Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 27.03.1909
- Erscheinungsdatum
- 1909-03-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190903277
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19090327
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19090327
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1909
-
Monat
1909-03
- Tag 1909-03-27
-
Monat
1909-03
-
Jahr
1909
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs-Preit »e Lckpzt, »»» oxrch »B«r» «,1er» giliaie»». Unnahwetiellen ad« «holt, 7» -1 «»«n.. AFS oterlrltthrl- Stall«. d« deutsche» ^k, «onatl. »ei uusere» LrLger». Mllale», Spedtteure» »,» «imahmetzellen, I»»te P,Wmt«r» «M BrteftrS-eru. Di» «tuzeUu tllommer kostet 10 «rdaNta» «» »esch-fltstelle, Iaha»ai«g-sl« 6. Ikerukprrcheri I4WL 14«». 14»» Ntederla-d«, Nav- lluhar», «astlaad, . EiaB«. S» alle» tbrtae» Staate» »», direkt d»rch di» »öchstN««»» »- «al« erdtltllch. Da« LettH,«» sta«Äta« «eiche« »Lche»». stch 7 W»I »»» Mar Mpziger TagMatt Handelszeitung NAtsblatt des Rates und des Rottzeiaintes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis tstr Jttseraie a»« v«i»zcg und Umgebung di« ggespaltene Petit,eile 25 H, finanjicae «neigen 30 Reklamen I »« -u,w«N» 30 ReNamen 1.20 »»«Autland 80^z, stnan». Anzeige» 78^ Reklame» 1.80 Inserate». »etz»rden,» »ml!>chenLeU40^ Beilagegedübr 8 p. Lausend exkl. Post, zedühr. Os«schLsl«anieigen an bevorzugt«, «stell- im Preise erhöht. Rabatt nach Tan ff« st erteilt« Austrüae können nicht znrü-t- ge»ogen werden, ffür da« Erscheinen an bestimmten Tagen und Plötzen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen. «u»atzme: Augustusplatz ", bet sämtliche» Arlmlen u. allen Annoncen» 4ipedttlone»^ä In- und Aullandel. Haupt-Sili«le Lcrlia: starl Duncker, Herzogl. Paar. Hdsbuch- handlung, llützowstrahe IO. (Telephon VI, Nr. 4003). Haupt-Sillal« Lretzbrn: Seestratze 4,1 (Telephon 4621,. Nr. 8«. Sonnabend 27. Miirz 1909. 163. Jahrgang. Das Wichtigste. * Der Reichstag erledigte am Freitag einige Neste aus bereits genehmigten Etatkapiteln und ging dann zur zweiten Lesung des Automobilgesetzentwurfs über. lS. Reichstagsber.j * Die Finanzkommission des Reichstags nahm am Frei tag in der fortgesetzten Beratung der Branntweinsteuervor lage unter Ablehnung des freisinnigen Antrags über die Liebes- gäbe den Antrag der Konservativen mit einem Zusatzantrag des Zentrums a n. Danach ist die Verewigung der Liebesgabe in der Höhe von 20 ^l erreicht. sS. d. bes. Art., * In bezug auf die Blockkrisis macht sich in Berlin eine etwas optimistische Auffassung geltend. sS. d. bes. Art.) * Das offiziöse „WicnerFremdenblatt" konstatiert, bah durch die Bereitwilligkeit der Signatarmächte, die Annexion Bosniens anzucrkennen, die internationale Lage an sich zwar eine grobe Besserung erfahren habe, datz dagegen aber die ser - bische Frage völlig unverändert geblieben sei und Oesterreich heute mehr denn je auf eine rasche und definitive Klärung der serbische« Frage dringen müsse. Aus Belgrad wird gemeldet, daß dort infolge der Ereignisse im Kpnigshause tiefste Nie dergeschlagenheit herrscht. Auch Prinz Alexander, der zweite Sohn des Königs von Serbien, hat seinen Verzicht auf den Thron erklärt. Es wird ferner bekannt, datz der Kron prinz Belgrad bisher nicht verlassen hat. sondern im dortigen Palais weilt. lS. d. bes. Art.) Der Kronprinz. Bekanntlich ist es nicht ganz leicht, Kronprinz zu sein. Diese Stel lung erfordert außerordentlich viel Takt und Zurückhaltung, und der „erste Untertan des Herrschers" muh sich mit Resignation wappnen, wenn er seine Pflichten voll erfüllen soll. Wie ost wird es vorkommen, dab eine Maßregel ihm falsch, eine Unterlassung ihm gefährlich scheint! Wie manchmal wird er glauben, daß die Haltung der Negierung geradezu geeignet ist, seine Zukunft zu gefährden und das, was er als seinen Be sitzstand, als sein Erbe betrachtet, zu mindern und zu schädigen! Dem Thronerben wird es je nach seinem Temperament und nach seinem Lebensalter leichter oder schwerer werden, sich in diese heikle Situation einzuleben. Wenn ein starkes Pflichtgefühl ihn beseelt, so wird er sich sagen, daß auch ungeeignete politische Maßregeln den Staat bei weitem nicht so schwer zu treffen vermögen, als die Opposition des Thronerben es tun würde, und aus dieser Ueberzeugung wird er die Kraft zu schweigender Unterordnung gewinnen. Leicht aber ist seine Aufgabe nicht, und wir sind beute geneigt, jedem Kronprinzen mildernde Um stände zu bewilligen, wenn seine Lebensführung den Geboten der bür gerlichen Moral nicht völlig entspricht und wenn er sich in rauschenden Vergnügungen zu betäuben sucht. Das Beispiel des Königs Eduard zeigt ja, daß mit der Zeit der gärende Most zum Weine werden kann. Die Stellung des Kronprinzen ist dann besonders schwierig, wenn die Zeiten abnorm sind, wenn innere Umwälzungen drohen, wenn die Wetterzcichen der auswärtigen Politik auf Sturm eingestellt sind und wenn ein schwacher Herrscher die Krone trägt. Als vor einigen Jahren nach der Mordnacht im Konak Peter von Serbien aus seiner Schweizer Verbannung nach Belgrad zurückkehrte, da konnte man annehmcn, daß der Mann, der einem wilden, aber begabten und entschlossenen Geschlecht entstamm: und die Stirn hatte, den blutbefleckten Thron zu besteigen, mit eiserner Hand die Zügel der Regierung ergreifen würde. Diese Annahme war irrig. König Peter wurde sehr bald zu einer Marionette in der -Hand der Verschworenen, die nicht einmal duldeten, daß der König bei wichtigen Unterredungen mit seinem Partner allein blieb. Der diensthabende Adjutant öffnete einfach die Tür, die zu dem Ge mach des Königs führte, wenn diese auch hinter dem Gast geschlossen worden war. König Peter wurde ein serbischer Chilperich; nur daß man darauf verzichtete, ihm das Haar zu scheren nud ihn in ein Kloster zu stecken. Nach außen hin gefiel er sich in der Rolle des konstitu tionellen Mustermonarchen. Es gebrach ihm aber nicht nur an der Festigkeit des Charakters, die unter diesen Umständen doppelt notwendig war: der König besaß auch kein politisches Augenmaß und keine Einsicht in das, was man in Oesterreich die „Staatsnotwendigkeitcn" zu nennen pflegt. Er ließ eS zu, daß das Verhältnis zu der mächtigen Nachbar monarchie sich täglich verschlechterte, und als Herr von Aehrenthal die Annexion Bosniens verkündete, fehlte es ihm an der erforderlichen Kraft, um das Temperament seiner serbischen „Helden" im Zaum zu halten. Das wäre ein leichtes gewesen, wenn König Peter rechtzeitig cingeichritten wäre und die Prelle, die Parteien, vor allem aber seinen eigenen Sohn gezügelt hätte. Denn dieser wurde jetzt über Nacht zu einer politischen Persönlichkeit. Er bot sich dem serbischen Heere zum Führer an, erwarb sich unter der überschäumenden Jugend einen An hang, deklamierte und haranguierte unausgesetzt und trat den Maß regeln seines Vaters und der Minister entgegen, sobald diese versuchten, den allzu stolz dahinflntenden Strom des Patriotismus in ein ruhiges Bett zu leiten. Es kam der Tag, an welchem Kronprinz Georg als Abgesandter des serbischen Staates und mehr noch der serbischen Nation von dem Zaren in Audienz empfangen wurde. Nikolaus umarmte den jungen Mann, der in Rußland seine erste Erziehung genossen hatte, er behielt ihn über eine Stunde bei sich und verlieh ihm einen hohen Orden. Von diesem Tage an steigerte sich die Temperatur in Serbien zur Siedehitze, und der Kronprinz hatte den Höhepunkt seiner pseudo politischen Wirksamkeit erreicht. Zwar wurden auch fernerhin immer wieder Exzelle von ihm berichtet, indessen, man konnte doch nicht er kennen, wieviel hier Wahrheit, wieviel Uebertreibung war; man muhte mit serbischen Sitten und mit dem Rassentemperament der Karagcorgie- witsch rechnen, und man konnte aus der Ferne nicht genau beurteilen, ob hier ein größenwahnsinniger Hysteriker spreche oder ob vielleicht eine Persönlichkeit vom Schlage der Borgia oder Sforza dem Throne entgegenreife. Jetzt ist das Rätsel gelöst. Der Kronprinz bat abge dankt. Er hat seine kurze Laufbahn, die dem Heroismus znznstreben schien, mit einem Dokument beschlossen, dessen heuchlerischer Patriotis mus nur Verachtung Hervorrufen kann. Der Anlaß seiner Abdankung soll die Mißhandlung eines Dieners gewesen sein, die zum Tode dieses Mannes führte. Wir bezweifeln, daß diese Tatsache — die übrigens heute noch nicht völlig aufgeklärt ist — genügt hätte, um von dem Thron erben einen Verzicht zu erpressen. Es muß eine viel schwerere Be lastung vorgelegen, und der Kronprinz muß für Leib und Leben ge fürchtet haben, sonst wäre er wohl kaum so plötzlich zusammengebrochen. Mag aber die psychologische Erklärung auch noch nicht einwandfrei sein, die Lage ist friedlicher geworden. Es ist charakteristisch, daß die Börsen die Abdankung des Kronprinzen zu einer starken Hausse benutzt haben. Ter wirksamste Agitator Rußlands, der willigste Handlanger des Herrn von Iswolski ist ausgeschaltet; Serbien ist führerlos, und es ist zu vermuten, daß jetzt die Stimme der Vernunft in dem unseligen Lande wieder sprechen wird. Neber -ie Vlockkrisis geht uns aus Berlin eine Zuschrift vom 26. März zu, die^ recht viel Optimismus zeigt. Wir geben sie als charakteristisches Stimmungs symptom wieder, bemerken jedoch zugleich, daß wir nicht imstanre sind, diese Ansichten in allen Teilen zu den unseren zu machen. Die Zu ¬ schrift lautet: Berlin, 26. März. Man sprach heule vormittag bereits von der Wiederbelebung des Blocks. (??) Dann kam die Abstimmung in der Steuer kommission, bei der Konservative, Zentrum, Wirtschaft liche Vereinigung und Polen Zusammengehen. Diese Ab stimmung bar, wenn auch ibre Tragweite nickt verkannt werden soll, in polnischen Kreisen deshalb nicht den vollen Eindruck gemacht, weil man sic nicht für enogültig hält. Vielleicht(I) schon in der zweiten Lesung in der Kommission wird sich eine andere Gruppierung Herausstellen. Den Konservativen wird schon allein die Abzweigung der Freikouser- vativen sehr unangenehm sein. Abg. Dr. Weber hat in der Sitzung der Steuerkommilsion nicht die erwartete politische Erklärung abgegeben. Es mag sein, daß man sie für überflüssig hält, nach dem die „Nationalliberal« Korrespondenz" gestern ru der Lage die schon gestern mitgeieille Kundgebung erlassen batte. Außer den Abgeorvnewn Dr. Wirmer uns Bassermann ist gestern auch Abg. Herr von Normann vom Reichskanzler Fürsten Bülow empfangen worden. Dem Fürsten Bülow wird gerade jetzt große Frische nachgesagt. Die Gerüchte von der Er schütterung seiner Stellung werden als völlig unzutreffend bezeichnet. Es scheint, raß Herr von Normann bei seiner Mitteilung an den Abg. Bassermann eine Ungeschicklichkeit (wirklich nur daS? D. Red.i begangen hat, deren Folgen ihm selbst unerwartet sind. Andererseits ist nicht aus der Welt geschafft der von der „Konservativen Korrespondenz" erwähnte FraklionSbeschluß, (der bereits vor Wochen gefaßt ist) eine offene Aussprache über Vie Situation herbeizusühren. Diese Aussprache wird am Montag -jedenfalls im Plenum des Reichstags beim ReichSkanzleretat fortgesetzt werden. Hierbei wird Abg. Bassermann da« Wort uekmm und auck auf d-e jüngsten Vorgänge ausführlich eingeben. Die Frei si n nige Fraktion sgemeinsch ast bat nun doch früher als an dem nripiünglich angcsetz'enTermine, nämlich bereitsamDonners- tag eine Sitzung abgebalten. Heute mittag wurden auch wieder von fast allen Parteien Fraktionssitzungen angesagt, von denen ledoch versichert wird, daß sic nur geschäftliche Ding; zu behandeln haben. Wir finden cs verwunderlich, daß man der Abstimmung über die Branntweinsteuer nicht die Bedeutung beilegen will, die man anderen Ab liiumungcn der ersten Lesung eines Entwurfs beimißt. Wir halten auch die Konservativen nicht für so fcmsühlig, baß sie sich durch die Abtren nung der Reicküpartei von ihnen sonderlich irritieren ließen. Endlich können wir uns nicht zu der Ausfassung bekennen, als ob jetzt wirklich noch eine glatte Verkittung des Bruches im allen Block möglich ist, zumal der neue Block bereits Spuren seiner Existenz in der Abstimmung über die Liebesgabe hinteilassen bat. Den Konservativen ist das Schicksal des atteu Blockei ganz offenbar böchst gleichgültig. Die Ausführungen der „Kons. Korr." über die Krisis lassen das deutlich erkennen, und deshalb lürsen alle Versuche, den Bruch wenigstens obeislächlich zu leimen, nur mit lüblem Kopf und Ilarem Verstand, aber nickt mit iiberschweUendem Gesnhl betrachtet und beurteilt werben. Jedenfalls ist ein abichließenves llrteil zur Siunde ausgeschlossen. Die Verewigung der Liebesgabe. Der „neue Block" hat den ersten Sieg zu verzeichnen. Konservative, Wirtschaftliche Vereinigung und Zenlrnm haben in trautem Verein in der FreitagSsitzung der Finanzkommiision bei der fortgesetzten Beratung des Branniweinstenergesetzes den unersättlichen Agrariern die Lirbe an getan, die Liebesgabe zu verewigen. Sie haben einen konservativen An trag angenommen, wonach die Verbraucksabgabe für den Alkohol auf 115-6 pro Hektoliter und für de» nicht kontingentierten ans 135 6 pro Hektoliter festgesetzt wirb. Die Svannung ist somit ein für allemal aus 20 pioHekiolitcr Mil rem Minvesttatz von l l5 6 pro Hektoliter festgesetzt, v. b. mit anderen Worten: es bleibt für immer bei vcr bisherigen Begünsti- gung der Agrarier ini Brannlwemstmergesetz! Der Kanzler kann nun diesen Teil des Finanzprogramms mit dem „neuen Block" durchführen, — wenn er die Liberalen wirklich mebr als bisher brüskieren will. — Ueber rie Sitzung ber Finanzkommiision selbst berichtet uns unser Ber liner Mitarbeiter: 0. Berlin, 26 März. (Privattelegramm.) Die F'nanzkoinmission des Reichstags trat beute um 10 Uhr vor mittags wieder zusammen uno fuhr in der vorgestern abgcbrockenen Beraiung des K 2 des Branntweinsteuerentwurss fort. Die Blockirage wurde mit keinem Worte gestreift. Die Neichöpartei hat einen VermittlungSanirag eingebrachk, de» Abg. Freiberr von Gamp b.grünrel. Er eimäßigt die Spannung aus 15 -6 und nach 10 Jahren, also vom 1. Oktober 1918, auf 10 .6 Von een Erträgnissen biS 1914 stellt er jährlich 10 Millionen und bi» 1919 rann jährlich 5 Millionen für den Dcnaturiernngsfonds bereit. Ein freisrnniaer Abgeordneter bitter um Annahme kcs lreinnnigen Anirags aus Festsetzung der Span nung aus zunächst 15 6 und dann von littst zu sünt Jahren sinkend bis aus 5 Sollte rist'cr leine Annahme finden, io sei der neue Ent wurf der beste Mittelweg. Eine allzugroße Begünstigung der Klein brenner habe ein starke« Anwachsen der Kleinbetriebe zur Folge, was wiederum erheblich böhere Kvntrollkosten ersordere. Dies letztere be stätigt ein BnnoeSratsbevvllmächtigter und stellt in Aussicht, in Kürze Unterlagen für die Berechnung der Erhebungskosten bcizubringen. Sckon jetzt könne er sagen, daß Preußen 3,5 bis 4 Millionen über seine Verhütung hinaus auswende. Ein konservativer Abgeord neter erklär», daß rcr konservative Antrag auf Festsetzung der Spannung auf 20 mit dem Mindestsatz von NO -6 prv Hektoliter 1,10 -6 pro Liier beginnend und vom 1. Oktober 1914 bzw. 1918 ab aus 15 .6 das Aeußerste sei, was die bedrängte Landwirtschaft als Opfer bringen könne und auch nur mir dem Vorbehalt, daß ras Brcnnrecht, wie rer Entwurf es vorsehe, io auSgestatlet werde, daß der technische Spiritus erheblich unter den Produktionskosten abgegeben werden könne. Die Abstimmung bringt eine Ueberraschung. Die Reichspartei trennte sich von den Deutsch-Konservativen. Man hatte nach rem Verlauf der Verhandlungen erwartet, daß sich eine Mehrheit aus der Rechten mit dem Zentrum aus den Hauptantrag der Konservativen, Antrag Dietrich, vereinigen würde, der die Spannung von 20 -6 für die nächsten süns Jahre ausrechterbält und sie dann dauernd auf 15 -6 festlegen will. Vorher aber mußte nach der Geschäftsordnung der weitergehenc>e Antrag des Grafen Schwerin zur Abstim mung gestellt werden, der die Kürzung der Liebesgabe auch für später ablehnt und sie in ihrer jetzigen Höhe von 2 0 verewigt. Der AntiaA wird mit 16 Stimmen der Konservativen, der Wirtschaftlichen Vereinigung und des Zentrums angenommen. Der Schwerinsche Antrag unterscheidet sich von einem ein ähnliches Ziel verfolgenden Zentrumsantrag dadurch, daß er nicht, wie es das Zentrum wollte, die Verbrauchsabgaben auf 120 .6 innerhalb des Kontingents und auf 140 außerhalb deö Kontingents fest- seht, sondern nur auf 115 bzw. 135 -6 Mit dem Antrag Schwerin wurde ein Amendement des Zentrums angenommen, das bis zuni Jahre 1912 den Verbrauchsabgaben lährlich 10 Millionen sür den Denaturicrnngsjonds entnehmen will. In rascher Folge werden dann eine Reihe weiterer Paragraphen unverändert nach dem Entwurf angenommen. Vom Zentrum liegt ein Antrag aus Begünstigung der Kleinobstbrennereien vor. Bei einer Produktion von 50 Hekto liter sollen sie bei der Verbrauchsabgabe um 40 Proz. begünstigt werden, bei einer Produktion von 50 bis 100 Hektoliter um 30 Proz^ Die Beschlußfassung über diesen Antrag wird bis zur nächsten Sitzung auSaeseyt. Der freisinnige Antrag, die Verbrauchsabgaben sür den kontin gentierten Alkohol auf 110 -L pro Hektoliter, von fünf zu fünf Jahren um 5 .6 steigend bis auf 120 6, und für den nichttontingenttrrtrn aus 125 .-2 festzuietzcn — Spannung von 15 bzw. 5pro Hektoliter — wird gegen diesieben Stimmen derFreisinnigenundSozialdemokraten abgelehn l. 8 IS betr. die gewerblichen Brennereien wird nach einem Antrag Dr. Weber (Natl.) folgendermaßen gefaßt: Als gewerbliche Brennereien sind alle Brennereien, die Hefe erzeugen, sowie diejenig-n-anzusehen, die weder zu dm landwirtschaftlichen Brennereien noch zu den Obst brennereien und den riesen gleichgestellten Brennereien gehören. Es wäre also die Hefeproduktion als Zeichen des gewerblichen Betriebes anzujehen. Nächste Sitzung morgen. Das serbische Dsbäele. Zur Tragikomödie des Kronprinzen Georg. — LLas Kolakowitsch vor seinem Tode erzählte! Tie serbische Situation bildet heute — nach der angeblichen Ver- zichtcrklärung des Kronprinzen Georg aus die serbische Thronfolge — ein völliges Chaos. Wurde anfangs mitgeteilt, daß durch einen der artigen Schritt ein Umschwung zum Frieden cingetreten sei, so wird heute aus Wien offiziell gemeldet, daß der Ernst der österreichisch- serbischen Situation unverändert sortbestcht, trotz der Niederlage des Kronprinzen und der Belgrader Kriegspartcj. Somit steht die Lage nach wie vor auf des Messers Schneide. Belgrad ist augenblicklich der Schauplatz öffentlicher Temon- strationcn, die sich besonders auf dem Michaelplatz und vor dem Palais des Kronprinzen ereignen. Auch Offiziere nehme» an Sympathiekund gebungen für den Kronprinzen teil. Anderseits sind einflußreiche poli tische Parteien bemüht, die Situation, die durch den Rücktritt der Kronprinzen geschaffen wurde, für eine weitere vernünftige Politik in Serbien auszunützen. Die Entscheidung über den Verzicht des Kron- Prinzen wurde vom Ministerpräsidenten in die Hände des Königs gelegt. Es hängt jetzt davon ab, wie weit sich der König mit dcm Kronprinzen identifizieren wird. Die Spannnug zwischen Vater und Sohn war in letzter Zeit sehr groß, und es ist möglich, daß auch der König lieber den Kronprinzen 'allen lassen wird, als daß die Volks stimmung beide wegschwemmt. Der Kronprinz bleibt dabei, daß er den Tod des Kammer dieners Kolakowitsch nickt verschuldet habe, ja, daß er ihm überhaupt nichts zuleide getan habe, weil er diesen Diener besonders aut leiden konnte. Man weiß jedoch, daß Nippcnstöße und Ohr- teigen das Kronprinzen an seine Umgebung das Allergeringste waren, was sich tagtäglich ereignete, und man ist daher nicht geneigt, den Versicherungen des Kronprinzen Glauben zu schenken. Delegierte der sozialdemokratischen Partei haben den verstorbenen Diener des Kronprinzen, als er am 10. März nacksts ins Krankenhaus gebracht war, sofort vernommen. Der mißhandelte Diener schilderte den Vorgang wie folgt: „Der Kronprinz hatte sich abends znm Ausgeben umgeklcidct und übergab mir einen Brief mit dem Auftrage, die Be- stellung ja nicht zu vergessen. Ich erwiderte, daß ick diesen Auftrag airf keinen Fall vergessen würde. Darauf rief der Kronprinz: „Ich werde dir die Hand durchbohren müssen, damit du den Brief auch wirklich besorgst!" Was weiter geschah, wußte der Diener nicht mehr anzugeben. Er konnte sich nur noch entsinnen, daß der Kronprinz ihn ans den Boden geworsen und mit de» Füßen getreten hatte. Der Diener unterzeichnete das von den sozialdemokratischen Delegierten aufgesetzte Protekoll und unmittelbar darauf erschien eine Polizei kommission in dem Spital, die dem verletzten Diener die Er- klärung abpressen wollte, daß er keinesfalls von dem Kron- Prinzen mißhandelt worden sei, sondern fick die Vcr- letzung durch einen Sturz auf der Treppe zu gezogen hat." Ueber den serbischen Kronprinzen liegen heute folgende weiteren Nachrichten vor, aus denen aber immer noch nicht der wahre Sachvcr- halt hervorgeht: Der Brief des Kronprinzen an Äkowakowitsch. Bklgrad. 26. März. sPrivattrlegramm.j Der Kronprinz richtete solgendes Schreiben an Nowakowitsch: „Belgrad, 12. März 1909. Herr Präsident! Durch
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite