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Obwohl Brahms alle klanglichen Reizmit tel verschmähte und sich fast ostentativ in den Grenzen der klassischen Orchester besetzung hielt (zweifaches Holz, vier Hörner, 3 Trompeten, 3 Posaunen, Pau ken und Streicher) - diese auch oft noch zu kammermusikalischer Diskretion redu zierte -, brachte er Wirkungen hervor, die den Klang als solchen zum Träger des Ausdrucks verabsolutieren, ein für den Handwerks-Ethiker Brahms seltenes Phä nomen. Die Schlußpartien des ersten und des letzten Satzes schwelgen im vollen D- dur des großen Orchesters, gegen Ende des 3. Satzes tauchen die Streicher des Scherzando-Themas ins glänzende Licht von Fis-dur, und selbst der neblige 2. Satz wird mit einem glühend-sinnlichen H-dur- Akkord beendet, der Tonart, die im vollen Tutti am sattesten leuchtet, wir wir vom „Tristan“ und vom Kopfsatz aus Tschai- kowskys 6. Symphonie wissen. Über haupt sind die Farben der Symphonie of fener, weniger gebrochen gemischt als sonst bei Brahms, der uns spüren läßt, daß er die Mischungs- und Verfrem dungskünste eines Berlioz und seiner „neudeutschen“ Jünger wie Liszt und später Richard Strauss durchaus hätte praktizieren können, wenn er eben wollen hätte. Der glückliche Stern, unter dem das Werk zustande kam, leuchtete auch über sei nem Eintritt in die Welt: noch vor Ende des Entstehungsjahres, am 30. Dezem ber 1877, stellte Hans Richter die Sym phonie in Wien einem hingerissenen Pu blikum vor, welches das Allegretto da ca- po verlangte. Brahms konnte berichten: „Das Orchester hier hat mit einer Wollust geübt und gespielt und mich gelobt, wie es mir noch nicht passiert ist.“ Danach präsentierte Brahms selbst sein neues Opus in großen deutschen und holländi schen Musikstädten; überall reagierten die Zuhörer mit Begeisterung. Die tiefste Befriedigung muß Brahms aber empfun den haben, als er seine neue Symphonie im September 1878 in der Vaterstadt Hamburg anläßlich des 50jährigen Beste hens der Philharmonie dirigierte. Joseph Joachim steigerte die Festlichkeit des Er eignisses, indem er für den Freund als Konzertmeister fungierte; unter den Hö rern befanden sich Clara Schumann und Brahms’ alter Lehrer Eduard Marxsen. Die Ovationen ließen den Meister sogar die Reserven vergessen, die er viele Jahre hindurch gegen Hamburg aus unerwider ter Heimatliebe empfunden hatte.