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„leichter" Musik. Er nahm alle Mu sik ernst. Einflüsse populärer Musik und des Jazz durchziehen alle sei ne Werke, bei einer durchaus kon servativen Treue zur tonalen Tradi tion. Davon zeugt auch das Diver timento für Orchester. Gleich zeitig ist es nostalgischer Ausdruck seiner Liebe zur Stadt seiner Jugend zeit - Boston. Es entstand zur Hun dertjahrfeier des Boston Symphony Orchestra (BSO) und wurde von diesem zur Eröffnung seiner Zente- nariumsspielzeit am 25. September 1980 in der Symphony Hall Boston unter Leitung von Seiji Ozawa ur- aufgeführt. Es handelt sich um eine Folge von acht knappen, zumeist tänzerischen Sätzen, von denen in unsererer Aufführung fünf erklingen (ausgespart sind die Nummern 3,4 und 6). Die Grundlage aller thema tischen Gedanken des Werkes sind die Töne B (für Boston) und C (für centennial = hundertjährig). Die einzelnen Sätze haben Variations charakter, vereinen diatonische und dodekaphone Elemente; ihr Aus druck ist teils wehmütig, teils kraft voll stolz. Bernstein verwendet eine große Orchesterbesetzung, läßt aber die Instrumentengruppen häu fig solistisch spielen: den Walzer die Streicher, den Blues Blechbläser und Schlagzeug. Die Bezeichnung des Eröffnungsatzes mit „Sennets and Tuckets" (Trompeten- und Horn signale) verweist auf die Fanfaren, mit der das Theater der Shake speare-Zeit den Beginn des Spiels bzw. Szenenwechsel ankündigte. Bereichert wird die Partitur durch Hinweise, Andeutungen und Zitate aus eben jenem Repertoire, das er in seiner Jugend in der Bostoner Symphony Hall unter Arthur Fied ler hörte (z.B. ist der „Turkey Trot" eine Ragtime-Tanzart aus der Zeit des 1. Weltkrieges). Die Andante- Einleitung des mit „In Memoriam" betitelten Abschlußmarsches schließlich ist eine leise Meditation für drei Flöten, erinnernd an ehe malige Dirigenten und Mitglieder des BSO. Bernstein selbst zur Widmung sei nes Werkes: „Als Strawinsky die 'Psalmensinfonie' schrieb - auf Er suchen des BSO zu dessen fünf zigstem Geburtstag - widmete er das Werk dem Lobe Gottes und des BSO. Diese Dedikation löste damals eine geistreiche Reaktion aus: 'So läßt sich auf einmal zwei Herren dienen.' Ich möchte seinem Beispiel mit der nachstehenden doppelten Widmung folgen: 'Dem BSO und meiner Mutter'. Oder ich kann ihn auch noch mit einer dreifachen Dedikation übertreffen: 'Dem Bosto ner Sinfonieorchester, meiner Mut ter und der Stadt meiner Jugend - Boston'." Spieldauer: ca. 12 Minuten 17