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dem Bläsersektor, seit Kurfürst Carl Theo dor 1778 sein berühmtes Mannheimer Orchester - damals die unangefochtene Nummer 1 in Europa - nach München verlegt hatte. (Die Uraufführung von Mo zarts „Idomeneo“ lag erst dreißig Jahre zurück.) Weber, gerade erst 25 Jahre alt, war imstande, Menschen, die ihm nützlich sein konnten, durch offene Wesensart für sich einzunehmen. Auch in München machte er sich rasch Freunde. Schon am 5. April, nicht einmal einen Monat nach seiner Ankunft, gab er sein erstes Kon zert. Es brachte „eine Sinfonie“, seine Kantate „Der erste Ton“, sein Klavierkon zert C-dur (Weber als Solist) und dies in aller Eile für Bärmann komponierte Con certino. Damit traf er den Geschmack nicht nur des Publikums, sondern auch der Orchestersolisten: „Seit ich für Bär mann das Concertino komponiert habe, ist das ganze Orchester des Teufels und will Konzerte von mir haben. Sie überlau fen den König und die ganze Intendanz und wirklich ist dermalen für ziemlichen Preis bei mir bestellt: Zwei Klarinetten- Konzerte (wovon eins aus f-Moll schon JOHANNES BRAHMS SYMPHONIE NR. 2 D-DUR, OPUS 73 Als denkbar ungleiche Kinder gerieten Brahms seine beiden ersten Symphonien. Nachdem er endlos und manchmal auch fast aussichtslos um die Bewältigung der symphonischen Form gerungen hatte, ehe er die c-moll-Symphonie halben Her zens der Öffentlichkeit übergab, schlug das Pendel nun in die Richtung des Hel len, Runden, Befreiten aus. Selbstkritik und Zweifel wurden nachträglich belohnt durch die Sicherheit, das ungewisse sym phonische Terrain nunmehr bewältigen zu beinah ganz fertig ist), zwei große Arien; ein Violoncell-Konzert für Legrand, ein Fa gottkonzert. Du siehst, daß ich nicht übel zu tun habe und höchstwahrscheinlich den Sommer über hier zubringen werde Das Concertino besteht aus einem The ma mit vier Variationen, eröffnet von einer gravitätischen Adagio-Einleitung in c-moll, die vom ersten Takt an Webers dramati sches Naturell zeigt. Der leidenschaftliche Gestus äußert sich auch darin, daß We ber, wenn er große Lautstärke erzielen will, fast durchwegs gleich Fortissimo no tiert, kaum je ein einfaches Forte. Ein an mutig kapriziöses Thema, ganz regelmä ßig gebaut, wird erst in Triolen, dann in Sechzehntelbewegung versetzt, schließ lich zu einer düster dramatischen Szene verdichtet und endlich in ein munter pul sierendes 6/8-Allegro verwandelt. Die Klarinette darf singen, technisch brillieren und ihren bemerkenswerten Tonumfang von dreieinhalb Oktaven effektvoll aus spielen. Kein Wunder, daß das kurze Werk mehrere große nach sich zog. können. Behagen am Lebens- und Natur genuß, Einssein mit sich selber und nord deutsche Serenität strahlen aus dieser Musik, die bei ihrem Erscheinen vielerorts mit Begeisterung aufgenommen wurde, doch nicht von allen und überall; zu stark hatte sich im Bewußtsein mancher Musik freunde die Ansicht gebildet, Brahms sei gleichzusetzen mit Kämpferischem, mit Strenge und Problematik. So meinte der bedeutende - und Brahms wohlgesonne ne - Kritiker Alfred Dörffel, Brahms müsse