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8«S gehandelt. Z. B- hat in der Tschechoslowakei der dortige Fiuaazminister im Jahre 1921 ein Abkommen mit den Gewerkschaften geschlossen, wonach während einiger Jahre »oeder Lohnforderungen gestellt, noch ein Lohnabbau vorgenommen werden sollte; auf diese Weise ist eS dort gelungen, die gefährliche Klippe, als eine weitere Inflation der Tschechoslowakei drohte, zu um schiffen. Die Löhne und Preise haben sich aufeinander eingespielt mit der Folge, dass die Tschechoslowakei auch jetzt noch ein billiges Land ist, das auf dem Weltmarkt den deutschen Preisen gegenüber wesentliche Vorteile hat. Nun ist mir selbstverständlich bekannt, bah die Lebenshaltung der Arbeiterschaft in der Tschechoslowakei nicht die gleiche ist wie in Deutschland. Aber das ist immer so gewesen, ist auch in der Vorkriegszeit so gewesen und ist eine Folge der dort weniger entwickelten Volkswirtschaft. Aber man wird nicht sagen können, das; die Lebenshaltung um 40 Proz. schlechter ist als in Deutschland. Die Löhne der Tschechoslowakei betragen ja rund 60 Proz. in Weltmarktpreisen ausgedrückt gegen über den deutschen. Und zu diesen hohen Löhnen kommen die hohen Ansprüche aus sozialen Leistlingen. Auch das kanu man wohl der Arbeiterschaft gönnen. Aber es ist ganz selbstverständlich, das;, je höher die Leistungen sind, die gewährt werden, um so größer der Anreiz zum Miß brauch der sozialen Sicherungen wird; und dieser Miß brauch führt selbstverständlich wieder zur Erhöhung der Kosten, und diese wieder zur Erhöhung der Beiträge. Infolgedessen wird der Arbeiterschaft ein immer größer werdender Teil ihres verdienten Lohnes für diese Bei- träge abgezogen, anderseits aber wieder durch die Beiträge, die die Unternehmer zahlen müssen, verhindert, daß die Löhne entsprechend erhöht werden. Auf diese Weise sind wir eines der teuersten Länder der Welt geworden, und wir haben dies schwer zu spüren im Wettbewerb mit den Produkten deö Auslandes; ja, in vielen Branchen ist das deutsche Produkt kaum mehr im Jnlunde wettbewerbsfähig. Die Folgen sehen wir jetzt im Nachlassen der Beschäftigung und in der dauernden Zunahme der Erwerbslosigkeit. Da wir selbstverständlich die Erwerbslosen nicht verhungern lassen können, so muß wieder die Allgemeinheit ein- greifen, die ErwerbSlosenfürsorge, der Staat selbst mit der Krisenfürsorge und schließlich die Gemeinde mit der WohlfahrtSfürsorge. Auch das wieder kann nicht ohne neue Kosten geschehen; und dies bringt neue Steuern; und auf diese Weise wird die Wirtschaft von der anderen Seite gepackt und in Anspruch genommen. Die eigentliche Antreiberin und Nutznießerin dieser verhängnisvollen Entwicklung ist die Sozialdenwkratische Partei. Sie spiegelt, unter Umständen auf dem Um wege über die Gewerkschaften, den Arbeitern vor, daß sie nur höhere Löhne fordern sollten, um ihre Lebens haltung zu verbessern; sie treibt sie zum Streik, dessen Opfer meist nicht das Gewonnene wert siüd; und wir sehen ja jetzt gerade wieder, in welch frivoler Weite in der westsächsifch-thüringlschen Textilindustrie -um Streik getrieben worden ist in einer Zeit der durchaus rück- laufenden Konjunktur. Und wenn nun die Betriebe zum Erliegen kommen, wenn Erwerbslosigkeit eintritt, dann spielt sich die Sozialdeniokratie wieder als Reiterin auf, die die Not von den Betroffenen abnehmen will, und dazu gehört auch der Antrag, den der Herr Abg. Weckel vorhin begründet hat, um Einstellung von 6^ Mill. M. zu Winterbeihilfcn. Die Kommunistische Fraktion hat diesen Antrag ja sofort übertroffen, indem sie nun 10 Millionen verlangt hat. ES ist das ein außerordentlich bequemes Mittel, sich populär zu machen. Und dies geschieht, obwohl die Reichsregierung und das Neichsfinanzministerium, an dessen Spitze ja der Sozialdemokrat vr. Hilferding steht, von sich aus die Gewährung einer solchen Wiuterbeihilfe abgelehnt haben. (Hört, hört! b. d. Tnat.) Es zeigt sich hier wieder, daß die Sozialdemokratie, wenn sie in der Ver antwortung sitzt, außerordentlich zugeknöpft sein kann, daß sie aber, wenn diese Verantwortung nicht besteht, dann lustig darauflos fordert. Wir müssen demgegenüber betonen: diese Fürsorge ist im wesentlichen Sache des Reiches, und wenn sie das Reich nicht leisten kann, so sind wir in Sachsen dazu auch nicht in der Lage. Wir müssen deshalb diese An- träge mehr als Agitationsanträge bewerten, denn als wirkliche Abhilfemittel. Wir müssen demgegenüber darauf Hinweisen, daß die Fürsorge im allgemeinen dazu da ist, individuell die Notlage zu untersuchen und in geeigneten Fällen helfend einzuspringen, daß mau aber nicht in Bausch und Bogen sagen kann: jetzt werden soundsoviele Millionen Marr verteilt. Dabei möchte ich allerdings noch bemerken bezüglich der Kleinrentner, daß wir unbedingt darcnls bestehen werden, daß ihnen ein Rechtsanspruch vom Reichstag zugobilligt wird, zu dem da« Reich, die eigentliche Nutz nießerin ihres Verlustes, verpflichtet ist. All diesen Tief stand der wirtschaftlichen Entwicklung haben wtr erreicht, ohne daß die Gesamtheit unserer Volkswirtschaft eigentlich Zahlungen nach dem DaweSplan geleistet hat, denn wir haben ja viel mehr geborgt, al- diese Leistungen betrugen, im ganzen 10 Milliarden Mark geborgt, deren Verzinsung und Tilgung uns schon jetzt mit rund 1 Milliarde Mark jährlich belastet, und zwar find diese Summen Privat- schulden, bei denen w« nie auf eine Erleichterung hosten können. Zu diesen 10 Milliarden kommen nun aber die direkten Anlagen des Auslandes in Deutschland, z. B. Ankauf von Grundstücken, Ankauf und Errichtung von Fabriken, Übernahme von Hypotheken, Obligationen, Aktien usw., alles Dinge, die wir gar nicht zahlenmäßig erfassen können, die aber sicher auch einen außerordentlich hohen Betrag erreichen, und die eS wahr machen, was einer der Mitglieder, auch de- jetzigen Reparation-- au-schusse-, Josiah Stham gesagt hat, daß in 15 Jahren Fortgang dwfer Entwicklung die deutsche Industrie zu V« dem amerikanischen Kapital gehören wird und daß die übrigen V, zum mindesten zu V, an da- amerikanische Kapital verpfändet sein werden. Wenn dieser Zustrom von Au-land-anleihen versiegt, und er muß ja schließlich einmal versiegen, dann wer den wir doppelt den Mangel an Kapital in Deutsch- land empfinden und neuen Schwierigkeiten entgegen gehen. Wir stehen jetzt vor den Beratungen im Sach« »erständiaena«Sschat »her eine Änderung bzw. Herab« von Livävä» RM. an die vezirkäfarsor-everbSude zu* Gewährung vo» Winterbeihilfen an Sozial« usw. Rentner. (Drucksache Rr. 1«9.) Abg. Weckel(Soz.— zur Begründung): Dieser Antrag ist seinerzett gestellt worden, als unser erster Antrag, 6 Mill. RM. Winterbeihilfe zu gewähren, auf die Summe von 600000 M. reduziert worden ist. Von der Notlage der Rentner, der Erwerbsloien, der Kriegsrentner und all derjenigen, die in unserem Anträge genannt sind, ist eigentlich so gut wie gar nichts in der Etatrede uach- znlefen, und die Kleinrentner, die heute ja zum großen Teile noch die Parteien der Rechten wählen, müßten sich einmal die Etatrede von 1929 hernehmen und sie einer gründlichen Durchsicht unterziehen. Wenn die bürgerliche Regierung nichts für diese Notleidenden übrig hat, dann ist es eben Aufgabe der Sozialdemokratie, die Mittel des Staates auch diese» ärmsten der Armen zufließen zu lassen. Die allgemeine Erwerbslosigkeit, die Steigerung der Preise, der furchtbar kalte Winter diese- Jahr drücken in ganz besonderem Maße auf die Rentner, Klein rentner usw., die mit Durchfchnittsrenten von 50—60M. im Monate gar nicht in der Lage sind (Fortgesetzte Zwischenrufe des Abg. Härtel.), die wirtschaftlichen Schwankungen irgendwie auszugleichen. (Erneute Zu rufe des Abg. Härtel.) Herr Kollege Härtel, vielleicht sind Sie im Ausschuß auch so erregt, vielleicht können wir dann wirklich unsere Anträge durchbringen. (Abg. Härtel: Die Sozialdemokratie hat es abgelehnt!) Die Sozialdemokratie, Herr Kollege Härtel, bemüht sich in diesem Landtage ständig, aber auch mit stärwigem Mißerfolg, für die Ärmsten Mittel bereitzustellen. Wir haben erst 10 Millionen in diesem Landtage gefordert, dann haben wir 7 Millionen gefordert, wir haben 6 Millionen gefordert, Ihre Partei hat sämtliche Mittel abgelehnt. (Hört, hört I b. d. Soz.) Einmal ist es uns mit Ihnen gelungen — da waren Sie kaum in diesen Landtag hineingeschlüpft, das war im Dezember 1927—, emen Antrag durchzudrücken, daß der Etat bis zur Summe von 3155000 M. überschritten werden könne. Das Finanzministerium hatte seinerzett diesem Anträge zugestimmt. Ich frage deshalb an dieser Stelle, ob diese Summe von 3155000 RM. im Jahre 1927 wirk- lich für die Rentner aufgebracht worden ist. Geld war im Jahre 1927 vorhanden, das lesen wir ja in der Etatrede des Herrn Finanzministers. Am 11. Oktober 1928 haben wir die Summe von 600000 M. gefordert zu einer Winterbeihilfe für Klein-, Sozial- und Kriegs rentner, WohlfahrtsunterstützungScrnpfänger und be dürftige Erwerbslose. Wir haben im HauShaltausfchuß in dem auch die Aufwertler sitzen, nichts weiter durch, bringen können, als die Regierung zu ermächtigen, unter der Voraussetzung, daß die Reichsregierung für eine Winterbeihilfe die gleichen Mittel wie im Vorjahre zur Verfügung stellt, den Betrag von 600 000 M. zur Ergün- zung dieser Aktion zu verausgaben. Im Ausschuß wurde von den Rechtsparteien, auch vom Herrn Finanz minister, die Rentnerfürsorge zur Reichssache gestempelt. 8 42 der 3. Steuernotverordnung übergibt aber den Ländern die selbständige Regelung der Wohlfahrts- pflege. Die Herren ReglernngSvertretcr, die sonst jedem Abgeordneten mit den zuständigen Gesetzesparagraphen entgegentretcn, haben diesmal, als der Minister aus führte, die Sache sei Reichsjache, eigentlich den Herrn Minister im Stiche gelassen, sie Hütten ihn auf diesen Paragraphen Hinweisen müssen. Ich glaube, hier sind auch mehr politische Gesichtspunkte maßgebend gewesen. Man hat geglaubt, auf die Weise, die der Herr Minister angewendet hat, diesen Antrag zu Fall zu bringen. Auf Grund der 3. Steuernotverordnung läßt sich aber nun- mehr unser neuer Antrag nicht in die Zuständigkeit des Reiches abschieben. Der HerrMinister erklärte im Ausschuß: Ich kann mich ja gar nicht mehr vor dem Reichs- sinanzminister sehen lassen -- wegen 600000 M. nebenbei bemerkt —. Überlegen Sie doch die Folgen davon, das; ich 600000 M. geben soll nnd dadurch veranlasse, daß dem Lande Sachsen 20 Millionen verlorengehen. Sie können doch nicht verlangen, daß ich das mitmache. Derselbe Herr Minister hat aber über 10 Millionen dem Hausbesitz geschenkt. Derselbe Herr Minister sagt in seiner Etatrede über die Erhebung der Grundsteuer, daß im Jahre 1929 immer noch die Grundsteuer nach »en alten EinheitSwertcn erhoben wird, also nach den Werten, die bedeutend tiefer liegen als die EmheitS- werte, die im Jahre 1928 festgestellt worden sind. Ob sich nun der Herr Fmanzminister noch in Berlin sehen lassen kann, wenn er neben den erwähnten gestundeten 10 Mill. M. MietzinSsteuer (Finanzminister Weber: z 4a!) noch einmal, ich rechne 6 oder 7 Millionen oder vielleicht gar noch mehr dein HauS- oder Grundbesitz schenkt? Warum gibt man den Besitzenden, warum nichts den Rentnern? Da- Vermögen de- Freistaates Sachsen ist 1927 ge stiegen und wird vielleicht auch 1928 weiter gestiegen sein. Angesichts dieser Finanzlage, die noch besser wäre, wenn keine Steuergeschenke an die Besitzenden ergangen und die LandeSsteuern sozialer au-gestaltet, d. h. mehr den Besitzverhältnissen angepaßt worden wären, dürfte nach morner Überzeugung die Zustimmung aller Parteien zu unserem Anträge, der den Angehörigen aller Parteien -»gute kommt, anzunehmen sein. Sollte auch dieser neue Antrag im Hau-Haltausschuß abgelehnt werde« — ich bitte, diesen Antrag dem Hau-haÜausschuß X zu überweisen —, so mögen die davon betroffenen Atte« und Schwachen auf- neue erkennen, daß ihre gerechten Forderungen in diesem Landtage nie Erfüllung selten und nur nach einer neuen Zusammensetzung dieses Parlamente- Aussicht auf die erforderliche Mittel- bewilligung haben werden. (Bravo! b. d. Soz.) zimantmmifter Webe*: Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Herrn Abg. Weckel veranlassen mich, doch einige Richtigsteümrge» zu machen. Herr Abg. Weckel hat bestimmt außer acht gelassen, daß nach dem Finanzau-gleich-gesetz die Rentnerfürsorge eine Angelegenheit ist, die der Zuständigkeit der Wohlfahrts- pflege unterliegt, die Wohlfahrtspflege aber wird durch Länder undGemeinden geregelt l Nach unserem sächsischen W»hft«hrtSpßle«egesetz ftt sie eine «nfgabe der Bezirtt- verbände, daSLand trägt seinenAnteil durch die finanziellen Zuwendungei» an den Landesfürsorgeverband. Abe*, Herr Adg. Weckel, auf ein- muß ich Sie bei Ihren schwerenAnarissengegendiesächsischeRegiormrg Hinweisen, nämlich daß im Neich-Hau-Harchlan, den doch Herr l)r. Hilferding zu vertreten hat, für Rentnerfürsorge n diesem Jahre 15 Mill. M. weniger eingestellt worden sind (Abg. Härtel: Hört, hört!) als im vorigen Jahre. Ihre Angriffe gegen die sächsische Regierung, daß sie !ein Verständnis für die Notlage der Rentner habe, ind also vollständig abwegig. (Abg. Härtel: Die Tat- ächen sprechen!) Wenn Sie weiter herangezogen haben, daß die Re gierung nach meinerErklärung in derEtatrede beabsichtige, die Grundsteuer nicht nach den neuen Einheilswerten zu bemessen, so ist dies eine Tatsache. Aber gerade eine solche Regelung liegt im Jnterefie de- Kletnhausbesitzes (Sehr richtig! b. d. Wirtsch.), der heute doch sehr schwer zu leiden hat (Sehr richtig! b. d. Wirtsch.), weil die Einheitswerle für diese Grundstücke teilweise um 100Proz. erhöht worden sind, ohne daß eine erhöhte Nutzung aus den Grundstücken möglich wäre. Im übrigen sind wir dazu verpflichtet auf Grund deS 8 4 » des Reichsfinanzausgleichsgesetzes (Abg. Dobbert: Nehmen Sie doch unsere Grundsteueranträge an!), den»» darin steht ja geschrieben, daß wir verpflichtet sind, die Realsteuern zu senken, und wir können sie beileibe nicht noch erhöhen. Gerade für die kleinen Grundstücke, an deren Erhaltung Sie doch selbst das größte Interesse haben, würde eine Erhöhung bis über 100 Proz. der bisherigen Grundsteuern eintreten. (Abg.Dobbert: Nehmen Sie doch unsere Anträge an!) Der Herr Reichsfinanz. Minister hat bereit- bei der sächsischen Regierung angefragt, wa- sie zu tun gedenkt, um eine Grundsteuererhöhung aus den erhöhten Einheit-werten zu verhindern. Also vom Reichsfinanzministerium selbst, das Ihnen doch sehr nahe steht, werden wir darauf hingewiesen, eine Erhöhung der Grundsteuer gerade für diese kleinen, die reinen Wohnhausgrundstucke nicht eintreten zu lassen. (Bravo! b. d. Wirtsch. — Abg.Müller sPlanitzj: Und in Preußen?) Hierauf wird in der Aussprache fortgefahren. Abg. vr. Eckardt (Dnat.): Herr Finanzminister hat seine Etatrede mit den Worten begonnen, der jetzige Etat sei ein Beweis dafür, welche Leistungen eine wohl organisierte Volkswirtschaft im Interesse der Wohlfahrt des Landes aufzubringen vermag. Nun muß ich ja auch zugeben, daß es wirklich erstaunlich ist, welche Summen die Wirtschaft für die öffentlichen Zwecke auf. zubringen vermag. Daß das nun aber eine wohl organisierte Volkswirtschaft sei, die diese Leistungen zu tragen hat, scheint mir doch eine etwas kühne Behaup tung, kühn schon in Rücksicht auf die Notlage der Landwirtschaft, wie der Herr Finanzmintster ja in seiner Rede erwähnt hat, in Rücksicht auf die Notlage des Mittelstandes und die zunehmende Erwerbslosigkeit; den,» eine Volkswirtschaft ist nur dann wohlorganisiert, wenn jeder Stand daS entsprechende und angemessene Auskommen hat. Es scheint mir aber doch ganz all- gemein in Deutschland der Fall zu sein, daß die öffent liche Finanzwirtschaft immer mehr Aufgaben und Aus gaben auf sich nimmt und daß auf der anderen Seite ein wohlorganisiertes Netz von Finanzbehörden über die Wirtschaft auSgebreitet ist, um sämtliche etwaigen Erträgnisse der Wirtschaft für den Staat und die öffent lichen Körperschaften aufzubringen. Wir müssen uns demgegenüber darüber klar sein, daß ohne eine ent sprechende Kapitalbildung ein Blühen der Wirtschaft überhaupt nicht möglich ist und daß ebenso ein ange messenes Verhältnis zwischen den Erträgnissen des Kapitals und der Arbeit vorhanden sein mutz, wenn die Wirtschaft nicht allmählich zum Erliegen kommen soll; denn eine Beschneidung der KapUaltnldung bedeutet nichts anderes, als daß man die künftigen Einnahmen vorzeitig verzehrt und, insbesondere auch auf den Arbeiter angewendet, daß fein künftiges Einkommen schon jetzt verzehrt wird. Der Reparatiousagent hat in seinem außerordent lich optimistischen Bericht über die Wirtschaftslage Deutschlands die durchschnittliche Verzinsung für unsere Industrie mit 6,5 Proz. angegeben; wenn man aber die Gesamtheit der an der Berliner Börse gehandelten Werte ansieht, so kommt eine Dividende von durch schnittlich 5,5 Proz. heraus, also erheblich weniger als schon der ReichSbankviskont, der während der ganzen Berich tszeit 7 Proz. betrug. Wir hatten in der Vor kriegszeit eine durchschnittliche Reute der Industrie von 8,5 Proz., während das Leihkapital der Industrie 5 bis 6 Proz. kostete; jetzt haben wir eine Rente von 5,5 Proz. für die Industrie, während sie für Leihkapital ungefähr 10 Proz. anlegen mutz. Das sind also vollständig ver- kehrte Verhältnisse. Nach außen sichtbar ist dieser Umstand auch kn der Notlage, in der sich der Bergbau und der Maschinen« bau befinden. Hüttenindustrie und Maschinenbau sind die größten Kohlenverbraucher, eS sind gerade die In- dustrien, die ihre Aufträge au- dem neugebildeten Kapital der Anlagen bekommen, und deshalb ist der Kohlenbergbau stet» der beste Gradmesser der wirt schaftlichen Lage gewesen. Die katastrophale Lage, in der sich der deutsche Kohlenbergbau befindet, ist da beste Zeichen, wie gering der Fortschritt unserer Wirt, schäft gewesen ist. Das liegt nm» allerdings nicht allein an dem Uber, maß der öffentlichen Au-gaben, sondern eS spielt dabei eine große Rolle ein mitleidige- soziale- Empfinden. Selbstverständlich wird man dem Arbeiter gern höhere Löhne gönnen, und sie zu zahlen, liegt ja selbstverständ lich im Interesse der Industrie selbst. Aber es hat keinen Zweck, tne Löhne zu erhöhen, wenn da- begleitet wird von einem entsprechenden Steigen der Preise. Eine Lohnerhöhung kann nur da- Produkt einer allgemein günstigen Lage der Wirtschaft sein. In Deutschland haben wir es aber immer erlebt, daß die Gewerkschaften, unterstützt durch die diktatorische Machtvollkommenheit de- Re»ch-arbeit-minifterium- im Schlichtungswesen, die Löhne ohne Rücksicht aus die wirkliche Lage der Wirtschaft gesteigert haben; und da» hat ja letzten Ende- auch den Arbeiter« nicht» geaützt. DaS hätte nicht zu sein brewchem. In ««deren Ländern hat man ander-