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sie Wort halten? wird sie mir zum Christgeschenk die Freiheit bringen? Therese! Therese! wenn du, die ich für meinen guten Engel gehalten, mich auch betrogen hättest! — Ha! sie ist ja des Eisenmeisters Tochter, herangewachsen unter den Henkern der Freiheit und unter, den Seufzern ih rer Opfer. Ist ja doch alles Lüge in der Welt; warum baue ich just auf dieses Gesicht, auf dieses blaues Auge, auf dieses Wort, daS nicht einmal klar ausgesprochen worden?" Er lauschte an der schweren eisenbeschlagenen Thür und trieb sich dann wieder ruhelos in der Zelle umher. Aber plötzlich stand er still: ihm war, als höre er etwas. Die. Gefangenschaft schärft das Ohr unglaublich. Auf den Zehen nä herte er sich der Thüre. Draußen tippte es so leise an die dicken eichenen Bohlen, daß sonst kein Mensch aufgehorcht hätte, aber der Gefangene horchte scharf, und über sein schönes bleiches Ge sicht flog der strahlende Schimmer entzückter Freude. Er räusperte^ zum Zeichen, daß er gehört habe. In demselben Augenblick^öffnete sich von außen daS kleine Lätzchen in der Thüre, das so zu sa gen als Luginsloch und Sprachgitter dient, und durch das so oft unerwartet ein LaUscherblick in die Zellen fällt! Wer draußen stand, war nicht zu sehen, und der Gefangene hütete sich wohl zu erst ein Wort zu reden; man wird unendlich vor sichtig im Kerker. Wie gehaucht tönten jetzt die Worte in die Zelle herein: „Während des Läu tens vor oder nach der Mette muß es geschehen sein!" und mit diesen Worten glitt ein Pack in die Hand des Gefangenen. „Therese," flüsterte der entzückte junge Mann, „ich rühre keine Hand ohne dein Versprechen, daß du mein sein und bleiben willst, mag kommen, was da wolle! zum Zeichen nur deine Hand!" —f Und eine schöne weiße Hand tauchte flüchtig durch das mit einem eisernen Kreuze versehene Lugfenster. Der Gefangene faßte sie, als wollte er sie nicht mehr loslnssen, und drückte seine Lip pen mit fieberischer Gluth darauf. Im nächste» Augenblick hatte sich die weiße Hand zurückgezo gen und das Lädchen war geschloffen. Ueber den langen, durch eine Hängelampe spär lich erleuchteten Corridor, auf welchen .die Thür jener Zelle führte, huschte flüchtig und unhörbar leise eine schlanke weibliche Gestalt. Es war The rese, des Eisenmeisters schönes l8jähriges Töchter lein. Das heftige Pochen ihres Herzens hatte wohl eher gehört werden mögen als der flüchtige Tritt ihres Fußes. Die Liebe hatte sie zu einem bedenklichen, ja höchst gefährlichen Schritte getrie ben; kein Wunder, wenn ihr daS pochende Herz die Brust zu zersprengen drohte. Aber welch tödt. sicher Schreck überfiel sie erst, als sie eben den flüchtigen Fuß auf die Treppe setzen wollte und vor ihr der Kopf eines Mannes auftauchte! Bei nahe hätte sie einen lauten Schrei des Entsetzens ausgestoßen. Ihr erster Gedanke war, es sei ihr Vater selbst, unk ihr Gesicht ward noch marmor bleicher als es schon vorher gewesen. „Erschrecken Sie nicht, Mamsell Therese," sagte eine Stimme, in der sie des Gefangenwärters Gehülfen erkannte, „ich habe nichts gesehen.".,— Therese bebte unter dem Tone dieser Stimme, noch mehr bei diesen letzten Worten. Völlig ver wirrt stieß sie die Worte heraus: „Ich weiß nicht was Sie wollen." — ,,Jcb sage Ihnen noch, mals, ich habe nichts gesehen.," — sprach Deu- rer leise, aber mit bedeusamem Nachdruck. „Doch, Mamsell Therese, wir sind hier einen Augenblick allein: wollen Sie mich jetzt auch nicht hören?" Er griff nach ihrer weißen kalten Hand, aber^sie zog dieselbe rasch zurück, und mit den Worten: „Ich habe jetzt keine Zeit!" flog sie zitternd die dunkle Treppe hinab. .. „Der Wärter blieb auf der,obersten Stufe ste^ hen und wandte sich langsam, als wolle e^.'rh'r nachgehen. „Sie hat jetzt keine Zeit," sprach er für sich, und in seiner Stimme lag etwas, daS wie bitterer Hohn klang. „Nun, die Zeit wird sich finden. — Aber was jetzt thun? Kommt er durch, so kann das ja auch für mich böse Folgen haben. Soll ich seine Flucht vereiteln? Dann hab' ich's auf immer mit ihr verdorben, und er bleibt wieder und ich muß täglich wieder sehen, was mir jedesmal das Herz im Leibe umwendet. Besser, er ist fort, dann hat die Geschichte hof fentlich ein Ende, denn für das Wiederkommen ist gesorgt, und in die Welt hinein ihm nachlau fen, daS wird sie auch nicht. Ich wollte^ er bräche über der Flucht den Hals, dänM' wäre gründlich geholfen." Deurer schlich jetzt leise, wie eine lauernde Katze, vorwärts. An der bewußten Zellenthüre blieb er stehen und legte das Ohr fest an. „Er ar beitet schon recht fleißig," tzachte er. -„Wie könnt' ich ihn jetzt aus dem süßenHreihMrHllsche rütteln! Doch ich will ihn noch nicht stören) es..hat noch Zeit, wenn es überhaupt geschehen muß. Erst muß ich reinen Wein von ihr Haven, dann werd' ich handeln oder gehen lassen, reden oder schwei gen. Sie und der Alte, beide sind sie in meiner Hand. Wir wollen sehen, ob sie jetzt vielleicht Zeit hat." . Unter diesem Selbstgespräche war der Wärter