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MITTEL- UND NORDAMERIKA IM 19. JAHRHUNDERT Die Vereinigten Staaten von Nordamerika hatten mit der Anerkennung ihrer Unabhängigkeit von England das ganze Gebiet bis zum Mississippi erhalten. In das Becken dieses Stromes war die Besiedlung erst kurz vor Beginn der Befreiung über den trennenden Gebirgswall gedrungen. Als man 1803 das französische Louisiana erworben hatte, um dem Mississippi gebiet die Ausfuhr auf dem Strom zu öffnen, ging die Ausdehnung der Union schnell vorwärts. Nachdem die Grenze gegen das britische Gebiet im Norden 1846 bis an den Stillen Ozean festgelegt war, - die Westküste war erst 1805 von einer Expedition erreicht worden - sah man sieh an weiterer Ausdehnung durch Mexiko gehemmt. Man wußte es zum Kriege zu treiben und setzte sich so in den Besitz Kaliforniens und eines riesigen Gebiets im Innern. Damit war dem räumlichen Wachstum eine Grenze gesetzt. Nur langsam folgte die Siedlung und Nutzbarmachung dieser staat lichen Angliederung. Der größte Anreiz war das kalifornische Gold, das 1848 entdeckt wurde. Der Schrittmacher der Besiedlung aber war die Eisenbahn. Anders als in Europa stießen die Bahnen in die menschenleeren Gebiete vor und schufen sich erst selbst den Verkehr. Der Stille Ozean wurde 1869 in San Franzisko von der ersten „Pazifikbahn" erreicht. Bevor aber der Aufstieg zur heutigen Höhe das „amerikanische“ Tempo anneh men konnte, mußte die Union noch eine schwere Krise überstehen. Schon in den Neuengland-Staaten gab cs zwei Gruppen, die handel treibenden Nordstaaten mit mitteleuropäischem Klima und entsprechender Siedlungsform und die heißen Südstaaten, in denen einige wenige Gewächse im Großen auf Plantagen gebaut wurden. Dazu bediente man sich wegen des Klimas billiger Sklavenarbeit. Schon die Spanier hatten Negersklaven nach Westindien gebracht, da die Indianer die schwere körperliche Arbeit nicht aushielten und in Kürze ausgerottet waren. Die Engländer nahmen die Negereinfuhr im Großen auf. So bestand dann in der Union die Spaltung in Sklaven haltende Staaten mit starker Negerbevölkerung und die Nord staaten mit freien Arbeitern. Schon 1787 war eine Grenzlinie zwischen beiden Gebieten im Neuland des Innern gezogen worden. Jedem neuen Freienstaat mußte ein Sklavcnstaat an die Seite treten. Die Bewegung gegen die Sklaverei begann aber schon in den 30 er Jahren im Norden und führte bald zu solcher Zuspitzung der Gegensätze, daß nach der Wahl Abraham Lincolns, der die Sklaverei ablehnte, zum Präsidenten die elf Südstaaten sieh für unabhängig erklärten. Erst nach vierjährigem schwerem Kampf gelang ihre Unterwerfung, die die Aufhebung der Sklaverei zur Folge hatte. Die Gegensätze blieben noch lange bestehen, zumal der Süden durch Verlust der billigen Arbeitskräfte wirtschaftlich schwer geschädigt war. Nach der Herstellung des inneren Friedens wandten sich die Vereinigten Staaten stärker außenpolitischen Fragen zu. Schon 1823 hatte angesichts der drohenden Einmischung Europas in den Unabhängigkeitskrieg der spanischen Kolonien der Präsident Monroe erklärt, Amerika sei hinfort kein Gebiet für europäische Kolonisation mehr, und ebenso wie Amerika seine Hände von Europa lasse, habe sieh dieses nicht in amerikanische Angelegenheiten einzumischen. Diese sogenannte Monroe-Doktrin hatte eine starke Wirkung ausgeübt. Erst während des Bürgerkriegs in der Union hatten es Frankreich, England und Spanien gewagt, ihre Sehuldforderungen an Mexiko mit Waffengewalt zu unterstützen. Frankreich wollte sich in Mexiko ein dauerndes Einflußgebiet schaffen, mußte aber vor den Dro hungen der wieder geeinigten Vereinigten Staaten weichen und den von ihm als Kaiser Maximilian eingesetzten österreichischen Prinzen dem mexikanischen Volk preisgeben. Im selben Jahr kauften die Vereinigten Staaten Alaska von Bußland und drängten dieses dadurch aus Amerika hinaus. Schon frühzeitig traten sic als Schiedsrichter in Streitigkeiten der süd- und mittelamerikanischen Bepubliken untereinander auf. Aber erst am Ende des Jahrhunderts wurde durch Präsident Boosevelt die Monroe- Doktrin so gedeutet, daß auch jeder wirtschaftliche Einfluß europäischer Mächte von Amerika ausgeschlossen sei und den Vereinigten Staaten eine Polizeigewalt auf dem ganzen Erdteil zustehe. Ein starker Ansporn war die Kanal-Frage in Mittelamerika. Um den künftigen Kanal zwischen At lantischem und Stillem Ozean zu sichern, nahm man Spanien in einem kurzen Kriege „zur Unterstützung der Aufständischen auf Kuba“ diese Insel, Portoriko und die Philippinen ab. Schon vorher war Hawaii annek tiert worden. Da Kolumbien den Kanalbau bei Panama für sich bean spruchte, machte man aus Panama eine selbständige Bepublik und baute dort 1903-14 den Kanal von Ozean zu Ozcan. Nikaragua und während des Weltkrieges die Dominikanische Bepublik und Haiti wurden völlig von Nordamerika abhängig. So sind die Vereinigten Staaten heute fast Alleinherrscher in Westindien und Mittelamerika.