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ZUR EINFÜHRUNG Der Komponist Bernstein stand immer im Schatten des großen Dirigenten - zu unrecht und Dimifri Mitropoulos kennen - letzterer verschaffte ihm schließlich die Aufnahme ins Curtis Institute of Music in Philadelphia. Nach einem Jahr ging Bernstein als Schüler nach Tanglewood zu Serge Kussewitzky. Langsam führte er sich dann in das Musikleben von New York ein. Der Durchbruch kam buchstäblich über Nacht, als er im November 1943 bei den New Yorker Philharmoni kern für den erkrankten Bruno Wal ter einsprang. Er hatte triumphalen Erfolg, das Publikum jubelte, die Kritiker waren begeistert. Fast al les, was er seit dem unternahm, wur de zur Angelegenheit des öffentli chen Interesses, er wurde zur „All- round-Persönlichkeit". Und doch liest man in einem Nachruf zu sei nem Tode, geschrieben von seinem engen Freund Marcel Prawy (Dra maturg in Wien und Übersetzer al ler Theaterwerke Bernsteins ins Deutsche): er war ein „...die gan ze Welt umarmender großer Einsa mer." Besonders der Komponist Bernstein stand immer ein wenig im Schatten des großen Dirigenten. Zwar gaben selbst erbittertste Kritiker zu, daß er ein Meister von Flarmonie, Kontra punkt, Orchestrierung und aller son stigen Elemente des musikalischen FJandwerks sei, trotzdem fanden seine Werke - abgesehen einmal vom Welterfolg „West Side Story" - weniger Beachtung als seine Dirigate. Von den etwa 75 Werken verschiedenster Gattungen wurden nicht alle veröffentlicht; vor allem seine Kammermusik und sein Lied schaffen sucht man auf den inter nationalen Konzertprogrammen vergeblich. Dazu noch einmal Mar cel Prawy: „Als Dirigent wurde er von der ganzen Welt geliebt, be wundert und auch verstanden. Als Komponist wurde er schmählich un terschätzt.... Und die professionel le Avantgarde ignorierte ihn völ lig....Fiat er vielleicht zuviel Melo die ? Seine Musik wurde in das Ghetto seiner eigenen Dirigate ver bannt..." In einem weiteren Nachruf („Das Orchester", 12/1990) ist zu lesen: „Die Frage, ob Bernstein mehr dem Dirigieren oder dem Komponieren zuneigte, läßt sich kaum beantwor ten. Im Verlaufe seiner künstleri schen Laufbahn hat er mehrfach beschlossen, das Dirigieren weitge hend einzuschränken, um sich auf neue Kompositionen konzentrieren zu können. Er hat diese Entschei dung immer wieder revidiert. Sein kompositorisches Oeuvre umfaßt ei-ne Oper, fünf Musicals, mehrere Ballette, drei Sinfonien sowie wei tere Orchestermusik, Kammermusik, Klavierstücke und Vokalmusik....Von 1957 an stand indessen eindeutig das Dirigieren im Vordergrund...." Hieraus erklärt sich auch, warum das 1980 entstandene „Divertimen to" als Spätwerk gelten muß. Er komponierte bis zu seinem Tod 1990 - fünf Tage nach der Ankün digung, sich endgültig vom Dirigen tenpult zurückziehen zu müssen - zunehmend seltener. Bernstein kannte keinen Unter schied zwischen „ernster" und