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1989 Und in der That scheinen mehre-der schuldigsten weltlichen Individuen schon in den Händen der Gerechtigkeit gewesen und von diesen selbst oder doch durch wissentliche oder unwissentliche Beihülfe derselben wieder das Weite gewonnen zu haben. So der berüchtigte Polizciagent Minardi And der Vicepolizcidirector Benvenuti, welche Beide vor wenigen Tagen rioch an der Grenze von Toseana und in den Maremmen umherirrten. Dagegen wurden der Oberst Frcddi und der Hauptmann Alai, Beide in activcm Dienste der Gendarmerie, in den Gebirgen bei Subiaco vom Ca rabiniere Guitte gefangen und vor mehren Tagen in die Engelsburg hier- cher geliefert. Damit begnügt sich indessen die liberale Partei und das Volk, welche sich Beide für als Opfer der Verschwörung zu fallen bestimmt halten, durchaus nicht, auch damit nicht, daß die Polizei bereits mehre Hundert Mitvcrschworene aus dem Volk in die Gefängnisse gesteckt und ihre gerichtliche Inquisition über alle Slädse des Kirchenstaats verbreitet hat, in denen sich kurz vor dem 17. Jul. ähnliche mysteriöse Bewegun gen unter den Beamten und den Polizeitruppcn gegen das Volk kund- Habcn wie in Rom. Volk und Liberale fahren vielmehr fort, durch öf fentliche gedruckte Anschläge in Straßen und auf Plätzen ihre Meinung über die Lage der Dinge nicht ohne Leidenschaft abzugcben und manchen hochstehenden Beamten als Thcilnchmcr oder Mitwisser um die beabsich tigte Katastrophe zu verdächtigen oder sogar zu proscribiren. Heute lasen wir im Corso ein dergleichen gedrucktes Publicat, welches lautet: „Wer hat nicht, wie sehr auch immer durch den schändlichsten unter uns kundgewordencn Verrath betäubt, die Stimme des Herrn vernommen, der sein Volk errettete und es zu seiner Erlösung aufricf? Wer hörte nicht seine feierlichen Worte: «Erhebe dich zu einer ruhmwürdigcn Freiheit, zu der hin meine Gerechtigkeit dich jetzt ruft! Es sind Jahrhunderte vergangen, in denen Leine Sünden getilgt wurden; ich habe nun der Ruchlosigkeit diner Unter drücker Grenzen gesteckt: ich gebe Pius IX. einen auserwählten Helfer, um mit Kraft die Verbesserungen deines beklagenswerthen Landes zu verwirk lichen. Tyrannische Politik ist ohnmächtig gegen meinen Willen.» Und sehen wir denn dieses Wunderwerk nicht in aller Wahrhaftigkeit vor unsern Au gen? Cardinal Ferretti, dieser legale Freund der Menschheit und Mann des Evangeliums, ist dem ungeschickten Cardinal Gizzi als Staatssccrctair gefolgt. Ich sage ungeschickt, um ihn nicht mit dem Gewichte der Facta zu beschweren, welche ihn anklagen. Nach so vieler göttlichen Gnade, so vieler Mäßigung, so vielem Unglück und der Treulosigkeit so vieler Henker wird der neue Minister gewiß nicht zulasscn, daß unser angcbcteter Fürst von fremder Politik länger betrogen und von unsern schändlichen Mördern hintergangen wird. Er weiß, daß ihn die Vorsehung, berief, von dem Blut uns zu reinigen, das an uns herabtricst; er wird'sich gewiß um daß ge meinsame Vaterland verdient machen. Er hat einen Bruder, der sein gan zes Leben der heiligen Sache widmete. Er hat einen unserer rechtschaffenen unterrichteten Mitbürger zum Governatorc bestellt. Er wird sich den sicili- schcn Vcrräthcr (Grassclini)'wahrlich nicht zum Muster nehmen. Er wird zuversichtlich dem Sinn unsers Papstes wie den Wünschen von uns Armen entsprechen. Von solcher Gewißheit beseelt, schwören wir, mit allem bürger lichen Muthe das Gesammtvolk auf der Bahn der Mäßigung und Legalität zu erhalten. Man wird uns zwar trotz alle Dem verwerfen', daß wir in illegaler Weise die Wahrheit und Gerechtigkeit sprechen lassen. Wir ver sprechen dagegen, daß dick nur geschehen wird, wenn es die Interessen des Volks erheischen, welche dieselben sind wie die des Papstes. Pius IX. und der Cardinal-Staatßsecretair werden uns von dieser Schuld, falls cs eine Schuld ist, frcisprechen, wenn sie ein anständigeres Preßgesctz gegeben haben. Der gegenwärtige Anschlag ist ein Resultat des öffentlichen Mis trauens, der öffentlichen Willkür und Unterdrückung. Jcvcrmann weiß, daß diese Anschläge nichts Anderes bezwecken wollten, als das dunkle Treiben -unserer Widersacher zu vereiteln. Um dem Governatore Morandi zu zeigen, daß wir zu einer und der selben Zeit Bürger und Christen sein können, so reichen wir, wie er es wünschte, dem Capitain Cavanna (dem jetzigen Commandeur der Gendarme rie an der Stelle des entwichenen Rardoni) die Hand. Er fodert Einigkeit, und wir fühlen das Bedürfniß, dieser edlen Federung entgegen zu kommen, uur reinige sich dieser Offizier von den Flecken, die ihn beschmuzen; er mache sich's zur heiligen Pflicht, einen neuen Wandel anzufangen. Die Zeit der Fin sterniß ist vorüber, wir leben jetzt im Hellen Tageslicht. Wir kennen sein vergangenes Leben vollkommen. Wir wissen sehr wohl, wie und weshalb der sicilische Räuber ihn unter uns zurückberief. Wir wissen, daß Jener sich des Capitains zu wichtigen Zwecken bediente und ihn deshalb schriftlich hier her beschick. Es sei dem Hauptmanne bekannt, daß wir großmüthig sein wollen, aber auch nicht länger betrogen. Bevor wir ihm unser Herz schen ken, muß cr sich dessen würdig machen. Wir wurden zu sehr und zu arg vcrrathen, um nicht vorsichtig zu sein. Der Hauptmann Cavanna gebe sich darum ganz dem Volk und Pius IX. hin, und das nicht, weil cs geschehen muß, und weil dies die einzig noch übrige Chance ist, sondern mit aufrich tigem Gewissen, mit Reue, und dann wollen wir rufen: Es lebe unser wic- dcrgekehrter Bruder! Civil- und Militairbcamtc, die ihr durch die Verworfenheit der Zeiten aus den Kreisen eurer Thätigkcit entfernt wurdet, gehet zu unserm großen Fürsten und klagt ihm die Bosheit unserer Mörder. Gebt ihm Aufklärung; sagt ihm, daß ihr keines andern Verbrechens halber unterdrückt wurdet, als weil ihr nicht Anhänger der wilden Grundsätze der Diener des Terrorismus fein wolltet. Civil- und Militairbcamtc, die als Führer oder Werkzeuge unscliger- weisc aus den verschiedensten Klassen der Gesellschaft Thcilnchmcr waren an der Verschwörung gegen das Volk, sind, um sich rein zu waschen, von den hohen und höchsten Stellen, die sie mit Unehrcn besudelten, abgetreten und haben sich selbst in das Gcfängniß begeben, um processirt zu werden und um von dem Resultate des Proccsscö die Strafen zu erwarten, welche ihre Verbrechen verdienen. Sic stellen sich zur Unzeit unschuldig, nachdem sic feige geworden. Möchten sich andere Mitschuldige nicht länger in dem Schat ten verbergen, welchen die Gestalten guter Bürger werfen. Wir kennen das Leben vmr Allen, und falle sie länger der Hoffnung sich hingeben, un- cntdeckt zu bleiben, und wofern sie sich stellen, als habe dieses Blatt auf sie keinen Bezug, so werden ww in einem nächsten Anschläge sic alle na mentlich anklagcn und dabei die thatsächlichen Gründe unserer Anklage ver öffentlichen. Bei der großen Aufregung des Volks mögen sie die traurigen Folgen fürchten, in welche sie ein öffentlicher Proccß verwickeln könnte. Wir wollen nicht Blut um Blut, aber wir wollen euch vor die Gerechtigkeit un- scrs Papstes Pius stellen; er wird christlich gerecht sein, wie sehr ihr ihn auch in euern heimlichen geistlichen Zusammenkünften für cincn untergescho benen Papst der Welt vorgestellt habt. Seid überzeugt, daß ihr der Ge sellschaft wiedergegeben werdet als unsere Brüder, wo man euch unschuldig findet; seid ihr aber schuldig, so werde das Unglück aus unserer Mitte entrückt." Rom, 3. Aug. Der zum Gcneralinspector der vorzüglichsten zwei Truppencorps der Carabinieri und Versalien ernannte Fürst P. Gabrielli gab heute folgenden Tagßbcfehl aus: „Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten! Nachdem der Unterzeichnete nach allerhöchster Bestimmung für den Augenblick mit der Leitung der zwei Corps der Carabinieri und Bersalicri ehrenvoll beauftragt worden, benachrichtigt cr euch, daß cr heute sein Amt übernimmt. Verschiedene Gründe, auch Ge sundheitsrücksichten, könnten ihn besorgen lassen, er möchte außer Stande sein, den Wünschen unsers geliebten Souverains zu entsprechen. Doch be ruhigt und ermuthigt ihn der Gedanke, daß man bei Truppen, welche die rechte Hand der bewaffneten Macht Sr. Heiligkeit sind, nur Pünktlichkeit, Disciplin und Einigkeit voraussctzen darf, daß er somit einen jeden unter euch als einen Helfer und als eine Stütze ansehen kann bei seinem Vorha ben, das Institut eures Corps auf seine ursprünglichen Bestimmungen zu- rückzuführen, wo cs sich nach der Art menschlicher Einrichtungen im Zeit- Verlauf von ihnen entfernt hätte und dadurch verderbt und befleckt wäre. Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten! Beweist euern Obern durch die That, daß ihre vorthcilhaftc Meinung von euch wirklich in einer musterhaften Pflicht erfüllung, in Tapferkeit und jener Klugheit begründet ist, welche in euch zu allen Zeiten vereint sein muß. Zeigt der Regierung, daß sie recht thut, wenn sie euch als die zwei vorzüglichsten Corps des Heeres ansieht; sucht Aus zeichnung und Belohnung bei ihr stets nur durch Verdienst nach. In die sem Sinne trachtet stets nach Einigkeit mit den übrigen Truppen; ihr vor allen andern habt das Beispiel der Eintracht zuerst zu geben. Verdient das Wohlwollen des Volks, das ihr schützen sollt. Man wird euch achten und lieben, wenn ihr, wie braven Militairs geziemt, Alles daran setzet, die öffent liche Ruhe zu erhalten. Ihr werdet euch d»r Gesellschaft und dem Vater lande nützlich machen, wenn ihr eingedenk seid, daß in der moralischen Tüch tigkeit eure Hauptstärke bestehen muß. Offiziere, Unteroffiziere und Solda ten! So lange der Unterzeichnete der obersten Leitung eurer Truppenabthei- lung vorstehen kann, werden Festigkeit und Gerechtigkeit ihn in Allem be stimmen, euch aber weist er auf Ordnung, Gehorsam und Ehre an, als die Hauptstützen in euch für sein Regiment. Fürst Gabrielli." (A.Z.) Düvkei. Konstantinopel, 28. Jul. Hrn. Churchill's in türkischer Sprache erscheinendes Neuigkcitsregister gibt in seiner Nummer vom 25. Jul. die mit dem Dampfboote der englischen Gesellschaft aus Trebisond angelangte Nachricht: Bcdrhan-Bey habe sich in der Bergvestc Orak gegen die Truppen der Regierung nur wenige Tage gehalten, dann aber capilulirt, Orak übergeben und sei gegenwärtig in Kelten geschlagen. Zwei Tage später berichtet das Konstantinopler Journal, der Kurdenaufrührer habe vor der Ucbergabe der Veste Orak an Osman-Pascha (der mit Omer- Pascha Angriff und Belagerung leitete) sich für seine Person und die sei ner Angehörigen Unversehrtheit des Lebens und Eigenthums ausbedungen. Nach der Angabe des letztem Blattes wäre Bcdrhan-Bey vom Armee korps unter starker Bedeckung schon abgcgangcn, um hierher cingeliefert zu werden. — Trübere Aussichten scheinen in Albanien vorhanden zu sein, und die dortigen Zustände bildeten letzte Woche Bcrathungsstoff für eine eigne Divanssitzung, von deren Ergebniß noch nichts bekannt ist, als daß man unmittelbar darauf den Kriegsrathspräsidcntcn Emin-Pascha nach Monastir absendete. Dschulcka war nach Zeilungsangaben noch un bewältigt im Gebirge, und ein auf StellungSkundschast vorgeschobener Trupp von 50 M. Rcgierungstruppcn sei niedcrgeschossen worden. In der türkisch-griechischen Differenz herrscht zeitweilig Stillstand, bis eine Antwort Kolettis' eingclaufcn sein wird auf das Ansinnen deS hiesi gen Ministers des Aeußcrn, das, wird anders recht berichtet, daraus hinge- gangcn wäre, den schriftlichen, bisher nie erzielten Ausdruck des Be dauerns über den bekannten Vorfall zu erlangen. — Der Sultan geneh migte vor kurzem die Thcilnahme der Judcnkindcr am Unterricht in der mcdicinischen Schule von Galata- Serai. (A. Z.) bereinigte Staaten von Mor-amerika. Ucbcr die Wirkung des seit I. Dec. v. I. in Kraft getretenen neuen Tarifs der Vereinigten Staaten wird mitgelhcilt, daß die Zollcinkünfte vom I. Dec. bis 10. Jun. die des gleichen Zeitraums unter dem alten Tarife von 18-12 um 1 Mill. Doll, übertroffen haben und daß die Ein nahmen noch in stetigem Steigen sind, sodaß die Voranschlagung des Schahsccretairs mehr als gerechtfertigt werden dürften. — Es war zu Anfang des Jahres, wo die letzten Auffoderungen zu Friedens Unterhandlungen von der Negierung der Vereinigten Staa ten an Mcjico gerichtet wurden. Dieses lehnte dieselben untcrm 22. Febr. in der gestern erwähnten Weise ab. Von Washington wurde darauf am 15. April mit Darlegung des Unstatthaften daran ausführlich erwidert und von Hrn. Trist'S Auftrag und Anwesenheit bei der Armee der Vcr-