Volltext Seite (XML)
Zum Programm DRESDNER C PHILHARMONIE E s kann wohl als Besonderheit angesehen werden, gleich zwei Meßkompositionen in nerhalb eines philharmonischen Konzertes zu erleben. Ihrem Ursprung nach hat die Messe ei ne reine liturgische Funktion und bezieht ihre Bedeutung aus dem Andenken an das Erlö sungsleiden Jesu Christi, seinem Kreuzesopfer. Die Aufführung des in Musik gefaßten Meß- ordinariums aber ist schon längst nicht mehr allein an eine kirchliche Handlung gebunden. Das geistliche Werk als ein außergewöhnliches musikalisches Ereignis in den Konzertsaal zu bringen, hat sich längst eingebürgert und wird heute kaum mehr als Sakrileg betrachtet. Und dennoch ist es ungewöhnlich, gleich zwei Messen innerhalb eines Konzertes aufzuführen. Das mögen aber - denken wir - die rein mu sikalischen Überlegungen rechtfertigen. Giacomo Puccini, uns allen bekannt als bedeu tender Opernkomponist, komponierte als jun ger Mann sein einziges geistliches Chorwerk von Bedeutung, die „Messa di Gloria“, wie das Werk nachträglich genannt wurde. Wir werden eine Musik erleben, die ebenso den zukünfti gen Melodiker wie auch den späteren Opern komponisten erahnen läßt, der es verstand, je den vorgegebenen Text musikalisch genial in eine bildhafte Szene zu verwandeln, voller Suggestivkraft und Gefühl. Ganz anders begegnet uns die Schubert-Messe, ein Werk des reifen Meisters, entstanden in des sen Todesjahr. Obwohl Schubert für sich eine strenge Textauslegung ablehnte - der Meßtext gilt seit alters her als unveränderbar - und sich auch in seiner musikalischen Ausdeutung kei neswegs an dem absoluten Ideal der höfischen Kirchenmusik orientierte, ist doch sein naiv-re ligiöses Herzensanliegen, seine Treuherzigkeit aus jedem Takt zu erspüren, darüber hinaus aber auch ein zutiefst persönliches Bekenntnis, das selbst die Kategorien geistlich-weltlich zu überwinden scheint.