Volltext Seite (XML)
1278 August in seinem Rechte sich befand oder nicht, und 2) wenn es sich in seinem Rechte befand, ob cS dasselbe entsprechend ausgcübt habe. Um Lie erste dieser Fragen beantworten zu können, genüge die Erörterung der beiden Fälle, die aber constatirt sein müßten, a) ob ein Tumult stattgefunden Habe, und K) ob das Militair von der Civilbchörde gesetzlicher Weise re- quirirt worden, oder von selbst einaeschritten sei. Der erste Punkt stehe fest; daß Tumult, verbunden mit Landfriedcnsbruch und Angriffen auf Personen und Eigenlhum stattgehabt, sei aus den Acten erwiesen; ebenso fest stehe der zweite, da ebenfalls actenmäßig dargethan, daß das Mili tair von der Civilbchörde requirirt worden sei. Unter diesen beiden Vorr auSsetzungen allein und ohne weitere Bedingungen sei der Gebrauch der Waffen von Seiten des Militairs bereits gesetzlich gerechtfertigt. Er halte sich für verpflichtet, dies hervorzuhebcn, da er die Ucberzeugung habe, die Kammer werde nur nach dem Gesetz entscheiden wollen. Das Tumultmandat vom Jahre 1791 verordne: „daß, wenn Tumult und Auf ruhr entstehe, die Obrigkeit nach Erfoderniß der Umstände auch die Mi liz zum Beistände zu requiriren habe, dem Unwesen mit Ernst und Nach druck begegnen, die Tumultuanten unter Vorstellung der zu gewarten habenden öeibes- und Lebcnsstrafcn von ihrem strafbaren Beginnen ab- mahncn und daß sic sich sofort auseinander und nach Hause begeben, be sttmmen, und wenn sie den Vorstellungen nicht Gehör geben, dieselben mit Anwendung der erfodcrlichen Gewalt, sollte cs auch mit Gefahr des Leibes und Lebens der Ungehorsamen und Widerspänstigen geschehen müssen, aus einander treiben solle". Ferner sei in dem Dienstreglcment für die sächsische Armee vom Jahre 1833 gesagt: „Bei entstehendem Tumult ist die Garnison auf Alarm sofort zu versammeln und Alles zum vollständigen Gebrauch ihrer Waffen Erfodcrliche zu veranstalten, die wirk liche thätige Anwendung derselben soll in der Regel nur auf Antrag der obrigkeitlichen Behörden eintrcten. In Nothfällcn aber hat auch der Garnisoncommandant nach seiner pflicdtmäßigcn Ucberzeugung unmittel baren Befehl dazu zu geben", und „wenn die Tumultuanten den nach Vorschrift des Mandats wegen Tumult und Aufruhr an sic zu erlassen den Ermahnungen der obrigkeitlichen oder Militairbehörden keine Folge leisten, oder sich der Communalgardc oder dem Militair thätlich wider setzen, soll der Gebrauch der Waffen gegen die Aufrührer gestaltet werden". Hieraus gingen zwei Fälle hervor, der cine, wenn die Behörde des Orts selbst da sei und das Militair requirire, und dann, wenn letzteres ohne Re quisition von selbst cinzuschrcitcn habe. Im crstcrn Falle mache das Gesetz die an die Tumultuanten zu erlassende Ermahnung der Ortsobrigkeit zur Pflicht, die Militairbehörden aber hätten diese Bestimmung des Tumult mandats bloß dann zu beachten, wenn von ihrer Seite freiwillig cinge- schritten werde. In der leipziger Angelegenheit aber liege der erstere die ser beiden Fälle vor, und nach dem Wortlaute des Gesetzes sei daher für das Militair die Rechtmäßigkeit des Feuerns bewiesen, wenn auch von dessen Seite eine Auffoderung zum Auscinandcrgehcn nicht erlassen wor den sein sollte, denn es habe voraussctzen müssen, daß dieses nach h. 9 des Tumultgcsctzes durch die Civilbchörde bereits geschehen sei. So weit brauche man indessen nicht zu gehen, da in gegenwärtigem Fall jedenfalls die in dem Gesetz enthaltenen Bestimmungen hinsichtlich eines thätlichcn Angriffs Platz greifen müßten. Wende man dieses auf den vorliegenden Thätbcstand an, so komme den bei den leipziger Ereignissen bethciligtcm Offizieren so viel zu statten, daß sie 1) nicht zu einer Ermahnung an die Tumultuanten verpflichtet waren, und 2) selbst wenn sie dieses gewesen seien, durck den Angriff dieser Verpflichtung überhoben sein würden. Lieutenant Vollborn habe nichts gethan, was in einem Gesetze verboten, und nichts unterlassen, was in einem Gesche geboten sei, eine Unter suchung könne also gegen ihn nicht eingclcitet werden. Diesem gemäß müsse das Militair gerechtfertigt erscheinen, und zwar um so mehr, da von dessen Seite die Ermahnung an die Tumultuanten, zu der cs gar nicht verpflichtet gewesen, dennoch erlassen worden sei; cs gehöre ein star ker Unglaube dazu, um aus den Zeugenaussagen die Ucberzeugung zu gewinnen, daß Dem nicht so sei. Eine neue Abhörung der Zeugen werde gewiß ein anderes Resultat nicht liefern, da doch wol anzunehmen sei, daß Männer, die im Stande seien, die Wahrheit zu sagen, auch den guten Willen hätten, dies zu thun. Eine Untersuchung änzustcllcn, wo bereits so viel actenmäßig dargethan sei, daß ein Verbrechen nicht vor liege, sei nach seiner Ansicht unmöglich. Wende man sich nun zu den Fragen, ob cs nothwendig gewesen, daß das Militair von den Waffen Gebrauch machte, ob dies sofort nö- lhig war, ob dasselbe sich nicht hätte zurückzichen, ein anderes Man- ocuvre hätte versuchen können rc., so sei dies das Feld des subjcctiven Ermessens, das Feld der persönlichen Erwägung, und könne nie zu ei ner Criminaluntcrsuchung führen; es sei unmöglich, daß ein Anderer, der nicht in der Lage der Betheiligtcn gewesen, aussprcche, daß diese hätten anders handeln können. Auch sei seiner Ansicht nach die Stände versammlung nicht competent eine Disciplinaruntcrsuchung gegen die be- theiligten Offiziere zu beantragen, wobei er übrigens bemerken müsse, daß Lieutenant Vollborn einer solchen unterlegen habe und gereinigt dar aus hervorgcgangen sei. Die Minorität gehe bei ihrem Gutachten von der Präsumtion aus, daß, wo eine Tödtung oder Verwundung vor liege, dies in der Regel ein Verbrechen sei und die Ausnahme bewiesen werden müsse; allein es gebe Fälle, wo diese Präsumtion durch das Gesetz abgcschnittcn werde; ein solcher Fall sei eben der vorliegende, wo Tumult und gesetzliche Requisition des Militairs constatirt seien. Wer hier durch das Feuern des Militairs getödtet worden, sei zu beklagen, aber als, Opfer eines Verbrechens sei er nicht gefallen. Die von der Minorität aufgestellten Fragen und deren Beantwortung könnten aller dings auf Den, der vielleicht den Dcputationsbericht nur einmal gelesen und sich nicht mit der Sache ernstlicher beschäftigt habe, großen Eindruck machen; allein ob diese Frage» bewiesen seien oder nicht, darauf komme cs nicht an. Ucbrigcns müsse er aufmerksam machen, daß der Thatbe- stand nicht blos durch die angeordnete Commission, sondern auch durch die kompetente Criminalbchörde erörtert worden sei, wovon sich Jeder, der die von dem Appcllationsgericht und ObcrappellationSgericht abgege benen Entschcidungßgründe lese, überzeugen werde. Nach seiner Ansicht sei der Antrag der Minorität unausführbar, wenigstens in der Maße, wie er jetzt gefaßt sei, da ein objektiver Thatbcstand ohne Hinzuziehung des subjcctiven, also ohne eine Untersuchung gegen die Offiziere, nicht mehr ermittelt werden könne; er halte aber auch diesen Antrag für nicht gerechtfertigt durch das Gesetz und endlich auch für überflüssig, weil er überzeugt sei, daß ein anderes Resultat, wie jetzt Vorliebe, nicht erlangt werden könne. Nur in zwei Fällen halte er cine nochmalige Untersuchung für möglich, nämlich wenn man allerhöchsten Orts dieselbe freiwillig an ordne oder wenn sie von den betheiligtcn Offizieren selbst beantragt werde. Freiheit und Recht sei stets sein Wahlspruch gewesen; 1-1 Jähre habe er in seiner ständischen Wirksamkeit denselben vertreten, er habe keiner Macht geschmeichelt, und cs sei ihm schwcr geworden, heute sich so auS- zusprecken. Allein dem Rechte werde er nie etwas vergeben lassen, und wenn die Minorität Gerechtigkeit «»spreche für die Schuldigen, so fodere er ebenfalls Gerechtigkeit für Die, die nichts Ungesetzliches begangen, für die Offiziere. Im Sinne der Majorität erklärte fich ferner dcr Abg. v. Gablenz. Der Minoritätsantrog habe allerdings für den Laien manches Anspre chende, allein es gebe eben verschiedene Standpunkte, von denen diese Angelegenheit betrachtet werden könne. Nach seiner Ansicht sei zur An stellung von Erörterungen über den die Offiziere betreffenden Thatbcstand die kompetente Behörde das Kriegsgericht; dieses habe aber cine desfall- sige Untersuchung ausgcführt, und wenn trotz dieser Untersuchung sich kein Verdacht hcrausstclle, so würde es Cabinetsjustiz sein, wenn die Re gierung befehlen wolle, es müsse Verdacht vorhanden sein. Das, was die Minorität beantrage, nämlich den Richtern Gelegenheit zu geben, sich davon zu unterrichten, welcher Thatbcstand vorliege, sei also schon er reicht, und daher dieser Antrag überflüssig. Zugleich müsse er auf die peinliche Lage Hinweisen, in der in solchen Fällen das rcquirirte Militair sich befinde; wende cs zur Unterdrückung des Tumults die Waffen an, so klage man über Härte; schieße es nicht, und der Tumult werde grö ßer, so wälze man ihm die Verantwortlichkeit dafür zu. Die Ansicht, daß die von der Minorität beantragte Untersuchung nur gegen das Mi litair gerichtet sein solle, theile er vollkommen, da Tödtung und Ver wundung nicht von den Civilbchördcn ausgegangcn seien, die in der Stube gesessen, während sie das Militair vorgeschoben hätten. Wenn diese nach dem Anträge der Minorität ohne Untersuchung wegkommcn sollten, gegen Diejenigen aber, die nichts Ungesetzliches begangen, eine Criminalunter- suchung cingelcitct werden solle, so erscheine ihm dieser Antrag nicht als eine Federung der Gerechtigkeit, sondern als eine Ungerechtigkeit. Hier schloß der Präsident die heutige Sitzung und bestimmte zur Fortsetzung der Bcrathung die morgende Sitzung. ss Dresden, 15. Mai. Bei der Fortsetzung der Debatte über die leipziger Ereignisse erklärte sich in der heutigen Sitzung der erste Sprecher, der Abg. v. Zezschwitz, für die Majorität, da sich seine Ucberzeugung nach'reiflicher Erwägung dahin fcstgestcllt habe, daß daS Militair an jenem Abend nur seine Pflicht erfüllt und der commmandi- rcnde Obcrstlieutenant v. Süßmilch Alles gethan habe, „was von ihm erwartet worden sei". Hierauf erhielt der Abg. Hensel II. das Wort, der zuvörderst auseinandcrsetztc, aus welchen Gründen die Minorität den ganzen Dcputationsbericht unterzeichnet habe, worüber man sich von meh ren Seiten gewundert hätte; cs sei dies geschehen cinestheils, weil die Minorität in vielen Punkten mit der Majorität übcrcinstimme, dann aber auch und hauptsächlich weil sic den Bericht so bald als möglich habe auf die Negistrandc bringen wollen. Zu der Sache selbst und der Frage über gehend, ob bei den Vorgängen in Leipzig überall das Gesetz befolgt worden sei, so scheine vor Allem das Benehmen der Behörden daselbst einer genaucrn Beleuchtung unterworfen werden zu müssen. Das Tu multmandat vom Jahre 1791 schreibe vor, daß von den Ortsbchörden vor Anwendung der äußersten Mittel an die Tumultuanten cine Ermah nung zum Auscinandcrgchen zu erlassen sei; diese Vorschrift sei in die sem Mandate sehr präciS ausgesprochen und auch in htz. 112 und 11-1 des Criminalgcsehbuchs niedergelcgt, die beide von der Voraussetzung ausgehcn, daß die Civilbchörde jene Ermahnung erlassen müsse. In der Bekanntmachung des Ministeriums des Innern sei anerkannt, daß dies nicht geschehen, daß die Civilbchördcn während des Tumults an der Ta fel geblieben und den Anfodcrungen des Gesetzes nicht nachgckommeu seien. Wir haben, fuhr der Redner fort, in unserm Land ein Institut, man nennt eS Communalgardc. Der Zweck dieses Instituts sei in den Gesehen klar bezeichnet; allein nach derselben Bekanntmachung des Mi nisteriums des Innern hätten die Vorstände desselben an jenem Abende nicht Anstalt gemacht, diesen Zweck in Ausführung zu bringen. Indessen sei es nicht Sache der Kammer, über jene Behörden zu entscheiden, es müsse auch der andere Theil gehört werden, und dies wolle die Minorität der Deputation, zu der er gehöre, durch ihren Antrag erreichen. Die Majorität nehme an, daß das Militair bei jenen Vorgängen überall seine Schuldigkeit gethan, und der Abg. v. Mayer habe in seiner gestri gen Rede diese Ansicht auf den Grund des tz. 7 der Ordonnanz vom 19. Jul. 1828 weiter ausgcführt. Letzterer scheine jedoch hierbei übersehen zu haben, daß jencrvon ihm zum Stützpunkte gewählte tz. 7 auch die Bestim mung enthalte, daß das Militair, wenn es requirirt werde, nur in „Uebcr- einstimmung mit der Civilbchörde" handeln solle. Es habe also auch in Leipzig bei den Maßregeln des Militairs die Civilbchörde zu concurrircn