisen lassen sollen, Dir einen kinblick in die dunkelsten Tiefen meiner Seele zu gestatten. Das ist nichts für so junge Augen. Nun 'siehst Du selbst, wre wenig ich zum Umgang mit Menschen tauge. Vergiß Liefe Stunde, mein Kind! — Und nun muß ich mich zurück- ziehen. Für heute bin ich zu Ende mit meiner Kraft. Gute Nacht, Arttä. Schlaf güt! " Geküßte sie auf die Stirn und wandte sich zum Gehen. Lie sah, daß er wankte. Da eilte sie ihm nach und umfaßte ZKL« sr