zarte Klänge im Pianopianissimo fast zu ersterben scheinen. Doch mit einem neuen Staccatomotiv braust die Musik erneut auf und vollendet damit die Exposition, die noch einmal wiederholt wird. Am Beginn der Durchführung steht zunächst kraftvoll das Hauptthema, welches jedoch allmählich verebbt und vom Staccatomotiv abgelöst wird. Neue choralartige Wendun gen treten ergänzend hinzu, bevor das chro matische Einleitungsthema wieder die Ober hand gewinnt. Mit wuchtigen abwärts gerichteten Läufen wird schließlich die Re prise eröffnet.. Auch die knappe Coda wird im wesentlichen von der Einleitungschroma- tik im Zusammenspiel mit dem aufwärt- strebenden Hauptthema getragen. Nach einer kurzen Steigerung zum Forte klingt der Satz verhalten aus. Die beiden Mittelsätze sind vom Umfang her äußerst knapp angelegt und folgen beide der dreiteiligen Liedform. Mit einer weitaus ladenden Melodie der Streicher beginnt der zweite Satz (Andante sostenuto), ein lyrisches Oboensolo leitet schon bald zum bewegte ren Mittelteil über. Wiegende Sechzehntel figuren sind hier das bestimmende Element. Der expressive dritte Teil erhält seine beson dere Wirkung durch den Einsatz der Solo violine, die den romantischen Charakter dieses Satzes eindrucksvoll unterstreicht. In einem Brief vom Februar 1877 schrieb Clara Schumann an Brahms: „Im dritten Satz war mir immer der Schluß nicht ganz be friedigend, gar so kurz." Tatsächlich er scheint dieser Satz (Un poco Allegretto e grazioso) wie eine kurze, freundliche Epi sode innerhalb der gewaltigen Sinfonie. Eine pastoral anmutende Klarinettenmelodie wird nach wenigen Takten von den Streichern übernommen und im weiteren Verlauf von punktierten Terzen der Holzbläser abgelöst, die direkt zum Mittelteil überleiten. Die Mu sik erlebt hier eine allmähliche Steigerung zu einer fröhlich-ausgelassenen Stimmung im kräftigen Fortissimo. Im tatsächlich äu ßerst knappen Schlußteil tritt wieder das Anfangsthema in den Vordergrund, nun al lerdings in verkürzter Form, daneben finden auch die Terzenketten des Mittelteils noch einmal Verwendung. Ein fastaprupt erschei nender Abschluß beendet diesen äußerst stimmungsvollen Satz. Trotz heftiger Auseinandersetzungen um das Gesamtwerk - in einem Punkt waren sich Brahms' Zeitgenossen einig: das absolute Meisterstück der 1. Sinfonie ist der monu mentale vierte Satz. Auch diesem steht eine langsame Einleitung voran. Motive des Hauptthemas im Allegro-Teil werden hier bereits vorweggenommen, allerdings in Moll und von Chromatik (man denke an die Ein leitung des ersten Satzes!) durchsetzt. Pizzicato-Figuren und stürmische Zweiund- dreißigstel-Bewegungen in den Streichern leiten zu einer majestätischen Hornmelodie (der „Alphornweise") über, deren Wieder holung nach einem kurzen choralarfigen Posaunenzwischenspiel direkt zum Allegro- Teil übergeht. Das weit ausladende Haupt thema erklingt nun in vollem Glanz, zunächst in den Streichern, dann von den Holzblä sern übernommen-die Bezüge zur 9. Sinfo nie Beethovens treten in diesem Thema mit den Anklängen von „Freude schöner Götter funken" nur allzu deutlich hervor. Eine kur ze Episode bringt die „Alphornweise" wie der, dann führen die Violinen das in Achtel figuren schwingende G-Dur-Seitenthema ein, dem sich noch zwei weitere neue Motive hin zugesellen. Den Durchführungsteil eröffnet das Hauptthema, aus dessen einzelnen Elemen ten sich eine dramatische Steigerung hin zum plötzlichen Einsatz des „Alphornthemas" voll zieht. Unmittelbar schließt sich mit dem Seiten thema die Reprise an, deren nochmals lei denschaftlich aufwallende Klänge gipfeln im stampfenden FortissimoEinsalz der Coda. Die Musik rückt nun den der Einleitung entnom menen Choralentwurf der Posaunen in den Mittelpunkt, der hier vom ganzen Orchester übernommen wird und fast Brucknersche Züge annimmt. Im triumphalen Fortissimo endet die Sinfonie. Der 4. Satz und seine Bezüge zur 9. Sinfonie Beethovens.