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? - 77^ 1S4 nehmertums durch einen wuchtigen Gegenangriff, durch, einen Kampf um kürzere Arbeitszeit und höhere Löhne niederzuschlagen. (Bravo! b. d. Komm.) Abg. vr. Eckardt (Dnat.): Genau so wie im Aus schüsse hat sich auch heute gezeigt, daß die Grundausfassung, mit der die verschiedenen Parteien an die ganze Sache herangegangen sind, durchaus verschieden gewesen ist. Der Herr Kollege Arndt glaubt, daß es sich nur um eine vorübergehende Konjunkturwelle handle, um eine un günstige Zeit, die sehr bald wieder vorbei sein würde, wenn wir erst wieder Auslandskredit zur Verfügung haben würden. Der Herr Abg. Renner hingegen ist der Ansicht, daß sich die Unfähigkeit der kapitalistischen Wirtschaft zeige, diese schwierigen Verhältnisse zu meistern. Nun, ich habe schon im Ausschüsse gesagt, daß auch ick die Aussichten augenblicklich für sehr trübe ansebe, und ich kann auch sagen, daß ich es schon lange, schon seit den 10 Jahren, die ich hier in» Landtage bin, vorausgesehen habe, daß es so kommen muß. Im allgemeinen muß man aber sagen, daß an den Verhältnissen schuld nicht unsere Wirtschaftsordnung ist, sondern der Umstand, daß die kapitalistische oder individualistische Wirtschaft, wie man es nennt, nach sozialistischen Grundsätzen geführt wird. Karl Marx hat ja selbst schon gesagt, daß die Gewerkschaften einen Guerillakneg gegen die jetzige Wirtschaftsform führen. Das haben sie immer getan, aber diese Kritik ist jetzt dadurch besonders bedeutungs voll und wirksam, weil er ja gewissermaßen jetzt mit Unterstützung des Staates geführt wird, und alles das, was jetzt unter den: Namen „Wirtschaftsdemokratie" zusammengefaßt wird, ist letzten Endes dieser Guerilla krieg gegen die jetzige Wirtschaftsform. Wenn ich dann auf die vorhergehenden Reden ein gehe, so möchte ich mich zunächst einmal, obgleich ich nicht in der glücklichen Lage bin, eine sechsstellige Zahl als Einkommen zu besitzen, mit der Lohnfrage beschäf tigen. Es handelt sich ja gar nicht darum, ob der Lohn des Arbeiters hoch oder niedrig sein soll, sondern nur, welche Höhe der Lohn erreichen kann, um einen Vorteil für die gesamte Arbeiterschaft zu bilden. Es nützt nichts, wenn der eine Teil der Arbeiter einen hohen Lohn er hält und der aridere einen niedrigen, oder wenn der andere Teil überhaupt erwerbslos wird. Die Erfahrungen der Inflation haben uns doch schon gelehrt, daß ein hoher Nominallohn an sich kein Glück für die Arbeiter schaft bedeutet. Im Gegenteil, es muß — und das wirkt wie ein Naturgesetz — bei einem gegebenen Stand der Wirtschaft ein gewisses Gleichgewicht zwischen Einkommen, Kapital und Arbeit und zwischen Verbrauch und Kapital bildung stattfindcn, sonst kommt die Wirtschaft in Unord nung. Nun denkt die Arbeiterschaft im allgemeinen und ins besondere die Sozialdemokratie immer daran, daß gewisser maßen Kapitalbildung mit Verbrauch gleichbedeutend wäre. Sie wettert gegen die großen Verdienste der Unter nehmer, aber sie weint im wesentlichen, daß der Unter nehmer für sich persönlich ein luxuriöses Leben führen kann, während die Arbeiterschaft im Gegensatz dazu darbt. Im Gegenteil, die Kapitalbildung kommt eigentlich weniger dem Kapitalisten zugute als dem Arbeiter, der nun dafür Wohnungen, Maschinen baut, die als stehendes Kapital dann wieder in der Wirtschaft verwendet werden müssen. Der Unternehmer ist, wie z. B. auch Rathenau gesagt hat, gewissermaßen der Treuhänder der Allgemeinheit, nicht etiva, als ob er von ihr beauftragt wäre, sondern sein eigener Nutzen treibt ihn dazu, das Kapital so zu verwalten, wie es im Interesse der All gemeinheit notwendig ist. Rathenau sagt sogar weiter, daß die Verwaltung des deutschen Volksvermögens jetzt vielleicht 1 bis 1*/« Milliarden im Hahr kostet, daß es aber auf keine andere Weise» auch nicht etwa durch den Sozialismus, für den ja Rathenau ist, irgendwie billiger gemacht werden könnte als unter der jetzigen Wirt schaftsform. Man muß also die Kapitalbilduug nach Möglichkeit erleichtern, aber damit demjenigen, der das Kapital be kommt, es nicht etwa erleichtern, dieses Kapital zu ver brauchen; denn es ist natürlich im allgemeinen Volks interesse durchaus zu verurteilen, wenn der Gewinn, den der einzelne erzielt, verschlemmt wird, vielmehr muß eben versucht werden, diesen Gewinn in der Art ab zuwerten, daß der einzelne darauf verzichtet, ihn in seinem eigenen persönlichen Interesse zu verbrauchen, daß er ihn vielmehr im Dienst der Allgemeinheit wieder zur Bildung von stehendem Kapital verwendet. Aus diesem Anlasse heraus habe ich mich ja dafür aus gesprochen, daß man nicht das Einkommen, sondern den Verbrauch besteuern soll. Damit habe ich natürlich nicht gemeint, daß man den Verbrauch durch indirekte Steuern erfassen soll, denn das ist mir natürlich ganz klar, daß indirekte Steuern vorzugsweise die Klassen mit geringem Einkommen treffen müssen, sondern die Berbrauchs- besteuerung, die ich meine, soll die Einkommensteuer ersetzen. Den Verbrauch des einzelnen wird man ja auch verhältnismäßig leicht feststellen können. Ich denke mir das folgendermaßen. Ein Mann, der jetzt z. B. ein Einkommen von 20000 M. hat, der hat, wenn er ein einzelner Mann ist und keine Familie hat, rund 3000 M. Steuern zu bezahlen, und man kann von ihm verlangen, daß er mindestens 2000 M. sich im Jahre zurücklegt. Man würde also saßen: Derjenige, der 15000 M. Ein kommen für sich allein verbraucht, zahlt eine Steuer von 5000 M., die sich nun entsprechend erniedrigen würde, wenn der Betreffende Familie hat. Oder, um in die höheren Einkommen zu gehen: Ein Mann, der 200 000 M. Einkommen hat, zahlt jetzt rund 70000 M. Steuern. Bon ihm kann man wohl verlangen, daß er mindestens 30000 M. spart Man würde also sagen, daß der einzel stehende Mensch, der 100000 M. Einkommen verbraucht, eine Verbrauchssteuer von 100000 M. zahlt. Dieser Mann würde also wissen, daß ihm, wenn er eine Flasche französischen Sekt trinkt, diese gerade noch einmal so teuer kommt, denn er wird ja nachher im persönlichen Verbrauch wieder besteuert. Nun hatte ich werter im Ausschuß nicht den Abbau der Löhne voryeschlagen, sondern ich hatte gesagt, man sollte einmal einen „Gottesfrieden", wie man es früher nannte, für ein, zwei Jahre schließen, tvährend welcher Zeit weder eine Erniedrigung noch eine Erhöhung der Löhne eintreten sollte, und zwar aus dem Grunde heraus, daß der Unternehmer die Möglichkeit hat, sich wollen, heißt nicht nur sich, sondern heißt die interessierten Schichte«, heißt die breiteste Masse der Bevölkerung über den tatsächlichen Gang der Ent wicklung täuschen, heißt, sie blind in ibr Unglück, in den Zusammenbruch hineintreiben, ohne ihnen zu sagen, wie man sich wehren soll. Man soll nicht die Massen glauben machen wollen, daß man mit einigen Palliativ- mittelchen sich wehren könnte. Die Dinge sind gesetz mäßig im ökonomischen Prozeß gegeben. Es ist für dre Erhaltung des Kapitalismus gesetzmäßiges Gebot, daß er seine Unternehmungen stärker konzentriert, daß er seine Kräfte zusammenbaüt, daß er seine Kräfte produktiver und rentabler anlegt, weil vor ihm die Konkurrenz mit anderen größeren zusammengeballten Unternehmungen im Auslande steht. Die Kleinindustrie kann im Konkurrenz kampf mit dem Ausland überhaupt nicht in Erscheinung treten. Was sind nun die Schlußfolgerungen, die daraus zu ziehen sind. Es steht hier: eine Subvention mit Staats mitteln zugunsten einzelner finanziell notleidender Industriebetriebe hat dagegen wegen der angespannten Lage der Staatsfinanzen und wegen der mit Sicherheit zu erwartenden Berufungen grundsätzlich zu unterbleiben. Es heißt aber nicht, daß die Subvention einzelner Konzerne zu unterbleiben hat. Kann man das dadurch ändern, daß inan solche Forderungen aufstellt, wie sie hier auf die Verwaltung des Linke-Hofmann-Busch- Konzerns erhoben werden. Der ist einfach ebenfalls an den technischen Gang der Dinge, an den gesetzmäßigen Gang der ökonomischen Entwicklung gebunden, und deshalb wird er sich an solche Kleinigkeiten, wie man sie hier verlangt, gar nicht stören. Aber noch eine andere Frage! Man entläßt entweder in Bautzen oder in Görlitz oder m Breslau oder in Werdau die Leute, und daß Rezept, daß die Sozialdemokraten hier predigen, das ist das, was sie bei allen Fragen haben: Du lieber- heil'gerFlorian/verschon' mein Haus, zünd' andre an. Was die Sozialdemokraten Vorschlägen, bedeutet, man oll zwar in Werdau einige Arbeiter beschäftigen, aber n Görlitz können sie erwerbslos werden. Ist das eine Lösung eines solchen Problems? Ist das eine Lösung ür die Arbeiter? Nein, man kann die Frage nicht nur ächsisch abstellen, sondern muß sie allgemein betrachten. Die 2^ Millionen Erwerbslose, von denen auch die Denkschrift der Industriellen spricht, sind doch nicht nur in Sachsen, die Zunahme der Erwerbslosigkeit ist doch nicht nur in Sachsen, sondern in allen Teilen des Reiches, und deswegen nutzen solche kleinen Dinge nichts. Zum Rußlandgesckäft sagt die Regierung, daß die Rußlandgeschäfte sich bisher reibungslos abgewickelt haben und daß im Interesse der Arbeitsbeschaffung das Ruß landsgeschäft fortgeführt und gegebenenfalls erweitert werden muß. Nun, wir würden sehr gern einen posi tiven Vorschlag der Regierung über die Erweiterung des Rußlandgeschäftes hören, würden auch sehr gern hören, wenn die Regierung uns sagen würde, was sie nach Rußland liefern will und wie sie die Garantien schaffen will, daß man nicht die nach Rußland gelieferten Waren als Sabotagegegenstünde betrachten muß. (Sehr wahr! b. d. Komm.) Weiter, wie will sie auf das Reich cin- wirken, damit das Reich über die bisherige Kredit gewährung oder doch zum mindesten Sicherheitsgewährung hinaus eine Erweiterung vornimmt und damit die Mög lichkeit für den Aitsbau des Rußlandgeschäfts schafft? Daß die ganzen Anträge, die hier gestellt worden sind, keinen positiven Wert besitzen, das zeigen wieder am besten die Ausführungen des Regierungsvertreters selbst. Der Regierungsvertreter sagte, der Zauberstab, der scheinbar allen helfen würde, wäre billiger Kredit. Und hier fühlt dieser Negierungsvertreter selbst, daß man sich in einen: unlöslichen Kreise bewegt, daß man nicht heraus kann mit kleinen Mitteln. Nun, die Anträge, die von Herrn Abg. vr. Kastner und der Mehrheit des Hauses gestellt worden sind, sind ja alles nur solche Anträge, die sich ebenfalls vollin haltlich in dem Sinn der Forderungen des industriellen Verbandes bewegen, und es ist ganz klar, daß wir von uns aus diese Anträge ablehnen werden. Die Arbeiter schaft muß sich darüber klar sein, daß die kapitalistische Wirtschaft keine Erwerbs-und Beschäftigungsmöglichkeiten mehr für große Teile des Proletariats hat, noch zu schaffen vermag. (Sehr richtig! b. d. Komm.) Die Erwerbs- und Lebensmöglichkeiten werden vielmehr sür immer größere Teile des Proletariats abgeschnitten und abgeschnürt, und hier liegt unser Kampf gegen die kapitalistische Rationalisierung, hier liegt unser Kampf gegen die kapitalistische Konzentration und die kapita listische Verbesserung der Technik, wenn diese Verbesserung der Technik und diese Konzentration Massenverelendung, Massenerwerbslosigkeit, ja faktisch dauernde Maffen- ausschaltung aus dein Produktionsprozeß im Gefolge hat. (Sehr richtig! b. d. Komm) Und da haben die Arbeiter nur einen Weg, den Weg, auf dem sie schon jetzt sür die Zwischenzeit etwas gegen die Abwälzung aller Lasten auf die Schultern des Proletariats machen können, nämlich indem sie höhere Löhne und kürzere Arbeitszeiten erkämpfen. Das Proletariat muß sich wehren, indem eS seine Kampfmaßnahmen konkreter und schärfer fundiert, indem es gegen solche Steuer gesetze, wie jetzt in dem Finanzprogramm vorgesehen sind, nicht nur einige Abgeordnete sprechen läßt, sondern indem es im breiten Massenkampf auf solche Vorstöße antwortet, indem es in politischen Kampfbewegungen und, wenn es sein muß, in politischen Streikbewegungen solche unverschämte Angriffe auf die Tasche des Proletariats zurückschlägt. (Sehr richtig! b. d. Komm.) Auch das ist eine Maßnahme für den Begriff der Zwischenzeit, wie ihn der Abg. Kautzsch hat. Wir werden nur für die wenigen Anträge stimmen, die die Auftragsvergebung in Sachsen betreffen; wir werden dafür stimmen, daß mit der Reichsbahn in Verhandlung getreten wird über den notwendigen baldigen Ausbau und die Förderung des Verkehrswesens in Sachsen, soweit er der Arbeiterschaft zugute kommt und nicht eine besondere Unterstützung der sächsischen Industriellen be deutet. Wir stellen also dem ganzen Geschwätz und diesen ganzen demaaoaischen Anträgen gegenüber die klare For derung nach Beschaffung positiver Arbeit für die Erwerbs losen, und wir stellen gegenüber die klare und positive Aufforderung an die gesamten Massen der Arbeiter, diesen frecken und unverschämten Anari» des Unter mit seinem Betrieb einmal für eine längere Zeit auf gleichmäßige Bedingungen einzurichten. Sie willen ja aus der Vorkriegszeit, daß man damals annähernd gleichbleibende Löhne hatte. Da ist mir im Ausschuß gesagt worden: Aber garantieren Sie auch, daß dann die Preise nicht steigen? Das kann man natürlich, ins besondere für die einzelne Ware, in keiner Weise tun. Vielleicht wird man sogar eine vorübergehende Krise in Kauf nehmen müssen. Aber letzten Endes können nicht nur die Löhne von den Preisen abhängig sein, sondern umgekehrt sind auch die Preise im allerhöchsten Maße von der Kaufkraft abhängig, und wenn die Kaufkraft nicht mehr da ist, so muß wohl oder Übel ein Rückgang der Preise erfolgen. Ich erinnere nur z. B. an die Tschechoslowakei, wo man dieses Abkommen schon vor Jahren getroffen hat, daß während der Zeit der Stabi lisierung weder Lohnherauf- noch Lohnherabsetzungen stattfinden sollten, und wo Sie sehen, wie sich den niedrigen Löhnen auch die Preise angepaßt haben. (Abg. Ferkel: Und wie war der Effekt?) Der Effekt ist, daß die Tschechoslowakei augenblicklich ein sehr ausfuhr kräftiges Land ist. Soviel zu einer Auseinandersetzung mit den Herren Arndt und Renner! Ich möchte dann einiges über die besonderen Ver hältnisse Sachsens sagen. Wenn man sich die sächsische Karte ansieht, so fällt einem auf, daß die sächsische Industrie im allgemeinen in einer Linie im Süden vorhanden ist, und zwar etwa bis zu der Bahn Hof—Chemniß—Dresden—Görlitz. Die Industrie von Leipzig und Dresden ist ja erst verhältnismäßig neueren Datums und ist nicht so bodenständig wie die Industrie im Süden des Landes. Man erkennt, daß diese Industrie bei uns eigentlich gebunden ist an die Gebirge. Der Grund dafür ist verhältnismäßig einfach, er liegt in den Wasserkräften, an denen die Industrie immer weiter in das Gebirge hinaufgeklettert ist. Und nun müssen wir uns das Land selbst ansehen: ein kärgliches Gebiet mit geringer Landwirtschaft, auf dem bei weitem nicht der Bedarf der Bevölkerung erzeugt werden kann. Des wegen ist das Erzgebirge eigentlich immer ein gewisses Notland gewesen, und es hat sich eine genügsame, aber außerordentlich betriebsame Bevölkerung dort entwickelt, und wir sehen, wie sich aus kleinen Ansängen allerorten eine einheimische und bodenständige Industrie entwickelt hat. Wir haben eine Unzahl kleiner Betriebe, nur ver einzelt Mittelbetriebe, fast keine Großbetriebe. Und weiter eine andere sächsische Eigentümlichkeit l Wer die sächsische Geschichte einigermaßen kennt, der weiß, daß nicht nur die Bevölkerung selbst arm ist, sondern daß sich auch die Unternehmer, ehe sie etwas in die Höhe gekommen sind, tatsächlich empor gehungert haben, indem sie alles, was sie ein nahmen, bei einem kärglichen Leben wieder in ihr Ge schäft gesteckt haben, um es zum Emporblühen zu bringen. Das Zusammentreffen dieser beiden Momente hat dazu geführt, daß wir gerade Industrien bekommen haben, die auf die Niedrigkeit der Löhne angewiesen waren, die man wo anders gar nicht hätte entrichten können. Ich erinnere da z. B. an die Spielwarenindustrie. Die Spielwarenindustrie zahlte früher sehr niedrige Löhne, die man ja als Hungerlöhne bezeichnete, die aber vielleicht nicht ganz so schlimm gewesen sind, wie z. B. auf der Heimarbeiterausstellung 1907 dargestellt wurde. Jetzt werden in den dortigen Gegenden auch höhere Ansprüche gestellt, was man natürlich den Leuten gar nicht verdenken kann, daß sie besuchen, ihr Los zu verbessern. Aber dadurch kommt die ganze Industrie in eine gewisse Schwierigkeit, denn ihr Absatz war ja auf die geringe Kaufkraft der Kreise, an die sie sich wendet, eingestellt, und wenn man nun jetzt der Spiel- warenindustrie sagt: ja, macht doch Qualitätsware, ver wendet doch mehr Arbeit darauf, bezahlt die Arbeiter besser und liefert sehr schöne Sachen, so ändert das nichts daran, weil sich mit der Erhöhung der Preise der Käuferkreis außerordentlich verengert, nicht nur hier in Deutschland, sondern in der ganzen Welt. Das erz- gebirgische Spielzeug war ja in der Hauptsache das Spielzeug des armen Mannes, gleichgültig ob in Deutsch land, Amerika, England oder Frankreich, und deshalb ist es ja so außerordentlich schwer, dort zu helfen, weil die Industrie gewissermaßen in der jetzigen Zeit einen Widerspruch in sich selbst bietet. Aber auch bei anderen Industrien haben sich die Verhältnisse wesentlich verschlechtert. Ich denke z. B. gerade an die Holzindustrie, an die Papier- und Pappeu- fabrikation. Das sind ja gerade die Betriebe, die an den Wasserkräften in die Höhe gegangen sind und früher darauf bauten, daß sie das Holz aus den umliegenden staatlichen Wäldern verhältnismäßig billig bekamen. Das hat sich jetzt alles grundsätzlich geändert. Der Bedarf einer Papierfabrik, wenn sie überhaupt bestehen soll, ist jetzt ungeheuer groß geworden. Die Fabrik ist darauf angewiesen, ihr Holz aus Nußlaud oder Finnland zu beziehen, und dabei macht sich natürlich außerordentlich bemerkbar, daß nun die hohen Vorfrachten für das Holz zu tragen sind, die die anderen Papierfabriken, die an schiffbaren Flüssen oder gar an der Küste liegen, nicht belasten. GanA ähnlich steht es ja mit unserer Textilindustrie, die ja schon seit Jahrhunderten in Sachsen heimisch ist. Auch hier hat sich durch die natürliche Entwicklung eine Spezialisierung der sächsischen Industrie eingestellt, nämlich indem sie den Hauptwert auf eine billige Massenware legte. Ich denke z. B. an die Baumwollwebereien der Lausitz, tue ja insbesondere für den Balkan und für In dien arbeiteten, die also verhältnismäßig sehr billige Waren lieferten. Jetzt ist nun die Kaufkraft des Balkans durch die noch jetzt ungeklärten politischen Zustände sehr gering fügig. Dazu kommt aber auch, daß die Kaufkraft der Landwirtschaft in Deutschland eine sehr geringe ist. Und wenn nun unsere Fertigwarenindustrie aus Deutschland herauskommt, so begegnet sie überall den hohen Zoll mauern, die gerade für die billige Ware selbstverständlich die allergrößte Erschwerung bieten. Der Herr Kollege vr. Frucht hat vorgestern darauf hingewiesen, daß wir unsere Zollpolitik ändern müßten und daß wir auch unsere heimische Industrie — und ich füge hinzu, auch unsere heimische Landwirtschaft — durch entsprechende Zölle schützen müßten. Herr Vr. Frucht hätte sich vielleicht bester an seinen Parteifreund, de« frü- lAortsetzung in der Beilage.)