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11 IV. Zwei Volkslieder aus dem Locheimer Liederbuch, für Mannerchor herausgegeben und bearbeitet von Gustav Schreck (Leipzig 1900k Das Locheimer Liederbuch ist ein Manuskript, uni 1450 geschrieben, das sich in der gräf lichen Bibliothek zu Wernigerode befindet. Das Lieder buch hat den Namen von dem Sammler der Melodien, Wolflein von Lochamen. Locham ist die alte Benennung eines niederbayrischen Dorfes, welches in dortiger Gegend noch immer Lochern genannt, aber in neuerer Zeit Locheini geschrieben wird. Die Handschrift besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil enhiilt neben 40 Liedern und Melodien aus der ernten Hälfte des 15. Jahr hunderts zugleich in einigen mehrstimmigen Tonsätzen den ältesten regel mässigen Kontrapunkt Deutschlands, und der zweite Teil enthält in progressiv geordneten Orgelsätzen die älteste Instrumentalmusik: Conrad Paumann’s Fundamentum Organisandi (1452). Über die grosse Bedeutung des Locheimer Liederbuches seien einige Sätze aus der gediegenen Arbeit angeführt: „Das Locheimer Liederbuch, übertragen und bearbeitet von Fr. W. Arnold und Heinr. Bellermann. Jahrbuch für musikalische Wissenschaft. 2. Band. Leipzig, Breitkopf & Härtel 1867“. Beinahe sämtliche Melodien des Lieder buches zeichnen sich durch prägnante Konstruktion des Motivs und strenge thematische Durchführung aus. Die reiche Rhythmik und die feine Satzbildung, wie sie uns in den Melodien des Locheimer Liederbuches entgegentritt, konnte sich ebensowenig aus dem Minnesang wie aus dem lateinischen Choralgesang entwickeln und muss demnach bloss den Volksgesang zur Quelle haben. Schon das 14. Jahrhundert war Deutschlands goldene Aera in Bezug auf volkstümliche Melodiebildung. Die köstlichen Weisen haben ihre alleinige Begründung in der Gemütswelt des deutschen Volkslebens und bilden noch heute, gleichviel ob bewusst oder unbewusst, den tiefinnersten Kern aller nationalen Kunstentfaltung. Durch die Dokumente des Locheimer Liederbuches wird bezeugt, dass Deutschland schon in der frühesten Zeit des 15. Jahrhunderts die ausgebildetsten Melodien besass und dass man bei ihrer Behandlung sich bereits von künstlerischen Intentionen leiten liess. 1. Ich fahr dahin. Ich fahr dahin, denn es muss sein, Ich scheid mich von der Liebsten mein. Zurück lass ich das Herze mein, Dieweil ich leb, so soll es sein. Ich fahr dahin.