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Bezugt-Prelv lUI«tz«ld Drriklchlaiw« «ad d« d«tsch«n «»Uw«' »«» m»«1l. u>» audlchl. P,ftdrst«ll»rld. fl«ra»r in Brlaica. Dänemark, den Dnaaustaaten, Italien. Sareinbnrg. Niederlande, Nar. »egen, Oester«tch.Ua«»r», «a»I-M>. Schweden, Schwei, ». Spanien. Ja allen üdrtaea Staaten nur direkt dnrch di, «eschätt^tell» dM Matte« ertzältltch. Lae LetzV-er Da-edlatt erschetnt «dchent. lich ? «al und paar marine. «dannement-Annalmi« > UaguAnäplatz S. bei unlerrn Dräaern. Filialen, Spediteurmi und Umiahme-elten, sowie Postämter, und Briefträgern. Di« einzelne Rnmmer kostet IS Xed«ktt„ »ad »efchäftlfteller Johanniegaste tt. Fernfprrch«! I48S2, 14 SR, 14804. Nr. 34l. MMkrTasMatt Haudelszeitung RmlsösM -es Rates und -es Notizeiamtes -er Lta-t Leipzig. »«zei-«.PreU im« «ntwärt» N Nekla««» l-!ä) °»m «»«fand 00^ stamm, «neigen 75^, Bekla»,, ÜD n». Infmated.B«»»rch»n i» amlltchenDeilev^. BeNug^BDr S ». Dansend ^kl. Post- Aestert^lt« «nfträae kbnnen nicht pnück- ß«»°g»« «erd«. Fär da» Erschein« an bestiwmimi DWW» »ad Plätzen wird leine »aeaati« ädern-»»ein »iqeigen. ilnae »ei Itmtlichea I Expeditionen Haupt-Mial» Merlin: <«rl Diracker, tzerzagl. Vahr. Hofbnch Handlung, Lützowstrat« 10. (Delephon VI, Nr. 4SR). Haupt-Silial« Dresden: Eeeftraße 4,1 (Delephon 4S21). 1Ü2. Jahrgang. Donnerstag 10. Dezember 1908. Dcrs wichtigste. * Das deutsch-österreichische Abkommen über den gegenseitigen gewerblichen Rechtsschutz wurde am Mitt woch vom Reichstag in dritter Lesung debattelos genehmigt. sS. Deutscher Reichstag.) * Der den Arbeiterinnenschutz betreffende Teil der Ge- werbeordnnngsnovelle wurde am Mittwoch vom Reichstag in dritter Lesung nahezu einstimmig angenommen. sS. Deutscher Reichstag.) * Böhmische und mährische Firmen haben aus Anlaß dcS Auftretens der Deutschen in Prag ihre Geschäftsverbindungen mit süddeutschen Exporthäusern abgebrochen. sS. Dischs. R.) * Von zuständiger Seite wird aus Konstantinopel gemeldet: Seit mehreren Tagen ist di« österreichisch-türkische Frage auf dem toten Punkt. Daran ist Wohl auch die hinziehende Haltung der Pforte schuld, der eS auf diese Weile immer wieder gelingt, bei der ö st c r r e i ch i s ch n Botschaft eine schwankende Auffassung der Lage zu erzeugen. Eine gütliche Beilegung der Angelegenheit wäre nur dadurch noch möglich, daß Oesterreich nachgibt. Will man das am Wiener Ballplatz nicht tun, dann bliebe nichts übrig, als andere Wege zu suchen, um einem Zustande ein Ende zu machen, dessen verderbliche politische Wirkungen sich von Tag zu Tag stärker geltend machen. * Wie der .Standard" ans zuverlässiger Quelle erfährt, 'oll Admiral Lord Charles Beresford das Kommando >er englischen Kanalflotte um ein Jahr länger behalten, als ur- sprünglich beabsichtigt war. Eigentlich hätte er im März 1909 zurück treten müssen, doch wünscht die Admiralität, daß er ans seinem wichtigen Posten bleibe. * Einer der bekanntesten italienischen Journalisten veröffentlicht im Neapeler „Mattino" einen Artikel über die italienisch- österreichischenBeziehungen, der viel bemerkt wird. In dem Artikel wird auf die Notwendigkeit für die italienische Regierung hin gewiesen, ein Defensiv- und Offensivbündnis mit der Türkei abzn- schließen. sS d. hes. Art.) . * Die Leipziger Stadtverordneten bewilligten in ihrer gestrigen Sitzung 4 372 560 ^l für das neue Wasserwerk in der Muldenane. sS. Ber.j Die demokratische Vereinigung. Bon einem befreundeten Berliner Politiker wird uns geschrieben: Der Doktrinarismus, zn dem wir Deutschen bei unserer Vorliebe, jede Frage grundsätzlich zu behandeln, neigen, hat auf politischem Ge biet keiner Parteirichtung so viel geschadet als dem Liberalismus. Hier liegen die Wurzeln seiner Schwäche. Hiervon redet die Geschichte seiner Uneinigkeit. Wo dieser Doktrinarismus zugunsten einer real- volitischen Beurteilung der politischen und wirtschaftlichen Fragen überwunden wurde, wie in der nationalliberalen Partei, da wurde viel leicht zwar hier und da in der Wertung liberaler Grundsätze zu wenig getan, aber auch für die Partei das Schicksal vermieden, dem der Frei sinn in seiner fortgesetzten Zersplitterung verfiel. Erst die Entwicklung oer Parteiverhältnisse in den letzten Jahren zeigt, daß auch hier ein Wandel zum Besseren eintreten will. Dafür spricht die Entstehung der freisinnigen Fraktionsgemeinschaft, die mehr und mehr die Vorstufe zu einer freisinnigen Parteigemeinschaft zu werden scheint. Und doch ist auch wieder diese Entwicklung der Anlaß gewesen, um den Doktrinarismus des Liberalismus von neuem aufleben zu lassen. Er tritt uns in der demokratischen Vereinigung entgegen. Sieht man sich diese jüngste Parteigruppe an, die nicht über einen einzigen Sitz in irgendeinem der deutschen Parlamente verfügt, deren Mitglieder über ganz Deutschland hin zerstreut wohnen und darum selbst mit ihrer Ziffer von 4—5000 noch keine Macht darstellen, so könnte man geneigt sein, sie politisch recht gering einzuschähen. Wir möchten davor warnen. Sie sind eine Gefahr für den Liberalismus. Betrachtet man ihre jung« Geschichte, die von dem Austritt ihrer drei Führer: Dr. Theodor Barth, Dr. Breitscheid und Hellmuth von Aerlach aus dem Wahlverein der Liberalen sFreisinnige Vereinigung) datiert, der sich bei dem Frankfurter Parteitag zu Ostern d. I. vollzog, ,o scheint sich diese Gefahr nur auf den Bestand eben dieser freisinnigen Parteiorganisation zu beziehen. Don ihr suchen sie einzelne Mitglieder und ganze Ortsgruppen abzusplittern und der demokratischen Ver einigung anzugliedern. Sie und ihre Führer, vor allem auch Naumann, überschütten sie mit sachlichen und persönlichen Angriffen. Ihr Erbe möchte» sie antrete«. Aber ihre PlLue gehen viel weiter. Bor allem möchten sie die liberale Fraktionsgemeinschaft wieder sprengen, möchten das freund nachbarliche Verhältnis, daS sich -wischen Freisinn und National- liberalen seit der ReichStagSwahl vielfach angesponnen hat» zerstören, möchten auch der entfernten Möglichkeit vorbeugen, daß eine Eini gung deS gesamten Liberalismus auf einer mittleren Linie der Politik zustande kommt. Der.Liberalismus soll entweder so sein, wie ihn sich di« Führer der demokratischen Bereinigung vorstellen, oder er soll als ein Gebilde „schlimmer als die Reaktion" bekämpft werden. Was sich die demokratische Vereinigung dabei unter dem wahren Liberalismus vorstellt, das spricht sie weniger in politischen Grund sätzen a«S alS in der politischen Taktik, die sie als Allheilmittel für den Liberalismus empfehlt. Sie hängt nicht an einem neuen politischen Lehrsystem. Sie huLigt um so entschiedener einem Doktrinarismus in der parlamentarischen Taktik. Eine» Reichskanzler wie dem Fürsten Bülow darf kein Man« «nd kein Groschen bewilligt werden. Ehe die preußische Regierung nicht daS Reichstagswahlrecht i» Preußen ein- geführt hat, darf kein Liberaler auch nur über die Reichsfinanzreform im Reichstag verhandeln. Ehe nicht eine völlig konstitutionelle Regie rung im Reiche gesichert ist, darf der Liberalismus nur in Opposition zu der Regierung stehen. Das wird nicht nur in Berlin und Umgegend jede Woche in einer Reihe von Volksversammlungen, vor Hunderten und Tausenden von Zuhörern verkündet und von den zahlreich an wesenden Sozialdemokraten beklatscht. Mit diesem Programm ziehen auch die Führer der demokratischen Vereinigung im Reich umher und Pfessern ihre Reden mit maßlosen Angriffen auf alle liberalen Parla mentarier von Bassermann bis Naumann. Dabei werden sie nicht nur von der „Berliner Volkszeitung" und der „Welt am Montag" journa listisch unterstützt, auch ein Teil der „parteipolitisch unabhängigen" libe ralen Berliner Blätter mit ihren Hunderttansenden von Abnehmern stößt in dasselbe Horn, um sich als „politisch charaktervoll" aufzuspielen und dem Sensationsbedürfnis zu dienen. Es liegt auf der Hand, welche Gefahren mit einer solchen Agitation gegeben sind. Die geringste Gefahr ist noch, daß mit einer solchen Agi tation Reichstagsmandate erobert werden. Das hätte eher noch das Gute an sich, daß diese Herren Demokraten im Reichstage sehr bald zeigen würden, wie unfruchtbar ihre ganze Politik ist. Aber dahin wer den sie gor nicht kommen. Viel schlimmer sind andere Folgen. Ihre maßlose Kritik an allen varlamentarischen Vertretern des Liberalismus in Verbindung mit jenem Doktrinarismus der parlamentarischen Taktik verwirrt die libe ralen Wählcrmassen. Diese sind an sich schon leicht geneigt, das, was an parlamentarischen Erfolgen für den Liberalismus neben dem Kon servatismus und dem Ultramontanismus möglich ist, mit ganz über triebenen Vorstellungen anzusehen. Sie legen da oft einen ganz falschen Maßstab an. Meinen, es fehle der gute Wille, wo doch nur die parla mentarische Macht mangelt. Und kommen so leicht dazu, das Ergebnis des parlamentarischen Liberalismus nicht nach dem zu werten, was er reicht wurde, sondern nur nach dem Maßstab zu messen, was sie gern erreicht haben möchten. Und darin werden sie nun in demagogischer Weise durch die Kritik von seiten der demokratischen Vereinigung unterstützt. Das richtige Augenmaß für die Aufgabe der parlamen tarischen Arbeit geht verloren, und das zieht eine Nichtachtung der recht nüchternen Parlamentsarbeit nach sich, die nur Schritt für Schritt zu Erfolgen kommen kann. Die Folge ist, daß unter den Wählern jene Mißstimmung Platz greift, die sich dann bei dem Wahl kampfe in der mangelnden Unterstützung liberaler Kandidaturen zeigt. Ten Vorteil l eimsen die Konservativer, das Zentrum und die Sozial demokratie ei». Ihnen arbeiten die Demokraten vor mit ihrer zer setzenden Kritik, mit ihrer nur auf den Beifall der kritikfrohen Masse zugeschnittenen Volksversammlungspolitik. Das ist die große Gefahr, die die Agitation der demokratischen Ver einigung mit sich bringt und die man nicht unterschätzen darf, weil sie jetzt erst über ein paar tausend organisierte Anhänger verfügt. Sie versteht sich zu gut auf das agitatorische .Handwerk. Darum ist auch der Kampf gegen sie nicht leicht. Er muß unter der liberalen Wählerschaft das Verständnis dafür wecken, pflegen und stärken, daß Politik nur von großen, starken Parteien erfolgreich be trieben werden kann, innerhalb deren der einzelne mit seiner Kritik auch an dem Verhalten der liberalen Fraktionen fruchtbar wirken soll, neben denen er aber nicht als Freischärler oder Mißvergnügter seine politischen Anschauungen propagieren darf. War es doch auch im letzten Grunde nichts anderes als Disziplin losigkeit auf Grund politischer Eigenwilligkeit, die zur Trennung der Barth, Gerlach, Breitscheid von der Freisinnigen Vereinigung führte. Mag man dort ihren Austritt schließlich als eine Erleichterung empfun den haben, daß sie als Demokraten, wie sie sich jetzt nennen, die eigene Person nicht einzuordnen wußten in der Partei, beweist, wie verhäng nisvoll sich hier wieder die organisatorische Schwäche des Liberalismus gezeigt hat, in der jeder Liberale um seiner „heiligen" rein subjektiven „Grundsätze" willen am liebsten eine eigene Partei bilden möchte, an- statt seine Pflichterfüllung in der Angliederung an die Partei zu sehen, auch wenn er dabei nicht gerade alle seine Wünsche erfüllt sieht. , Solche Schwäche ist aber leider noch viel im Liberalismus aller Schattierungen verbreitet. Sie ist der Nährboden für die demokratische Agitation. Wir werden ihr nur mit Erfolg begegnen, wenn wir in den beiden Lagern des Liberalismus — dem nationalliberalen wie dem frei sinnigen — dem gesunden demokratischen Gedanken nachgehen, die Einzelperson mit ihren politischen Sonderanschauungen und ihrer Kritik in den Dienst der Parteiorganisation zu stellen. Arn Gefolge Oesterreichs. Das überaus schwierige Problem der österreichischen Politik gibt der Öffentlichkeit jetzt außerordentlich viel zu denken. Wir haben bereits in der gestrigen Nummer einem österreichischen Politiker das Wort zu diesem Thema gegeben und bringen nun heute eine Zuschrift aus poli tischen Kreisen Leipzigs zum Abdruck, die sich über die Lage folgender- maßen auslaßt: Die große Rede Bülows vom 7. d. M. atmet nicht mehr den behag lichen Optimismus früherer Tage, vielmehr ist ein Unterton politischer Besorgnis unverkennbar. Dennoch verleugnet sie nicht ganz den mrschikosen Ton des alten Korpsstudenten, der für diesen Staatsmann sit vsuiL vsrbc») so charakteristisch ist und die wesentliche Grundlage einer Augenblickserfolge, wie der säuernden Sympathie seines kaiser- ichen Herrn bildet. Zeitpunkt und Form der Annexion Bosniens und >er Herzegowina waren ihm nicht bekannt. Aber er ist weit entfernt, >em Wiener Kabinett deswegen zu grollen, offen gestanden, ist er ihm ogar dankbar dafür. Ueber diese hübsche Pointe quittierte, die Redner- chule im ReichStagshause mit großer Heiterkeit. Ob sie im deutschen Kolke und in der deutschen Presse den gleichen Widerhall erwecken wird ? Es scheint uns, daß die vergnügte Stimmung des hohen HauseS und seine traditionelle Dankbarkeit für die Anregung der Lachmnskeln nicht mehr im vollen Einklänge steht mit der Realität der Dinge. Welcher Gegensatz zu dem ergreifenden Ernste der Rede eines Fortis im italie nischen Parlamente und der einmütigen Begeisterung, die sie erweckte. Deutlich tönt von dort bereits der Ruf zu uns herüber: tjjuem vmm psrckvos vult, eum cksmüntnt. Handelt es sich wirklich um einen Akt, der von uns unter allen Umständen im voraus gutgeheißen werden mußte, und bei dem es uns deshalb wegen des damit verbundenen kleinen Formfehlers nur erwünscht sein konnte, daß er uns als fair entgegentrat'? Baron Aehrenthal hat einen von seinem Lande, von Deutschland und von fünf anderen Großmächten feierlich bestätigten Vertrag rechtswidrig zerrissen. Er hat damit auf lanae Zeit hinaus den Wert friedlicher internationaler Verständigung in Frage gestellt. Und um welchen Preis hat er seinem Lande das Odium eines völkerrechtlichen Deliktes auf geladen? Bülow selbst gibt d»e Antwort: Die Türkei hat durch die Annexion Bosniens und der Herzegowina nichts verloren, durch die Räu mung des Sandschaks Novibazar sogar gewonnen. Daraus ergibt sich m.t logischer Notwendigkeit die Folgerung, daß Oesterreich-Ungarn schon durch den verhängnisvollen Akt selbst mehr eingebüßt, als sich gutgebrachr hat. Die unmittelbaren Folgen desselben lassen aber das Verlustkonto des Geschäftes geradezu ins Riesenhafte anschwellen. Sämtliche Groß- möchte saußer uns) durch den offenen Vertragsbruch gereizt, die Stimmung der Kulturnationen antipathisch: die Haltung der formell ge- demütigten Türkei direkt feindselig, ein die österreichische Volkswirtschaft aufs schwerste schädigender Boykott, an dem die türkische Bevölkerung mit täglich wachsender Einmütigkeit sich beteiligt: die benachbarten Balkanstaaten und Italien in Kriegsstimmung, darauf bedacht, bei d--: eingctretenen Verwirrung auf Kosten Oesterreich-Ungarns im trüben zu fischen: die Bevölkerung dieses Landes selbst gespalten. der große slawische Teil in offenem Gegensätze zur Neichspolitik, in der Hoffnung, so das Deutschtum im Inneren an der Wurzel zu treffen: Rußland bemüht, das entstandene slawische Feuer zu schüren und durch Demütigung der Donau- Monarchie das an Japan verlorene Prestige wiederzugewinnen. Und die Rückwirkung auf uns? Der Dreibund in Auflösung be griffen, fast ganz Europa in mehr oder weniger offener Fehde gegen das Deutschtum verbunden. Ist das eine für uns willkommene Situation? Eine Situation, über deren unmittelbare Veranlassung von ihren, Urheber im dunkeln gelassen zu sein, uns nur mit Dankbarkeit erfüllen kann? Oder steckt in dieser erstaunlichen Erklärung insofern doch die Wahrheit, als die gänzlich passive, in Schönrednerei sich erschöpfende Politik des angeblich leitenden Staatsmannes sich auch dann nicht anders betätigt haben würde, wenn ihm der beabsichtigte Vertragsbruch vorher mitgeteilt worden wäre? Doch Geschehenes ist nicht zu ändern, wichtiger ist die Frage, was nun? In dieser Beziehung kennzeichnet sich die Politik Bülows durch die emphatische Erklärung: „Treue zu dem ver bündeten Oesterreich-Ungarn!" Eine schöne, erhebende und dem entsprechend wiederum von Bravorufen des hohen Hauses begrüßte Formel: eine Formel, die zugleich den Vorzug der Einfachheit und Be quemlichkeit hat, weil sie sich ohne eigenes Nachdenken aussühren läßt. „Wir werden die österreichisch.ungarischen Interessen nach Möglichkeit unterstützen." „Wir ließen Rußland gegenüber keinen Zweifel daran, das; wir uns iq Konfcrenzfragen nicht von Oesterreich-Ungarn trennen können." Also: Hannemann, geh' du voran usw. Hat sich aber damit die deutsche Politik nicht einen Blinden zum Führer erkoren? Was will Oesterreich-Ungarn? Zurzeit bestimmt Aehrenthal den Weg, aber nie mand weiß, aus wie lange. Schon schwirren Gerüchte über Differenzen mit dem alten Kaiser und über bevorstehende Demission. Die Slawen haben sich einmütig gegen ihn erklärt, und die übrige Bevölkerung über zeugt sich mehr und mehr davon, daß er eine Dummheit begangen hat Ist es richtig, daß dieser Unsicherheit gegenüber ein so gewichtiger Faktor wie das Deutsche Reich die Methode des Vogels Strauß befolgt, anstatt der befreundeten Monarchie die ihren und unseren Interessen ent sprechende Politik energisch zu suggerieren? Sind wir doch auch mit Italien verbündet, das für den Fall des Beharrens bei der Aehren- tbalschen Politik mit offener Fehde droht. Die Situation ist ans des Messers Schneide. Jeden Augenblick kann es zum Eingreifen zn spät sein, kann zwischen Oesterreich-Ungarn einerseits, der Türkei, Serbien und Montenegro anderseits der Krieg entflammen, und es ist fast gewiß, daß Italien sich letzteren Mächten anschließen würde, um sich daS Trentino zu holen. Die Chancen sind um so günstiger, als in Böhmen und bei den übrigen österreichischen Slawen der Aufruhr droht. Sind wir gewillt, dem Zuzusehen? Oder werden wir schon dann beispringen? Aber ist es nicht so gut wie sicher, daß im letzteren Falle Rußland, Frankreich und England auf den Plan treten und so sämtliche Mächte im Kampfe gegen das Deutschtum zuiammenstehen würden? Bei dem gewaltigen Zündstoffe, den unsere Politik der letzten 20 Jahre überall im Auslände gegen uns angehäust hat, und bei den hoben Kampf preisen, die für einen Teil dieser Gegner in Aussicht stehen, ist leider zn erwarten, daß dieser Kampf auf ihrer Seite mit überwältigendem Enthusiasmus, fast wie eine Art von Befreiungskrieg durchgeführt werden würde. Noch ist es Zeit, diesen Eventualitäten die Spitze zn bieten und die verhängnisvollen Funken am Balkan auszntrcten. Um einem Aehren- thal die verdiente diplomatische Demütigung zu ersparen, darf das Schick sal des Deutschtums nickt zum Einsätze gebracht werden. Keinesfalls können wir über eine platonische Unterstützung hinaus für seine Per- tragsbrnchspolitik eintreten. Selbst die Möglichkeit einer Zertrümme rung Oesterreichs aus solcher Veranlassung, von der immerhin zwcisel- haft bliebe, ob sie nns, wie sich seine inneren Verhältnisse nun leider ein mal gestaltet haben, -um wirklichen politischen Nachteil gereichen würde, dürfte uns nicht bestimmen, uns selbst in einem aussichtslosen euro päischen Kriege aufzuopfern. Es ist Zeit, hierüber keinen Zweifel zu lassen, damit man in Oesterreich-Ungarn selbst auf Mittel sinne, den Gc fahren einer undurchführbaren Maßnahme vorzubeugen, schlimmstenfalls sie zu widerrufen, anstatt im Vertrauen auf den starken Schutz des Bundesgenossen eigensinnig der Katastrophe entgegenzugehen. Das Vier und HZ- Würstchen. sVon unserm Pariser ^.-Korrespondenten.) * Paris, 8. Dezember. Jules Huret betitelt sein viertes Feuilleton im Ligaro" über Bayern und München „Das Bier und die Würstchen". Wir entnehmen auch dieser Plauderei die amüsantesten, am besten oder verkehrtesten ge- sehenen Stellen. „Der Kunstkritiker des Mailänder „Corriere della Sera", der auf der Durchreise in München weilte, war derart wütend über die bayrische Küche, daß er überall „Pale ale" verlangte. Es 7an> ihm vor, daß er sich tatsächlich nicht besser rächen könne, als wenn er die Vaterstadt des Biers in dieser geistreichen Weise beleidigte. Für den Münchner ist nämlich das Biertrinken —das Trinken von Münch- ner Bier — die höchste aller Erdcnfreuden. Dieser Genuß läßt das süße Jamilienglück, das Vergnügen an Theater, Konzerten und Gesellschaften weit hinter sich. Das Bier hat die Eigenart seines Geschmacks, seiner Gewohnheiten, seiner Neigungen und selbst seiner Bedürfnisse hcraus- gebilder. Das Brauhaus ersetzt den Salon, das Heim, und ist das ein zige Stelldichein, das Band, das die verschiedensten Klassen umschlingt. Es begünstigt die Demokratie, denn um das geliebte Bier voll zu ge nießen, muß man in die Brauerei selbst gehen, vor das frisch angesteckte Faß, und da nur in vollen Litern ausgeschenkt wird und man schon einiae Zeit braucht, um es herunterzuschlucken, werden Gespräche anaeknüpn. Gedanken ausgetauscht, und dies zwischen ArbeitermKutschern, Bürgern und Staatsbeamten, vor dem alles gleichmachenden Maßkrug. Man ver gleiche diese Sitten mit denen des Engländers, der stehend vor dem B'^ in einem Zuge sein Glas Gin oder Whisky austrinkt und fortgeht, was nicht geeignet ist, den Geselligkeitsinstinkt zu entwickeln. Zu verschiede nen Zeiten des Jahres, beim Oktoberfest, im März beim Ausschank des Salvatorbiers, am Silvesterabend, im Karneval, gibt es wahnsinnig.' Gelage mit Braten, Spanferkeln, Würstchen. Schinken und Bier. Dem entfesselten Appetit wird freier Lauf gelassen. Die universelle Maß losigkeit wird zur Regel. Die alten Germanen tranken immer noch einen Schoppen vor dem letzten." sDeutsch im Text.) Tas ist daS immer wiederholte und praktisch angewandte Axiom. Ebe man erklärt, genug zu haben, muß ein so ernormcs Gewicht die Beine beschweren, daß man gerade noch die Kraft hat, heimzukehren und sich schlafen zu legen. „Ich