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stenz der dänischen Monarchie in Gefahr setzen kann. Die öffentliche Stimmung ist in den Herzogthümern gereizt genug, um nicht in der an- aedeuteten Ministerveranderunaein größeres Unglück als in der Durch führung der bisher versuchten Danisirungsplanezu erkennen. Die Spu ren dieses Geistes werden die bevorstehenden Ständeversammlungen an sich tragen. Schon die letzte schleswigsche war einem freiwilligen Aus einandergehen naher als einer Auflösung. Solche unangenehme Vorfälle wird, wenn irgend Jemand, nur ein geachteter und geliebter Commissar verhindern können. Daß aber Vertrauen und Liebe des Volks und der Abgeordneten den Vertreter des Königs zu einer Resignation auf fein Amt bewegen müssen, diese Behauptung sollte man bei der parteiischsten Verblendung nicht für möglich halten. Daß die betreffende Person zu einer solchen Entsagung schwerlich „hinreichenden Takt" besitzen wird, bedarf wol nicht erst der Versicherung. Sondershausen, 23. Jan. Durch eine Verordnung, welche das Regierungsblatt mitthcilt, wird die Zusammenberufung des Land tags, die auf den 15. Jan. festgesetzt wgr, auf den I. März hinauögcschobcn. Preußen» B Berlin, 25. Jan. Auf außerordentlichen Wegen erhalten wir dctail- lirteMittheilungcnaus zuverlässigen Quellen über die Zustände in dem Kö nigreiche Po len. Die schwersteHand, die jemals gelastet hat auf heimgesuch ten Volkern, ruht auf dem Lande. Was man uns mit kecker, eherner Stirn als französische Märchen darzustellen suchte, bewahrheitet sich als genau aus- geführtcs Detail, bewahrheitet sich bis auf daS Einzelne in der grausenvol len Scencrie. Man hat sie gesehen, mit Ketten an den Beinen hat man sie gesehen, die kleinen Knaben, geführt von Treiberhand über die Felder Podolicns in die Militairanstalten des innern Rußlands. Nicht jener sinnverwirrende, gewandte, in seinem innersten Wesen faule, aber in der äußern Erscheinung doch blendende Geist ist cs mehr, den man noch der Mühe werth hält, über Polen walten zu lassen, und der von je her — seit den Zeiten der großen Katharina — seine Schule gemacht hat an der Newa; da keine Rücksichten mehr'zu nehmen sind, da das Geschrei nicht hinübcrdringt in Vie bcthörte Welt, so hat man den seidenen Handschuh fallen lassen. Große Staatsmänner, die cs verstehen, vorzudringen bis m des Volkslebens innerstes Heiligthum, sich dort hinzusetzen mit vergif tetem Messer und schon für die künftigen Geschlechter wegzuschneiden die keimende Hoffnung; tiefsinnige Staatsmänner, wirkend im Sinne der Auf klärung und der Civilisation, die sich nicht begnügen, die flüchtige Erscheinung zu verderben, sondern die den letzten Rest des Nationalgeistes, die katho lische Religion, im Auge haben und sie dort zu vertilgen suchen; groß- müthige, illustre Staatsmänner, die, nachdem in wehrlosem Kampfe der Fuß gesetzt war auf den kaum noch zuckenden Körper, auch die unsterb liche Seele des Volks zu Grunde zu richten trachten Jntrigucn- wesen, Ränke, Bestechlichkeit herrschen neben den strengen, aber zweideu tigen Gesetzen; mit Schlauheit und Geld verachtet man die letzter». Die eingeborenen Polen werden buchstäblich, wenn sie nicht verhungern wollen, zum Nuffcnthum gezwungen, weil sie sonst keine Anstellung erhalten. Am merkwürdigsten ist die dortige Ccnsur und Militairaushebung. Man er innert sich vielleicht noch der sehr human klingenden veröffentlichten Cen turverordnung aus Polen, in der sogar — wie aus schneidender Ironie — Redewendungen vorkamen, die den neuesten preußischen Censurrescriptcn nachgeahmt sind. Betrachten wir die Praxis! Den Freunden der polni schen Literatur ist eine Fabel bekannt unter dem Namen: Der Hahn als Tyrann seiner Familie; eine ganz beziehungslose Fabel. In den im Kö nigreiche cursirenden Büchern findet man das Wort „Tyrann" in der Überschrift durch einen großen Klex von der Hand der Sensoren wegge wichst; der Hahn soll kein Tyrann sein. Das Wort wvln»»« bedeutet im Polnischen,,Freiheit" und wird bei Redewendungen gebraucht, als da sind: Dieser Mensch hat in seinem Benehmen viele Freiheit; das streicht die Censur und setzt dafür: «rvvdock», unser „Behäbigkeit, Behendigkeit." Die unschuldigsten berliner Blätter sind mit Wichse überzogen, selbst die Annoncen der Kaufleute daselbst werden nicht verschont; und als wir erstaunt eine solche Stelle verglichen, fanden wir angezeigt: Mützen n 1» Polonais. Uns liegen Lcihbibliothekcnbücher vor, Romane, in denen ganze Seiten weggerissen sind von des Censors Hand, und solches groß- müthig annoncirt ist den Lesern. Das Niederträchtige, das Schamlose, Las Giftige, das Zotcnartige, Dasjenige, was wie entnervendes Gift den Völkern in die Adern und in die Seelen schleicht, das lassen diese Cen- soren mit wohlbedachter Ucberlegmm stehen, das wird den Menschen ge reicht in goldener, verführischcr Schale, damit sie recht bald würdige Kinder der großen „Familie" werden; was aber auch nur die leiseste An deutung gibt, daß über allem menschlichen Treiben ein rächender Gott waltet, daß das Geschrei der Gedrückten empordringt zur gehörigen Stelle, auch wenn ihnen der Mund geknebelt ist, das wird mit einem Scharf sinne vertilgt, der — und das ist die gute Folge dieser Proccdur — den Geist der Nation in steter Spannung hält. Fragt man nun, welchen Händen diese ruhmreiche Arbeit anvertraut ist, so bekommt man eine ci- genthümliche Antwort. Die höher» Chefs sind russische Militairs, die denn freilich auch auf russisch-militairssche Weise behandelt werden. Neu lich schickte Fürst Paskcwitsch einen solchen Obersten, der in der Gazeta Warszawska eine aus einer posenschen Zeitschrift entnommene Fabel hatte passiren lassen, in welcher die Polizei politische Anspielungen finden wollte, auf 14 Tage in Arrest. Als der Censor sich damit entschuldigte, daß er nichts gemerkt hätte, erwiderte der Furst: „Was da! als Censor müs sen Sie Alles merken!" Die minder bedeutsamen Stellen bei der Censur, die Arrangircnden für die Wichspartien sind meistenthcilö Deut sche, auf deutschen Universitäten gebildete, mit deutscher Wissenschaft, mit deutschem Freiheitsgcfühl großgesäugte teutonische Heroen*), der Sub- altern-Chef der ehrcnwerthen Gesellschaft ist ein ehemaliger Herrnhuter, einst begeistert für Deutschlands Erhebung und seine Hochgefühle ausströ mend in — Bardengesänge; dann in zerknirschter romantischer Gesinnung sich zuneigcnd zur römisch-katholischen Kirche und zu Dresden, durch Pa ter Krahl, hingczogen in deren Mutlcrschoos; jetzt andächtige Verbeugun gen machend vor dem cclebrircndcn Popen, griechisch-katholisch mit penibler Devotion, viclbelobtcr Berichterstatter an den Fürsten Paskcwitsch über die deutsche Literatur und der geschcidtcstc, brauchbarste Censor in War schau. Eine merkwürdige Laufbahn, die zum tiefen Nachdenken anregt und in der für Deutsche etwas Bedeutungsschweres, fast Grauenvolles liegt. Im Winter werden die polnischen Bauern zum russischen Milctair- dienst ausgchoben, und da sie gewöhnlich sortzurcnnen pflegen wie aus der Höhle des Löwen, so zieht man sic, damit sie ohne Kleidungsstücke sind, fast nackt aus und sperrt sie also bis zur Abführung an die resp. Regi menter in einen finstern Thurm. Nichtsdestoweniger haben Reisende diese halbnackten angehenden Vaterlandsvcrthcidiger über die Steppen und Wäl der eilen sehen, wie gehetztes Wild Dies Alles, in Verbin dung gebracht mit der systematischen Vertilgung der nationalen Sprache und der nationalen Sitten, diese wahrheitsgetreuen Saturnalicn methodi- cher Zerstörung, die durchaus nicht in dem Willen des hochherzigen Kai ers liegt, dies Alles ist Kinderspiel gegen die im grandiosen Style zu Ende geführte Unterdrückung der römisch-katholischen Kirche, von der mau an geeigneter Stelle überzeugt ist, daß sic die Wurzel des nationalen, polnischen Lebens ausmacht, und daß sie darum weggcschnitten werden muß, bis in die letzte Faser. Man fasse die Sache doch ja reckt auf! Es handelt sich hier um einen einfachen politischen Calcul, um ein Rcchen- kunststück; denn die griechisch-katholische Kirche ist weder proselytenmache risch noch fanatisch. Ob sie dicht an die deutschen Grenzen politisch als herrschende Kirche verrücken solle oder nicht: das ist der innere Kern all jener Experimente, die, indeß wir träumen, durchgcsetzt sind. So lange die römisch-katholische Kirche, in ihrem innersten Wesen die Todfeindin des Russenthums, neben der Herrschaft der Russen und Polen waltete, so lange war eine Scheidewand zwischen Deutschland und den Moskowi- tcn. Liese Scheidewand ist gebrochen; möge sic der deutsche Geist und mögen sie die deutschen Kanonen einigermaßen ersetzen! Aus einer östlichen Provinz hat man sehr befremdliche Mittheilun- gen über eine Collision zwischen einem hohen Beamten daselbst und einem liberalen Gutsbesitzer. Der Erstere stieß beleidigende Redensarten aus und wollte von einem Ehrengerichte, welches der Gegner vorschlug, nichts wissen. Darauf erfolgte eine Aussoderung des Letztem, die den Gerich ten vorlicgt. Die Sache macht unglaubliches Aufsehen. - Okriin, 25. Jan. Die Vorgänge in Posen scheinen doch einen andern Charakter zu haben, als man anfänglich vermuthcte. Mehre aus Russisch-Polen übergetretene Polen, welche, zum Theil um sich der Mi- litairpflicktigkeit zu entziehen, zum Theil aus andern Gründen in Preu ßen ein Asyl gesucht, sollen geglaubt haben, sich dankbar für diese Wohl- that zeigen zu müssen, indem sie die Aufnahme durch eine Verschwörung zu belohnen suchten, als deren erste Opfer viele der ersten Beamten in Posen fallen sollten. Wie verlautet, wollten die Verschworenen am 15. Jan. losbrechen, verschoben es aber auf einige Tage später und wurden entdeckt. Der commandirende General bewies dieselbe Energie und Kalt blütigkeit, als er sich auf der Liste der Bedrohten gefunden, welche er so oft einem ehrlichen Feinde gegenüber gezeigt. Wol erzählt man sich, die Ankunft des umsichtigen Oberpräsidenten v. Beurmann in Berlin hänge mit den Vorgängen in Posen zusammen, doch war diese Reise längst be schlossen, bevor man von der bevorstehenden Katastrophe eine Idee hatte. Eine andere Frage ist, was wird man mit den eingezogcnen Verbrechern machen? Vorläufig soll man beschlossen haben, sie nach Stettin zu brin gen, wo dann das Weitere über sie verfügt werden wird. * Königsberg, 22. Jan. Wir lesen in der gestrigen Zeitung (was jedoch bei der Kürze der Zeit noch nickt die Erwiderung auf die Erklä rung des Dr. Jacoby sNr.22^ sein kann) über denselben Gegenstand einen Aufsatz von dem Justizminister Mühler, welcher ausführlich sich über die Nichtbcrcchtigung des t)r. Jacoby ausspricht. Besonders inter essant in diesem ministeriellen Artikel sind die Schlußworte: „Sollte künft *) Man muß grade in jetziger Zeit darauf immerfort Hinweisen, wie schmiegsam, wie für die verschiedenartigsten Ehrenämter passend, wie für die verschiedenartigsten Nationalitäten und für daS drückendste Joch empfänglich die Deutschen von je her gewesen sind; wir verweisen namentlich auf den Briefwechsel zwischen dem Minister Johannes v. Müller und denjenigen deut schen Gelehrten, die in dem Stammlande der alten Cherusker lebten, da, wo sich jetzt das Denkmal Hermann's, des Befreiers, erhebt. Was folgt dar aus? Nicht, daß wir den deutschen, historischen Ruhm verkleinern mögen, den wir so hoch halten wie irgend Einer. Es. folgt daraus, daß wir drin gend mahnen, neben dem Ruhme der deutschen Vergangenheit doch endlich auch nüchtern und schöpferisch an die Gegenwart zu denken und neben dem Glanze der Vorfahren auch die eigne Zukunft vor Augen zu haben. Es gibt Ideen und PhantaSmagorien, mit denen man der Wirklichkeit gegenüber heutzutage keinen Hund aus dem Ofen lockt; und wenn wir weiter nichts geworden sind als phrasenkundige „Deutsche" mit bekannten Tiraden, so möchten sich für die Lage, welche kommen, sehr Viele finden, die jenen Gelehrten im CheruS- kerland und jenen Ccnsoren in Warschau Nachahmung widmeten. Die deutsche Philosophie würde nichts dabei verlieren; umgekehrt, wenn ein fremdes Joch auf unö lastete, würde ein großer deutscher Philosoph erstehen, der uns reudetrunken verkündete: jetzt grade sei die Blütezeit der deutschen Philo- öphie, weil die Nation mit der Politik nichts mehr zu theilen habe und ich also der Philosophie ganz zuwenden könne.