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zur Klangmassierung oder Gewin nung dynamischer Klangballun gen. Nur selten verwendete er riesige Tuttiblöcke, in denen alle, im jeweiligen Werk vorgesehen Instrumente wirklich eingesetzt wer den. Vielmehr bestand seine instru mentatorische Verfahrensweise in der subtilen Auswahl von Klangfar ben und in ungewohnt-neuartigen Kombinationen der Einzelstimmen. Die Feinheiten, mit denen Strauss z. B. ein Instrumentaus dem Klang schatten des anderen herausführt und wieder durch ein zusätzliches Instrument abzudecken vermag, sind noch heutzutage beispiel gebend. Unübertroffen sind die un zähligen Feinheiten des Koppelns und Lösens, des Auseinanderzie hens, des Teilens und Umklam merns von Instrumentallinien. Gern werden die tonmalerischen Effekte hervorgehoben, solche illustrativen Kabinettstückchen, die in den mei sten Partituren zu finden sind, wie das Blöken der Hammelherde oder das Abtropfen des Wassers vom gefallenen Helden in „Don Quixo te", die Lichttransparenz und der Falkenruf in „Die Frau ohne Schat ten" oder auch das Anzünden der Kerzen im „Rosenkavalier". Doch das ist eher als Beiwerk zu sehen, steht jedenfalls nicht vordergründig für diese Kunstfertigkeit. Strauss verstand es, das Orchester als ein einheitliches, als ein homogenes Instrument zu sehen, das er nach Bedarf registrierte. Das Klang empfinden ist organischer Bestand teil seines Kompositionsplanes und -prozesses. Die daraus gewonnene Klangfarbe ist nicht darübergesetzt und nachträglich hinzugefügt. Wichtiger als alle äußerlichen Tonillustrationen ist Strauss' Fähig keit, mit seinem Orchester das Stimmungshafte, das Klangsymbo lische adäquat zu erfassen. Er wußte Wohlklang, dissonante Schärfe und geräuschhafte Ballun gen sinnvoll gegeneinander abzu stufen und ökonomisch zu dispo nieren. Unendliche Möglichkeiten galt es zu erproben und immer wie der neu zu bestimmen: wie ver schiedenartigste Instrumente in ihren klanglichen Unterschieden so zu mischen seien, daß neue Klän ge erst entstehen können, Farben sich auftun, Musik beginnt, räum lich zu wirken. Strauss suchte nicht nach schmückendem Beiwerk, son dern nach Beleuchtung der jeweili gen Stimmung und nach Charakte risierung des Augenblicks. Mit sol chen ursprünglich-handwerklichen Mitteln versuchte er, seine - an Franz Liszt geschulten - außermu sikalischen Inhalte tondichterisch umzusetzen. Seine Musik aber, seine Bilder, seine musikalischen Szenen brauchten den Anstoß von „außen", ein Programm. Anfangs schrieb Strauss wirkliche Erläute rungstexte, später lehnte er dies Verfahren meist ab. Die Musik selbst sollte malen, schildern, mit ihren Mitteln ausdeuten. Und nach diesen Mitteln suchte Strauss im merfort und erfand großartige fes selnde oder amüsante oder drama tische. Wie es ihm um Erweiterung Bereits 1904 über arbeitete Strauss Berlioz' „Instrumen tationslehre", ergänzte sie durch neue Beispiele, brachte sie auf modernen Stand und veröffentlichte sie.