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DRESDNER PHILHARMONIE nenschein und kühler, grüner Schatten. Am Wörther See muß es doch schön sein.“ Vielleicht hören auch wir mehr die innere Heiterkeit heraus, denn sie ist die heiterste sinfonische Komposition des Meisters ohne Zweifel. Aber sie nur „heiter“ zu nennen, reicht denn wohl doch nicht, jeden falls nicht bei genauerem Hinhören. Es sind noch andere Töne darin, lyrische, schmerzlich-süße, sehnsuchtsvolle. Sie ist von grandiosen Kontra sten erfüllt, pendelt oftmals zwischen den Ton geschlechtern Dur und Moll, ist gelegentlich nicht erfaß- und deutbar. Brahms selbst, gewiß übertreibend, ließ seinen Verleger wissen, er ha be „nie etwas so Trauriges, Molliges geschrieben, die Partitur muß mit Trauerrand erscheinen“, nannte sie gar „das neue liebliche Ungeheuer“. War ihm das Werk vielleicht selbst nicht geheu er? Wir bemerken sehr bald, daß die vordergrün- | dige Heiterkeit auf unnennbare Weise gebrochen ist. Wo Licht ist, entsteht auch Schatten. Tiefem Glücksgefühl sind Tränen nicht fremd. Clara hat es empfunden, schon beim Lesen der Partitur. Gustav Mahler, der Komponist des Weltschmer- | zes, knüpfte später hier an. Doch dessen Gebro chenheit von Glück und Schmerz, Naturbild und Sehnsucht wird allerdings bis zur tragischen Zerrissenheit, bis zum Schrei des Individuums ge gen die Scheinheiligkeiten der Welt gesteigert. | Brahms hingegen deutet nur an, läßt uns nur er ahnen, was ihn bewegt. Er selbst lebte in seiner Natur und atmete dort tief durch, heiter und gelöst mit Geduld und Gelassenheit und einem | unbändigen Humor, einem etwas sarkastischen | allerdings. Vielleicht ist auch etwas stille Schwer mut dabei. Norddeutsches Blut? Wir sind ge neigt, solche Musik zu hinterfragen, zu interpre tieren, etwas in sie hineinzudeuten und sollten | doch einfach mehr hinhören, jeder in seiner Weise, jeder auf sein eigenes Herz. Nur so wird verständlich, was uns der Meister wirklich dar- | bringt. Lassen wir uns doch einfach nur berühren. Die Sinfonie erlebte ihre begeistert aufge nommene Urauffüh rung am 30. Dezember 1877 in Wien unter Hans Richter. Der dritte Satz mußte wiederholt werden.