Volltext Seite (XML)
von der andern vertheidigt wird. Daß der Verfasser seine eignen An sichten dem Neffen in den Mund gelegt, bedarf kaum der Erwähnung; das Ende des Liedes oder des Gesprächs ist die Bekehrung des Onkels zur conscrvativen Kirche. Die Schrift war unstreitig nicht ohne Talent abgefaßt, zeichnete sich aber weder durch ihren Inhalt noch durch ihre Form auf irgend eine Weise aus. Im Kampfe, den der Verfasser zwi schen den beiden politischen Gegnern anspinnt, war der Sieg von vorn herein gegeben, und eö gehört eben kein außerordentlicher Scharfsinn, keine übernatürliche Dialektik dazu, um in einem Streite zwischen einem Anhänger der conscrvativen Partei und einem der dynastischen Opposition jenem den Sieg zu erringen. Wenn die Schrift dennoch einiges Auf sehen zur Zeit machte, besonders in der erstgenannten Partei, so geschah dies mehr der Thatsachc selbst als des literarischen oder publicistischcn Verdienstes halber. Der Opposition ward nie entschiedener der Text ge lesen, und die herrschende Partei, besonders die in ihr regsamen jungen Elemente nie bestimmter als die einzig Berufenen, die Julirevolution, „die sie gerettet haben", organisch weiter zu entwickeln, hingcstellt. Der anonyme Verfasser, der es ohnehin nicht darauf angelegt hatte, Ler politischen Welt ewig unbekannt zu bleiben, was sich schon daraus vermuthcn läßt, daß Schreiber dieser Zeilen die Probebogen der Flugschrift zur Einsicht bekam, ward bald in den Reihen seiner politischen Freunde genannt und bekannt, und hatte durch ihre Vermittlung die Ehre, Hrn. Guizot vorgestellt zu werden. Ob die Eitelkeit des jungen Mannes, Hr. Chaudey ist etwa 24 Jahre alt, dabei seine ganze Rechnung fand, weiß ich Nicht, denn wenn ich nicht irre, hoffte er auf ein rothcs Bändchen, das ich noch immer in seinem Knopflochc vermisse. Wie Dem auch sein mag, fanden sich gleich beim Erscheinen des Büchleins seine positiven In teressen benachtheiligt, was Hrn. Chaudey, da er von Haus aus kein Idea list ist, nicht gleichgültig gewesen sein mochte. Bevor er nämlich in die publicistischcn Schranken trat, war Hr. Chaudey Mitarbeiter am literari schen Feuilleton der «Presse», in der fraglichen Flugschrift aber stellte er Talent und Einfluß des Journal des Debats weit über die Leistungen des Girardin'schen Blattes. War dieses übrigens nicht unrichtige Urtheil der reine Ausdruck seines Geschmacks, oder beabsichtigte er, wie böse Zungen behaupten, sich dem Journal des Debats höflichst zu empfehlen? Das mag ich nicht untersuchen, aber so viel ist Thatsache, daß seitdem Hr. Girardin ihn verabschiedet und Hr. Bertin zur Theilnahme an seinem Blatte nicht aufgefodert hat, Hr. Chaudey also, wenn er wirklich die ange deutete Absicht hattet das Schicksal jenes unglücklichen Hundes in der Fabel erfuhr, der, um das Fleisch im Spiegel des Wassers zu erhaschen, den eignen guten Bissen den Zähnen entwischen läßt. Für diesen Verlust ward ihm keine andere Entschädigung, als daß er vor einigen Monaten dem erlauchten Beschützer der conscrvativen Progressisten, dem Herzoge von Nemours, vorgestellt zu werden die Ehre hatte, der ihn in Gesell schaft von andern bedeutenden jungen Schriftstellern sehr huldreich und freundlich aufnahm. Wie sehr aber auch Hr. Chaudey diese Ehre zu schätzen weiß, fand er doch, daß sie keinen positiven Gehalt habe, daß sie ihm bishrr weder ein Amt noch ein Blatt geöffnet, und daß sein Talent ein Gebiet bedürfe, auf dem eS sich entfalten könnte. Da ihm aber die «Presse» verschlossen^ und das Journal des Debats nicht geöffnet ward, sah sich seine Strebsamkeit darauf angewiesen, an den Thüren des Con- stitutionnel anzuklopfcn, dem kein Gast willkommener sein konnte als eben Hr. Chaudey. Der Angriff dieses Blattes auf den «Conservateur» von 1846 war also eine zwischen der Rcdaction und ihm abgekartete Sache und soll einerseits dazu dienen, an eine bevorstehende Spaltung der Ma jorität glauben zu machen, andererseits den Eintritt deS Progressisten in Lie Reihen des Hrn. Thiers zu rechtfertigen. Aus dem Gesagten wird man leicht ersehen können, ob dieser Uebertritt eines ziemlich unbedeuten den Journalisten irgend einen Einfluß auf die Entschlüsse der ganzen Par tei, für die er früher das Wort geführt, haben könne, und ob sie etwa seinem Aufrufe, wie er unter die Fahne des Hrn. Thiers sich zu stellen, Gehör geben werde. Schweiz. Zu Erfenbach im Canton Bern fand auf Veranstaltung des Rcgicrungsstatthalters Karlen am I. April eine Trauerfei er für die vor zwei Jahren im Frcischarenzuge Gefallenen statt. In dieser Ver sammlung wurde auch, schreibt das Thuner Blatt, das „Treiben einiger Geistlichen beleuchtet, welche unter dem Deckmantel der Religion Haß, Zwietracht und Mistrauen gegen die Regierung säen, um zu ihren selbst süchtigen politischen Zwecken zu gelangen". Man beschloß eine Vorstellung an den großen Rath mit folgenden Schlüssen: I) Verhinderung dieses Treibens der Geistlichen, namentlich von der Kanzel, periodische Wahl und bindendes Vorschlagsrecht von Seiten der Gemeinden. 2) Austrei bung der Jesuiten und Auflösung des Sondcrbundes." Bei gleichem Anlässe wurden auch die Armen nicht vergessen; man saßte Beschlüsse über die Art und Weise, wie ihnen am zweckmäßigsten geholfen werden köync und solle. (N. Z.-Z.) Btalien. Aus Benodig vom 3V. März schreibt man der Kölnischen Zei-, jung: „Der Herzog von Modena entfaltet in seinem Ländchen die regste Sorgfalt zur Verhütung von Ausbrüchen materieller Unzufrieden heit. Auf Befehl des Herzogs haben alle Gemeinden den Bau von Nebenstra ßen unternommen, wozu aus der herzoglichen Kasse ein Zuschuß erfolgte, unr nur recht viele Leute beschäftigen zu können. Ueberhaupt wurden in allen Di strictshauptorten Arbeitshäuser errichtet, worin brotlose Arbeiter gegen Ge währung einer Schlafstelle, einer Suppenportion und eines kleinen Tag- lohnß Beschäftigung bekommen. Um die untern Klassen vom Drucke der hohen Getreideprcise zu befreien, ist der Monte Annonario, jener von Franz IV. gegründete große Getreidespeicher, geöffnet worden, auß dem bis letzten Juni l. I. an alle als dürftig erkannten Personen täglich 2 Pfund Mais - und Weizenmehl pr. Kopf zu sehr mäßigen Preisen verabfolgt werden. — Die Krankheit des Königs von Sardinien, eine hef tige Halsentzündung, war weniger gefährlich, als die Hofärztc dieselbe aus guten Gründen zu machen suchten; allein aus dem Aufsehen, wel ches die plötzliche Erkrankung dieses Monarchen auf der ganzen Halbin sel erregte, mag man ermessen, welche Bedeutung gegenwärtig Sardinien in der Stellung der italienischen Politik cinnimmt, deren Träger eben die Höfe zu Rom und Turin sind." — Von Nizza wird gemeldet, daß der Jnfant Don Enrique dort zwei Tage verweilte, während welcher der Graf v. Castellar mit seinen zwei Schwestern ankam, worauf Alle gemeinschaftlich die Reise nach Rom fortsctztcn, wo der Jnfant vom Papste die Einsegnung seiner Ehe mit deS Grafen ältester Schwester zu erlangen hofft. *NoiN, 30. März. Das Rundschreiben des Cardinal-StaatS- secrctairs Gizzi vom 7. Jan. d. I-, das die möglichste Concentration der Criminalgerichtsbarkeit in wenigere Tribunale verordnete und mehre Criminalgerichtc, wie in Rom das des Capitols, gänzlich abschaffte, brachte nachträglich dem Publicum zum ersten Mal eine fragmentarische gedruckte Einsicht in das Ausgabebudget des Justizministeriums. Cardinal Gizzi bemerkt auf dieser Einsicht: „Für die Erhaltung des Criminalgcrichtshofs der Sagra Consulta, des Uditorats der apostolischen Kammer, des Go- verno und des Capitols wurden jährlich aus dem Schatze 60,500 Scudi (02,000 Thlr.) verausgabt. Durch die Reformen dieser Tribunale ist über die Staatskassen durchaus keine neue Ausgabenlast gekommen, ungeachtet neue Beamte angestcllt wurden, die behufs der Prävention Criminalstati- stikcn anzufertigcn haben, und ungeachtet eine beschleunigte Procedur ein- gcführt ist, von welcher die Moral sowie der öffentliche Schatz wesent liche Vorthcile ziehen. Vielmehr hat diese frühere Summe ausgereicht, die Gehalte der Beamten zu erhöhen, 20 neue Richtcrstellen zu creiren, 17 davon mit einem monatlichen Solde von 45 Scudi und 3 mit 35 Scudi zu bedenken. Diese Stellen sind Männern übertragen worden, die sich im. Forum oder bei öffentlichen Concurscn um die Professur des Cri- minalrechts bei der Universität auszeichncten. Bei der Aufhebung des Criminalgcrichtshofs des Capitols ist der Erzbrüderschaft della Santissima Annunziata, welcher der jährliche Unterhalt derselben 600 Scudi kostete, diese Ausgabenlast für ihre eignen Zwecke überwiesen worden. Sie kann nun 20 arme römische Mädchen unbescholtenen Namens mehr als sonst durch diesen Zuwachs ihres Fonds aussteuern rc." Jenem für die Civilgesetz- verwaltung des Kirchenstaats so wichtigen Rundschreiben ist ein anderes vom 30. Jan. datirtcs gefolgt, durch welches die vom Papste verlangte Einsendung einer periodischen Criminalstatistik durch die Provinzialprqfi- dien anher näher bestimmt wird. Im Wesentlichen gibt Cardinal Gizzi den Behörden eine monatliche Controle aller cingeleitctcn schwebenden und entschiedenen Criminalprocesse ihrer Competenz auf und macht das gesammte Bcamtenpersonal vom Chef bis zum letzten Subalternen für die gefällten Urtel auf§ strengste verantwortlich. Achnliche Vorschriften sind für die Anfertigung von Gefängnißstatistiken gegeben. AuS dem Ganzen erhellt, daß die neue Negierung in diesen Reformen der Crimi nalgerichtc ein humanes Institut der Zucht durch sorgsame Ueberwachung des Verkommenden schaffen will, wo sonst starrer, unbiegsamcr Straf- rigor schaltete und waltete. Serbien. Der Erbprinz von Serbien, Suetozar, ist am 17. März in Bel grad gestorben. Türkei. Das am 23. März aus .Konstantinopel an die Höfe von Wien und Berlin abgescndete türkische Memorandum vom 22. März behält nunmehr, -wie cs scheint, blo§ ein geschichtliches Interesse, da der Sultan im Laufe des 24. März dem Reis-Efendi den Befehl ertheilte, dem Fürsten v. Metternich für dicDircctionen, wclcht derselbe an die österrcichischcnReprä- scntanten zu Stambul und Athen gerichtet hat und welche durch Vermitte lung der Jntcrnuntiatur in Konstantinopel zur Kcnntniß der Pforte und des Sultans gelangt sind, den Dank deS Großhcrrn auszusprcchen und dem Fürsten bekannt zu geben, daß die von dem Fürsten v. Metternich über die griechisch-türkische Differenz ausgesprochenen Ideen ganz mit je nen des Sultans übercinstimmeu, und daß der Sultan insbesondere den Gedanken einer momentanen Sendung deS Hrn. Muffurus, welche der Fürst bercgt habe, vollkommen theile. Da nun die Berichte aus Grie chenland keinen Zweifel zulassen, daß die erwähnten Dircctioncn auch in Athen den günstigsten Eindruck gemacht und daß der griechische Hof und