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ZUR EINFÜHRUNG Ludwig van Beethoven (1770- 1827] im Jahre 1814. Stich von Hoefel nach Letronne Im Gesamtschaffen Beethovens nehmen seine neun Sinfonien, ent standen im Zeitraum eines Viertel jahrhunderts, eine sehr zentrale Stellung ein. Sie sind allesamt Be kenntnis aus verarbeitetem Erlebnis und schließlich Ergebnis eines ei genen Entwicklungsprozesses. Sei ne Sinfonien sind gewissermaßen musikalische Dramen in (meist) vier kontrastierenden und zugleich eng aufeinander bezogenen Sätzen. So sehr sich diese Sinfonien im ein zelnen voneinander unterscheiden, ihr eigenes Profil tragen, so sehr gehören sie zusammen: Alle Sätze sind - bis hin zur Entwicklung aus einer einheitlichen motivisch-thema tischen Substanz - immer Teile ei nes Ganzen, einer Grundidee. „Da ich mir bewußt bin, was ich will, so verläßt mich die zugrunde liegende Idee niemals" - sagt er ei nem Besucher (Louis Schlösser). Diese Ideen „kommen ungerufen, mittelbar, unmittelbar; ich könnte sie mit Händen greifen, in der freien Natur, im Walde, auf Spaziergän gen, in der Stille der Nacht, am frühen Morgen, angeregt durch Stimmungen, die sich beim Dichter in Worte, bei mir in Tönen umset zen." Aber Beethoven hat keine „Programmusik" geschrieben, wie später Berlioz, Liszt oder auch Richard Strauss, auch keine musi kalische Malerei, wie sie in seiner Zeit durchaus weit verbreitet war. Die Phantasie des Hörers soll nicht durch allzu naturalistische Gegen ständlichkeit gefesselt oder gar ein geengt werden. Seine Musik ist eher „programmatisch", gestaltet Gemütszustände und Konflikte, ver innerlicht äußere Einwirkungen. Beethovens Sicht ist auf „mehr Aus druck der Empfindung als Malerei" (eigenhändige Notiz auf der Stim me der ersten Violine im Urauf führungsmaterial seiner 6. Sinfo nie) gerichtet.