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251 und Knebel befürworten den Antrag der Commission; letztgenannter Redner gibt dabei zu erwägen, ob eS sich fernerhin empfehlen werde, Überschüsse und Er sparnisse aus dem Gesetze von 1873 im provinziellen Interesse zu verwenden und nicht vielmehr generell im Interesse der Bahnen, die das bezeichnete Gesetz aus drücklich in Aussicht genommen oder als empfehlenS- «erth bezeichnet hat. Da- Gesetz wird in der von der Budgetcvmmission empfohlenen Fassung angenommen und geht daS HauS dann zur Berathung mehrerer PetilionSberichte über. Nächste Sitzung Donnerstag. Tagesordnung: Dritte Lesung verschiedener Iustizgesetze; dritte Lesung derHau- bergSordnung; Fortsetzung der Etatsberathungen und Nachtragsetat. Deutsche- Reich. X Serlin, 4. Febr. Die Beschwerde der Gewerk schaft der Manufactur-, Fabrik- und Handarbeiter Deutschlands und der Centralkranken- und Sterbekasse derselben über das von der sächsischen KreiShauptmann- schast zu Zwickau erlassene Verbot ist von der Reich S- Beschwerdecommissio« zurückgewiesen worden. Ab gesehen von der materiellen Begründung des Verbotes durch den Nachweis der unter da- Socialistengesetz fallenden Thätigkeit des Verein- wird der Behauptunj des Beschwerdeführers entgegengetreten, daß es sich in dem gegebenen Falle um einen selbständigen Kassen verein handle, welcher eine gegenseitige Unterstützung seiner Mitglieder bezwecke und deshalb nach Z. 3 des Gesetzes vom 21. Oct. 1878 zunächst nicht zu ver bieten, sondern vorerst unter eine außerordentliche Controle des Staates zu stellen sei. Die Beschwerde commission erklärt, der angezogene tz. 3 des erwähn ten Gesetzes könne hier nicht zur Anwendung kommen, denn die fragliche Gewerkschaft gehöre nicht zu den selbständigen Kaffenvereinen, die nur die gegenseitige Unterstützung ihrer Mitglieder beabsichtigten; die für gewisse Fälle bestimmten Unterstützungen hätten bei ihm Kur den Zweck, die eigentlichen socialistischen Ziele der Gewerkschaft zu fördern. Mit Recht habe ihm daher die KreiShauptmaunschaft die Eigenschaft eines selbständigen, die gegenseitige Unterstützung seiner Mit glieder bezweckenden KaffenvereinS abgcsprochen und deshalb denselben nicht vorerst unter staatliche Controle gestellt, sondern sofort verboten. X Verlin, 5. Febr. Die Mittheilung, daß der Regserungspräfldent 'v. Bötticher nachSch^^S zu- Mckgekehrt s« ist gruMoS; derselbe hat der gesterk avgeh-ltenen Sitzung der Tarifcommission bei- gewohvt. Jm dieser Sitzung haben die Referenten bereit» einen Theil der Anträge vorgelegt, welche dem- uSchst Gegenstand" der Beschlüsse der Commission sein werden. — Verschiedene Blätter wollen wissen, daß der Gesetzentwurf über die S trafgewalt desReichS - tage» ein stille- Grab im Bundesrathe finden werde. Worauf sich diese Annahme gründet, ist schwer zu er- rathen. Wenn dagegen national-liberale Blätter von neuem auf die Initiative des Reichstages Hinweisen, so ist schon oft genug bemerkt worden, daß die Ini tiative von dieser Seite nur erwünscht sein könnte; bisjetzt aber liegen Anzeichen nicht vor, daß der Reichs tag die Initiative ergreifen werde. kl.l,.o. Herlin, 5. Febr. Die Reichscommission zur Revision des Zolltarifs hat gestern ihre dritte Sitzung gehalten, in der cS zu den ersten sachlichen Verhandlungen kam. Die Referenten über Rohstoffe und Finanzzollgcgenstände, Geheimrath Tiedemann aus de- Reichskanzlers Privatkanzlei und Regierungspräsi dent v. Bötticher aus Schleswig, schlugen Getreide zölle bis zu 50 Pf. vom Centner und Viehzölle bis zu 20 M. daS Stück vor. Bei den letzter» wird weder zwischen fettem und magerm Rindvieh noch zwi schen Pferde» Und Eseln ein Unterschied gemacht. Meh rere Bevollmächtigte sollen sich sofort gegen diese Vor schläge ausgesprochen habe», darunter der für Wür- ItWberg. Entschieden wurde über die Frage vorläufig nicht; wohl aber darüber, ob den deni Bundesrathe «orzuschlagende» Sätzen Gründe beigegeben werden soffen oder nicht, Der Vorsitzende, Hr, v. Varnbüler, scheint es nicht für nöthig erachtet zu haben. Viel leicht. ist er der nicht ganz unbegründeten Meinung, daß die Einführung deS TabackSmonopols an der lei digen Nothwendigkeit gescheitert ist, sie schriftlich zu begründen; und man weiß, welchen Strich ihm dieser Schiffbruch durch seine schutzzöllnerische Rechnung ge macht hat. In der Commission ist die entgegengesetzte Ansicht indessen doch so stark zur Geltung gekommen, daß der Gedanke aufgegeben und nachträgliche Liefe rung der Gründe zu den einstweilen vorgeschlagenen Zöllen versprochen wurde. Wie sollten sich sonst denn auch die einzelnen Regierungen sachgemäß entscheiden? — AuS Berlin vom 5. Febr. schreibt man der Weser-Zeitung: „Die Tarifcommission hielt gestern ihre dritte Sitzung- In parlamentarischen Kreisen ver lautet, die Commission habe unter Ablehnung deS Vor schlages de- Vorsitzenden beschlossen, dem Bundesrathe einen Tarifentwurf mit vollständigen Motiven vorzu legen, waS den Abschluß der Arbeiten erheblich ver zögern wird. Seiten» de- Referenten wurde beantragt, einen Eingangszoll auf Roggen von 25 Pf., auf Hafer, Gerste, Weizen von 50 Pf. per Ctr., einen EingangS- zoll auf Rindvieh von 20 M., auf Pferde von 10 M. per Stück einzuführen. Der Beschluß darüber wurde Vorbehalten." — Die Provinzial-Correspondenz sagt in einem Artikel über die letzten Vorgänge in Frankreich: Der ganze bedeutsame Wechsel in der höchsten Leitung der Republik hat sich mit der größten äußern Ruhe und Regelmäßigkeit vollzogen, und die gcsammte republikanische Partei glaubt darin einen entscheidenden Beweis der inner« Festigkeit der neuen Zustände erblicken zu dürfen. Doch kann man sich auch im Hinblick auf die überraschenden Vorgänge dieser ersten Wochen der neuen republikanischen Aera nicht verhehlen, daß dieselbe wol größere Proben erst noch zu bestehen haben wird. Die anscheinend bevor stehende Begnadigung und Rückkehr aller Theilnehmer an der Commune von 1871 wird unzweifelhaft den radikalen republikanischen Elementen neue Anregung, Ermunterung und Kraft verleihen, — und andererseits wird die gleichfalls beabsichtigte Zurückverlcgung der parlamentarischen Körper schaften von Versailles nach Paris dem Einfluß der radi- calen Agitation neue Handhaben bieten. Es wird sich fragen, ob die bisherige Einigung der gemäßigten Republi kaner fest und stark genug sein wird, die daraus erwachsen den Gefahren auf die Dauer zu bewältigen. Für die Auf rechterhaltung friedlicher Beziehungen der Republik nach außen hat der ausdrücklich und entschieden kundgegebene Entschluß des Präsidenten Grövy neue Bürgschaften gegeben, — dieselben haben eine weitere thatsächliche Bestätigung in der Vertrauensstellung des Ministers Waddington ge funden, der sich infolge der bisherigen Leitnng der fran zösischen Politik und seiner Stellung auf dem Berliner Congreß eines allseitigen Vertrauens in Europa zu er freuen hat. — Der Deutsche Reichs-Anzeiger vom 5. Febr. theilt mit: „Mit Bezug auf die Verordnung vom 2. Febr. betreffend die Paßpflichtigkeit der aus Rußland kommenden Reisenden wird dem Vernehmen nach feiten» des Auswärtigen Amtes in den nächsten Tagen eine besondere Instruction an sämmtliche deutschen Consularbehörden in Rußland ergehen, welchen durch jene Verordnung die für die Zulassung des Paßinhabers zum Eintritt über die Reichsgrenze unerläßliche Visirung der Pässe und die für die Ertheilung des Visa ent- scheidende Prüfung der Provenienz der Reisenden über tragen ist." — Der Deutsche Reichs »Anzeiger schreibt nnterm 5. Fehr.: „Unter der Rubrik »Gewerbe und Handel» der heutigen Nummer de» Reichs- uud Staats-Anzriaers finden-fich MitthnluWm-iMrdie M nfMk »n g d e s TabackSmonopol» in Sicilirn, auf welche wir an dieser Stelle aufmerksam machen." — Die Provinzial-Correspondenz berichtet unterm 4. Febr.: „Der Reichskanzler Fürst Bismarck wird in diesen Tagen auS FriedrichSruh in Berlin zurück- erwartct." . . — Der Kaiser hat, wie man der Magdeburgischen Zeitung mittheilt, dem bairischen Hofporträtmaler Len- bach den Auftrag ertheilt, für die Nationalgalerie als Pendant zu dem Porträt Moltkes das Porträt des Fürsten Bismarck zu malen. Preußen. Herlin, 6.Febr. DieIustiz- commission hat in ihrer heutigen Sitzung die erste Berathung des Gesetzes betreffend die Competenz- conflicte beendet. Abgesehen von der in der ge strigen Sitzung vorgenommenen wichtigen Aenderung deS A. 4, wonach die Erhebung des Competenzconflicts ausgeschlossen ist, wenn ein Endurtheil erster Instanz erlassen ist, sei es über die Zulässigkeit deS Rechts weges oder in der Hauptsache — wurden wesentliche Modifikationen dieses Gesetzes nicht beschlossen. Da gegen entschied sich die Commission bei der General- discusfion des Gesetzes betreffend die Conflicte bei ge richtlichen Verfolgungen wegen Amts- und Diensthand lungen mit 12 gegen 6 Stimmen dahin, dem Ab geordnetenhaus« einen Gesetzentwurf zur Annahme zu empfehlen, durch welchen da» Gesetz vom 13. Febr. 1854 aufgehoben, und damit die für Reichsbeamte geltende Bestimmung, daß jeder Beamte für die Gesetz mäßigkeit seiner amtlichen Handlungen verantwortlich ist und dem gemeinen Recht wie jeder andere Staats bürger unterliegt, auch für die preußischen Beamten zur Anwendung gebracht, die Erhebung eines Conflicts n einem gegen den Beamten anhängig gemachten Civil» oder Strafproceß aber ausgeschlossen wird. — Die Provinzial-Correspondenz sagt, in Bezug auf den Abschluß des Vertrages über Art. 5 des Prager Friedens: „Es war ein unzweifelhaftes Interesse Preußens, eine lästige Bestimmung des Prager Frie dens, auf welche Oesterreich selbst von vornherein einen Werth gelegt hatte, durch vertrauliches Ein- verständuiß mit der uns jetzt eng befreunveten Macht u beseitigen. Die Verhandlungen darüber waren chon seit längerer Zeit im Gange, und der Vertrag st (wie das Datum des 11. Oct. bekundet) in der Zeit der kaiserlichen Stellvertretung durch den Kron- rrinzen zum Abschlusse gelangt und demnächst durch >en Kaiser und König ratisicirt worden. Abgesehen von der großen Wichtigkeit der Sache selbst, zumal auch in ihren Beziehungen nach manchen andern Seiten, ist der Abschluß des Vertrage» in der That ein voll gültiger und bedeutsamer Beweis des Wunsches Sr. Maj. deS Kaisers von Oesterreich, «die zwischen den beiden Mächten bestehenden freundschaftlichen Bande noch enger zu schließen», und wird in solchem Sinne nicht blos von der Regierung unserS Kaisers und Kö nig-, sondern auch von dem preußischen und deutschen Volke dankbar gewürdigt werden." Die neueste National-Zeitung bemerkt zur Ge schichte de» Vertrages: „Von besonderm Interesse für das Verständniß der in dem Vertrage hervortretenden Situation ist die Betrachtung der Ereignisse, die her seinem Abschlusse wie bei seiner Publication im Vor dergründe standen und stehen. Die österreichischen Interessen sind vor allem im Orient festgelegt; die engere Schließung der Bande zwischen Deutschland und Oesterreich kann sich, soweit Oesterreich in Frage kommt, auch nur auf die orientalische Frage beziehen. Diese Frage resumirt sich für Oesterreich in dem eine» Wort: stricte Ausführung des Berliner Vertrage». WaS Deutschland betrifft, so verdient herausgehoben zu werden, daß die Declaration des Verspracht» zwischen der Prinzessin Thyra und dem Herzog von Cumberland gegen Mitte Oktober in die Oeffentlich- keit drang. Zweifellos ist die Nachricht den euro päischen Höfen schon früher bekannt gewesen. Einen weitern inner» Zusammenhang des Vertragsabschlusse» mit jener Verbindung können wir nicht behaupten; wir begnügen uns mit den Worten Horatio's an den Dänenprinzen Hamlet: «In der That, mein Prinz, sie folgte bald darauf.» Es ist eine kleine Gefälligkeit, die Oesterreich Deutschland gelegentlich erwiesen hat, da bekanntlich kleine Geschenke die Freundschaft er halten. Oesterreich laborirte damals noch an dem bosnischen Aufstande, dem Widerstande der Ungarn gegen die Annexion und der Ministerkrisis. Kaiser Franz Joseph war selbst in Budapest, um mit den Ungarn die Verständigung zu erleichtern. So sorg fältig daS Geheimniß gewahrt wurde, so ging doch ein diplomatisches Zischeln und Flüstern durch Europa als Anzeichen, daß irgendetwas ini Werke sei. Am 20. Oct. brachte die National-Zeitung eine Zuschrift, die sie unter der Überschrift »Diplomatische Spinn weben» wiedergab und die sich mit den politischen Con sequenzen der Verbindung der Prinzessin. Thyrq be schäftigte. Di« -Zuschrift schloß mit den Worte«: i «.r. V -Minne Zntüng l-nokttr pariser Angriff auf den Grafen Andrässy trifft eigenthümlich mit diesen Dingen zusammen. Graf Beust scheint in der französischen Hauptstadt bereit» vorzuspuken. Wie bemerkt, eine sich der Hiesigen Beobach tung darstellende Combination eigenthümlicher Zusammen treffen und Zwischenfälle, vielleicht nur Zufall und Com bination, vielleicht aber etwa« mehr. - , Die Zuschrift hat jedenfalls Parin recht behalt«», daß damals wichtige Dinge vorgingen, und die General richtung der Gegensätze ist vielleicht in jenem Schlst^ satz richtig wiedergegeben." — Ueber den Beschluß des Abgeordnetenhauses, daß in dem Gesetz über die Bildung von Wasserze ll offen schäften dem Provinzialrath die Bestätigung der Statuten statt des Oherpräsidenten zustehen solle» sagt die Provinzial-Eorrespondenz: „Wenn das Hau» ungeachtet der lebhaften Bedenken und Vorstellungen des Ministers sich schon jetzt für die Heranziehung de» Provinzialrathe» auSsprach, so erscheint doch im Hin- blick auf die wesentliche und grundsätzliche Ueberein- stimmung, welche in allem übrigen bei der Berathung der Gesetze zur Geltung gelangt ist, die Hoffnung be rechtigt, daß im Laufe der weitern Vereinbarung au<^ über die in Rede stehende Meinungsverschiedenheit ein« volle Verständigung erzielt werde, und daß auf solche Weise, wie der Minister schließlich hervorhob, zwei sehr nützliche Gesetze zu Stande gebracht und dem Lande ein wahrer Dienst geleistet werde, ohne daß der Selbst verwaltung das mindeste vergeben werde." — In der Budgetcommission deS Abgeordnetenhauses fand eine Debatte statt, die auch für andere deutsche Staaten, insbesondere auch für Sachsen, von Interesse ist, nämlich darüber, daß durch die Gesetze über Selbstverwaltung die Gesammtkosten der Verwal tung nicht verringert, vielmehr erhöht worden seien, und zwar ziemlich bedeutend. In der betreffende« Debatte, beziehentlich in dem vom Abg. Rickert er statteten Berichte, wurde als Ursache davon angeführt: Neben der neuorgaUifitten Selbstverwaltung beständen die Regierungen (staatliche Mittelbehörden) nicht nur in früherm Umfange fort,' sondern die Kahl der Beamten bei denselben und auch die sachlichen Kosten seien gestiegen. DaS Abgeordnetenhaus habe diesen Thatsachen gegenüber die Verpflichtung, auf eine Vereinfachung des Geschäfts gänge- und eine Verminderung der Zahl der Beamten, insbesondere bei de» BczirkSregi-nmgen. zn dringen. Letz teres sei bei dem Erlasse der SelbstverwaltnngSgesetze aus drücklich in Aussicht gestellt loorden. Es solle nicht ver kannt werden, daß durch die Einführung der neuen Gesetze die Kräfte der höhern Verwaltungsbehörden zeitweise in stärkerm Maße als früher in Anspruch genommen worden seien. Jetzt aber sei es an der Zeit, den Staatsverwal tungsapparat einznschränken und, wenn nicht di« Regierun gen überhaupt, so wenigsten« die Abteilung de« Innern».