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1272 Stahl und Eisen. Wirtschaftliche Rundschau. 30. Jahrg. Nr. 29. fob Antwerpen zurück. Bleche behaupteten sich. — Das belgische Stahlwerkscomptoir erhielt einen Auftrag auf 5000 t Schienen für Chile, 4500 t für die Schweiz (Rhätischen Bahnen), 700 t für Holland und 500 t für die belgische Eisenbahngesellschaft Malines—Terneuzen. Die Entwicklung des Braunkohlenbergbaues in den letzten 25 Jahren. — Einem Vortrage, den Bergassessor Beisert anläßlich des 25-jährigen Bestehens des Deutschen Braunkohlen-Industrie-Vereins auf der 26. Hauptversammlung desselben zu Halle a. Saale gehalten hat, entnehmen wir die folgenden Ausführungen: Die Braunkohlengewinnung des Deutschen Reiches stieg von 15,3 Mill, t im Werte von 40,4 Mill. J im Jahre 1885 auf 68,4 Mill, t im Werte von 178,9 Mill. M im Jahre 1909. Sowohl Gewinnung wie Wert derselben haben sich also in diesem Zeiträume mehr als vervierfacht. Der Braunkohlenverbrauch auf den Kopf der Bevölkerung berechnet stieg von 0,41t im Jahre 1885 auf 1.18 t im Jahre 1909, d. h. um 188 %. An der Braunkohlenförderung des Deutschen Reiches war das Königreich Preußen in den letzten 25 Jahren stets mit rd. 4/ beteiligt; ihm reihen sieh, nach der Größe des Anteils im Jahre 1909 geordnet, an das Herzogtum Sachsen-Altenburg mit 5,95 %, das Königreich Sachsen mit 4,57 %, das Herzogtum Braun schweig mit 2,72 %, das Königreich Bayern mit 2,16%, das Herzogtum Anhalt mit 1,89% und das Großherzogtum Hessen mit 0,72 %. Während in allen aufgeführten Bundesstaaten sowohl die absolute För dermenge wie auch der Anteil an der Gesamtförde rung des Reiches seit dem Jahre 1885 gestiegen ist, weist die Braunkohlengewinnung Anhalts wohl eine Zunahme der Förderziffer gegen das Jahr 1885 auf, der Anteil an der Gesamtförderung des Reiches ging aber wesentlich zurück; er fiel von 5,8 % im Jahre 1885 auf 1,89 % im Jahre 1909. Offenbar sind hier die Bedingungen für den Braunkohlenbergbau ungünstiger als in anderen Bezirken geworden. Der Schwerpunkt des deutschen Braunkohlenbergbaues liegt in den preußischen Provinzen Sachsen und Brandenburg, sowie in den angrenzenden Bundesstaaten Sachsen, Sachsen-Altenburg, Anhalt und Braunschweig, einem gewissermaßen geschlossenen Be zirke, den man allgemein unter dem Namen Mitteldeutscher Braunkohlenbergbau zusammenfaßt. Vom Jahre 1890 etwa ab gelangte neben dem Braunkohlenbergbau dieses mitteldeutschen Bezirkes die Braunkohlengewinnung in der Rheinprovinz dank der außerordentlich günstigen Ge winnungsverhältnisse und der Entwicklung der Brikett- fabrikation zu schneller Entfaltung und Bedeutung. Während im Jahre 1885 auf den Oberbergamtsbezirk Halle — die Provinzen Sachsen und Brandenburg um fassend — noch 92,4 % der preußischen Braunkohlen förderung, dagegen auf den Oberbergamtsbezirk Bonn nur 2,5 % entfielen, belief sich der Anteil des ersteren im Jahre 1909 nur noch auf 74,1 %, der des Oberbergamts bezirks Bonn dagegen auf 21,9 %. Die günstige Entwicklung des deutschen Braun kohlenbergbaues findet nicht allein in dem gesteigerten Kohlenbedarf unseres von Jahr zu Jahr mehr zum Indu striestaat fortschreitenden Vaterlandes ihre Erklärung. So ist die Steigerung der durchschnittlichen Jahresleistung eines Braunkohlenbergarbeiters von 526 tim Jahre 1886 auf 941 tim Jahre 1907, d. h. um 78%, auf die außerordent liche Entwicklung der Tagebaue und die zunehmende Einführung und Verbesserung maschineller Förderein richtungen zurückzuführen. Für die kräftige Entfaltung war weiter von Einfluß das von bescheidenen Anfängen in den 40er Jahren ausgehendeAufblühen der auf der mechanischen Aufbereitung der Rohkohle begründeten Nebenindustrien, der Naßpreßstein- und Brikettfabrikation. Während 1885 16,7 % der preußischen Braunkohlenförderung zur Ver arbeitung bezw. als Feuerkohle in die Brikettfabriken gingen, wurden im Jahre 1900 schon 51,5 %, im letzten Jahre sogar 65,9 % oder rd. 2/3 der preußischen Braun kohlenförderung der Brikettierung zugeführt. Die ge samte Braunkohlenbrikettherstellung des Deutschen Rei ches belief sich 1909 auf 14,6 Mill, t gegen 0,75 Mill, t im Jahre 1885. Die vollkommenere Aufbereitung der Braunkohle in den Brikettfabriken hat einer weiteren Ausbreitung der Naßpreßsteinfabrikation augenscheinlich im Wege gestanden, da seit dem Jahre 1885 die Fabrikation und der Absatz von Naßpreßsteinen auf derselben Höhe stehen geblieben sind. Im Jahre 1909 bezifferte sich die gesamte deutsche Naßsteinherstellung auf rd. 597 000 t. Die chemische Verarbeitung der Braunkohle entwickelte sich schon viel früher, als dies mit der Fabrikation von Naßpreßsteinen und Briketts der Fall war, zu einer blühen den Industrie im Gebiete des Braunkohlenbergbaues der Provinz Sachsen, die fast ausschließlich das für die Braunkohlengewinnung erforderliche Rohmaterial — die Schwclkohle — liefert. Schon im Jahre 1869 waren in der Provinz Sachsen 44 Schwelereien im Betriebe; nachdem im Jahre 1885 die Höchstzahl mit 49 erreicht war, trat allmählich ein langsamer Rückgang ein. Gegen wärtig sind nur noch 34 Schwelereien im Betriebe, auf denen jedoch nicht viel mehr Schwelkohle verarbeitet wird als vor 25 Jahren. Die Entwicklung der Mineralöl industrie zeigt dagegen ein Bild von mehr gleichbleibender Regelmäßigkeit. Diese Erscheinung ist zum Teil in dem der Menge und der Beschaffenheit nach sinkenden Teer gehalte der Kohle begründet, zum größeren Teile stand jedoch der starke Wettbewerb der Erzeugnisse der aus ländischen Petroleumindustrie einer Vermehrung und Vergrößerung der Fabrikationsbetriebe im Wege. Für die Entwicklung der deutschen Braunkohlen industrie war es wichtig, daß seit 1889 eine Reihe von günstigen Eisenbahnfrachtentarifen für Braunkohlen und Braunkohlenbriketts eingeführt wurden. Der Wett bewerb der böhmischen Kohle, die seit der Hoch konjunktur der 70er Jahre, in der die hohen Kohlen preise starken Anreiz zur Ausfuhr nach Deutsch land gaben, in steigendem Maße dem deutschen Markte zugeführt wurden, bedrängte die deutsche Braunkohle in ihrem engeren Absatzgebiete auf das empfindlichste. Die Einfuhr böhmischer Kohle nach Deutschland war von rund 1 Mill, t im Jahre 1872 auf 3,6 Mill, t im Jahre 1885, also auf mehr als das 3 fache gestiegen. In den folgenden Jahren hielt diese Steigerung noch an, so daß die Ausfuhr aus Böhmen nach Deutsch land mit 6,5 Mill, t im Jahre 1890 nicht weniger als die Hälfte der böhmischen Braunkohlenerzeugnisse und ein Viertel des gesamten Braunkohlenverbrauches im deutschen Zollgebiete ausmachte. Die Bemühun gen des deutschen Braunkohlen-Industrie-Vereins gingen zunächst dahin, Tarife zu erlangen, mit deren Unterstützung es gelingen konnte, die böhmische Kohleneinfuhr zu beschränken und die böhmische Kohle namentlich aus dem engeren Absatzgebiete der mitteldeutschen Braunkohle wieder zu verdrängen. Vor allen Dingen trat der Verein in seinen an das preußische Eisenbahnministerium gerichteten Anträgen für eine gleich mäßige Gestaltung der Braunkohlentarife von allen Ver sandstationen ein. Dieser Antrag wurde im Jahre 1886 erstmalig gestellt und mehrfach wiederholt, da sich die Eisenbahnverwaltung zu einer generellen Regelung der Braunkohlentarife anfänglich nicht entschließen konnte, trotzdem infolge der Verschiedenartigkeit der noch aus der Zeit der Privateisenbahnverwaltungen übernommenen Ausnahmetarife überaus verworrene Tarifverhältnisse vorlagen. Erst im Jahre 1889 hatten die Bemühungen des Vereins Erfolg, nachdem im Jahre 1888 die Lage des deutschen Braunkohlenbergbaues noch dadurch eine Verschlechterung erfahren hatte, daß für böhmische Kohle auf sächsischen und böhmischen Eisenbahnen Tarifermäßigungen eingetreten waren. Es kam ein Lokaltarif für Entfernungen unter 50 km mit den vom Verein beantragten niedrigen Sätzen zur Einführung. Mit der zunehmenden Entwicklung der Brikettindu- strie war das Bedürfnis zutage getreten, den Versand der Braunkohlenprodukte auf weitere Entfernungen zu erstrecken; das im Vergleich zur Rohbraunkohle hoch wertigere Brikett konnte auch bei höheren Transport kosten den Wettbewerb mit anderen Kohlen aufnehmen.