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Männerchor und Orchester op. 53 wurde von Brahms bald nach dem Requiem geschrieben und unmittelbar nach den Liebesliederwal zern, als deren Nachspiel sie der Meister be- zeichnete. Die Uraufführung erfolgte am 3. März 1870 in Jena mit der berühmten Pau line Viardot-Garcia als Solistin; späterhin wurde das Werk vor allem durch Amalie Joa chim zum Erfolg geführt. Schon Johann Fried rich Reichardt hatte den Text vertont, eben falls als Fragment (für Singstimme und Kla vier). In drei Strophen werden die Gedanken der grenzenlosen Einsamkeit, des Menschenhasses, schließlich des Trostes, der Erquickung in herr lichen Worten gestaltet — der rechte Text für einen Komponisten wie Brahms, dem jedes Wort aus dem Herzen gesprochen sein mußte. Den verzweifelten Gängen des c-Moll-Adagios mit seinen vielen Sforzati und abgerissenen Klängen folgt der schon weit trostreichere Ge sang des Poco andante, Beethovensche Vor haltsmelodik ganz ins Brahmsische wendend, wundersame Kadenzen ausschwingen lassend. Erst die letzte „Strophe" („Ist auf deinem Psal ter, Vater der Liebe, ein Ton von seinem Ohre vernehmlich, so erquicke sein Herz") läßt im Adagio C-Dur den Männerchor mit der Altstim me zusammenklinqen, was einen der reizvoll sten Sätze ergibt. Das Orchester trägt die schö ne Doppelmelodie weiter, nur zaghaft melden sich in dieser weichen Stimmung strengere kon trapunktische Gelüste; Brahms wird nicht mü de, das „erquicke sein Herz" durch süße Vor halte zu malen, um dennoch plagal im ein fachsten C-Dur-Klang zu schließen. Es ist unverständlich, wie von einigen Zeitge nossen dieses Werk als zu „herb" abgelehnt werden konnte. Aber Hugo Wolf, der ständige Lästerer, sagte: „Die Rhapsodie zählt zu dem Besten, was wir von Brahms besitzen." Brahms selbst liebte das Werk sehr. Johannes Brahms: Rhapsodie aus Goethes „Harzreise im Winter" Aber abseits, wer ist's? Ins Gebüsch verliert sich sein Pfad, Hinter ihm schlagen Die Sträucher zusammen, Das Gras steht wieder auf, Die Öde verschlingt ihn. Ach, wer heilet die Schmerzen Des, dem Balsam zu Gift ward? Der sich Menschenhaß Aus der Fülle der Liebe trank! Erst verachtet, nun ein Verächter, Zehrt er heimlich auf Seinen eigenen Wert In ungenügender Selbstsucht. Ist auf deinem Psalter, Vater der Liebe, ein Ton Seinem Ohre vernehmlich, So erquicke sein Herz! öffne den umwölkten Blick über die tausend Quellen Neben dem Durstenden In der Wüste. Die Erzählung von dem der Zauberin Armida verfallenen Helden Rinaldo, der nur durch die Hilfe treuer Freunde von der Zauberinsel befreit und zu seiner Pflicht zurückgerufen wird, war einer der beliebtesten Opernstoffe des 17. und 18. Jahrhunderts. Komponisten wie Gluck, LuIly und Händel vertonten dieses Thema. Brahms schloß sich dieser Operntra dition nicht an, sondern begann 1863 mit der Komposition einer Kantate „Rinaldo" o p. 5 0, deren Schlußchor erst 1868 fertigge stellt war. In seiner Gestaltung lehnte er sich eng an den Text Goethes an, der die Qual des Liebenden, der sich einer unwürdigen Lei denschaft entzieht, in den Mittelpunkt stellt. Der Schlußchor „Auf dem Meere" beschreibt die Heimfahrt der Ritter, nachdem sie Rinaldo aus den Fängen Armidas befreien konnten. Das dementsprechend rasch dohin- eilende Anfangstempo wird zunächst von fast durchgehenden Triolenbewegungen der Strei cher getragen, während der Männerchor nicht nur textlich, sondern auch durch auf- und ab gehende melodische Bewegungen die Meeres wellen „illustriert". Eine Besinnungspause bringt die im Text ge schilderte Beobachtung der Delphine, und mit einem ebenfalls ruhigeren Tempo in gelöster Stimmung wird dargestellt, wie die Erlebnisse auf der Zauberinsel immer mehr in Vergessen heit geraten. In einem breit angelegten Ge sang preist der Chor sodann die glückliche Heimkehr, während die Streicher von großen Achtelbewegungen in rasche, die Freude un terstreichende Tremolofiguren übergehen. Un terstützt von der Pauke und fanfarenartigen Motiven der Trompeten klingt das Stück im kraftvollen Fortissimo aus.