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2V Februar 1856 43 Zu beziehen durch all> Postämter des In- und Auslandes, sowie durch die Expedition in Leipzig (Querstruße Nr. 8). JnsertionSgebühr für den Raum einer Zeile 2 Rgr. Mittwoch. DeiPzla» Lie Zeitung MW Mgmeim Zeitung Prel- für da«. Bierteljahr ^2tEr 2«gr^"' -Wahrheit M Recht, Freiheit und Gesetz!» Der Friede. * Leipzig, IS. Febr. Ein neue« journalistisches Unternehmen: „Wochen- blatt für die Pfalz" da- seit dem Beginn de- Jahres bei Heinrich Ho grefe in Manheim erscheint, liegt uns in seinen ersten fünf Nummern vor. Dasselbe stellt sich die Aufgtch«, jene Partei, die sich selbst conservativ nenn«, di« aber im Grund« ihre» Wesens «in« destruktive sei, die es dar auf anlege, di« Wunden der Revolution ebenso zu verewigen, wie sie deren Erbschaft angetreten, zu bekämpft»; denn das sei in der That die Aufgabe der «haltenden Politik. Dieser Aufgabe strebt denn das Blatt auch in geist- »oller Weise nach, und wir lassen a»S dem reichen Schah dieser wenigen Nummern hier eimn Artikel: „Der Friede", folgen, der, irren wir nicht sehn, der Feder von Gervinu« entflossen ist. Er warnt vor einem — fau len Frieden. Wir lassen «inen Theil des Artikels hier folgen, obwol wir mit dem Gesagte« nicht allenthalben einverstanden sind: „In Otst«r«ich ist unter allen lenkenden Persönlichkeiten des ersten nicht nur, sondern auch de- zweiten und dritten Ranges kaum Eine, so weit man wissen und vermuthen kann, die Rußland dauernd und heben- tend geschwächt wünschen würde, die den Bestand Oesterreichs für gesichert hielt«, wenn die Stüh« der russischen Absolut!«, di« Macht des russischen Autokraten gebrochen und die Solidarität der absoluten Interessen im Osten zerrissen wärt. Oesterreichs ganzes Interesse war zu aller Zeit nur auf da- Resultat gestellt, da- jene Erwartungsvollen einen faulen Frieden nen nen, dir Rußlands Uebergriffen in Oesterreichs Nähe Einhalt that, aber Rußland« Macht im Ucbrigcn ungeschmälert ließ. Denn fänden sich selbst in Wien die StaatSleute, die aus Rußlands dauernder Schwächung an sich keinen Schaden, sondern einen größten Vortheil erblickten, selbst dann würden Oesterreichs Verhältnisse in den Augen der jetzt lenkenden Regenten schlechterdings eine Zeckrechung der russischen Macht nicht dulden. Diese Zerbrechung ist nicht zu bewerkstelligen ohne die Abreißung Polens. Alles Andere kann Rußland an seinen Extremitäten schädigen, es wird aber seine Kraft nur umsomehr in dem Centrum versammeln, wo sie für Europa nur um so gefährlicher wird. Die Herstellung eines Zwischenreichs zwischen sich und Rußland,! selbst die Preisgcbung Galiziens, wäre für Oesterreich an sich kein Bedenken und kein Opfer, wenn dort irgendeine lenksam« Nation hauste und in die Hände, eines sichern Fürstenhauses käme. Allein einen unabhängigen polnischen Staat an der Grenze von Ungarn errichten, mit der Aussicht auf Verfassung, auf frei« DiScusston und Presse, dies würde jeder Staatsmann in Oesterreich für einen Selbstmord erklären, und Nie mand, der sich in jene Gesichtskreise versetzen kann, dürfte ihnen nur Un recht geben. Wenn Oesterreich je auf diplomatischem Wege sein Ziel zu erreichen verzweifelt wäre, so hätte es an dem Kriege nur theilgenommen, wenn es durch seine finanzielle Lage unausweichlich dazu genölhigt worden wäre, und auch dann nur, um dem Kriege auf- schnellste ein Ende zu machen. Sein eigentliches Ziel war aber immer, mit ganz Deutschland und ganz Europa im Rücken zum Frieden ohne Krieg zu gelangen, den Ruß land, indem es vor ganz Europa zurücktrat, mit allen Ehren annehmen konnte, da eS ohnehin ganz sicher sein durfte, daß Oesterreich die Bevin- gungen nie zu seinem unerträglichen Schaden, noch zu seiner unerträglichen Schande stelst» würde. Oesterreich hat seinen Zweck erreicht. Wir ver messen uns picht, zu sagen, daß der Friede bereits gesichert wäre. Allein die Menschen, die das Friedenswcrk ernstlich stören würden, sehen wir in der That nicht. Die großen Kriegsleute, die um ihres Berufs und Ruhms willen zur Fortsetzung des Kriegs drängten, oder auf welche die Fürsten zu vertrauen und zu pochen Ursache hätten, sehen wir in keinem der drei, vier Oder fünf Lager. Der Kaiser der Franzosen fühlt unter sich den Boden nicht sicher, um «inen unübersehbaren Kampf fortzuführen, in dem der erste Handstreich so leichtfertig unternommen und verfehlt war. Lord Palmerston Hal erfahren müssen, wie tiefe Wunden die Verluste in den englischen Familien rissen, wo jedes einzelne Menschenleben den hundertfach höher« Werth als in Ruß land hat. Von Rußlands Trotz würde man auch kein Hinderniß mehr be- fürchten, von seiner Ungeschicklichkeit und Reizbarkeit dürsten die Friedens- feinde eher hoffen. Aber dann die «Verhältnisse»! Nun, auch sie scheinen unendlich friedfertiger Natur, wenn man bedenkt, daß nach so Ungeheuern Opfern auf westmächlicher Seite keine Rede von Kriegskosten ist, daß Oester reich dem fünften Artikel Lie Auslegung verbürgt hat, es werde auch keine Rede davon sein, und daß man auch in den Völkern und Parlamenten des Westens nicht im Stande ist oder nicht des Sinne- zu sein scheint, über diesen Punkt den Regierungen einen unversöhnlichen Krieg zu machen. Man wird England und Frankreich sagen, waS Guizvt dem letzter» schon einmal gesagt hat: sie seien reich genug, ihren Ruhm zu bezahlen. Bei alledem ist es doch möglich, daß in dem fünften Artikel noch Foderungen lauern, geheime Verbindlichkeiten gegen Schweden u. dergl., über deren friedestörendc - Macht man nicht urtheilen kann, ohne sie zu kennen. Es sieht Lord Pal merston sehr ähnlich, daß er mit der ringeschobenen Koderung der Grenz- regusirung in Bessarabien die Annahme der Kriedensbedingungen habe er- schweren wollen; «S ist möglich, daß er versucht, mit noch einigen trioits dieser Art die Verhandlungen zu kreuzen; und nichts ist in der That leich ter, als daß au- solch einem Spiel des bösen Willens auf ein« und der Empfindlichkeit auf der andern Seite sich neue Verwickelungen «geben. Aber wahrscheinlich kann man eS nicht finden, daß nicht auch sie gelöst werden sollten. Wenn nun aber auf die gestellten Bedingungen hin Friede wird, hat man Recht, ihn «inen faulen Frieden zu nennen und ihn als einen fölchen zu fürchten? Ist nicht wenigstens auf lange Zeit hinan- Rußlands an greifende Macht gebrochen? Ist nicht die Türkei sicherer gestellt al- je zu vor? Ist nicht der Nimbus der gefährlichen Kriegsstärke Rußlands zer flossen ? Und so kann man noch in einem langen Athem fortfragen, w«Nn man sich Mit faulem Trost« trösten will. Rußland hat sein« Flotte im Schwarzen Meere eingebüßt, und dies schimpflich. Ein Verlust ist die- gewiß, an Material, an Macht und Mit teln, und an Ehre. Aber daß die Flotte ohnehin nicht- taugte, geht yus der Art ihres Verlustes hervor; insofern ist daran nicht- Wesentliches ver- loren worden. Mit seiner Flotte wäre Rußland Konstantinopel nie gefähr- lich geworden. Seine Landmacht, seine Macht über die Lande bleibt un gebrochen. Sein kräftig« Fuß in Asien, der so leicht wäre für imm« zu unterschlagen gewesen, steht fester als zuvor. Sein unmittelbarer und ver tragsmäßig gestatteter Einfluß in der Türkei geht verlor««; aber der mit telbare, der vertragswidrige, wird nun beginnen. Und solang« e- grirchi- sche Religion gibt, wird eS im Orient russische Gesinnung geben. Der russische Einfluß aber auf die christlich« Bevölkerung, ob er offen sei oder heimlich, gesetzlich oder ungesetzlich, wird um so größer werden, j« mehr von dem FriedenScongreffe Emancipationsartikel für die christlichen Unter- thanen der Pforte werden stipulirt werden. Rußland wird am Schwarzen Meere keine See- und Kriegsarsenale mehr haben, ab« an den Flußmün dungen wird mgn sie ihm nicht wehren. Es werden Consiiln überall in den Häfen sein, d«r Handel wird sich, zum unermeßlichen Bortheil Deutsch lands, sagt man uns au- Wien, heben; aber Rußland wird daraus doch auch, und nicht eben den kleinsten Vorthell ziehen. Kurz, man wird sich wahrscheinlich sehr täuschen, wenn man glaubt, daß Rußland im Orient einen großen, schwer verwindlichen Schlag erlitten hätte. Man vergißt die ungeheure Heilkraft in der Natur eines Volks- und Staat-lebenS, wenn man sich so täuschen läßt. Was hatte Frankreich für unermeßliche Verluste 1814 und 1815 erduldet! Schon 1815 war es zu einem neuen Kriegsbunde gegen Rußland bereit! Aber es sei, daß eS einen solchen Schlag gleichwol und unwidersprechlich erlitten hätte? dann nur um so schlimmer zunächst für uns in Deutschland! Dem amphibischen Rußland, wollen wir sagen, sei eine Floss«, mit der es in das Schwarze Meer reichte, zerschlagen; «ine andere, mit der es ins Weiße Meer reichte, sei ihm durch den Vertrag mit Schweden, und vielleicht durch geheime Artikel über Bomarsund, be schnitten. DaS Ungethüm wird also mit Gewalt zum Landthier gemacht. Seine bisher verschwendeten Flottenmittel werd«» flüssig für Beschaffung von Landkrieg-mitteln. Die Gefahr, wenn sie wirklich an der Peripherie de- großen Reiche- gedämpft ist, droht nun von dem Mittelpunkte aus. Rußland aber hat eben jetzt erfahren, daß seine größte Schwäch« eben in seinem Umfang liegt, und in der mangelnden Verbindung des Innern mit den Grenzen. Wer je Gelegenheit hatte, in diese« zwei Jahren Russen zu sprechen, der konnte erfahren, wie sie knirschten über die Versäunmiß, daß man, unter so vielen Vorbereitungen für eine Westeroberung, dir hauptsächlichste, di« Ueberwindung deS Raumes, nicht getroffen hatte. Ruß land wird demnach alle seine Mittel demnächst auf ein ungeheure- Netz von Eisenbahnen verwenden. Sie werden alle zu militärischen Zwecken und Zielpunkten gebaut sein. Sie werden auf di« bevölkertsten, der Eivilisation am nächsten gelegenen Provinzen convergiren, d. h. auf Polen, das zu- gleich die festeste Kriegöposition ist. Die Rufsificirung dieses Lande- wird um so schnell« vor sich gehen. Der Punkt ab«, wo Rußland am schwer sten drückt, wird nun nicht mehr der Orient, sondern Deutschland sein. Der verletzte Stolz, der gereizte Patriotismus, der Stachel der Rachsucht, wie wird «r nun erst in dem Russen operiren, der sich getwmüchigt, aber nicht geschwächt fühlt. Denn die »nermeßlichen Machtmittel, die Rußland aufgespeichert hat in den letzten Jahrzehnden, sie sind leider durch di«sen Krieg, der sie zerstören sollte, erst recht zutage gekommen, überall, wo man antupfle in dem Ländergürtel dreier Weltthcile, in Archangel, in Finnland, in Transkaukasien, in Kronstadt oder Kamtschatka. Wie leicht wird man diese Macht durch ein Bündniß verdoppeln können! Richt wid«r die West- mächte, sondern mit Einer Westmacht. Mit den KritgSkosten, soll Ludwig