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8MMU W AW» AuWNS Nr. 220. zu Nr. 40 des Hauptblattes. 1929. Beauftragt mit der Herausgabe RegierungSrat Brauhe in Dresden. Landtagsverhandlungen. (Fortsetzung der 105. Sitzung von Donnerstag, den 14. Februar 1928.) Ministerialdirektor vr. Kittel: Auf die Anfrage der Reichspartei des deutschen Mittelstandes vom 19. De zember 1928 hat die Regierung folgendes zu erklären: Die Sächsische Kredithilfe hat im Januar 1924 bei ihr flüssige Anlagegelder bei einem Berliner Bankhaus angelegt. Im September 1925 ist der Sächsischen Kredithilfe für ihre Forderungen neben anderen Sicher heiten eine Grundschuld auf dem Badegrundstück in Heidelberg zur Sicherheit übereignet worden. Anfang 1926 war die Sächsische Kredithilfe genötigt, in die ihr überlassenen Sicherheiten zu exekutieren, seit De zember 1925 haben über die bestmögliche Verwertung der Grundstücke Verhandlungen mit den anderen Be teiligten, der Bad Heidelberg A.-G, der Stadt Heidel berg und der Bausirma Grün L Bilfinger A.-G. statt- gefunden. Der Wert der der Sächsischen Kredithilfe gehörigen Grundschuld war sehr fraglich, weil der Bade hausbau auf dem verhafteten Grundstück steckengeblieben war und die Mittel zur Vollendung des Baues fehlten. Die Verhandlungen führten schließlich zu einem Schieds gerichtsverfahren. Das Schiedsgericht, das unter Vorsitz des badischen Oberlandesgerichtspräsidenten im August 1927 tagte, gelangte zu einem Vergleichsvorschlag, der einen Neubau des Bades Heidelberg unter Heran ziehung aller Beteiligten und Interessenten vorsah, weil nur durch diesen Ausbau die auf dem Grundstück lastenden Schulden einen wirklichen Wert erlangten und ihre spätere Verzinsung und Tilgung ermöglicht wurde. Auf Grund dieses Vergleichs hatte die Säcksi- sche Woblfahrtshilfe der Bad Heidelberg A.-G. im Jahre 1927 ein in 6prozentigen Kommunalobligationen der Kommunalbank in Sachsen auszuzahlendes Dar lehen von 30000 RM. und einen mit 1'/, Proz. über Neichsbankdiskont zu verzinsenden Betriebskredit auf b Jahre von 40000 RM. zu-gewähren. Das Obliga tionsdarlehen ist im Jahre 1927 bezahlt worden, der Betriebskredit ist bis zum Dezember 1928 in Höhe von 30000 RM. in Anspruch genommen worden. An der Bad Heidelberg A.-G. selbst ist die Sächsische Wohlsahrts- hllfe anteilmäßig nicht beteiligt. Die einzigen Aktionäre sind vielmehr die Firma Grün L Bilfinger A.-G. in Mannheim und die Stadt Heidelberg. Es darf darauf hingewieien werden, daß die Anlage der hier in Betracht kommenden Gelder unmittelbar nach der Stabilisierung der Reichsmark, also in einem Zeitpunkte größter wirtschaftlicher und finanzieller Un sicherheit erfolgte. Nach Eintritt geordneter Verhält nisse hat die Sächsische Wohlfahrtshilfe keine solche An lagen außerhalb Sachsens gemacht und wird sie auch in Zukunft nicht vornehmen. Soweit eS sich um die Einräumung der genannten Kredite handelt, geschahen diese nur zur Verwertung der an die Sächsische Kredithilfe gefallenen Grundschuld. Die hierzu erforderlichen Beschlüsse sind einmütig von dem Finanzausschuß und dem Verwaltungsausschuß der Sächsischen Wohlfahrtshilse gebilligt worden. Sie haben sich auch nach den seit Eröffnung des Badehauses Heidel berg im Sommer 1928 gemachten Erfahrungen als zweckmäßig erwiesen. (Hört, hört! b. d. D. Vp.) Die Bad Heidelberg A.-G. ist den fälligen Zinsverpflichtungen uachgekommen. Die getroffenen Vereinbarungen er möglichen der Sächsischen Wohlfahrtshilfe die zukünftige Verwertung der Grundschulden, deren Verzinsung und Tilgungsraten nur den Aufgaben der Sächsischen Wohl fahrtspflege zugute kommen werden. (Abg. Enterlein: Aber ein sehr faules Geschäft!) Punkt 6 der Tagesordnung: Erste Beratung über den Antrag der Abgg. Schmidt, Röllig, Koenig, Lippe «. Gen. wegen Erneuerung des in früheren Jahren bestandenen Mittelstandsfonds. (Drucksache Rr. 1827.) Abg Schmidt (D.Vp. — zur Begründung) Daß der ge werbliche Mittelstand in Handwerk, Handel und Gewerbe unter den unvermeidbaren Kriegsfolgen, insbesondere aber unter denAuswirkungeneinerzweckwidrigenGesetzgebung, die sich lange bis in die Nachkriegszeit hinein behaupten konnte, am meisten und am schwersten von allen Wirt- schaftsgruppen geschädigt worden ist, ist allgemein be kannt: ebenso, daß die Auswirkungen der der Währungs stabilisierung auf dem Fuße folgenden Kapital- und Kreditnot beim gewerblichen Mittelstände am allerfühl barsten wurde und die rückläufige Konjunktur, die als Folge der gesunkenen Kaufkraft einsetzte, die mittel- ständischen Erwerbsmöglichkeiten derart gefährdete, daß ernstzunehmende Wirtschafter die Meinung vertraten, der gewerbliche Mittelstand werde für immer erledigt sein und sich kaum wieder erholen können. Diese Lage des gewerblichen Mittelstandes war für meine Fraktion im alten Landtage 1922/26 Veranlassung, den Antrag Drucksache Nr. 1038 einzubringen, der im wesentlichen mit dem hier zur Beratung anstehenden Antrag Drucksache Nr. 1027 übereinstimmte. Das Er gebnis der Beratung dieses Antrags war die Bereit- stellung von 3'/, Millionen Goldmark, die als Mittelstands- kredit bankmäßig dem gewerblichen Mittelstand dienst- bar gemacht wurden. Dieser Betrag war aber zu niedrig und mußte bei dem übermäßigen Kreditbedürfnis nur wie ei« Tropfen auf einen beißen Stein wirken. Wenn auch manche Wunde, die der Krieg und die Inflation ge schlagen hatten, geheilt und manche gefährdete Existenz über Wasser gehalten und wieder flottgemacht werden konnte. Die bankmäßige Vergebung von Krediten aus diesen seinerzeit zur Verfügung gestellten 3l/r Millionen setzte voraus, daß der Kreditnehmer eine der Hohe des Kredites entsprechende Sicherheit leistet, sei es durch Eintragung einer Hypothek, sei es durch Übereignung oder Verpfändung von Sachwerten, fei es dura) ^bl- bringung eines Bürgen oder dergleichen. Diese Voraus setzung zu erfüllen, ist aber weiten Kreisen des gewerb lichen Mittelstandes nicht immer möglich, denn nicht alle sind gleichzeitig Besitzer eines noch nicht belasteten Hauses oder andererSachwerte.o der so glücklich, einen Bur gen beibringen zu können. Wir wünschen und beantragen deshalb, daß der Genossenschaftsstock, der früher bestand und aus dem früher auch Kredite gegeben wurden, als gewerb licher Mittelstandskreditfonds wieder errichtet wird, aus dem zu mäßigen Zinssätzen und günstigen Rückzahlungs bedingungen das Kreditbedürfnis derjenigen Kre se des gewerblichen Mittelstandes befriedigt werden kann, die der Segnungen des 3^-Milllonen-Mittelstandskredlts mangels bankmäßiger Sicherheit nicht teilhaftig werden können. Die Kreditvermittlung würde praktischerweise über die Gemeinden erfolgen. Und diese Kredite sollen nicht etwa nur auf Handwerk und Kleinhandel beschränkt sein, sondern sich auch auf die übrigen mittelständischen Gewerbe, einschließlich des Haus- und Lohngewerbes, erstrecken. Wir rechnen damit, daß alle Fraktionen der Über weisung desselben an den Haushaltausschuß die ich hiermit beantrage, zu stimmen und im Ausschuß mit daran arbeiten werden, daß etwas gleich Gutes für den gewerblichen Mittelstand geschaffen wird. Zu Punkt 7: Anfrage deS Abg. Böchel n. Gen. über die Verpachtung des Staatsgutes Oberlemnitz an vr. Burg in Skassa. (Drncksache Rr. 1054.) wird auf die Begründung verzichtet. Wirtschaftsminister vr. Krug v. Nidda: Auf die Anfrage über das Staatsgut Oberlemnitz ist folgende Auskunft zu geben: Das in der Oberlausitz verbreitele Gerücht, das Stäatsgut Oberkemnitz solle an den Generaldirektor Vr. Burg in Skassa verpachtet werden, entspricht nicht den Tatsachen. Das Wirtschaftsministerium steht zwar mit Generaldirektor vr. Burg in Unterhandlung wegen Übertragung der Bewirtschaftung des Staatsgutes Oberkemnitz nach Beendigung seines am 30. Juni 1929 ablaufenden gegenwärtigen Dienstvertrages. (Zuruf b. d. Soz.: Das ist ungefähr dasselbe!) Im Hinblick auf den Beschluß des Landtags vom 14. Juni 1927 hat aber das Wirtschaftsministerium den Wunsch des vr. Burg, diese Bewirtschaftung auf Grund eines Pachtvertrages übertragen zu erhalten, ablehnen müssen; es kann viel mehr nur, solange der Landtag an dem Beschluß vom 14. Juni 1927 festhält, seine Anstellung als Administrator in Frage kommen. (Zuruf b. d. Soz.: Er wird immer eingesetzt; die Verpachtung kommt schon noch!) Punkt 8: Erste Beratung über den Antrag des Abg. Böttcher n. Gen. wegen Förderung der Her« stellung der HauptverteilungSlcituug für die aus der Talsperre WeiterSwiese Trinkwasser entnehmenden Gemeinden. (Drncksache Rr. 1072.) Punkt 9: Erste Beratung über den Antrag des Abg. Böttcher «. Gen. wegen Übernahme der schwarz- gelben Straßen ans den Staat und Vorlegung eines Gesetzentwurfes über ein neues Wegerecht. (Druck sache Rr. 1083.) Punkt 10. Erste Beratung über de» Antrag des Abg. Böttcher «. Gen. ans Erlaß der durch die Kraft- Verkehrsgesellschaft Freistaat Sachsen von den Ge- meinden geforderten Garantiesnmmcn. (Drncksache Rr. 1082.) Abg. Schreiber (Oberwürschnitz (Oppos. Komm.) — zur Begründung): Wir haben in der Rede des Herrn Finanzministers über den Etat nicht ein einziges Wort über die Arbeiterschaft, insbesondere über die Arbeits- losen gehört. Trotzdem, daß in Sachsen eine ungeheure Arbeitslosigkeit herrscht, ist die Regierung über diese Tatsache mit Schweigen hinweggegangen. Es besteht aber die Möglichkeit, daß allenthalben Arbeit geschaffen werden kann, um den Arbeitern, die heute arbeitslos sind und die vielleicht noch weit hinaus ins Frühjahr arbeitslos sein werden, Beschäftigung zu geben. Eine solche Möglichkeit besteht nach der Fertigstellung der Talsperre in Weiterswiese, die in einigen Monaten zu erwarten ist. Die Talsperre Weiterswiese hat den Zweck, die linier ihr liegenden Gemeinden mit Trinkwasser und die Industrie mit Betriebswasser zu versorgen. Wenn diese Aufgabe erfüllt werden soll, ist es notwendig, daß ein umfangreiches Röhrennetz nach diesen Gemeinden geführt wird. Es sind bereits Verhandlungen zwischen cen einzelnen Gemeinden ausgenommen worden. Dabei hat sich herauSgestellt, daß die Regierung Schwierig, keilen bereitet in der Aufnahme und Gewährung von Darlehen. Die Gemeinden, die dort in Frage kommen, sind fast ausnahmslos Arbeiterwohnsitzgemeinden, deren eigene Mittel zur Schaffung des Rohrnetzes natürlich äußerst gering sind. Es ist also notwendig, wenn der Zweck der Talsperre erfüllt werden soll, daß die Re gierung den Gemeinden mit der Beschaffung von Dar lehen und auch mit der Höhe der Zinsen in wertestem Maße entgegenkommt. , Der Antrag Nr. 1083 behandelt eine Frage, die den Landtag schon wiederholt beschäftigt hat. Mr hatten bereits im vorigen Jahre beantragt, und cs ist auch im Landtag beschlossen worden, daß die sogenannten schwarz-gelben Straßen von den Gemeinden zu über nehmen sind. , , , , . . . Weiter hatten wir im vorigen Jahre beantragt, daß ein Bauprogramm für die gemeindlichen Durcbgangs- straßen aufgestellt werden sollte, wofür als erste Nate ein Betrag von 30 Mill. M. im außerordentlichen Haus- haltplan eingesetzt werden sollte. Leider ist dieser An trag mit übergroßer Mehrheit, mit Einschluß der So zialdemokratischen Partei, der Ablehnung verfallen. Mr fordern diesmal die Einsetzung von nur 10 M,ll. RM. Man hat im vorigen Jahre von feiten der Sozial- demokratischen Partei diese Forderung mit dem Hin- weis abgelehnt, der Staat hätte kein Geld. Ich glaube, man braucht hier nicht noch einmal zu begründen, für was der Staat alles Geld hat, wo die Wichtigkeit der Aus- gaben lange nicht so groß ist wie beim Wegebau durch die Gemeinden. Wir wissen aus dem Vorjahre eine Reihe von Beispielen, wo Gemeinden durch den Wege bau so ungeheuer belastet worden sind, daß 80 vis 90 Proz. ihrer Einnahmen aus der Einkommen- und Körperschaftssteuer und anderen Steuern allein für den Straßenbau draufgegangen sind. Drittens fordern wir eine Vorlage über ein neues Wegerecht. Bei unserer letzten Anfrage, wann dieses Wegerecht kommen wird, ist ja mitgeteilt worden, daß baldmöglichst ein solches neues Wegerecht kommen wird. Das „baldmöglichst" ist ja immer für jede Regierung ein ziemlich dehnbarer Begriff. Ein neues Wegerecht ist deshalb um so notwendiger, weil gerade in diesem Winter einige Bestimmungen des alten Wegerechtes und der Novellen, die hinzugekommen sind, wiederum kata strophal wirken, nämlich bei der Schneeauswerfung auf den Staatsstraßen, die heute noch zu einem Teile den Gemeinden aufgebürdet wird. Es gibt Gemeinden mr Erzgebirge, die wochenlang von jedem Verkehr ab geschnitten sind, die wochenlang 30 bis 40 Arbeiter am Tage haben beschäftigen müssen, um die Straßen wieder frei zu bekommen. Und die Zuweisung des Staates an die Gemeinden ist so geringfügig, daß die Gemein den diese Ausgaben einfach nicht tragen können. Die sächsische Regierung versteckt sich bei der Vorlegung eines neuen Wegerechtes hinter den kommenden end- gültigen Finanzausgleich, sie sagt einfach: solange nicht ein anderer Finanzausgleich vom Reiche gemacht wird, so lange können wir kein neues Wegerecht vorlegen. Wenn nun die Sozialdemokratische Partei als stärkste Koalitionspartei im Reiche jetzt wieder sagt: solange die Neparatwnsfragen nicht gelöst sind, können wir keinen neuen Finanzausgleich machen, dann heißt das nichts anderes, als daß die sächsische Regierung sich hinter den Sozialdemokraten verstecken kann in der weiteren Ausbeutung der Gemeinden, in der weiteren Aufrecht- erhaltung dieser strittigen Punkte über das Wegerecht, und damit leistet die Sozialdemokratische Partei die besten Hilfsdienste für die sächsische Bürgerblockregierung. Unser dritter Antrag, Nr. 1082, ist ebenfalls nichts neues mehr, er hat den Landtag schon wiederholt be schäftigt. Aber das, was sich in der letzten Zeit gezeigt hat, fordert geradezu, diesen Antrag immer wieder aufs neue zu bringen. Es ist aus dem Geschäftsbericht der Sächsischen Kraftverkehrsgesellschaft bekannt,daß sie einen Uberschuß von 1660324 M. erzielt hat. In diesem Uberschuß erscheinen die Gemeinden mit einem Zuschuß von 175672 M. 91 Pf. bei den sogenannten Defizit linien. Die Regierung hat von diesem Betrag de« Gemeinden 9614 M. 25 Pf. erlassen, so daß immerhin noch ein ziemlich nennenswerter Betrag von den Ge meinden aufgebracht werden muß. Wenn man sich nun die einzelnen Gemeinden, die diese Beträge aufbringen müssen, ansieht und das Geschäftsergebnis vergleicht, so muß ich immer wieder die Behauptung aufstellen, daß sich der Kraftverkehr Freistaat Sachsen auf Kosten der Gemeinden ungeheure Gewinne aneignet. Wenn wir uns überlegen, daß die Gemeinden 175000 M. haben zuschießen müssen und daß der Betrag von 1660324 M. Uberschuß erzielt worden ist, dann hätte der sächsische Staat wirklich auf die 175000 M. verzichten können^ weil das GeschäflsergebniS dann immer noch nicht mit einem Defizit abgeschlossen hätte. Das ist um so mehr notwendig, als die Gemeinden diese Beträge wiederum aufbringen müssen durch Aufnahme von Darlehen, durch Einschränkung dec Ausgaben für Wohlfahrtspflege, für die allernotwendigsten Aufgaben, die eine Gemeinde zu erfüllen hat. Also, cs ist nicht mehr wie billig, daß die Regierung unserem Antrag Nr. 1082 stattgibt. Die Lage in den Gemeinden wird von Monat zu Monat katastrophaler. Die Eingaben des Sächsischen Gemeindetages, des Verbandes der Bezirksverbünde, die Behandlung aller dieser Fragen in den Gemeinde- Verordnetenparlamenten beweisen am allertressendsten, daß unsere Anträge nicht irgendwelche Agitationsanträge nnd sondern, daß sie dringend notwendig sind. Punkt 11 der Tagesordnung: Erste Beratung über de« Antrag de» Abg. Böchel «. Sen., nm BeMiltignng