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Dienstag, am 9. Juli 1935 Nr. 157 101. Jahrgang Kurze Rottzen Das Segelschulschiff „Gorch Fock" hat Kiel zu einer zweieinhalbmonatigen Seereise mit Offiziersanwärtern an Bord verlassen. Das Schiff kreuzt zuerst in der westlichen, später In der nördlichen Ostsee, um dann zum Besuche der Ostmesse KönigsbLrg anzulaufen. Die beiden siebzehn- und achtzehnjährigen ältesten Söhne des italienischen Regierungschefs, Vittorio und Bruno Mussolini, haben sich als Freiwillige bei der italie nischen Luftwaffe in Ostafrika gemeldet. Das Luftfahrtmmi- sterium hat die Meldung der beiden jugendlichen Flieger, die erst vor kurzem ihr Pilotenexamen ablegten, angenom men. um die Pariser Weltausstellung 1937 zu finanzieren, soll die Stadt Paris mit 700 Millionen an den Erträgnissen der französischen Nationallotterie beteiligt werden. Weitere 300 Millionen Franken will man auf dem Kreditwege be schaffen. In Straßburg haben die royalistischen Camclols du Roi au, dem Kleber-Platz eine Kundaebung veranstaltet, in deren Verlaus ein BildniS des srüheren Lustsahrtnünisters Pierre Cot verbrannt wurde. An der großen militärischen Parade, die aus Anlaß des fran zösischen Nationalfeiertages am 11. Juli in Paris stattsinden wird, wird in diesem Jahre auch die sranzäsische Luftwaffe in größeren. Umfange teilnehmen. Der Luftfahrtmimster hat anaeordnet, daß nicht weniger als 600 Militärflugzeuge aller Art, und zwar Jagd flugzeuge, Bomber und Beobachtungsflugzeuge, in geschlossenen Formationen sich an der Parade beteiligen. Nach den vorläufige» amtlichen Erhebungen gab es Ende Iuni in der Tschechoslowakei rund 602 000 Arbeitslose gegen 666 000 Ende Mai. Trotz dieser Abnahme um 64 000 Personen ist jedoch der Arbeitslosenstand im Vergleich zum Vorjahr noch um 20 000 höher. Der Militärgerichtshos in Budapest hat den tschechoslowaki schen Staatsbürger Ludwig Szcleczky und den im Grcnzdienst be schäftigten ungarischen Korporal Nikolaus Szamossalvy wegen Spionage zum Tode durch den Strang verurteilt. In die Ange legenheit waren noch andere Heiser verwickelt, die zu Zuchthaus- strascn verurteilt worden sind. Malta In der Fülle der Depeschen eine kleine Nachricht. Sie lautet: „Der ehemalige Gouverneur von Malta, Lord Strick land, ist überraschend in London eingetroffen. Ueber den Zweck seiner Englandreise befragt, erklärte er sehr ernst, daß er der englischen Regierung den sofortigen Ausbau Maltas zu einer großen Luftflottenbasis nahelegen wollte. Diese würde nicht nur in Zeiten des Friedens von Nutzen, sondern erst recht im Kriegsfall von größter Bedeutung sein. Malta genüge nicht als Flottenbasis allein." Diese kurze Nachricht fügt sich zwanglos in die Ueber- fülle der Berichte ein, die jetzt aus Anlaß des italienisch abessinischen Konfliktes und,der besonders prägnanten Stel lungnahme Englands zu diesem Streite die Well durcheilen. Wir möchten aber warnen, diese Nachrichten gewissermaßen allzu ernst zu nehmen und in nächster Zukunft schon schwerste Entscheidungen heranreisen zu sehen. Wenn wir in den folgenden Ausführungen einige geschichtliche, poli tische und auch militärische Kraftfelder des Mittelmeeres schildern, so geschieht es nur, um einzelne Ausgangspunkte festzulegen, nicht aber um Sensationsdepeschen aus aller Welt zu unterstreichen. Fast ruckartig hat sich eine gewisse Gegensätzlichkeit zwi schen der englischen und der italienischen Politik herausge bildet. Bis vor wenigen Jahren war keine Rede davon, wenn man von einigen gefühlsmäßigen Strömungen ab sieht. Das italienische Risorgimento (die nationale Wieder erhebung) hat die moralische Förderung Englands erfahren, und der berühmte Zug der Tausend unter Garibaldi zur Eroberung des „Königreiches beider Sizilien" wäre ohne die wohlwollende Beobachtung der englischen Flotte noch ge fährlicher gewesen, als es dieser Husarenstreich an und für sich schon war. Später änderten sich die Methoden aber nicht der Sinn der englisch-italienischen Beziehungen. Man hat einmal das hübsche Wort geprägt, daß Italien seit dem Augenblick nur „Stillehalter" in dem alten Dreibund wurde und einer aktiven Bundesgenossenschaft abschwur, als Eng land sich von seiner stillen Partnerschaft an diesem kontinen tal-europäischen Bündnis zurllckzog. Auch nach dem Kriege hat Italien aus die Freundschaft Englands Wert gelegt, wenn es auch wegen seines <nach seiner Ansicht) ungenügen den Anteils an der Kriegsbeute verärgert war. Aber dieser Groll richtete sich eigentlich mehr gegen Frankreich als gegen England, das übrigens aus kolonialem Gebiete einige Zuge ständnisse gemacht hat und jedenfalls diese Zugeständnisse viel srüher machte als die Franzosen bei den römischen Be sprechungen im Januar dieses Jahres. Italien suchte seiner seits, einige moralische Eroberungen zu machen, indem es sich mit dem ägyptischen Nationalismus anfreundete, die Arbeiten der Zionisten in Palästina freundlich beurteilte und auch mit dem arabischen Reformations-Islam in allerletzter Zeit Beziehungen anknüpfte. Aber alle diese Entwicklungen gingen nicht tiefer, bis Mussolini seine großen Truppenoerschissungen in die ita- lienischen Kolonien am Roten Meere und am Indischen Ozean begann. Im Nu hatte sich das Bild gewandelt. Von England her wurde die Möglichkeit einer Sperrung des Suezkanals erwogen, jo sogar mit dem Wirtschaftsboykott gegen Italien gespielt; von Italien her wurde in bitterster Weise geklagt, daß England bei anderen die Methoden an prangere, mit denen es selbst groß geworden ist. Das Mit- lelmeer wurde — jetzt in Anlehnung an Frankreich — zum wäre latinum erklärt. Und eine italienische Zeitung sagte w der Hitze des Gefechtes, daß die englische Flottenstation Malta in zwei Stunden von der italienischen Luftflotte in AtberschMMMMgen im Staate New Mir Wie aus Albany im Staat Neuyork gemeldet wird haben andauernde Wolkenbrüche im mittlerer und östlichen Teil des Staates zu einer furchtbarer Hochwasserkatästrophe geführt. Weite Gebiet« sind überflutet; zahlreiche Häuser, Brücken und andere Bau ten wurden zerstört und weggeschwemmt. Der Verkehr aus den Landstraßen und Eisenbahnstrecken ist vielfach unter brochen. Die Telephon- und Lichtleitungen nach zahlreicher Orten sind zerstört. Der Sachschaden beträgt nach den bis herigen Schätzungen mehrere Millionen Dollar. Besonders schwer wurde die Stadt Ithaca, der Sih dec Cornell-Universität, betroffen, die zum größten Test von den Wassermassen überflutet ist. In der Nähe diese« Stadt ertranken sechs Personen, die sich gerat« aus einer Brücke befanden, die von den Fluten weggespüb wurde, zwei Personen wurden vom Blitz erschlagen uni mehrere werden noch vermißt. In vielen Orten steht das Wasser über ein Meter hoch in mehreren Dörfern des Mohawktales drei bis vier Metei hoch. Vielfach mußten Hausbewohner aus dem zweiter Stockwerk mit Booten gerettet werden. Der Delaware-Fluf ist über seine Ufer getreten und hat mehrere Brücken färb gerissen. Nach ergänzenden Meldungen aus Albany (Staat Neu york) nimmt die Ueberschwemmungskatastrophe immer grö ßere Ausmaße an. Zahlreiche Dämme haben oen Wassermassen nicht widerstehen können und sind gebor sten. Dutzende von Ortschaften sind infolge Unterbrechung aller Verbindungen von der Außenwelt vollständig abge schnitten. Viele Tausende von Menschen sind obdachlos ge worden. In mehreren Fällen wurden Wohnhäuser mit samt den Einwohnern weggespült. Bisher werden zwanzig Todesopfer gemeldet. In Binghamton stieg der Chenogo-Kanal um sie ben Meter. Die Wassermassen rissen zwei Brücken fort, zer- störten mehrere Gebäude und überfluteten einen großen Teil der Stadt. Tauiende von Arbeitern und Angestellten werden in den Geichästsvierteln zurückgehalten, weil die vom Hochwasser gefährdeten Brücken, die zu den Wohn vierteln führen, von der Polizei gesperrt werden mußten. einen Schutt- und Trümmerhaufen verwandelt werden könne. Die Antwort aus London kommt jetzt in der Er klärung des Lords Strickland. So schließt sich der Kreis. Der Name der Insel Malta, die im friedlichen Wirt schaftsverkehr als Lieferantin von Frühkartoffeln und See fischen bekannt ist, zeigt dabei doch den Ernst der sich ent gegenstehenden Tendenzen, auch wenn man weit davon ent fernt ist, sofort die schlimmsten Eventualitäten an die Wand zu malen. Der Name des Lords Strickland weckt selbst Er innerungen aus einer nahen Vergangenheit. Vor einigen Jahren geriet er mit dem Vatikan in einen erbitterten Streit, dessen Folge ein oeritabler Bannstrahl war, ganz zu schweigen von einem entsprechenden Blaubuch der englischen Negierung und einem Weißbuch des Vatikans. Iedensalls ist die englische Regierung der Insel Malta schon seit einiger Zeit äußerst aufmerksam. Um freiere Hand zu bekommen, hat sie im Jahre 1930 die Verfassung suspendiert. In der letzten Zeit ist noch ein heftiger Sprachenkonslikt ausgebro chen. Die maltesische Bevölkerung spricht ein Gemisch von italienischem Dialekt und arabischen und englischen Brocken. Jetzt wurde die italienische Sprache als Mittel der Kultur propaganda unterbunden. , Es liegt also schon eine gewisse Herbheit in der berühm ten „Atmosphäre", aber damit ist natürlich noch nicht gesagt, daß ein Gewitter kommt und gar der Blitz einschlagen muß. KMMliWMUSWkMU Unbedingte und Nare Entscheidung notwendig Reichsamtsleiter Derichsweiler äußerte sich in einer Unterredung mit einem Pressevertreter zu den Vorgängen in Heidelberg und ähnlich gelagerten Fällen. Er ging dabei auf die gelegentlich des Neichsappells am 25. Juni heraus gegebenen Richtlinien für den NSD-Studentenbund ein, nach denen die weltanschauliche Erziehung der Korporations studenten in der Praxis durchgeführt wird. Der Neichs- amtsleiter erklärte dazü: Die nach reiflicher Ueberlegung er lassenen von allen zuständigen Stellen der NSDAP, aus drücklich gebilligten Richtlinie» vom 25. Juni bleiben in vollem Umfange bestehen. Sie bilden die unverrückbare Grundlage für die Regelung des Verhältnisses zwischen Partei und Korporation. Der 10. Juli ist der Stichtag, an dem klar festgestellt sein wird, welche Korporation sich der politisch weltanschaulichen Erziehungsarbeit der Bewegung und damit des NSD.-Studentenbunoes zur Verfügung stel len und unterstellen und welche nicht. Aus keine Korpora tion wird ein Zwang ausgcübt. Der Nationalsozialismus kann nicht erzwungen werden. Jede Korporation muh sich aber darüber klar sein, daß sie eine absolut eindeutige Ent scheidung zu treffen Hal. Die Frage, vor die sie gestellt ist. lautet: Was steht euch höher, die Weltanschauung des Na tionalsozialismus oder eure vermeintlichen Korporations- und Verbandsinteressen? Die Vorfälle in Heidelberg, wo sich die Reaktion so offen enthüllt hat, zwingen dazu, eine unbedingt klare Entschei dung herbelzusühren. Ls komm' selbstverständlich nicht dar aus an, daß nur eine äußere Bereitschaft zur Zusammen arbeit bekundet wird, hinter der sich lediglich der Wunsch verbirgt, die Korporation als solche zu erhalten und dann im alten Geiste svrtzuführen. Das Entscheidende ist nicht ein Lippenbekenntnis, sondern die freudige Bereitschaft zu einer sozialistischen Gesamtlebenshaltung. Korporationen, die ihr sogenancktes Eigenleben höher stellen als den Nationalsozialismus und sich damit bewußt oder unbewußt zum Werkzeug der Reaktion mm n. die sich infolgedessen bis zum 10. Juli nicht gemeldet haben, werden selbstverständlich außerhalb jeglicher Zusammenarbeit mit dem NSD.-Studentenbund stehen. Eine Mitgliedschaft von Angehörigen des NSD.-Studentenbundes in solchen Korpo rationen wird ausgeschlossen sein. DmMWrung de; Ariervrinzi»; Der Reichserziehungsminister hat folgende Ausnahme bestimmungen für die Reichsschaft der Studierenden an den deutschen Hoch- und Fachschulen erlassen: Stück 1: Auf Grund des Reichsaefehes über die Bildung von Studentenschaften an den wtWnschastlichen Hochschulen vom 22. April 19ZZ sind ausnahmslos nur diejenigen Studenten und Studentinnen an deutschen hoch- und Fachschulen in die deutsche Studentenschaft, bzw. deutsche Zachschulschast aufzunehmen, die ihre Zugehörigkeit zum deutschen Volks tum und arische Abstammung nach den Ausnahmebestim mungen der ÄSDAP. nachweisen. Bis zum 1. Oktober 1936 genügt es, daß die Angaben auf dem Ahnennachweis bis zu den Großeltern einschließlich durch die Vorlage von deren Geburts- (Tauf- und Trau-) urkunden oder einen Ahnenpaß belegt werden. In Zweifels- fällen kann der urkundliche Nachweis bis zum Jahre 1800 gefordert werden. St.ck 2: Legt jemand, der die deutsche Reichsangehörigkeit nicht besitzt, aber teilweise von volksdeutschen Ahnen abstammt, Wert aus die Zugehörigkeit zur Reichsschaft, so kann er aus genommen werden, wenn der Nachweis bei den nicht deut schen Ahnen hinsichtlich ihrer arischen Abstammung nach den Ausnahmebestimmungen der NSDAP, geführt wird. Hin sichtlich des Nachweises sür die deutschen Aknen gilt Stück 1 der Ausnahmebestimmungen. Wer als Gast in die Reichs- schäft der Studierenden ausgenommen wird, wird durch weitere Bestimmungen in dem Erlaß geregelt * Mit diesem Erlaß werden zum ersten Male die Aus nahmebestimmungen der NSDAP, auf Organisationen an gewendet, die unter staatlicher Führung stehen. Der Erlaß bedeutet einen weiteren Schritt vorwärts bei der Durchfüh- ! rung des Arierprinzips. Die Studentenschaft, die schon von jeher bestrebt war, die Grundsätze des nationalsozialistischen Parteiprogramms in ihrer Organisation zu verwirklichen, hat sich somit auch hier wieder in die erste Reihe gestellt. Aus dein GerichtssaaL Das Urteil im Hamburger Kommunistenprozeh Der 3. Strafsenat des Kammergerichts, der sich seit über 1-4 Tagen in Hamburg mit dem Feuerüberfall auf einen Fackelzug der Nationalsozialisten am Abend des 6. März 1933 befaßte, verkündete das Urteil: Die beiden Haupttäter, die Angeklagten Walter Reschke und Hinrich Geins wurden zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt. Weitere 18 Angeklagte wurden zu Strafen verurteilt, die zwischen eineinhalb und 15 Jahren Zuchthaus liegen. Sämt lichen Angeklagten wurden auch die bürgerlichen Ehren rechte aberkannt. Zwei weibliche Angeklagte wurden frei gesprochen. 14jähriger erschlägt dreiköpfige Bauernfamili». Der Linzer Jugendfchöffensenat hatte sich am Sonn abend mit einem wohl einzig dastehenden Verbrechen eines Jugendlichen zu befassen. Der 14jährige Hütebub Johann Uebermasser aus Leonding südlich von Linz hat nacheinander grausam drei Menschen ermordet. Er lockte zuerst mit dem Ruf „Der Ochs ist los" den Bauern Joseph Preining, seinen Dienstherrn, in den Stall und schlug ihn rückwärts mit der Hacke nieder. Dann rief er dessen Tochter Marie in den Stall, wo er sie sofort mit einem so furchtbaren Schlag ! niederstreckte, daß sie keinen Laut mehr von sich gab. Schließ- ! lich lockte er auch noch die Bäuerin unter demselben Bor- - wand in de» Stall. Auch sie sank unter seinen Streichen tot zusammen. Sodann beraubte er die Opfer und steckte das Gehöft in Brand. In der Verhandlung am Sonnabend zeigte er keine Spur von Reue. Er wurde zu der im Ge setz vorgesehenen höchsten Freiheitsstrafe von zehn Jahren Kerker verurteilt. Lanrig »reift dm» Auslösung staatsfeindlicher Organisationen. Danzig, 9. Juli. Der Danziger Polizeipräsident hat den „Bund nationa- ler Beamter" und die Danziger Gruppe der Internationalen Bibelforscher mit sofortiger Wirkung aufgelöst. Beide Or ganisationen hatten sich staatsfeindlicher Betätigung schütdia