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24. August 1910. Zuschriften an die Redaktion. Stahl und Eisen. 1463 nicht als Mangel der Eisenbetonbauweise hin gestellt werden. Wir können uns in dieser Be ziehung den Ausführungen des Hrn. Dir. Seifert anschließen, daß Eisenkonstrukteure und Eisen betonleute ein Interesse haben, die Sache so gut wie möglich auszubilden, und daß es wünschens wert ist, wenn die gegenseitigen Anfeindungen in Wegfall kämen. Noch ein Wort über die Bemerkung in dem Vortrage, daß vielfach in Eisenbeton konstruiert werde, weil es „modern“ sei. Es widerspricht dies allen bekannten Erfahrungen in der ganzen Entwicklungsgeschichte der Bautechnik. Auf keinem technischen Gebiete herrscht mehr Kon servatismus als im Bauwesen. Dies ist auch leicht begreiflich: Die großen Kapitalwerte, die in Bauten investiert werden, und die lange, fast unbegrenzte Lebensdauer, für welche die Bau werke bestimmt sind, erfordern dringend, daß nur Baustoffe und Konstruktionsweisen verwertet werden, deren Zweckmäßigkeit und Dauerhaftig keit genügend nacbgewiesen und erprobt sind. Daß eine ganze Generation von Ingenieuren und Technikern entzückt ist, wenn man ihr zumutet, daß sie sich plötzlich in neue Konstruktionsweisen und neue Theorien einarbeiten und einleben soll, wird man ebenfalls nicht behaupten können. Tatsächlich hat der Eisenbetonbau mit vielen Vorurteilen und großen Widerständen auch heute noch zu kämpfen, und wenn er trotzdem in seinem Siegeszuge weiter vordringt, so verdankt er dies in erster Linie dem ihm zugrunde liegenden ein fachen und überaus geistreichen Konstruktions prinzip und der dadurch bedingten Ueberlegen- heit in technischer und wirtschaftlicher Beziehung. Biebrich a. Rh., im Juni 1910. Der Vorstand des Deutschen Beton-Vereins (E. V.). Der Direktor: Alfred Hüser, Meisenhelder, stellvertr. Vorsitzender. Regierungsbaumeister a. D. * * ♦ Auf die Ausführungen des Deutschen Beton vereins zu dem von mir gehaltenen Vortrag habe ich einiges im Interesse besserer Klarstellung zu erwidern. Ich will mich dabei auf das Notwen digste beschränken, ohne auf alle vorgebrachten Einzelheiten einzugehen, schon aus dem Grunde, weil es mir begreiflicherweise kaum gelingen dürfte, den Deutschen Betonverein oder ausge sprochene Eisenbetoninteressenten zu überzeugen. Zunächst ein paar allgemeine Bemerkungen zu den in der Einleitung der Entgegnung ver tretenen Ansichten. Es wird so dargestellt, als ob der Vortrag nur zu dem Zweck gehalten sei, unter allen Umständen den Eisenbeton gegen über dem Eisenbau ungünstig zu beurteilen. Diese Auffassung dürfte wohl in erster Linie darauf zurückzuführen sein, daß der Deutsche Beton verein dem Vorgetragenen nicht völlig unbe fangen gegenübertritt und sich im Interesse seiner ausführenden Mitglieder gegen jede Kritik glaubt wenden zu müssen. Aus der Beurteilung, die meine Ausführungen von anderer Seite er fahren, sowie aus zustimmenden Aeußerungen von akademischen Lehrern und Zivilingenieuren, die wohl der Frage, ob Eisenbau oder Eisenbeton, unabhängiger gegenüberstehen, schöpfe ich die Gewißheit, daß weite Kreise die Auffassung des Betonvereins nicht teilen. Den Fortschritt, der in der Eisenbetonbau weise liegt, habe ich bedingungslos anerkannt, ebenso die Vorteile, die seine Anwendung unter Umständen bieten. Mich mit aller Ausführlich keit unter Wiederholung aller bekannten Schlag worte darüber auszulassen, lag kein besonderer Grund vor, denn ich wollte keine Reklame für den Eisenbeton machen, sondern objektive Be trachtungen anstellen, wodurch er seine schnelle Ausbreitung gewonnen und ob diese in ihrem jetzigen Umfang wirtschaftlich gerechtfertigt sei. Durch die Rührigkeit der Eisenbetoninteressenten ist mit Wort und Schrift, auch sogar in der Tagespresse, genügend dafür gesorgt worden, daß die Vorzüge des Eisenbetons bekannt wurden, so daß ihre wiederholte Erörterung in einer Ver sammlung von Ingenieuren um so eher entbehr lich schien. Weniger bekannt aber, oder jeden falls doch weniger beachtet, sind die Umstände, die den Eisenbeton für manche Zwecke nicht geeignet erscheinen lassen, und darum schien es im Interesse einer objektiven Behandlung der an geschnittenen Frage nützlich, auf diese einzu gehen und damit vielfache Uebertreibungen von anderer Seite auf das richtige Maß zurückzuführen. Nun zu einigen Punkten gegensätzlicher Auf fassung. Der Betonverein ist überzeugt, daß der Gesamtabsatz an Eisen durch den Eisenbetonbau nicht beeinflußt wird, sondern daß höchstens eine Verschiebung in den Mengen der einzelnen Pro dukte eintreten kann. Ich meine, das Interesse unserer Eisenindustrie liegt nicht nur in der Bei behaltung ihrer jetzigen Produktion, sondern vor allem in ihrer fortschreitenden, gleichmäßigen Steigerung. Zu einer solchen trägt die Verwen dung von Eisenbeton für Ausführungen, wie sie der Deutsche Betonverein anführt, und die auch von mir hervorgehoben sind, durch Zunahme des Rundeisenverbrauches bei, und wenn gleichzeitig damit nicht ein Rückgang des Verbrauches an Stabformeisen und Formeisen verbunden wäre, könnten die Eisenwerke dem Gang der Dinge ganz indifferent gegenüberstehen. Dadurch aber, daß Eisenbeton an Stelle der reinen Eisenbau weise in wachsendem Maße tritt, ermäßigt sich der Bedarf an Eisen für diese Fälle um die Hälfte, und wenn man bedenkt, daß bei den bestehen den Preisverhältnissen an Rundeisen kaum ver dient wird, die Gewinn abwerfenden Produkte aber keine Steigerung, sondern eine Verringerung