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7.i<-.VLKg, NaUe (Ssals). sich immer wieder der strahlenden, schönen Frau mit dem goldbraun schimmernden Haar und den tiefblauen Augen -u. Sie hatte den grauen Fehmantel eng zusammen- gezogen. Ihr Gesicht sah wie eine zarte Blüte aus der weichen Umrahmung. Aber unter dem Mantel rieselte das weiße, weiche Kleid hervor. Friedrich bemerkte Wohl die Aufmerksamkeit, die Eva erregte, und die befriedigenden Blicke, mit denen sie die '.Bewunderung der Herren ringsumher quittierte. Es war hm beinah peinlich. Er haßte nichts so sehr, wie irgend wie aus dem Rahmen zu fallen. So war er denn beinah sroh, als der Zug endlich abfuhr. Er winkte noch einmal .urück, sah Evas schöne, zierliche Gestalt, ihr lächelndes, üßes Gesicht fern und ferner entschwinden. Aufseufzend ieß er sich in die Ecke seines Abteils fallen und schloß die .'lugen. Angst und Trauer bedrückten sein Herz. Was würde in der Zeit seiner Anwesenheit geschehen? Eva aber saß inzwischen, mit einem befriedigten lächeln aus ihren rot geschminkten schönen Lippen, in ihrem ,'luto. Während sie der Oper entgegenfuhr, dachte sie viele Dinge, die zu wissen dem Detektiv Mac Lean sicherlich wicktia oewelen wären. Fünftes Kapitel. Am nächsten Tage stand an der Ecke der Straße unweit des Hauses von Friedrich Borgloh ein Zigarettenhändler. Er lehnte ziemlich faul an der Ecke und hatte seinen Kasten an zwei festen Riemen umgehängt. Ab und zu blieb einer der Passanten stehen, kaufte eine Kleinigkeit, ließ sich die Zigarre oder die Zigarette an dem brennenden Feuer zeug des Händlers anstecken nnd ging weiter. Aber ent gegen der Gewohnheit aller Händler pries dieser hier seine Ware nicht besonders an. Er hatte offenbar an allzu großem Verkauf kein Interesse. Seine Aufmerksamkeit schien viel mehr dem Straßentreiben zu gelten als seinem Geschäft. „He! Schlafen Sie denn?" fragte ein eleganter junger Mann, der jetzt aus einem Mietauto gestiegen war und quer über die Straße kam. „O Verzeihung, Herr", sagte der Zigarettenhändler. „Was soll's denn sein?" „Eine Schachtel Memphis. Aber etwas schnell — ich habe Eile!" Er nahm die Schachtel, die der Händler ihm reichte, warf nachlässig das Geld auf das Holz des Kastens und ging schnell weiter. Auf der Straßenseite gegenüber dem Hause Friedrich Borglohs blieb er stehen und steckte sich umständlich eine Zigarette an. Der Straßenhändler war wie zufällig dem jungen Mann mit den Augen gefolgt und bemerkte folgendes: Der junge Mann tat ein paar Züge aus seiner Zigarette und warf sie dann unwillig, als ob sie ihm nicht schmeckte, in großem Bogen auf die Straße. Oben an einem der Fenster des großen Hauses wurde ein Spitzenvorhang einmal auf- und zugezogen. Dann kehrte der junge Mann um, ging an dem Händler vorbei und sagte so im Vorbeigehen: „Schönes altes Kraut, das Sie mir da verkauft haben, Mann. Wenn Sie nichts Besseres haben, sollten Sie Ihre Ware in Castend feilbieten, aber nicht in Gegenden wie hier." Der Straßenhändler sah dem eleganten jungen Herrn einen Augenblick nach und zuckte die Achseln. Dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder der gegenüber liegenden Straßenseite zu. Eine Viertelstunde später trat aus dem Portal eines Hauses eine elegante junge Frau. Sie trug ein Kostüm von feinstem Schnitt in zartem Blau. Unter dem kleinen, hellblauen Filzhütchen quoll das goldbraune Haar in weichen Wellen hervor und umrahmte ein hinreißend schönes Antlitz. Schon suhr aus der Einfahrt des Hauses ein elegantes, dunkelblaues Auto vor. Der Chauffeur sprang ab und öffnete ehrerbietig den Schlag vor der jungen Dame. Sie stieg ein. Im gleichen Augenblick winkte der Zigarettenhändler einem Mietauto, das langsam an ihm vorbeifuhr. „Na, so nobel?!" fragte mißtrauisch der Chauffeur der Taxe. „Wohin soll's denn gehen? Haben Sie auch Geld, mv Kov?" Der Zigarettenhändler drückte dem Chauffeur ein Fünfschilltngstück in die Hand: „Das Doppelte", sagte er kurz, „wenn Sie das Auto dort nicht aus den Augen verlieren." Der Chauffeur lächelte verständnisinnig. Er hatte be griffen und fuhr an. Sie brauchten nicht weit zu fahren. Nahe bei Piccadilly Cirkus hielt das blaue Auto vor einem großen Leder warengeschäft. Die junge Dame in dem lichtblauen Woll kostüm stieg aus und gab dem Chauffeur einen Befehl. Der legte die Hand an die Mütze, fuhr an, wendete und sauste bald bei dem eben auftauchenden grünen Berkehrs licht über Piccadilly Cirkus hinweg fort. Die junge Dame stand einen Augenblick und schien mit großem Interesse die LederwareN in der Auslage zu betrachten. Der Zigarettenhändler blieb in seinem Auto sitzen und schaute vorsichtig hinaus. S) Nachdruck Verbote» „Aber bedenken Sie, Mac Lean, in welch furchtbarer Unruhe ich sein werde. Was glauben Sie? Was bc fürchten Sie? Lassen Sie mich nicht so vollständig im Dunkeln tappen." Mac Lean sah Borgloh ernst und herzlich an: „Was ich befürchte? Das eine zunächst, daß Ihre Frau durch irgendwelche Einflüsse zum Schlechten veränderi wurde. Und diese Einflüsse muß ich kennenlernen." „Vielleicht sind daran die Verwandten schuld, dic den..." „Erzählen Sie mir nichts, Borgloh. Ich möchte voll ständig unbeeinflußt von allem meine Nachforschungen an stelle». Das eine aber will ich Ihnen versprechen: Sowie ich ein bißchen Licht sehe, werde ich Ihnen Aufklärung geben." „Wenn es Ihnen doch gelänge, Mac Lean!" gab Friedrich Borgloh bedrückt zur Antwort. „Wenn es Ihnen doch gelänge, mir die alte liebe, kleine Eva wiedcrzugcben! Dann würde ich Ihnen ewig dankbar sein. Glauben Sie mir, diese Enttäuschung frißt an meinem Herzen und an meinen Kräften. Immer wieder versuche ich um des An denkens an van Koster willen meine Ehe mit Eva so zu gestalten, wie van Koster und ich es erhofft. Wäre Eva irgendeine beliebige Frau, die ich durch einen Zufall kennengelernt und geheiratet hätte, vielleicht würde ich mir gar nicht so viel Mühe geben. Dann hätte ich vielleicht schon längst den Gedanken an eine Trennung erwogen. Aber leider bin ich in bestimmten Dingen ein fehl' alt modischer Mensch, Mac Lean. Für mich ist eine Ehe nicht etwas, was man heute anfängt und morgen fortwirft, sondern etwas sehr Ernstes und Heiliges. Meine Ehe mit dem Kinde meines väterlichen Freundes ist mir be sonders heilig. Ich muß diese Ehe zu einer wirklichen Lebensgemeinschaft gestalten. Gebe Gott, daß Ihre Nach forschungen mir dabei helfen könnten! Habe ich erst erkannt, wer Eva so zum Schlechten beeinflußt, Vann werde ich ja Mittel und Wege finden, sie diesem Einfluß zu entziehen." Mac Lean reichte Borgloh dic Hand: „Bravo, nun sehen Sie wieder ganz anders aus. Nun ist doch wieder etwas von dem alten Glauben und der alten Energie in Ihnen. Reisen Sie ruhig! Was ich tun kann, um Ihnen zu helfen, das geschieht." - . * * * 't.--. ... Zn schweren Gedanken versunken, machte sich Friedrich Borgloh auf den Heimweg. Es war nachmittags gegen vier Uhr, als er heimkehrte. Gerade kam ihm Eva aus dem Badezimmer entgegen. „Oh, du bist schon zu Hause", sagte er und küßte sie zärtlich auf die Stirn. „Ich glaubte, du wärst noch beim Golf." „Nein, cs waren keine guten Partner da. Außerdem habe ich Onkel und Tante Parkins versprochen, heute abend mit ihnen in die Oper zu gehen. Kommst du mit? Oder hast du wieder zu arbeiten?" Eva fragte es etwas zögernd. Sie hatte in Wahrheit nicht mit der Begleitung ihres Mannes gerechnet. Denn der junge Lord Brendford wollte sich in ihrer Loge ein- sinden. So war sie denn sichtlich erleichtert, als Friedrich sagte: „Nein, Kind! Verfüge ruhig über meinen Platz in der Loge. Ich kann nicht mitkommen. Ich muß nämlich un erwartet verreisen." „Verreisen?" sagte sie mit geheuchelter Trauer. „Das tut mir aber leid! Wohin denn?" „Ich muß mich mit einem Kollegen in Amsterdam treffen und werde ein paar Tage fortbleiben. Meine Adresse ist: Amsterdam, poste restante. Ich weiß noch nicht, in welchem Hotel ich absteigen werde. Laß dich nicht stören. Ich will dem Diener Bescheid sagen, daß er meine Sachen zurechtlegt." Als sich die Tür hinter Friedrich geschlossen hatte, stand Eva einen Augenblick still. Sie schaute mit einem eigen tümlichen Lächeln aus die Tür, hinter der sie Friedrich wußte. Diese Reise ihres Mannes kam ihr mehr als gelegen. Und gewissen andern Leuten auch. Aber Gott sei Dank, Friedrich hatte keine Ahnung davon, wie sie innerlich zu seiner Abreise stand. Er sollte auch nichts ahnen. Go bemühte sich Eva, heim Abschied die zärtliche, liebende Frau zu sein. Sie bestand darauf, in ihrem Auto Friedrich zur Bahn zu bringen. „Aber du bist doch schon in großer Toilette, Eva", sagte er lächelnd, mit einem Blick auf ihr weißes, schimmerndes Spitzenkleid, das bis zum Boden herabfloß und nur die Spitzen der hochhackigen, feuerroten Seiden- schuhchen sehen ließ. „Das tut nichts", sagte Eva liebenswürdig, während sie sich die feuerroten Orchideepblüten an dem tiefen Aus schnitt deS Kleides befestigte. „Ich nehme meinen Abend mantel um. Und übrigens — wenn die Leute schauen wollen, so sollen sie schauen." Wirklich erregte Eva Borgloh auf dem Bahnhof ziem liche Aufmerksamkeit. Die Blicke der Reisenden wandten „vca, sie za-elm zcyo» eite, zu jem", jagte der Auto- »lufseur vertraulich zu ihm. „Sehen Sie nur, Herr, wie oie sich in der Fensterscheibe spiegelt." Der Zigarettenhändler lächelte. Die Aufmerksamkeit der jungen Dame schien weniger ihrem eigenen Spiegel bild zu gelten als dem, was pit Schewe von der Straße widerspiegelte. Jetzt fuhr ein Auto langsam an die Bord schwelle nah dem Geschäft, an dem die junge Dame stand. Da wandte sie sich um. Und als hätte sie sich entschlossen, nicht zu kaufen, winkte sie dem Auto und stieg ein. Der Zigarettenhändler sah, wie sich ein dunkler, scharf geschnittener Männerkops aus dem Auto heraus der jungen Dame entgegenbeugte. Dann fuhr dieses Mietauto los. Der Zigarettenhändler brauchte seinem Chauffeur nichts mehr zu sagen. Der setzte auch den Wagen in Bewegung und fuhr hinter dem andern Mietauto her. Sie fuhren durch mehrere Straßen und hielten endlich vor einem Hause, in dem sich ein kleiner Teeraum befand. Hier stieg der junge Mann mit dem scharf geschnittenen Gesicht zuerst aus dem Auto und half der jungen Dame heraus. Sie verschwanden beide in dem kleinen Teeraum. „Warten Sie hier", sagte der Zigarettenhändler. „Ich brauche Sie vielleicht dann noch wieder." „Na, wollen Sie denn nicht wenigstens Ihren schweren Kasten hierlaffen, Herr?" fragte der Taxichauffeur. „Ich paß schon auf. Stehleck tu ich nichts. Wenn Sie zufällig eine Zigarette übrig haben sollten, dann würde ich ja nicht gerade nein sagen." Der Zigarettcnhändler lächelte und steckte dem Chauffeur eine angebrochene Schachtel durch dic Scheibe zu. „Na, so hab ich es ja nun nicht gemeint", sagte der. „Aber was Gutes soll man nie ausschlagcn. Auf Ihre Gesundheit, Herr!" Und er steckte sich fröhlich eine Zigarette an. „Danke schön! Damit Ihnen Vas Warten nicht lang wird! Aber meine» Kasten nehme ich schon lieber mit — den brauche ich nämlich." Der Teeraum war jetzt um die Nachmitlagsstunde voll kommen besetzt. An all den kleinen weißgedeckten, blumen» geschmückten Tischen saßen Menschen verschiedener Bernss- klassen. Da war die elegante Dame, die zwischen ein paar Einkäufen schnell ihren akternoontea verzehrte. Da waren ein paar Kontoristinnen, die nach Geschäftsschluß hier einen Tee mit Süßigkeiten und Sandwiches statt einer Mittagsmahlzeit einnahmen. Da waren Geschäftsleute, die diese Teestunde zu einem Gespräch mit irgendwelchen Partnern benutzten. Fremde, die in diesen typisch eng lischen Teestuben einen Teil des englischen Lebens kennen lernen wollten. Da saß auch der junge Mann mit dem scharf ge schnittenen Gesicht neben der jungen Dame in dem hell blauen Wollkostüm. Sie sprachen eifrig miteinander. In dem allgemeinen Stimmengewirr konnte man nicht ver stehen, was sie sagte, um so mehr, als sie ihre^Stimmen sehr dämpften. Jetzt sah der junge Mann auf. Ein Zigarettenhändler kam, seinen Kasten umgehängt, lang sam schlendernd an ihm vorbei. Er warf wie zufällig einen Blick auf den jungen Mann und die junge Dame. Dann ging er weiter durch den nächsten Gang, um sofort wieder umzukehren. Als er aber zurückkam, sah er, wie der junge Mann und die junge Dame schon das Lokal verließen. Der Zigarettenhändler eilte in den Vorraum des kleinen Teerestaurants, spähte, durch den Vorhang gedeckt, hinaus. Er sah die junge Dame eiligen Schritts allein davongehen, während der junge Mann wieder in ein Auto stieg. Kaum war das Auto angefahren, als der Zigarettenhändler schnell in seinen Wagen sprang, der seitlich am Restaurant wartete. „Dem Auto dort nach!" sagte er. „Aufpassen!" Und dann stellte er seinen Kasten auf den Boden des Autos. Er sah gespannt auf das Gefährt vor ihm. Sie fuhren und fuhren. „Das wird «ine lange Tour", sagte der Chauffeur einmal zu ihm, als das Auto vor ihnen immer weiterfuhr und allmählich bei Tower Bridge das vornehmere Wohn viertel verließ. „Schadet nichts. Nur aufpassen! Sie bekommen ein Trinkgeld von einem Pfund, Mann, wenn wir das Auto nicht verlieren." „Und wennjs ein Floh wär — für ein Pfund, Herr, würde ich den auch nicht aus den Augen verlieren", sagte der Taxichauffeur entschieden und fuhr weiter. Der Tower ragte mit seinen finsteren Türmen drohend und düster in den Himmel. Die Laderampen an der Brücke waren von Leben und Lärm erfüllt. Die großen Krane bewegten sich wie riesenhafte Fangarme hin und her. Ein Gewirr von kleinen Schiffen, von Masten war unterhalb Tower Bridge zu sehen. Das Auto mit dem jungen Mann fuhr weiter und weiter. Nun an der Kaistrabe entlang, bog es schließlich in die Arbeiterviertel von Saftend ein. Aha!, dachte der Zigarettenhändler btt sich. Daher kam er vorhin auf Castend zu sprechen, als er Weine Marken schalt. Nun, Freundchen, wir wollen mal sehen, ob dir meine Zigaretten jetzt nicht noch schlechter schMchen würden, wüßtest du, wer hinter dir her ist! „Was ist denn das?" fragte der Chauffeur uni» wandte sich rückwärts. „Der fährt ja kreuz und quer durch, halb London. Sehen Sie, Herr, jetzt geht eS wieder auf die Docks zu. Keine gemütliche Gegend: London Docks, Herr." Das verfolgte Auto war in eine eckge, dunkle Gasse eingebogen. Hier hielt es und führ in einen dunklen Tor-- weg hinein. Der Zigarettenhändler stieg auL. „Hier, mein Freund', sagte er und reichte dem Chauffeur eine Pfundnote, „das für die Fahrt." „Na, Herr, wenn Sie ein Zigarettenhändler sind, dann bin ich ein Detektiv", sagte der Chauffeur lachend. „Ich will mich hängen lassen, wenn Sie nicht einem feinen Bruder auf d-r Kv»r sind." sFortlebuna kolat^