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Strafen hat er bis jetzt nicht erlitten, wie er behauptet: doch ist bei den Akten eine Notiz, daß er weaen Betruges in seiner Heimat vor drei Jahren eine Llftündige Arrcststrafe abzusitzcn gehabt bat. Wesely hält sich seit drei Jahren in Deutschland auf, und zwar in der Hauptsache jn Sachfen. Da er als Minderjähriger aus Böhmen kam, so muhte er sich nach den gesetzlichen Bestimmungen ein Arbeitsbuch verschaffen. Ein solches Buch wurde ibm in Dresden-Löbtau auch unter dem 19. Sep tember 1907 aus seinen Namen ausgestellt und von ihm unterschrieben: er hat cs nachher ebenso, wie seine Jnvalidenkarte, zu einem Betrugs versuche am 26. Januar verwendet. Schon vorder hat er in dem Ar- bcitsbuche Rasuren und Fälschungen vorgenommen, und zwar hat er dle Bezeichnungen, die ibn als Anfänger charakterisierten, mit dem Messer entfernt und an deren Stelle Gehilfe geschrieben, in der Absicht, so An spruch aus heiseren Lohn machen zu können. Im Dezember v. I. batte er leine Arbeit mehr und er wanderte nach Meißen, wo er den Gruben- arbcitcr Martin Albus kennen lernte. Beide reisten zusammen nach Leipzig und begaben sich in die Herberge zur Heimat, wo sie einige Tage wodnten. Im Aushängekasten für die Briefe bemerkte Wesely, daß dort eine telegraphische Postanweisung sich befand, aus Grund deren dem Albus 13 aus dem Hauptpostamre ausgezahlt werden sollten. Wesely stellte sich dem Herbergsvater als Aldus vor und ließ sich die Post anweisung geben. Dann setzte er sich aus die Treppe und radierte auf den, Deckel seines Arbeitsbuches wie auch inwendig den Namen Wenzel Wesely aus, ging in eine Gastwirtschaft und schrieb dort den Namen Martin Albus aus und in das Buch, ebenso machte er es mit seiner In- validcnkarte. Daraus begab er sich zur Hauptpost, nannte sich dem Be amten gegenüber Albus, legte seine gefälschten Legitimationen vor und bat, ihm das Geld auszinahlen. Nun hatte der richtige Albus sich die 13 .( aber schon am Tage vorher abgeholt. Dem Beamten fiel der Schwindel sofort auf: er ließ Wesely verhaften. Vor Gericht war er geständig. Er sei in Not gewesen und habe sich auf diese Weise Mittel zum Lebensunterhalt verschaffen wollen. Wesely wurde unter Zu billigung mildernder Umstände zu einer Gefängnisstrafe von drei Monaten und zwei Wochen verurteilt, sechs Wochen gelten als durch die Untersuchungshaft verbüßt. Unterschlagungen bei Ser «affe Ser AmtShauptniannschaft Grimma. Am I. Oktober v. I. erschien der Bureaualsinent der AmtSbauptmannschaft Grimma Ernst Richard Habenicht bei der Staatsanwaltschaft in Leipzig und stellte sich der Behörde mit der Selbstanschuldigung, er habe gegen 5000 Kassengelder unterschlagen, Habenicht wurde auch sofort in Haft genommen, die Voruntersuchung gegen ihn wurde eingeleitet und deren Erörterungen hatten die weitere Folie, daß auch gegen den ebenfalls an der AmtSbauptmannschaft Grimma angcstellten Sekretär Wilhelm Otto Pönitz vorgegongen werden mußte. Habrnicbt ist am 29. Januar d. I. auf Grund der Ergebnisse ter Untersuchung anS dem Staatsdienste entlassen worden, Pönitz ist vorläufig von seinen Amtsgeschäften suspensiert. er befindet sich aber auf sreiem Fuße. Gegen Habenicht lautete die Anklage auf schwere Unterschlagung und Ver schleierung ini Amte, wäbrend sich Pönitz wegen Anstiftung zu diesen Verbrechen zu verantworten bat. Ter Angeklagte Habenicht ist am 29. März 1878 in Dresden geboren, er kam im Juni 1892 als Kopist an die Amtshauptmann- schast Dresden, wurde dann nach Döbeln versetzt und wurde am 2. Juli 1896 in Dresden als Dmlar in Eid und Pflicht genommen. Er erhielt ein AnsangS- gebalt von t 0 ./6 monatlich, das, da er sich als brauchbar, fleißig, zuverlässig und pünktlich erwies, nach zwei Jabren auf 90 erhöht wurde. Nm 1. Juli 1902 wurde er zum Expedienten befördert, und mit dem Gehalt von 1200 kam er an die Aintsbauptmonnscl ast Grimma, wo ihm die Kassenverwaltung anvertraut wurde. Damals batte Habenicht gegen 500 Schulden, deren Tilgung monatlich 30 ./i von seinem Gehalte beanspruchte. Das hielt ihn aber nicht ab, am 31. Mai 1903 zu heiraten, und nun begannen sich seine wirtschaft lichen Verhältnisse me' r und mehr zu verschlechtern. Drei Kinder wurden ihm geboren, und seine Fran wurde von einem so schweren Nervenleiden befallen, daß sie in der Heilanstalt Erdmannsheim untergebracht werden mußte. Auf sein Ansuchen gewährte ihm das Königliche Ministerium des Innern im April 1904, von welchem Jahre an er rin Gehalt von 1300 bekam, eine Beihilfe von 200 und nach ganz kurzer Zeit einen Vorschuß von 300 ^8, den er in Monatsraten von 5 >8 abtragen sollte. Am 1. Januar wurde sein Gehalt auf 1600Ei erhöht, auch wurde ibm der Nest des Vorschusses mit 110 erlassen. Im Jahre 1907 bezog Habenicht ein Gehalt von 1800 .6 und 1908 ein solches von 2000 nebst einem Wohnungsgeldzuschusse von 240 jährlich. Aus seinen Schulden kam er aber nicht heraus, von einem pensionierten Gendarm lieh rr 460 und von einer Cousine 600 >8, welche Summen nun auch wieder ver zinst und ratenweise abgczahlt werden sollten. Der Angeklagte Pönitz ist am 30. Oktober 1868 in Rochlitz geboren, nach seiner Konfirmation war er zuerst als Schiecher auf einem Nechlsanwaltsbureau beschäftigt, dann als Kopist bei der Stadtverwaltung von Rochlitz, und im Jahre 1892 kam er mit einem Gehalte von 1000 ./L als Hilssexpedirnt an die Amts- hauvtmannschal't Grimma. Infolge seiner guten Führung wurde Pönitz am 1. Juli 1b93 mit 12oOGehalt zum Expedienten befördert, sein Gehalt stieg nun von Jahr zu Jahr, bis es im Iabre 1900 die Höbe von 2200.^! erreichte. Am 17. Oktober 1901 bestand Pönitz die Sekretärvrüfung und am I. Juli 1902 wurde er Sekretär mit 240«) .-8 Gebalt und 240 jährlichem Wohnungs zuschuß, zuletzt hatte er 3060 ./L Gehalt und 300 Wohnungszuschuß. Auch hat Pönitz vom königlichen Ministerium zweimal Unterstützungen erhalten, ron einem ihm 1904 gewährten Vorschüsse sind ihm 170 >8 erlassen worden. Anfang 1905 erhielt er einen Vorschuß von 1400 ./8, der in Monatsraten von 25 abgcstoßen werden sollte. Pönitz bat jahre ¬ lang seinen alten Vater unterstützen müssen, bis derselbe 1907 starb. Tie Anklage legt dem Angeschuldigten Habenicht zur Last, daß er in der Zeit vom August 1903 bis zum September 1908 insgesamt 6480 auS der Kasse der Amtsdaupimannschaft Grimma widerrechtlich entnommen, in seinem eigenen Nutzen verbraucht und demnach unterschlagen hat. Um diese seine Ver untreuungen zu verdecken, hat er seine Kassenbücher entsprechend gefälscht, und weiter hat er vom Juni bis zum September 1908 seinem Mitangeklagten Pönitz 86'8 ./L Vorschüsse aus der ihm anvertrauten Kasse ausbczahlt, ohne dazu an der zuständigen Stelle die Genehmigung dazu eingeholt zu haben. Zu diesem unerlaubten Vorgehen soll ihn Pönitz angestistet haben, indem er ihm seine Notlage schilderte und zum Herausgeben der Vorschüsse ausforderte. Habenicht war im allgemeinen geständig. Kurz nach seiner Hochzeit habe er damit angesangen, sich an den Kassengeldern zu vergreisen, er habe der Kasse Beträge von 30 bis zu 165 .-8 entnommen, jenachdem er Geld gebraucht habe. Ec habe stets gebofst irgendwo «in größere- Darlehen zu bekommen, aber daS habe nicht geglückt, selbst durch Zeitungsinjerat habe er den gewünschten Erfolg nicht gehabt. Die Gelder bat Habenicht der sogenannten Handkasse ent nommen, in der sich stets zwischen lOOOO und 20000 befanden, zur Zeit des eingangs cer Brandkassenbeilräge stieg der Barbestand der Kasse auch aus 60001 Ja den sechs in Frage kommenden Jahren hat Habenicht 2875 ./8 mit der Post abgesandt, besonderen Aufwand hat er nicht getrieben. Seine Defraudationen hat der Angeklagte in der Weise sehr geschickt zu verschleiern verstanden, daß er speziell die Brandkasseneingänge nicht zur richtigen Zeit, sondern später in seine Bücher eintrug. Mitte Mai und Mitte Oktober mußte er seine Abrechnungen en die BrandveisicherungSkasie einsenden, er hat aber öfters von dort gemahnt werden müssen. Aehnlich versuhr Habenicht auch im April 1908 mit einem Betrage von rund 4100 die von der Kreis- hauptmannschast Leipzig für Familicnunterstützungen zur Hebung cin- berufener Mannschaften an ihn eiugrgangen waren, ost hat er durch seine Kasse gebende Gelder gar nicht gebucht und sie zum Ausgleich seiner KassenbeslänLe benutzt. Mit Pönitz hatte Habenicht dienstlich nichts zu tun, er hat ihm die VorN'üsse auf sein Gehalt gegeben, da Pönitz ihn darum angegangen sei, der Vorschuß betrug insgesamt 808 Dcr An geklagte Pönitz bestritt, sich irgendwelcher Verfehlungen schuldig gemacht zu haben. Aus Grund des Wahripruchs der Geschworenen lautete das Urteil gegen Habenicht auf 2 Jahre 2 Monale Gefängnis und 3 Jahre Ehrenrechts- verlust. 5 Monate der Untersuchungshaft wurden auf die Strafe anqerechnct Pönitz wurde freigesprochen. Bankprozeß Liegmund Friedberg und (yenoffen. ü?. Berlin, 26. März. ^Telegramm.) Vor der 2. Strafkammer des Landgerichts I begann heute unter dem Vorsitz des Landgerichts Wesiermann die auf zwei Wochen berechnete Ver handlung gegen len Bantier Siegmund Friedberg und seinen Prokuristen Fritz Bohn. Tie beiden Angeklagten befinden sich auf freiem Fuße. Fried berg hat sich dem Gericht gestellt, nachdem ihm freies Geleit zu gesichert war. während Bohn, der sich ebenfalls der Untersuchnngs- ie.örle gestellt hatte, gegen Kaution auS der Untersuchungshaft entlassen worden war. Tie Anklage'vertritt Staatsanwalt Klee, der Angeklagte Fried berg wird verleidigt durch die Rechtsanwälte Dr. Werthauer und von Palmowski, ter Angeklagte Bohn durch Rechtsanwalt Tr. Alsberg. Tie Anklage lautet auf Untreue, Unterschlagung, KonkurSvergeken und Vergehen gegen verschiedene Bestimmungen des Handelsgesetzbuchs Ter Angeklagte Friedberg gibt zunächst zu seinen persönlichen Verhältnissen an: Sein Vater lei Bank er in Hamburg gewesen, die Mutter ist gestorben, cs lebt noch seine Stiefmutter. Nachdem er die Realschule bis zur ersten Klasie besucht hatte, trat er in das Bankgeschäft von I. Frank L Co. in Hamburg ein. Gleich nach Beendigung seiner Lehrzeit halte er in Hamburg angesangen, selbständig Hytwthekeuvermtttcluvgsgeschüste zu machen. Er kam, 19 Jahre alt. nach Berlin und machte sich bjer sofort selbständig, zunächst ebenfalls als Hypothekenmakler. — Im Oktober 1901 bat der Angeklagte das erste Bankgeschäft in Berlin in der Miilekstraße begründet Inzwischen halte er. wie er auf eine Frage des Vorsitzenden angibt, seinen Kassierer Tbonke kennen gelernt. — Bors.: Tkwnke ist früher Kellner gewesen, vom Kellner zum Bankier ist sa rin großer Schritt. Wie kamen Sie denn zu Thonke? — Angeklagter: Ich habe ihn nur als Kaufmann kennen gelernt, er machle Bankgeschäfte mit der Tenllchen Bank — Vors.: Er ist Kellner am Lehrter Bahnhof gewesen, da sollen Sie ihn kennen gelernt haben, weil Sie ost nach Hamburg fuhren. Wußten Sie nicht, daß er Kellner sei? — Angekl.: Mir wurde gesagt, er sei Kausmaun. — Bors.: Ich möchte doch bitten, offene Antworten zu geben. Ich frage Sie dock, ob Sie gewußt haben, daß er Kellner war? — Angell.: Nein. — Vors.: Wann haben Sie nun den „Ratgeber auf dem Kapitalmarkt" gegründet? — Angekl.: Im Jahre 1903. Leitender Redakteur war Benno Kaussmann, der an verschiedenen Börsenblättern gewesen war, zuletzt beim „Kleinen Journal". Der Angeklagte gibt dann über die Einrichtung seines Geschäftsbetriebes nähere Auskunft. Er habe für Len „Ratgeber auf dem Kapitalmarkt'« Auskünfte über alle Aktiengesellschaften in Teuischland und Oesterreich gesammelt gehabt und ein Archiv angelegt, das über 100000 >8 gekostet habe. — Vors.: An der Börse waren Sie auch zu- oelasse»? — Angekl.: Ja, ich war zuletzt in der höchste» Stufe einqeschätzt. Ich hatte vier Börscnvertreier. die täglich hingingen, ich selbst ging nie zur Vörie. — Vors.: Wie groß war denn die Auslage des „Ratgeber auf dem Kapitalmarkt'? — Angekl.: Zuerst betrug daS Abonnement 6 jährlich und da belief sich die Abonnentenzahl auf 12 000. Später wurde das Abonnement erhöht auf 10 ./8 und die Abonnenlcnzabl sank aus 380t) feste Abonnenten. Ich habe aber einen lehr hohen Ltraßenverkauf gehabt. — Vori.: Durch die Abon nenten waren Ihnen zum Teil die Leute bekannt, die sich für Börsengeschäfte interessierten. Der „Ralgeb-r auf dem Kapitalmarkt" Hai in vielen kleinen Wirtschaften, Barbierläden ausgelegen. — Ter Anheklagte erklärt daraus, daß er seine Geschäfte dadurch machte, laß er drei Herren als Reisende in Tcutschland herninreiscn ließ. Diese Herren erhielten Gehalt, der eine 14 000 ^8, die anderen 800) und Provision, so daß dcr älteste von ihnen auf 40000 ./S jährlich stand Seine Reisenden hatten aber niemals AuS- lünste über Papiere zu geben. — Vors.: Aber Sie haben doch Ihre Automo- bilzcntrale-Altien empfohlen? — Angeklagter: Tas ist erst geschehen, wenn jemand erklärte, daß er Börsenpapiere laufen wolle; dann wurden die Auto- Mobilaktien empfohlen. Ter Angeklagte bestreitet aber. Laß er persönlich Aus künfte über den Ankauf von Papieren gegeben habe. — Staatsanwalt Klee: Die Anklage behauptet aber, daß dcr Angeklagte in sehr vielen Fällen den Leuten schriftlich erklärt habe, daß die Automobilaktien sehr gut ständen und 14 bis 15 Proz. Divi dende abwerfeu. Er hat auch die Aktien, die faul standen, schriftlich den Kunden empfohlen und viele Kunden verleitet, sowohl diese Aktien zu lausen als auch rechtzeitig zu verkaufen. — Angeklagter Friedberg: Ich habe die Automobilaktien bis zum Schluß für gut gehalten. Der Angeklagte legt dann dar, daß durch die Verbreitung des „Ratgeber auf dem Kapitalmarkt" seine Kundschaft riesig gewachsen und das Geschäft sich Io entwickelt babe, daß er ein neues Geschästslolal in der Neustädtischen Kircbstraße eröffnen mußte, das drei Stockwerke Les Hauses cinnahm. Trotzdem steigerte sich aber der Verkehr so sehr, daß Wege« Raummangel viele Kunden abgrwiesen werden mußten. Meistens wurde der Betrag nicht voll cingezahlt und es wurde deshalb auch nicht effektiv geliefert. Er habe aber von den Kunden nur Papiere in Depot genommen, wenn «in Nummern verzicht der Kunden erfolgte. — Eine längere Erörterung entspinnt sich zwischen den Sachverständigen und dem Angeklagten Friedberg über die Buchungen. Der Angellagte erklärt, daß ec kein Depotkonto sührte, sondern Stückekonto. Wenn bestimmte Papiere verlangt wurden, die er in eigenem Besitz hatte, dann habe er sie nicht gekauft, sondern auS seinem Besitz ins Depot gegeben. — Bors.- Nun haben Sie bis 1906 Ihr Geschäft groß gemacht. — Bei der Erörterung der verschiedenen Gründungen Friedbergs wird fest gestellt. daß die Automobil-Zentrale wie die Verlagsbuchdruckerei an Friedbergs Geburtstage dem 27. Juli 1906 gegründet wurden. — Friedberg erklärt hierzu, das sei ter reine Zufall gewesen. Er behauptet weiter, Laß er wegen des Hohenzollerndamm-Geschästes, einem Objekte von 40 Millionen, mit Morgan in Verbindung gestanden habe, daß die Unterhandlungen sich aber schließlich zer schlagen hätten. — Als Gründer bei der Automobil-Zentrale fungierten seinerzeit Oberstleutnant a. D. von Knobelsdorfs-Brinkenhof, Oberstleutnant a. D. von Montowt, Hauptmann a. D. Hohenstein, Leutnannt a. D. Hennig von Sydow und Rentier Adolf Jordan. — Friedberg schildert die Vornahme der Grün dung wie folgt: Ich habe meinen Syndikus Rechtsanwalt Severin Behrcnd gebeten, die formelle Erledigung der Sache in die Hand zu nehmen. Als alles soweit abgeschlossen war, nahm ich aus meiner Kasse bzw. von meinem Reichsbank guthaben 80 000 und übergab diele Summe an Justizrat Goldstein, der den notariellen Gründungsakt vollzog. Dieser gab das Geld den Direktoren der Automobilzentrale, den Herren Lederer und Bohn, und von diesen Direktoren bekam ich in meiner Eigenschaft als Bankier der Gesellschaft 75 000 >8 wieder zurück. Tie übrigen 5000 wurden als Honorar an Rechtsanwalt Behrend gezahlt. Ich gab dann das Geld dem Kassierer Thonke und von diesem wurde es wieder zur Reichsbank geschickt. Das Guthaben »er Automobil-Zentrale in meinem Geschäft wurde dann von mir verzinst. — Auf die Frage eines Beisitzers: Auf welches Rechtsmittel hin haben Sie die 75000 hingegeben? erwivert Rechtsanwalt Werthauer im Namen des Angeklagten: Die Gründer zeichneten das Geld im eigenen Namen für Friedbergs Rechnung. Es waren richtige Strohmänner, aber keine Scheinmänner. Der wirkliche Zeichner für seine Rechnung war Friedberg. — Der Vorsitzende stellt fest, daß Oberstleutnant a. D. v. Montowt 2000 Provision bekommen habe. Die Aktien gingen dann später in Form von Inhaberaktien in den Besitz Friedbergs über. — R.-A. Werthauer stellt fest, daß die Gründer Statutseslsteller und ferner auch Zeichner gewesen seien, die sich verpflichtet hätten, die Aktien nach und nach voll einzuzahlen. Daß Friedberg keiner der von dem Aktiengesetz vorgeschriebenen fünf Gründer war, erklärt R.-A. Werlbauer damit, daß er dies absichtlich nicht tat, weil er eben Bankier der Gesellschaft werden wollte. — Sodann wird der von der Verteidigung Bohns als Sach verständiger geladene gerichtliche Bücherrevisor Kahrn (Koblenz) vernommen. Er bekundet: Daß die Friedbergschen Bücher nicht in Ordnung waren, bestreitet niemand, der sie gesehen hat: daß aber Unrechtmäßigkeiten in bezug auf die Automobilzentrale in Len Büchern enthalten waren,'trifft nicht zu. Es ent- spinnen sich dann längere Auseinandersetzungen zwischen dem Richlerkollegium, dem Sachverständigen der StaatSanwaltschait Kcnse und den von der Ver teidigung geladenen Sachverständigen Kahen und Törk. (Fortsetzung folgt.) Vermischtes. Anton Bruckner und Ferdinand Klose. Jn seinem am heutigen Sonn abend in der Leipziger Thomaskirche slattfindenden dritten Orgel-Konzerte wird Prof. Karl Straube u. a. Fantasie und Doppetsuge lMeister Anton Bruckner in treuem Gedenken) von Friedrich Klose, dem Komponisten ter an unserem Stadt theater zur Ausführung gelangten Oper „Jtsebill", erstmalig zum Vortrag bringen, lieber die Entstehung deS Werkes erzählt der Komponist die nach- stehenae hübsche Evisode: Es war in Bayreuth nach der ersten Ausführung des „Parsifal". Bei Angermann hatte sich eine begeisterte Menge versammelt. Auch ich. der angehende MusikuS, war dahingekommen, und bald befand ich mich in lebhaftem Geipräch mit meinen Tischnachbarn, zwei jungen Wienern, die sich als ebenso feurige Anhänger dcr „neuen Richtung" zu erkennen gaben, wie ich selbst einer war. Unsere eifrige Unterhaltung erlitt immer nur dann eine kurze Unter brechung, wenn meine neuen Freunde einem am Nebentische sitzenden älteren Herrn mit prächtig geschnittenem Cäsarenkopsc zntranken, indem sie ein lautes: „Hoch, Herr Professor!" hinüberriefen. Stets kam der also Angc- redete mit einem krustigen Zuge freundlichst nach, und so häufig und verhältnismäßig rasch hintereinander wiederholte sich dieser Vorgang, daß das schon meine Neugier reizte, zu wissen, wer denn dieser Herr am Tische trüben eigentlich sei. Ich fragte und erfuhr, daß es kein geringerer war als Anton Bruckner — für mich eine um so freudigere Ueberraschung, als ich im Winter zuvor die „Romantische" gekört und von dem ebenso kühnen als tief innerlichen Werke einen gewaltigen Eindruck bekommen hatte. — Ob ich wohl das dein Herrn Professor sagen dürfe? — Freudigst bejahten meine Wiener, frühere Schüler Bruckners: ich wurde vorgestellt und überglücklich dankte ich dem Meister für sein herrliches Werk. So lernte ih Len Mann kennen, der vier Iabre später mein Lehrer werden sollte! Aber auch Bruckner, damals noch wenig gewürdigt und außerhalb Wiens so gut wie unbekannt, war sichtlich er sreut, so unvermutet einen glühenden Verehrer leiiter Kunst gesunden zu haben, und lud mich ein, ibn nm nächsten Morgen zeitig auszusuchen: er wolle mir Bayreuth zeigen. Das war cin denkwürdiger Tag! Jn aller Frühe be gannen wir unsere Wanderung mit einem Spaziergange auf den Feuspielhügel und beschlossen sie des Nachmittags mit einem andachtsvollen Be suche LeS Gartens der Villa „Wahnfried". Mitten inne aber fiel jenes Erlebnis, das allezeit eine meiner schönsten Erinnerungen bleiben wird. AIS wir nämlich zur protestantischen Hauptlirche gekommen waren, trat Bruckner ein, nicht aber, um mir auch die zu zeigen, sondern um zu — beten. Lange stand er da, in brünstig seine Andacht verrichtend. Plötzlich wandle er sich an mich mit den Wollen, nun wolle er mir etwas auf der Orgel Vorspielen. — Bon Bruckners Meisterschaft auf diesem Instrumente hatte ich gehört und begrüßte darum mit Jubel seine Ankünd gung. Wir waren ganz allein im weiten Raume des Gotteshauses. Bruckner spielte, ick trat den Blasbalg. So ging es eine Weile, dann meinte rr aber ich muffe auch sehen, wie er spiele, hieß wich einen Ersatzmann für mein Geschäft bribringen und postierte mich, als ich einen solchen auf ker Straße ausgetrieben hatte, neben sich an den Spieltisch Und nun begann er von neuem. — Wer je Bruckner auf der Orgel hat impro visieren hören, der wird ermessen können, welck,' überwältigenden Eindruck eS aus mich, den jungen Musiker, machen mußte, wie er cin eigenartig wild auf- sturmendeS Thema intonierte, es zur kunstvollen Fuge verarbeitete und steigerte in allen erdenklichen Umgestaltungen, den impoianlrn Tünebau krönend mit einem mächtigen Oraelpnnkt. Möge man es mir nicht als Anmaßung aus- legen, daß ich in Erinnerung deS Eindruckes jener schönen Stunde dieses Motiv der nachfolgenden Komposition zugrunde gelegt habe und in der Zueignung nichts anderes erkennen als die dankbare Rückerstattung eines kostbaren Guter an denjenigen, der inir's einstens anvertraut. Trama etner Eifersüchtigen. Zur Ermordung der Opern- sangerin Barthold in Rostock, über die wir in unserer gestrigen Ausgabe schon kurz berichtet haben, meldet das ,B. T." unterin 25. März auS Rostock ausführlich: Heute nachmittag wurde hier ein Aufsehen erregender Mord verübt. Die dramatifche Sängerin Bart hold vom hiesigen Stadttheater gab am Nachmittag in ihrer in der Steinstraße gelegenen Wohnung Gesangsunterricht, als Plötzlich eine Dame iu das Zimmer eintrat und der Sängerin nach kurzem Wortwechsel eine Revolverkugel in den Kopf jagte. Fräulein Barthold sank zu Boden und war sofort tot. Die Mördenn ergriff die Flucht und eilte nach dem Bahnhos, um mit dem Berliner Schnellzug das Weite zu suchen. Sie wurde aber von der BabnhofSpolizei verhaftet, als sie das Coupö besteigen wollte. Auf der Polizeiwache legte sie das Geständnis ad, daß sie die Sängerin auS Eifersucht ermordet habe und daß sie aus Berlin nach Rostock mit der bestimmten Absicht ge kommen sei, ihre Gegnerin zu töten. Ihr Bräutigam, der Schauspieler Waldemar K., babc mit der Sängerin in näheren Beziehungen gestanden und sei mit dieser längere Zeil in Paris gewesen, obgleich er ihr die Ehe versprochen hatte- Die Mörderin ist die 24jährige SchlosserStochter Auguste Zobel aus Berlin. Nach einer anderen Meldung ist die Täterin eine Französin. — Ferner meldet uns ein Telegramm aus Rostock hierzu: Die Mörderin der Sängerin Barthold vom hiesigen Stadttheater ist die 24jährige Auguste Zobel aus Berlin, die längere Zeit in Paris lebte, wo sie sich mit dem Reisenden einer großen Berliner Exportfirma verlobte. Dieser löste vor einiger Zeit die Beziehungen zu ihr und verlobte sich mit der Künstlerin. In folgedessen faßte die Zobel den Entschluß, die Barthold zu töten. Sie gab auf die Barthold zwei Revolverschüsse ab, von denen einer der Sängerin in den Kopf drang und ihren sofortigen Tod hcrbeifübrte. — Fräulein Barthold war, wie der „Rost. Anz." meldet, eine unge wöhnlich begabte Künstlerin. Sie stammle aus Stettin. Taö Rostocker Stadttheater blieb gestern abend geschlossen. TaS Hochwasser der Weichsel nnS Oder steigt fortgesetzt. Das Hochwasser der Weichsel erreichte nach einer Meldung aus Thorn in der letzten Nacht die Höhe von 6,70 m bei sebr starkem Eisgang. Die mit der Geschwindigkeit eines Wagens stromab treibenden Eis mafien richteten an den Ufern erheblichen Schaven an. Sie drängten vier Dampfer und zwei Oderkähne auf Land, wo sie zwischen Eis bergen stehen. Der Deich des neuen Holz basenS wurde durch brochen und das ganze Hafenbassin von Wasser und E,S ungefüllt. In der Ncssauer Niederung sind die Oderuser teilweise unter Wasser gesetzt. — Ueber die Ueberschwemmungen dcr Oder wird aus Breslau depeschiert: In Ratibor beginnt die Oder von neuem zu steigen. Auch von den Nebenflüssen liegen wieder Meldungen über steigendes Wasser vor. Bei Oblau stehen ganze Ortschaften vollständig unter Wasser. Mehrere Brücken wurden fortgcrisse n. Jn Münsterberg ist die sonst harmlose Ohle zu einem reißenden Strome geworden. Der Borort Reindörfel ist größtenteils über schwemmt. Zu Rettuugsarbeiten ist eine Abteilung Pioniere aus. Neisse dort eingetroffen. Tie Stimme aus dcr Kiste. Ein seltsamer Vorfall rief vorgestern nachmittag in Wien lebhaftes Aufsehen hervor. Dort wird gegen wärtig an der Einrichtung der Bureau-Ausstellung gearbeitet und täglich Ausstellungsgüter abgeladen. Unter anderem wurde eine umfangreiche Kiste dahin gebracht. Als die Arbeiter die Kiste vom Wagen herab holten, ließen sie diese ziemlich unsanft auf den Boden gleiten. Im selben Moment wurde ans der Kiste eine menschliche Stimme hörbar, wodurch die Arbeiter derart verblüfft wurden, daß sie die Kiste fallen ließen. Bald hatte sich eine große Menschenmenge angesammelt, die ver schiedene Mutmaßungen laut werben ließ. Einer der Arbeiter rüttelte an der Kiste und wieder waren unverständliche Worte aus ihr hörbar. Die Ausüellungöleitnng wurde verständigt und schließlich stellte sich heraus, daß sich in der Kiste ein — Diktierapparat für Schreib maschinen befand, in welchen wie in einen Phonographen gesprochen witv und der dann der Maschinenschreiberin das Diktat wiedergibt. Durch das Aufschlagen der Kiste aufs Pflaster war eine Feder los gegangen und der Apparat in Funktion getreten. Schweres Eisenbahnunglück. Aus Agram wird gemeldet: Zwischen den Stationen Iosipdal und Tomil ist ein gemilchter Zug entzwei gerissen. Der hinlere Teil des Zuges fuhr in den anderen Teil hinein, wodurch 22 Waggons zertrümmert wurden. Sechs Personen wurden getötet, zahlreiche Passagiere mehr oder minder schwer verletzt. Man befürchtet, daß sich unter den Trümmern noch mehr Tote befinden. Pom Pater 0er Angebeteten getötet. In dem belgischen Orte Braine-le-Comte war der 27 jährige Joseph Antoine seit längerer Zeit hartnäckig bemüht, die Liebe eines Fräulein Relu zu gewinnen. Die Eltern deS jungen Mädchens letzten den Werbungen Antoines entschie denen Widerstand entgegen. Verschiedentlich war es bereits zwischen Relu und dem Freier seiner Tochter, dem er sein Haus verboten batte, zu heftigen Auftritten gekommen. Nun fand man frühmorgens den Leichnam Antoines iwt zerschmettertem Schädel in ter Nähe des Eisen bahngleises. Die mit den Ermittelungen betrauten Gendarmen stellten fest, daß der Vater Relu und sein Sohn am Tage vorher an diesem Orte gesehen waren. Ins Verhör genommen, gestand Relu, den jungen Mann im Lause eines Wortwechsels niedergeschlagen zu haben. Er und sein Sohn wurden in das Untersuchungsgefängnis in Mons über geführt. TaS Ende des Romans einer MillionärStochtrr. Aus Peters- bürg wird der „Ins." geschrieben: Im Moskauer Bezirksgericht ging der Prozeß gegen Burow vor sich. Es handelte sich um den sen sationellen Mord der Tochter eines Moskauer Millionärs, Claudia Chrapunowna. Bei der ersten Verhandlung hatten die Geschworenen den Burow sreigesprochen. Die Umstände waren folgende: Am 26. Oktober 1906 war die einzige Tochter ChrapunowS, die 20 jährige Claudia, am Morgen von Hau'e fortgegangen und nicht wieder zurück gekommen. Nach einiger Zeit stellte es sich heraus, daß Claudia um 9 Uhr morgenö von Wassili Burow in seinem Zimmer im „Serbischen Hof" mit einem Revolver erschossen worden war. Burow ist ein junger Mann von 24 Jahren; er ist der Sohn eines Restaurateurs und stammt aus dem Dorfe, in dem sich die Porzellanfabrik von Chrapunow befindet. Im Jahre 1906 lebte die Familie ChrapuuowS dort in der Fabrik. Trotz der ungleichen Lebenslage verliebten sich die beiden jungen Leute. Die MillionärStochtrr scheutte dem Gastwins- sohn ihre Neigung. Burow erklärte ihr seine Liebe und forderte sie auf, seine Frau zu werden, Claudia sagte ja. Burow veranlaßte sic, auf ihr Tauskreuzchen zu schwören, daß sie ibr Wort halten werde. Um dieselbe Zeit gingen die Ellern von Claudia mit Lein Plane um. sie an den reichen Kausman Rodionow zu verheiraten. Im Herbst kehrten ChrapunowS nach Moskau zurück, wo die Brautschau slatlsans; Rodionow und Claudia gefielen sich und die Verlobunz kam am 2l. Oktober zustande. Am 22 Oktober war Burow ebenfalls nach Moskau gekommen, warum, ist nicht ilargestetlt. Vielleicht halte Claudia ihm geschrieben, er solle kommen, um sich mit ihr auSzusprccheu. Durch die Jelissajewa, ihre Freundin, schickte Claudia ibm das Kreuzchen zurück und ließ ihn bitten, er solle ihr ihre sämtlichen Briese zinück- geben. Am 24. Oktober kam Claudia selbst in Begleitung ihrer Freundin zu Burow und gab ihm 150 Rubel, damit er ins Kloster gehe. Burow selbst hatte nämlich, als er erfahren hatte, daß Claudia sich mit Rodionow verlobt hatte, geäußert, er werde ins Kloster gehen. Dazu brauchte er aber 2000 Rubel. Am 26. Oktober gingen Claudia und die Jelissajewa am Morgen nochmals zu Burow; Claudia tagte, sie habe die gewünschten 2000 Rubel nicht beschaffen lönueu. Burow verlangte, Claudia solle daS Geld von ihrem Bräutigam zu belommcn suchen. Sie antwortete, daS sei jetzt nicht angebracht, nach der Hochzeit könne sic cs wohl so einrichten. Die Jelissajewa ging während dieses GeiprächeS fort. Einige Minuten darauf körte man zwei Schüsse, die Tür wurde ausgerissen und die unglückliche Braut stürzte blutüberströmt heraus. Sie siel zu Boden und starb. Spät nachis wurde das Urteil verlesen: Burow wurde deS MorveS im Affekt schuldig befunden.