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- tu» Beil. z. „Weiherltz-Zeitung", Sonnabend, 27. 7., Nr. 173 TAISELlW ^KVOK !MULW gerade an diesem 7. November, um oiese dreizehn acht Minuten, tat aus diesem Bahnhof ein Sta- Und llhr /1S siel, einen Fingerzeig. Er deutele an, daß Sasfran ber einem in Berlin wohnhaften Verwandten der Kontoristin Unterschlupf gesucht habe, doch über das Abfangen dieses Schriftstückes hinaus hatte die Behörde mit diesem Kassi ber kein Glück. Ein ungünstiger Zufall brachte diese warme Spur in zögernde Hände, die sie erkalten ließen. Saffran hatte in der Tat in Berlin bei einem in der Lausitzer Straße wohnenden Verwandten von Ella Augu stin, einem Zimmermann, Unterschlupf gesunden. Er wohnte mit dem in ärmlichen Verhältnissen lebenden Mann in einem Zimmer, beschäftigte sich mit der Erlernung der englischen und spanischen Sprache und verlieh nur hin und" wieder und nur im Abendduntel Wohnung und Haus, um frische Luft zu schöpfen. Er hielt ängstlich Haus mit den in seinem Besitze befindlichen dreihundert Mark, die er bei feiner Flucht aus Rastenburg mitgenommen halte. Sieben Wochen faß er schon in diesem felbstgcwählten Gefängnis, da hielt er die Abgeschlossenheit und die Enge der Stube nicht länger aus. Er entschloß sich zu dem Versuche, unter dem Namen seines Quartiergebers und mit ihm entwende ten Legitimationspapieren über Hamburg nach Brasilien Ler Leichenfund . . . Der Gerichtsarzt sprach sich dahin aus, daß die Leiche vor ihrer Verbrennung schon mehrere .^mcrraum, Oammbetl schwer Ü>a WeilNrL 19.57 19.48 Blumen- — 1877: :wna. — 'g (Meck- n Fried- in Ruß- o. Eich- tionsvorsteher Dienst, der bei den Rastenburger Jägern gedient hatte und Sasfran konntet zu entkommen. Durch einen Vollbart, den er sich hatte wachsen lassen, glaubte er. sich hinreichend unkenntlich ge macht zu haben Zur SuMMv Alles ist schon einmal dagewesen, besonders in der Kri minalistik. Was sich heute an Verbrechen ereignet, hatte Vorgänger in der gleichen oder ähnlichen Form, und so ist die Kenntnis solcher Verbrechen allein schon deshalb nützlich, um abschreckend und belehrend zu wirken. Zwei noch hellte in der Praxis stehende hervorragende Krimina listen, Regierungsrat und ständiger Vertreter des Chefs der Berliner Kriminalpolizei, E. Liebermann von Son nenberg, und Kriminaldirektor O. Trettin bringen in dem Buch „K r i m i n a l f ä l l e" (Universitas Deutsche Verlags-A.G.) die Darstellung einer interessanten Reihe von 25 außergewöhnlichen Verbrechen, die durch die Tat, besondere Umstände und durch die Persönlichkeit der Täter, ferner durch die Art der Aufklärung durch die Kriminal polizei sich zu besonderen Kriminalsällen entwickelt haben. Der Polizeipräsident von Berlin, Konteradmiral a. D von Levetzow, schrieb das Vorwort zu diesem Buche. „Schwa chen, zu asozialen Taten neigenden Menschen zeigt das Buch eindrucksvoll, nicht nur wie schlecht, nein, auch wie töricht es ist, um schnödes Geld Menschenblut zu vergießen", heißt es da. Von 25 Beitrügen haben wir eine Anzahl ausgewühlr, die hier erscheinen sollen. Als ersten Fall lassen wir Regie rungsrat E. Liebermann von Sonnenberg über die Taten des Verbrechers Saffran, die im Jahre 1930 die Kriminal polizei und später das Gericht beschäftigten, berichten. D. Schrisll. Der iMMe MM In der Nacht zum Sonntag, den 15. September 1930, ging in der ostpreußischen Stadt Rastenburg das in der Nitterstraße gelegene Möbelgeschäft von Platz in Flammen auf. Unter den Anwohnern, die. vom Knall einer Explosion und von dem Feuerschein aus dem Schlafe geschreckt, zur Brandstelle eilten, befand sich auch der Seniorches der Firma, der 58jährige Möbelhändler Platz, dessen Wohnung dem Geschäftshause schräg gegenüber lag. Aus dem Ring der Leute, die die Brandstelle umstanden, trat ihm der Pro kurist des Geschäfts, Kipnik. mit der Unglücksbotschast ent gegen. Platz' Schwiegersohn Saffran sei in den Flammen umgekommen. Er. Kipnik, sei mit seinem Chef — Platz Halle Sasfran nach der Eheschließung mit seiner Tochter die Geschäftsleitung übergeben — noch spätabends in einem Cafe gewesen. Auf dem Heimwege hätten sie den Feuer schein gesehen und seien zum Geschäft gestürzt. Ehe er ihn habe zurückhalten können, sei Saffran, um die Geschäfts bücher zu retten, in das brennende Haus hineingelaufen, fast in die Flammen hinein. Jeder Versuch einer Hilfeleistung erwies sich als ver geblich; irotz aller Löschversuche der Feuerwehr wurde der Dachstuhl des Hauses völlig eingeüschert, und das zwei stöckige Gebäude brannte bis auf die Mauern aus. Die Trauer um den als tüchtig und erfolgreich bekann ten Kaufmann Saffran und das Mitgefühl mit der altange sessenen Familie Platz war in dem vierzigtausend Einwoh ner zählenden Städtchen, in dem jedermann die Personen dieses Dramas kannte, allgemein. Daß Saffran auch bei den Angestellten des Geschäfts äußerst beliebt mar, zeigte der tiefe Schmerz, dem die seit sechs Jahren bei der Firma Wockzen in der Erde, gelegen haben müsse. So entstand die Vermutung, Saffran habe eine Leiche vom Kirchhof ge stohlen. Vergeblich forschte die Polizei auf den Kirchhöfen nach einem beraubten Gr.ab. Zwar gab ein Kassiber, den Ella Augustin, die nun in Untersuchungshaft satzj aus dem Gefängnis hinaus schmuggeln wollte, und der. in die Hände der Behörde - tätige Kontoristin Ella Augustin selbst auf offener Straße lauten Ausdruck gab. Dieses Fräulein Augustin sprach am zweiten Tag nach dem Brande, am Dienstagnachmittag, bei mehreren Auto- , Verleihanstalten Nastenburgs vor, um ein Auto zu mieten, das ihre kranke Mutter nach Königsberg bringen sollte. Da sich Schwierigkeiten ergaben, veranlaßte sie schließlich den Platzschen Geschüftschauffeur Reck zu der Fahrt. Als Reck, wie verabredet, nachts um drei Uhr mit dem Wagen vor der elterlichen Wohnung von Fräulein Augustin hielt, trat nicht Frau Augustin sondern — Saffran aus dem Hause heraus. Die nächtliche Fahrt ging bis Gerdauen. Schon am nächsten ^ag wußte die Behörde von der nächtlichen Fahrt. Der totgeglaubte Saffran lebte also — und doch stieß man bei den Ausräumungsarbeiten im Brandhause auf eine verkohlte Leiche, an deren Händen man Ringe fand, die unzweifelhaft Saffrans Eigentum waren. Auch die silberne Taschenuhr Saffrans, die Uhr mit seinem Monogramm, fand man an der Leiche. — 19.58 19.28 enich bei und Mc- — 1883: in Pre ller Vin- — 192l. gcwcch" Au» dem Ning der Leal«, die die Brandstelle umstanden, »rat chm der pebturist qipnik mil der Unglücksbotschast entgegen, Platz' Schwiegersohn Sasfran fei in den Mammen umgekommen. WsSMKlM SW»da« M. ' Die Fahrkarte nach Hamburg kaufte er in einem Ber liner Reisebüro, aber seine Vorsicht, die chu nie verließ, hielt ihn davon zurück, den Hamburger Zug schon auf der Abfahrtstation, dem Berliner LelMer Bahnhof, zu bestei gen. Er fuhr mit der Stadtbahn nach deca Berliner Vor ort Spandau hinaus, um dort den Zug zu erwarten. Aar 7, November um dreizehn Ulst acht Mst-uten stu»z er dorr in den Hamburger Zug eia. Und gerade an diesem 7. November, um diese dreizehn Uhr acht Minuten, tat auf diesem Lalmhos ein Staiirns- beamter Dienst, der bei den Rastcnburg-r Jägern gedient hatte und Saffran kannte! Der Beamte sah Saffran ein- steigen und abfahren, er erkannte ihn miede-., bnd er wußte- aus den früheren Zeitungsnachrichten, daß Saffran flüch tig war. Der von dem Beamten verständigte Stationsvorsteher ries sofort die Berliner Kriminalpolizei an. Cm Pahmele- gramm der Kriminalpolizei benachrichtigte den Zugführer des fahrenden Zuges, ein Telephongespräch dir Polizei der Zwischcnstalion Wittenberge. Den Aufenthalt des A^zes ! in Wittenberge benutzte Saffran dazu, im Wartejaac eine Tasse Kaffee zu trinken. Da legte sich eine Hand auf seine Schulter. Saffran war verhaftet. Kipnik war ebenfalls in Untersuchungshaft genommen worden. Die drei Personen, von deren Aussage allein die Klärung der nächtlichen Brandkatast! zu erwarten war. das Dunkel über die Herkunft der im ..,ndhause gefunde- lyrrarten die deut- nung im ne Fahr- h Ebers- rgrosche» mer Zeit !ets", die chrkarte" !r belieb- M W SM«? Alles, was der Untersuchungsrichter in den nächste,« Wochen über Saffrans wirtschaftliche Verhältnisse und die finanzielle Lage der von ihm geleiteten Firma feststellte, das bildete einen passenden Hintergrund zu der Brandkata strophe und zu Saffrans Flucht. Saffrans Leben war seit langem nur noch ein ungeheuerlicher Betrug gewesen, wie auch sein vorgetäuschter Tod es hatte werden sollen. Die Firma war vollkommen überschuldet, Sasfran- hatte seit Jahren hohe Kredite mit einer Zinsbelastung ausgenom men, unter der das Geschäft über kurz oder lang zusam menbrechen mußte. Schon seit 1928 bestanden die Geid- schwierigkeiten. über die Saffran sich immer mühsamer durch Aufnahme von Darlehen hinweggeholfen hatte. Den Darlehnsgebern hatte er als Sicherheitsnnterlagen Kauf verträge mit Geschäftskunden eingersicht. Dabei hatte er aber ein und dieselben Kaufverträge zwei verschiedenen Finanzierungsgesellschasten, einer Berliner und einer Königsberger, oorgelegt, die ihm so doppelt bestehen wurden. Schließlich war er dazu übergegangen. Kauf verträge zu fingieren und mit gefälschten Unter schriften zu versehen. Der Zwang, immer neuen Kre dit aufzunehmen, um die längst leck gewordene Firma über Wasser zu halten, und das Verlangen nach Sicherheiten auf seiten der Gesellschaften führten ihn auch zur Fälschung der eingereichten Bilanzen. Jetzt beim Zusammenbruch schrumpfte bei kritischer Prüfung der buchmäßige Aktiv bestand in Höhe von 285 000 Mark auf tatsächliche Werte im Betrage von 25 000 Mark zusammen. 375 Verträge und 18 Wechsel erwiesen sich als gefälscht. Kurz vor dem Brande war die Flut uneinlösbarer Verpflichtungen nicht mehr eiu- zudämmen gewesen, schon waren die ersten Wechsel zu Pro test gegangen. Von all dem und von den noch viel schlimmeren Din gen, die erst die weitere Untersuchung an das Licht förderte, hatten selbst Nahestehende, hatte selbst der im Geschäft noch mittätige Schwiegervater nichts geahnt. Saffran hatte auch vor seinen Verwandten stets die lächelnde Maske des er folgreichen, mit dem Geschäftsgang zufriedenen Kaufmanns festgehalten. Auch sein Liebesverhältnis zu der Kontoristin Augustin hatte er- mit schauspielerischer Gewandtheit zu ver hüllen gewußt. Die Angestell ten hatten es für bare Münze genommen, wenn er vor ihnen die Kontoristin, die ihm insgeheim bei seinen Fäl schungen Hilfe leistete, wegen irgendeines Versehens wie jede beliebige andere Ange stellte- barsch zurechtwies. Sasfran hatte — und das leitete über zu dem Leichen fund und erklärte ihn sowie den mißglückten Versuch sei- ! nes heimlichen Verschwindens — bei fünf verschiedenen Le bensversicherungsgesellschaften sein Leben mit fast 200 000 Mark versichert nen Leiche gelichtet werden konnte, befanden sich nun alle in den Händen der Behörde. Fritz Saffran, der frühere Lehrer, der als Sohn eines Viehhändlers in Schippender! in Ostpreußen geboren war, war ein dreißigjähriger, gro ßer, etwas beleibter, sorgfältig gekleideter Mann. Eine hohe Stirn, kluge graue Augen hinter der schwqrzgerän- derten Hornbrille und schmale, eng geschlossene Lippen in dem etwas vollen glattrasierten Gesicht gaben ihm das Aus sehen eines zielbewußten, intelligenten Geschäftsmannes. Der Prokurist Kipnik. gelernter Handlungsgehilfe, war ein großer, schlanker Mensch mit dem muskulösen Körper ei»-« Svortemannes. Die lechsundzwanzigjährig« 5^ Ella Augustin war eine schlanke Frauengest«-' derben, nicht unschönen Gesicht, dem »e^'g«-W brauen und ein. energischer Mund dm-A, gewöhnlichen Willenskraft verliehen,