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DezugS-Prei» chr Leipjia und Vorort, Lurch unser« lrtger und Lpediteur« in» Hau» gebrach«: «u»gabe 1 (nur morgen«) vierleljthrlich 8 M., monatlich 1 M.; Autgabe v (morgen» und abend») viertel» lLhrlich «.50 M., monatlich 1.50 M. Durch die »oft ,u beziehen: <2 mal täglich) innerhalb Teutschland» und der deutschen Kolonien vierteljährlich 5,25 M., monatlich 1,75 M. au»schl. Post- dcftellgeld, >ür Oesterreich ö L 66 st, Ungarn 8 L vierteljährlich. Ferner in Bel» gien, Ttnemark, den Donauftaaien, Italien, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Ruß land. Schweden, Schwei, und Spanien. In allen übrigen Staaten »ur direkt durch di« Exped. d. Bl. erhältlich. Adonnemeni-Annabme: stlugustuävlatz 8, bei unseren Lrigern, Filialen, Spediteuren und Annahmestellen, sowie Postämtern und Briestrigern. Die einzelne Stummer kostet 10 Pfg. Nrdaktion und Expedition: Johanniägass« 8. Telephon Nr. 146S2, Nr. I4S93, Nr. 1469a. Abend-Ausgabe v. UripIMTasMall Handelszeitung. Ämtsbkatt des Rates und des Volizeiamtes der Stadt Leipzig. Anzeigen-Preis sür Inserate aur ^ewz>g uns Umgeduni di« gespaltene Petuzeile 25 Pi., stnanziell« Anzeigen 30 Ps., Reklamen I M.; von au»wärt» 30 Pj., Reklamen 1.20 M.: vomAuälandbOPs», stnanz. Anzeigen75Ps.. Reklamen 1.50 M. Inserate v. Behörden in amtlichen Teil 40 P-. Beilagegebübr 5 M. p. Tausend erkl. Tosi- aebühr. Geichästäanzeigcn an bevor,u.;:ct Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Tarv . Fefterieille Au'trige können nicht zurück gezogen werben. Für da» Erscheinen an bestimmten Tagen und Plätze» wird keine Garantie übernommen. Anzeigen-Annahme: Augustutplatz 8, bei sämtlichen Filialen u. allen Annonceir- Expeditionen de» In- und Aurlonbe». Haupt-Filiale Berlin: Lari Luncker, Herzog!. Bahr. Hojbuch- Handlung, Lützowstratze 10. (Telephon VI, Nr. 4603). Haupt.Filiale Dresden: Seestraße 4,1 (Telephon 4621). Nr. 133 Donnerstag 14. Mai 1908. 102. Jahrgang. Das Wichtigste vom Tage. * Im Landtage kam heute die Beamtende so ldungs- Vorlage zur Beratung. (S. Telegr. Varbcricht d. Landtags.) * Tas Kaiserpaar ist von der Hohkünigsburg nach Straß- burg, von dort heute morgen nach Wiesbaden gefahren. (S. Dtschs. R.) * Der Mecklenburgische „Refor in" -Landtag verhandelt hinter verschlossenen Türen. (S. Dtschs. N.) * Die vielfach geforderten R e i ch s k a u f m a n n s g c r i ch t c wer ¬ den infolge des Widerstandes der Regierung nicht Zustandekommen. (S. Dtschs. R.) * In Italien ist ein neuer Ausstand von Landarbei tern ausgebrochen. (S. Ausl.) * In sranzösischcn Rcgiernngskreiscn verlautet, Präsident Falliercs werde seine R ci sc nach Petersburg und den nor dischen Hauptstädten auf mach st cs Jahr verschieben. * Tas Schiffsbauprogramm Argentiniens sieht den Erwerb von 20 T o r p e d o b o o t s z e r st ö r e r n an Stelle von Panzer- schiffen vor. (S. Ausl.) Studenten-Gcireralstveik. Tie österreichischen Studenten planten einen Generalstreik. Warum? Weil Professor Wahrmund, der Lehrer des Kn'chcnrechts an der Universität Innsbruck, nach einem Beschlug der juristischen Fakul- tät im nächsten Semester nicht mehr über Kirchcnrecht lesen wird. Offiziell ist dieser Beschluß in voller Freiheit ergangen, aber das glauben die Studenten nicht. Sie argumentierten so: als Wahrmund leine Broschüre „Zi acholische Weltanschauung und srcie Wissenschaft" veröffentlicht hatte, in der er dieser Weltanschauung sehr derb zu Leibe ging, da forderte der Klerikalismus unter wilden Drohungen, daß Äährmund nicht mehr über Kirchcnrecht lesen dürfe. Das haben die Klerikalen erreicht und sie haben laut triumphiert. Tic freie Wissen schaft ist unterlegen und es ist gleichgültig, wie der Beschluß der Fakultät zustande kam. Run wollten die Studenten die Freiheit der Wissenschaft schützen, indem sie streiken und sich weigern wollten, Wissenschaft in sich auszu- nehmen, und wäre sic noch so frei. Man darf diesen Beschluß nicht bis in seine letzten Konsequenzen verfolgen, sonst erscheint er als Narren streich. und er war doch mehr. Etwas Imposantes hat ein derartiger Streik nicht, weil die Streikenden kein Opfer bringen: wir Menschen sind nun einmal so trivial veranlagt, daß wir geistige Güter leicht ent behren. Hunger tut weh, aber nur der Hunger nach materiellen Speisen. Bejonders von jungen Musenjöhnen gilt das Scherzwort: „Sie glauben gar nicht, wieviel Arbeit ich liegen lassen kann!" Aber die Sache hatte doch auch eine ernste Seite. Die Jugend setzte sich gegen die klerikale Unterjochung der Hoch- 'chulen zur Wehr. Nicht nur Deutsche, auch Tschechen, Polen und Nuthencn wollten sich an diesem Streik beteiligen. Nationalitäten, die stch sonst in grimmigem ,Mß zerfleischen, schlossen sich hier zusammen. Das ist interessant, denn M beweist, daß die nationalen Gegensätze doch nicht unversöhnlich sind. Gegner, die einmal Zusammengehen, besitzen schon eine gemeinsame Erinnerung, ein Stückchen gemeinsamen Bodens in dem unendlichen Gebiet des Geschehens. Der Fall kann in ver änderter Gestalt wicdcrkehrcn und wenn er öfter wiederkchrt, ist alles gewonnen. Ferner beweist das Zusammengehen der erregten Jünglinge, daß sie — wenn man sich die Ideale einmal geologisch geichichtet denkt — über dem nationalen Ideal noch ein allgemein menschliches erblicken Feuilleton. Des Menschen größte Feindin ist die Sicherheit. Shakespeare. * Noch einmal Hau. Von Hermann Kienzl. Die widerwärtigste Erscheinung der Volkspathologic ist die Blut gier. „Der Masse liegt die Tierwelt gar zu nah", sagt Grillparzer. Wie sich ein Nudel Wölfe über ein Schaf wirft, das ist ein Bild! Zonen gibt es in der Volksseele, wo die Romantik und die Bestiali tät dicht beieinander wohnen. Dieselbe Phantasie, die uns zu den Höben trägt, wühlt mit blindem Fanatismus im Infernalischen. Ueberyaupt sind die sonderbarsten Gesellen im Gemüt Nachbarn. So mitunter auch die Ritterlichkeit und die Unmenschlichkcit. Der Feuereifer für die bedrängte Unschuld ist ritterlich. Auch der sür die vermeintliche Unschuld. Er ruft die Phantasie zu Hilse. Die löscht alle chr Wege stehenden Bedenken aus und hält der Wirklichkeit einen Spiegel vor, der ein weißes Bild für ein schwarzes Original zurück strahlt. Aber der Wille war aut . . . Das heißt: wenn's nur rein- menschlicher Wille war . . . Ihm wäre auch ein Justizirrtum im Ur- te'le der Menge, ja sogar eine Verwirrung der berufenen Justiz zu verzeihen . . . Doch es kommt vor, daß sich in jene Ritterlichkeit fauch Frauen, und zumeist Frauen, sind ritterliche Verteidigers dunkle sexuelle Motive mischen. Unbewußte, aber heftige Motive. Wir wissen, daß kühne, elastische Verbrecher, ja, ganz gemeine Raubmörder von einigen interessanten Qualitäten, eine bestimmte Art Mitleid bei einer be stimmten Art Frauen zu erregen pflegen. Diese Frauen winden um ruchlose, der Justiz verfallene Köpfe Rosenkränze der Romantik. Ihre Phantasie macht aus dem Untermenschen einen Uebermenschen. Legionen von Frauen hat Karl Hau, der listige und elegante Raub mörder von Baden-Baden, fasziniert. Daß der Karlsruher Prozeß lim Juli v. J.j mit seinem zwingenden Indizienbeweis der Logik gar kein schweres Stück Arbeit gab, hinderte die Amazonen nicht, das leichte Pensum zu verschmähen und ihren Millen über alle Tatsachen hinweg springen zu lassen. Wer wie ich Anhänger der Gleichstellung der Gc- schlechter ist, muß sich angesichts solcher Erscheinungen sagen, daß das idcale Ziel doch nur Schritt siir Schritt gewonnen werden kann: im alcichen Tempo, mit dem der Durchschnitt der Frauen an disziplinierte? Denken und Unterwerfung ihres Naturwillens unter die logischen Denkgesehe sich gewöhnt. Man stelle sich vor, welchen Ausgang der oae nicht zweifelhafte Fall Hau genommen hoben würde, wenn die Domen von Baden-Baden und Karlsruhe auf der Geschworeneubank zu entscheiden gehabt hätten ... und anerkennen. Das ist viel, viel mehr, als man hoffen dürste. Schien es doch, als gäbe cs nur noch deutsche, tschechische, polnische und ruthenischc Ideale, aber kein humanes Ziel der Sehnsucht mehr. Nicht minder zeigt der Vorfall, daß alle diese Nationalitäten sich wenigstens nebenher doch immer noch als Glieder eines großen Ganzen fühlen und nicht nur nach immer neuen Sondervortcilen streben, sondern im Bereich des Geistes gewisse Errungenschaften als gemein sam anerkennen und von ihnen sprechen: „Dies ist unser; so lasset uns sagen und so cs behaupten!" Endlich dürfen wir uns darüber freuen, daß auch in diesem Staat, in dem nur allzu lange der Beichtvater die höchste Instanz war, die Jugend sich mit mutiger Empörung gegen die Knebelung der freien Lehre auslchnt. Es ist ein neues Zeichen dafür, daß dem Tonaulande eine Acra der Gesundung und des Aufschwungs bevorsteht. Nun hören wir, daß der Streik noch in letzter Stunde ver- mieden wurde. Fast möchten wir sagen: leider! Gewiß, cs wäre sachlich nicht viel erreicht worden und vielleicht haben auch die Professoren recht, die da behaupten, daß die Sprudeljugend gegen ein selbstgcschaffencs Phantom kämpse, und daß die Freiheit der Lehre überhaupt nicht bedroht sei, aber es wäre doch schön, wenn in zehn Jahren im ösfentlichen Leben Oesterreichs eine Generation tätig wäre, dir sich daran erinnern könnte, daß sie sich einst ohne Unterschied der Na'ionaliiät zum Schutz der Wisscnschast gegen die Herrschsucht des Klerus und die Lauheit der Behörden erhoben habe. Solche holde Jogcndeselei beglückt den reisen Mann, der sich ihrer mit gerührtem Lächeln erinnert und vielleicht bestimmt diese Erinnerung einmal in einem schicksalsvollen Augenblick sein Handeln. Aus Vaden. Eisenbahnbetrieb und Alkoholgenuß Tie Budgetkommijsion der Zweiten Kammer hat bei der Beratung des Spezialbudgets der Verkehrsanstalten die Großh. Regierung um Mitteilung der Grundsätze gebeten, nach denen seitens der Eisenbahn verwaltung bei Errichtung oder Subventionierung von Arbeiterkantincn hinsichtlich der Zulassung rcsp. des Ausschlusses alkokolhatiger Getränke verfahren wird. Dazu war von verschiedenen Seiten der Wunsch ge äußert worden, die Regierung möge sich in diesen Tingcn nicht zu sehr aus einen puritanischen Standpunkt stellen und den Arbeitern die Mög lichkeit, in den Kantinen auch ein gutes Glas Wein oder Bier zu billigem Preise zu erhalten, nicht vollständig nehmen, indem sonst die Gefahr vorliege, daß die Arbeiter ihre bezügliche Bedürfnisse in Winkel kneipen und dcrgeichcn deckten. Auch war in der Kommission die Abgabe von Zitronen durch die Verwaltung an das Personal zu einem billigen Preise angeregt worden. Die Großh. Regierung hat sich hierzu geäußert, wie folgt. Bei den schon seit einigen Jahren bestehenden größeren Eisenbahn- kantinen in Mannheim, Karlsruhe, Offenburg, Freiburg und Basel wer den neben alkoholfreien Getränken auch Wein und Bier an da? Personal abgegeben. Diese Kantinen wurden zu einer Zeit eröffnet, in der seitens der Verwaltung noch keine ausreichenden Einrichtungen zur Beschanung guter alkoholfreier Getränke getroffen waren. In den letzten Jahren hat die Verwaltung mit Nachdruck dahin gewirkt, dem Personal die Er langung guter und billiger alkoholfreier Getränke möglichst zu erleich tern. An das gesamte Arbeiterpersonal und an einige besonders den Witterungscinfliisscn ausgesetzte Bcamtcnarten wird das ganze Jahr über unentgeltlich guter Kaffee verabreicht. Eine Anzahl von Kantinen ist mit Einrrchtungcn zur .Herstellung von Sodawasser und Limonaden ausgestaltet. Sic versehen sämtliche Stationen des Landes mit ihren Erzeugnissen. Ter Verkaufspreis beträgt höchstens 3 Ps. sür ein Fläschchen Sodawasser und 6 Ps. siir ein Fläschchen Limonade. Die zur Beförderung der Getränke erforderlichen Kisten werden von der Verwaltung unentgeltlich geliefert, die Beförderung erfolgt frei als Dienstgut. In den Kantinen ist Fürsorge getroffen, daß Milch und, soweit Nachfrage vorhanden ist, andere Erfrischnngsmittel, wie Tee, Kakao, Obst, Südfrüchte und dergleichen in guter Beschaffenheit und zu billigen Preisen zu erhalten sind. Die Kantinen haben ben Zweck, dem Personal Gelegenheit zu bieten, in den Ticnstpausen mit möglichst wenig Zeitverlust gute und billige Speisen und Getränke zu genießen. Tie Wirtschaften als Genuß- und Vergnügungsräume zu ersetzen, ist nicht die Aufgabe der Kantinen. Tie Verwaltung muß aus Gründen der Betriebssicherheit und der Bewahrung des Personals vor den Ge fahren des Betriebs den größten Wert darauf legen, daß das Personal während des Dienstes einschließlich der Pausen sich möglichst des Genusses alkoholhaltiger Geiränke enthält. Er fahrungsgemäß können auch geringe Mengen Alkohols recht verderbliche Wirkungen anrichten. Tie badische Eisenbahnvcrwaltung ist zwar nicht so weit gegangen, dem gesamten Personal den Genuß geistiger Getränke während bes Dienstes zu untersagen. Sie hat dieses Verbot nur so weit erlassen, als es die Betriebssicherheit unbedingt erfordert. Tie Kantinen werden in den Bahnhöfen so gelegt, daß sie von allen Ar- bcitsstätten möglichst leicht zu erreichen sind. Kommen in ihnen alkohol haltige Getränke zum Ausschank, so wird auch die Durchführung des teil- weisen Alkoholverbotcs für Fahrdienstbeamte und Jahrpersonal, besten Notwendigkeit niemand bezweifelt, erheblich erschwert. Die Erfahrung lehrt, daß in Kantinen, in denen auch alkoholhaltige Getränke verabreicht werden, die Mehrzahl der Besucher gewohnheitsmäßig diese Getränke bevorzugt. Hierbei wirkt in vielen Fallen weniger die besondere Neigung mit, als die Trinksitte, von der nicht gerne abge- wichcn wird. Die Versuche mit der Einrichtung alkoholfreier äantincn wurden vor einigen Jahren in Heidelberg auf eine aus dem Personal heraus gegebene Anregung hin begonnen. Die Erfolge waren recht günstig. Auch die weiteren, an anderen Orten vorgcnommenen Versuche bewährten sich. Tie Verwaltung ging aus den dargelegten Erwägungen grundsätzlich dazu über, nur noch alkoholfreie Kantinen zu errichten. Zurzeit bestehen ll solche Kantinen. Irgendein Truck, um das Personal zur Benützung dieser Kantinen anzuhalten, findet nicht statt. Es bleibt jedem Bediensteten überlassen, seinen Bedarf anderweitig zu befriedigen und, soweit nicht die dienstlichen Bestimmungen entgegenstehen, auch alkoholhaltige Getränke zu genießen. Die Abgabe von Zitronen findet in den Kantinen zum Teil jetzt schon statt. Deutsches Reich. Leipzig, 14. Mai. * TaS Kaiserpaar auf per Reise. Gestern nachmittag gegen r/»4 Ubr vcilicß taö Kaiterpaar die Hohlönigsburg und traf gegen ö'/« Uhr mir Gefolge und Gästen in geschlossenem Automobil in dem reichbeflagzten Straßburg ein, nur von wenigen erkannt und fuhr bei strömendem Regen direkt zum Kaiserpalast. Abends 8 Uhr sand beim Kaiser lichen Statthalter ein Diner statt, zu dem außer dem Kaiserpaar und dem Prinz»n August Wilhelm mit deren Gefolge Staatssekretär v. Kolter, die Unterslaatssekretäre Dr. Petri, Frhr. Zorn von Bulach und Mandel, der kommandierende General Ritter Hentschel von Gilgen- heimb und der Gouverneur General von Moßmer teilnahmen. Heule früh 9 Uhr erfolgte die Abreise des Kaiserpaares nach Wiesbaden. * Personalien aus dem Kolonialamt. Wie die „Inf." an unter richteter Stelle erfährt, hat der Gouverneur von Ostafrika, Freiherr v. Rechenberg, soeben seine Arbeiten bei der Zentralbehörde des Reichskolonialamts beendet, die seinen Aufenthalt in Berlin veranlaßt haben. Er wird sich demnächst nach Ostasrika zurückbegeben. Der Gouverneur von Togo, Graf Zech, hat auf der Rückreise nach dem Schutzgebiet sür einige Zeit in Las Palmas Aufenthalt genommen, wo er sich zu erholen gedenkt. Er wird dann direkt nach dem Schutzgebiet zurückkehreu. — Die Nachricht, daß der Kommandeur der Schutzlruppe in Deuisch-Südwestafrika, Oberstleutnant v. Estorfs, demnächst aus seiner Stellung scheiden würde, bestätigt stch nicht. Wahrscheinlich liegt bier eine Verwechslung vor, die durch die baldige Beurlaubung des Ojfiziers hcrvorgerufen wurde. Er gedenkt in nicht ferner Zeit nach Deutschland zu reisen, um sich hier längere Zeit aufzuhallen. Die Absicht, von seinem Posten zurückzutreten, liegt aber nicht vor. * Jungliberale uuv ReichSvcreinSgesetz. Nachdem bereits kürzlich, wie berichtet, der Reichsverband der nationalliberalen Zugenv Stellung genommen hatte, erläßt nunmehr auch der Landesverband der Karl Hau hat es ihnen angetan. Tas war von keinem judiziellen Belang; es konnte das gerechte Urteil nicht verwirren. Aber cs hatte Wirkungen anderer und böser Art. Die nicht unbefangene Ritterlichkeit der Frauen arbeitete mit allen Hilfen der Phantasie. Die freie Himmclstochtcr stellt sich gern dort ein, wo Herzen glimmen und brennen. Und die Phantasie hat Waffen. Hat Schwerter und vergiftete Dolche. Die Humoristen erzählen seit Jahrhunderten von den blutigen Metzeleien bei den sogenannten Kaffeekränzchen ... Es gibt Gelegenheiten, bei denen die Medisance zur Totschlägerin wird. Gefährlich sind weibliche Phantasie und weib- lichc Waffen zumal dann, wenn ein Mitglied des eigenen Geschlechtes das Opfer sein soll. Wenn die Frauen wittern, daß im Hintergründe einer hochnotpeinlichen Angelegenheit etwa auch der Dualismus von Mann und Weib eine Rolle spielt. Und wäre das auch nicht der Fall, so genügt der Phantasie ein kleiner Spielraum, eine solche Suppvsition zu gestalten. Und dann? Ganz im Gegensatz zu dem fast männer- feindlichen Auftreten der organisierten Frauenbewegung ergreift die große Mehrzahl von Frauen leidenschaftlich sür den Mann und gegen die Frau Partei. Auch dort, wo jede Parteinahme überhaupt Willkür ist, wo erst eine Erfindung die Möglichkeit bieten kann, eine Partei zu bilden. Tas ist keine vereinzelte Erscheinung. Wer übt denn im allqe- meinen das Richtcramt der gesellschaftlichen Moral? Die Frauen. Wer sind die Hürden des guten Namens? Tie Frauen. Gnadenlos, unmenschlich sind die meisten Richterinnen gegen ihre Schwestern. Die Doppelmoral, die dem Manne alle Freiheiten der Erotik gestattet, das Weib aber schon auf den bloßen trügerischen) Schein hin mit dem bürgerlichen Tod bedroht, könnte längst nicht mehr bestehen, wenn nicht ein Großteil der Frauen selbst diesen unwürdigen Zustand aufrecht hielte. Ter Konkurrenzneid spielt eben alle Farben von Mißgunst, be sonders gegen solche Angehörige d-'s eigenen Geschlechtes, die durch Schönheit, Geist und freie Lebensauffassung den Durchschnittstypus überragen. Wie sich eine große Anzahl von Frauen schon während der Juli verhandlungen des Hau-Prvzesies und dann in der Folge bis zum heu tige» Tage gegen Olga Molitor, die tapfere Schwägerin des Verbrechers, betragen haben, das ist ein lehrreiches Erempel und ein arger Skandal. Dem verschlagenen Delinaucnten paßte es in den Plan, durch ein heimtückisches Schweigen im rechten Moment und allerlei verlogene Attitüden schonender Rücksichtnahme einen Verdacht gegen das junge Mädchen zu wecken, der ibn retten sollte. So durch sichtig diese Nichtswürdigkeit war: so niakellvs Olga Molitor aus der Verhandlung hervvrging: bei den „romantischen" Verehrerinnen des Mörders und ciniaen alten Weibern in Männerhosen siel der Samen au» fruchtbaren Baden. Der Pöbel, in Karlsruhe wie überall, ein williges Werkzeug des Klatsches, brachte der armen jungen Dgmc eine Katzenmusik und Herr Paul Lindau schrieb ein Pamphlet. Er wäre nick-' Paul Lindau, wenn er nicht Modeschriftsteller nxire: er wäre nicht Modeschriftsteller, wenn nicht gewisse Feminismen in ibm ihre Rein kultur hätten . . . Aber damit nicht genug. Hinter Fräulein Olga Molitor hetzte die Wildjagd weiter. Erpresser und Gauner vom Schlage des Herrn v. Lindenau suchten im trüben zu fischen. Zeitungen warfen Schmutz auf die weibliche Ehre der jungen Dame. Man hätte sich nicht wundern dürfen, wenn Olga Molitor unter diesen unerhörten Verfolgungen zusammcngcbrochen wäre. Sie hielt sich aufrecht. Sic setzte sich -ur Wehr. Sie erhob Anklage gegen ihre leichtfertigen An greifer, und in einer Reihe von Gerichtsverhandlungen kämpst sic seit Monaten den Kampf ihrer sittlichen Natur, die Unrecht nicht leiden will, gegen die sittsamen Ehrabschneider. Tas ist keine private, das ist eine allgemeine, prinzipielle Sache. Ter letzte dieser Strafprozesse, der sich in den jüngsten Tagen ab- spielt, wird gegen den Redakteur der „Badischen Preise" geführt. Es sei dem Redakteur Herrn Herzog gerne zuerkannt, daß er nicht einer von den professionellen Sensations- und Parteisanankern, ja, daß er ohne bösen Willen war und zur Zeit des Lindenauschcu Gaunerstückes gar mancher andere irregeführt wurde. Auch ist die Staatsanwalt- tchaft von dem Vorwurf nicht freizusprechen, daß ihr Vorgehen gegen die Presse als Stimulus der guten Sache nicht nutzen konnte. Sind wir doch alle schwache Menschen und nicht immer imstande, die größere Sache von unserer eigenen kleineren reinlich zu scheiden. Alle psychologischen Gründe seien also Herrn Herzog zugestandcn . . .! Ungleich wichtiger aber ist, daß der unter irdische Hamsterbau Galcottos, des unyrenbaren Kupplers, Verleum ders und Zwischenträgers, erbrochen und dem Sonnenlicht bloßgcleat wurde. Olga Molitor ist der schwesterlichen Blutgier der Hau-Ama- zoncn nicht erlegen. Es sei noA auf die psychopathischen Momente gewiesen, die an der unheimlichen Sympathie für Hau, einem Mörder aus Gewinnsucht, berportrcten. Ich spreche nicht von denen, deren Gewohnheit es nicht ist, „genau hinzuschen", und die fast für jeden Angeklagten ihr Mit gefühl einsetzen. Nur an die anderen denk ich, die einem Schauspieler der Leidenschaft, einem Geldräuber, den romantischen Tvrncnkranz wanden. O ja, es gibt ein Feuer, das sich nicht bezähmen läßt. Der Licbestolle hätte sagen dürfen: „Ich tat es nicht — denn der blinde Wille meiner Tat war ein anderer als der Erfolg." Im Juli-Prozeß aber wurde bewiesen, daß Karl Hau eine Woche vor der Tat Frau Molitor durch ein Lügenteleyramm nach Paris lockte, wo sic. seiner telegraphischen Weisung nach, spät nachts an einem entlegenen Bahnhof hätte ankommen sollen. Diese telegraphische Berufung lväre eine sinn- loic Mystifikation gewesen, wenn nicht ein düsterer Zweck nur durch die Zugsversäumnis von Frau Molitor vereitelt worden wäre. Er trug, als er kurz daraus in seiner Verkleidung die Fahrt nach Baden- Baden antrat, seiner Frau strenge aus, über diese Reise Stillschweigen zn bewahren. Er löste keine Fahrkarte zur Endstation, denn er wollte die Spuren seines Weges verwischen. Er war es, der in Baden-Baden durch das Telephon Frau Molitor in die abcnddunkle, einsame Straße lockte, wo sie die Mvrderkuacl traf. Und er konnte keincssglls Vvrans- sctzcn. daß Olaa Molitor die Mütter zusällifl begleiten werde Nicht ans eigenem Antriebe ging die Tochter mit. Das alles ist nicht be stritten worden — und ebensowenig, daß Karl Hau 75 000 nach