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ZUR EINFÜHRUNG Das sinfonische In der Geschichte des Klavierkonzerts Konzert nehmen die beiden Werke von Johan nes Brahms nicht nur durch ihre Quali tät,sondern mindestens ebensosehr durch ihren Stellenwert in der Gattungs geschichte wie in der künstlerischen Ent wicklung des Komponisten eine Sonder stellung ein. Mildern d-Moll-Konzert, das Brahms im Jahre 1 857 fertigstellte und dessen Vollendung für ihn zeitweise zum Grundproblem seiner künstlerischen Exi stenz wurde, schrieb der junge Brahms sich frei von den Konflikten, die ihn seit dem Ende seiner Hamburger Jugend- und Lehrjahre bedrängten und deren Bewältigung er - nachdem die Entschei dung gefallen war, schaffender, nicht nachschaffender Künstler, Komponist, nicht Pianist zu sein - nur im musika lischen Werk zu finden glaubte, obwohl oder gerade weil sich in ihnen private und künstlerische Probleme unlösbar ver banden. Die Enstehungsgeschichte des Konzertes spiegelt überdeutlich die Qua len wider, unter denen diese Konflikt bewältigung sich vollzog. Ihr Ergebnis war ein Werk, das gewiß nicht schlak- kenlos gelungen war, das aber schon durch seine Unmittelbarkeit niemanden gleichgültig lassen konnte, der ihm be gegnete; ein Werk, das Ernst machte mit dem Anspruch, das Klavierkonzert auf die Ebene der Sinfonie zu heben und das damit einen neuen Ton in die Konzertliteratur der Jahrhundertmitte brachte, auch wenn es seinen eigenen Anspruch nur erst emotional, nicht for mal und technisch ganz erfüllen konnte. Am d-Moll-Konzert schieden sich die kri tischen Geister und die musikalische Öffentlichkeit - mit ihm geriet Brahms, der zuvor als Pianist und Komponist freundlich aufgenommen, wenn auch nicht als das kommende Genie erkannt worden war, als das ihn Schumanns pro phetischer Aufsatz „Neue Bahnen" 1853 angekündigt hatte, zum ersten Male mitten in den Kampf der Kunst parteien, und mit ihm wurde zum er sten Mal deutlich, daß hier tatsächlich ein Komponist heranwuchs, an dem sich die Zukunft der Musik entscheiden wür de. Das d-moll-Konzert ist in seiner ganzen Eigenart kaum zu verstehen, wenn man es nicht vor dem Hintergrund jener Wer ke, die ihm unmittelbar vorangingen, und vor seinem biographischen Hinter grund sieht. 1 852 und Anfang 1 853 hatte Brahms mit der fis-Moll-Sonate opus 2 und der C-Dur-Sonate opus 1 begonnen, sich die zyklische Sonatenform in dem jenigen Klangmedium zu erarbeiten, das ihm von seiner pianistischen Praxis her am nächsten lag. Übersteigertes, seiner Mittel noch nicht sicheres Ausdrucks streben, die Entwicklung des typisch „brahmsischen", vollgriffigen Klavier satzes, die von Liszt und vor allem wohl von Henry Litolff beeinflußt war, und die Auseinandersetzung mit Beethoven hatten den ungeduldig nach seinem ei genen Stil suchenden Komponisten schon hier an die Grenzen des Instru ments und der Gattung Sonate gebracht - rigorose thematische Vereinheitlichung des Zyklus, rigorose thematische Arbeit und kontrapunktische Überlastung des Satzes und zugleich der Versuch, indivi duellen Ausdruck durch Zitate und As soziationen (vor allem an Volkslieder) zu konkretisieren, waren weniger Lösungen der selbstgestellten Aufgabe als krisen hafte Überspitzungen der Probleme, die vor allem seit Liszts 1 852 erschienener h-Moll-Sonate offenkundig geworden waren. Vollends krisenhaft aber wurde Brahms' Situation durch die beiden biographisch einschneidenden Erlebnisse im Jahre