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bekannten Genoffen Luther«, al« Trinkgefäß gedient haben. Sein sehr stattlicher Umfang und die Keckheit der feine Leibung schmückenden Bacchantenszenen würden, wenn nicht diese Tra dition bestände, kaum den Gedanken aufkommen lasten, daß er gerade von einem geistlichen Herrn benutzt worden sei. * Englische Hochschulvorträge In seinem zweiten Portrage am Drenstag abend nn Festsaal der König!. Tech nischen Hochschule behandelt Mr Powy» bl. den Dichter Percey Shelley mit all der Feinheit, die dieser Poet heischt, zugleich aber auch mit der tiefen Innerlichkeit, welche die Tragik seine« Leben« und Wirkens fordert. Drnn ihm, der gegen Überlieferung, gegen Macht und Unterdrückung kämpfte, war die rauhe, allein wirkungsvolle Waffe versagt; ihm, der selbst in leiblicher Schönheit strahlte,war eine Poesie gegeben, die umLichtund Äther gewebt war und in süße Melodien getaucht. Sein Sinn war nicht von dieser Welt; ihn durchzog tiefe« Mitleid mit den Menschen und in ihm lebte der Traum eine« kommenden goldenen Zeitalter«. Diesen Widerstreit zwischen Wollen und Vollbringen, Mischen Ideen und rauher Wirklichkeit im Leben und Wirken Shelley« wußte der Hr Redner auch im Tone überzeugend zu gestalten. Wie seine Hörer mit lautem Beifall dankten, so sprachen ihm im besonderen Se. Exzellenz der Wirk!. Geh. Rat vr jur. und Ehrendoktor der Technischen Hochschule Waentig, Rektor Magnifiku« Geh Hofrat vr. Möhlau und der Vorsteher der Stadtverordneten Hr Justizat vr. jur. Stöckel, die diesen Vortrag mit ihrer Anwesenheit beehrt hatten, ihre Befriedigung aus Der nächste Vortrag, Freitag, den 8. d. M, wird Ruskin behandeln * In der Aula der König!. Technischen Hochschule hielt gestern abend Hr Pros. vr. Walzel, der Nachfolger unsere« Heimgegangenen Mitarbeiter« Adolf Stern, vor einer zahlreichen Versammlung, in der man Ihre Exzellenzen die Herren StaatS- minister vr. Beck und Ministerialdirektor Wirk!. Geh. Rat 1>r Waentig bemerkte, einen Vortrag über „Goethe und das Problem der Faustischen Natur." Dem Hrn. Redner kam e« darauf an, zu zeigen, wie der Begriff der Faustischen Natur al« das geheimnisvolle und innere Wesen der Menschen voller Widersprüche, ein Begriff, der mit jedem Zeitalter wechselt, sogar in Goethe« Faust selbst Verschiebungen er- lahren hat. Man kann zwei Typen im Faust unterscheiden, den der Sturm- und Drangzeit des Dichters und denjenigen aus tur Zeit der Freundschaft mit Schiller Das Grundproblem des ersten Fausttypu« ist der Kamps zwischen dem ErkenntniS- dranze und der Liebe zum Genüsse, der in jedem Menschen be stehende Zwiespalt zwischen Verstand und Gefühl. Hier ist in der Dichtung, um zu einer Lösung des Problem« zu gelangen, ganz der Einfluß Kants und zwar des durch Herder vermittelten jungen Kant unverkennbar. Faust lernt ganz im Sinne von Kant die Grenzen der menschlichen Vernunft kennen, aber er kommt nicht wie Kant trotzdem zu neuen Spekulationen, sondern wendet sich von der Vernunft ab, folgt dem Gefühl und geht hinein ins Leben, um allerdings daran zu scheitern. Der zweite Fausttypu« zeigt zwei Merkmale Einmal wird Goethe durch Schiller die Anschauung de« reiferen Kant vermittelt Die Vernunft kommt wieder zur Geltuna Der Mensch hat, be sonderes im reiferen Alter, das Bestreben, die gesammelten Erfahrungen zu einer Einheit zu gestalten, und dieser idealistische Zug des universellen Strebens war in Goethe besonder« aus gebildet, so sehr er sich al« Realist fühlte Al« anderes Mo ment kommt im zweiten Fausttypu« das Unbefriedigtsein hinzu oder, wenn man e« m« Positive übersetzt, der Begriff der Sehnsucht, die romantische Anschauung der geistigen Liebe, der mystische Drang, der die Existenz einer höyeren Welt verkündet. Zum Schluß be- ,ührte der Hr. Vortragende noch das Problem de« ewig Weib lichen im Faust. Seine geistvollen Ausführungen fanden den lebhaften Beifall der Zuhörerschaft. Theater, Konzerte, Borträge. * Mitteilung aus dem Bureau der König!. Hof theater. Die Ausgabe de« Abonnement« für den Schiller- Zyklu« erfolgt noch bi« morgen Freitag, den 8. Mai, abend» 8 Uhr an der Kaffe de» König!. Schauspielhauses. Bereinstage für innere Mission. (Nachdruck verboten.) (Schluß.) Dresden, 6. Mai. Die Wichtigkeit der Tagesordnung der Versammlung des Zentralausschusses zur Fürsorge für die Straf entlassenen hatte nicht nur einen außerordentlich starken Besuch aus Kreisen der Geistlichkeit zur Folge, sondern man bemerkte auch außerordentlich viele höhere Regierung und städtische Beamte sowie bedeutende Ärzte und Juristen au» ganz Sachsen Hr. König!. Kreishauptmann vr. Rumpelt- Dresden eröffnete als beauftragter Vorsitzender des Zenttal- ousschuffeS die Versammlung, worauf Hr Geh. Kirchenrat Keller ein Gebet sprach. Dann hielt Hr Geh. Regierungsrat vr. Blase seinen Vortrag über „Das neue Gesetz über die Fürsorgeerziehung". Er wie« einleitend auf die vor nehme und herrliche Aufgabe hin, durch rechtzeitiges erzieherisches Eingreifen den Minderjährigen tunlichst vor Strafe zu be wahren. In Zukunft würden die Vereine zur Fürsorge für Strafentlafsene hier ein Feld ihrer Betätigung finden, wenn ein Minderjähriger au« einer Besserungs anstalt entlasten werden solle Da« Gesetz wolle für die Beschaffung von geeigneten Unterkommen für die bisherigen Zöglinge Sorge tragen und auf die Vereine entfalle dann die Sorge um da« weitere Fortkommen der Entlassenen, um eine Berufsausbildung derselben rc Der Redner teilte dann da« Wesentlichste au« den neuen Gesetzes bestimmungen mit und hob hervor, daß er sich in seiner Eigenschaft al« RegierungSkommistar für da« Gesetz eine gewiffe Reserve auserleben müsse. Da« Gesetz sei vorgestern bekanntlich von der Zweiten Kammer einstimmig angenommen worden Nach einer Berührung der bisherigen einschlägigen Bestimmungen in Sachsen wie« der Redner darauf hin, daß Sachsen bi« jetzt im Gegensatz zu anderen deutschen Staaten noch kein Für sorgegesetz gehabt habe, da« jedoch schon einzelne ent- sprechende Einrichtungen bestanden hätten. So enthalte die Armenordnung vom Jahre 1840 schon Bestimmungen über Kindererziehung, ferner da« Volksschulgrsetz vom Jahre 1873 Auch da« Re.chsstrafgesetzbuch habe die Unter bringung Minderjähriger in Besserung«- und Eniehung»- anstalten vorgesehen. Im Jahre 1902 sei den Ständen von der Kgl. Sächsischen Regierung ein Gesetzentwurf vorgelegt worden, der jedoch nicht zur Verabschiedung gelangte. Da« gestern an genommene Gesetz enthalte mit einigen Abänderungen in der Haupt- Vche die Bestimmungen diese« früheren Gesetzentwurf». Der Redner Jagd und Sport. * Hr Rittmeister Kirsten, 21. Ul., hat nach heutiger Meldung der Sportwelt da» Johannstädter Krankenhaus verlassen. Der Unfall hat somit noch einen sehr günstigen Ausgang genommen, nur ist oer auf der Dresdner Rennbahn beliebte Herrenreiter genötigt, sich noch einige Zeit Schonung aufzuerlegen. * Für den sechsten Dresdner Renntag, Sonntag, 31. Mai, wurden gestern im Beneralsekretariat de» Unionklub Nennungen ab gegeben und erhielten: Preis vom Altmarkt, Ehrenpreis von 1000 M, gegeben von der Haupt- und Residenzstadt Dresden dem Legenden Reiter, ferner 1000 M., gegeben von der Stadt Dresden, iOOM., 300 M., 200 M. Jagd-Rennen, Herren-Reiten über 4000 m, 81 Unterschriften, der Preis von RöhrSdorf, 3500 M, SOO M, 400 M, 200 M. 1800 m, deren IS. * Für das Herren-Preis-Reiten am letzten Tage der dies- Shrigen Pferde-Ausstellung sind bisher S4 Nennungen ein- ;egangrn. Für Konkurrenz I, bestgerittene Pferde, liegen 9 Nen- nangen vor. Außer dem kostbaren Preise, den Se. Majestät der König gestiftet hat (eine Reiterstatue in Gold und Silber), sind in dieser Konkurrenz ein wertvoller Preis deS Dresdner Reit Vereins und zwei Preise des Komitees für die Dresdner Pferde - Ausstellungen zu er- ireiten. Für Konkurrenz 2, offen für Chargenpferde und Artillerie- Dienstpferde, sind 8, für Konkurrenz 3, SchönheitSkonkurrenz, 26 und für Konkurrenz 4, Jagdspringen, U Pserde genannt worden Ehren preise sind, außer den Preisen des Komitees, gestiftet worden vom Köntgl. Kriegsministerium zu Konkurrenz 2, von Hrn. Oberleutnant v Arnim-Peres zu Konkurrenz 3 und von Hrn Kammerherrn Frhr. v Burgk zu Konkurrenz 4 Nachnennungen (gegen 20 M Einsatz) werden nur noch bis Sonnabend, den 9. d.M. mittags 2 Uhr Ring straße 25 II angenommen. * Wie uns vom Kaiser!. Automobilklub mitgeteilt wird, ist der von Sr. Köntgl. Hoheit dem Prinzen Heinrich von Preußen gestiftete Wanderpreis für die Prinz Heinrich-Fahrt in seiner künstlerischen Ausführung bereits fertig gestellt. Der Preis besteht aus einem Automobil, das in verkleinertem Maßstab die ge naue Nachbildung eines SOS? Benz-Tourenwagens darstellt. Da- Automobil ist in allen Teilen ganz in mattweißem Silber gearbeitet, die Sitze, Räder, Laternen und alle sonstigen Bestandteile sind bis inS kleinste Detail dem Original getreu nachgebildet, in Silber aus geführt uns sein ziseliert, teilweise oxydiert. DaS kleine Kunstwerk, das aus einem Serpentinsteinsockel ruht, ist einschließlich Sockel etwa 20 om breit, 44 om lang und 22 om hoch und wiegt insgesamt 27 Pfd Der Sockel trägt vorn auf einer aufgestifteten silbernen Platte die eingravierte Inschrift: Prinz Heinrich-Fahrt 1908 bi» 1910 Der Prinz Heinrich-Wanderpreis und die zahlreichen übrigen für die Prinz Heinrich-Fahrt gestifteten Preise werden einige Tage vor Beginn der Fahrt in Berlin ausgestellt werden. Handwerksmeisters, unter dem Verdacht verhaftet, für ungefähr 0000 M Uhren und andere Goldwaren durch Einbruch bei einem Goldarbeiter gestohlen zu haben Nachdem im Keller de« elterlichen Hause« da« ganze gestohlene Gut gefunden worden war, hat der Junge dem Untersuchungsrichter in der dritten Woche seiner Untersuchungshaft ein umfaffendeS Ge- tändniS abgelegt Im Besitze de» so früh Verdarb men wurden die üblichen Räuberromane gefunden; er gab an, daß er au» den gestohlenen Goldwaren Geld prägen wollte (Magdeb. Ztg.) München, 6. Mai. Infolge von ent- tellten Nachrichten, die über den Fürsten Eulenburg und da» Strafverfahren, da» gegen ihn eingeleitet ist, verbreitet worden sind, wurde den zuständigen bayerischen Beamten die ernere Abgabe von Mitteilungen an die Presse untersagt. Au« dem Auslande. (W T. B) Sofia. 6. Mai. Zu Ehren des Fürsten und der Fürstin von Bulgarien, sowie de« hier zu Besuche des bulgarischen Hofe« anwesenden Prinzen Georg von Bayern gab der deutsche Gesandte Frhr. v. Romberg ein Diner. Catania, 6. Mai. Seit dem 3. Mai habm die Lava- tröme des Aetna aufqehört. Den neuen Kratern entströmt nur noch Rauch In Zafferona ist ein starker Erdstoß wahr genommen worden, ebenso in Verenina. Dort wurdm zahl reiche Häuser beschädigt. Die Bevölkerung lagert unter freiem Himmel. (W T B) Großwardein, 6. Mai. Im Zarander Valde bei Fugyi Vasarhely überfielen 200 wallachische Valdarbeiter 100 ungarische Arbeiter. Dem Kampfe onnte erst durch Gendarmen ein Ende gemacht werden. Drei Personen wurden lebensgefährlich und 15 schwer ver- etzt. Einige Rädelsführer wurden verhaftet. (W. T B) Kronstadt, 6. Mai. Die Schiffahrt ist eröffnet worden. ES liefen die ersten 15 ausländischen Fracht- bampfer der diesjährigen Navigationsperiode ein. Durch die Bucht wurden die Dampfer von Eisbrechern geschleppt. (W. T. B.) St. Petersburg, 6. Mai. In dem NefängniS zu Samara begannm 128 politische Ge- angene und 500 gemeine Verbrecher zum Protest gegen die grausame Behandlung den Hungerstreik. (W. T. B ) St. Petersburg, 6 Mai Auch au« Jaroslaw, Alowo (Gouvernement Nischni-Nowgorod) und Omsk aufen Meldungen von Überschwemmungen ein. (Berl Lokalanz) St. Petersburg, 6. Mai. Die Generalin Mörder stürzte sich vom AuSsichtSturm im Schloßpark von ZarSkoje Sselo herab; sie war sofort tot Die Ursache zu der Tat war Verzweiflung darüber, daß die inzige 17jährige Tochter der Generalin an einem unheilbaren lugenleiden erkrankt war. Das junge Mädchen starb einige Stunden nach dem Selbstmorde der Mutter. Bolköwirtschastttches. * Zu den Vorzugsaktien der Bereinigten Eschebachschen Werke, Aktiengesellschaft, Dresden, über deren Ausgabe in Höhe von 1000 000 M. in einer demnächst stattfindenden außer ordentlichen Generalversammlung Beschluß gefaßt werden soll, wird uns von unterrichteter Seite mitgetetlt, daß der Erlös hierfür zur Beseitigung derjenigen Verbindlichkeiten bestimmt ist, die der Gesell schaft durch die bedeutenden Vergrößerungen der Fabrikanlagen, ins besondere im Radeberger Werke, in den letzten Jahren erwachsen sind Für die Ausgabe von Vorzugsaktien, die nur 5 «tz Divi dende erhalten, Haven sich die Verwaltungsorgane hauptsächlich des halb entschieden, weil die Ausgabe von gewöhnlichen Aktien, zu denen wieder je zwei Genußscheine hätten auSgegeben werden müssen, weniger im Jnterefle der Inhaber der alten Aktien und Genuß- scheine gelegen haben würde. Da die Verzinsung der Bankschuld bisher zu teilweise höheren Sätzen al« 5^ zu erfolgen hatte, so er scheint eS ausgeschlossen, daß durch die Vorzugsaktien da- Erträgnis der alten Aktien und der Genuhscheine geschmälert werden wird. * Berliner Börsenbericht vom 7. Mai. (Fondsbörse.) Die Börse eröffnete unter der Einwirkung ungünstiger Nachrichten au» der Eisenindustrie in schwacher Haltung. Verstimmend wirkte ferner die angebliche Absicht der DonnerSmarckhütle, neue Aktien herau-zugeben, und der dadurch im freien Verkehr bewirkte Kurs rückgang diese« Papier» um 3 bi- 4«/», Verschärft wurde die herrschende Unlust noch durch da« weitere Nachgebea der SchiffahriS- aktien und die schwache Haltuug der Wiener Börse. Die Umsätze hielten sich, namentlich am Bankenmarkl, in engen Grenzen. Bru MasxigsaltigeS. Aus dem Reiche. Ilmenau, 6. Mai. Der kürzlich verstorbene Kommerzien rat August Alt, Mitinhaber der Thüringischen Glasinstrumenten fabrik von Alt, Eberhardt u. Jäger, hat für die hiesige Stadt, Kirchen und Schulen, öffentliche Anstalten und Vereine Ver mächtnisse in der Gesamthöhe von über 100000 M. ausgesetzt. Seine Vaterstadt Ohroruf hat er mit 12000 M. bedacht Der Thüringischen Landesversicherungsanstalt in Weimar stiftete er zum Besten der Sophienheilftätte in Berka a. I. 5000 M. (Nat.-Ztg) Dortmund, 6. Mai Wie zu der bereit» gemeldeten Ermordung des Schloßhrcn von Buddenburg in Lippolthausen, Frhrn. v. Rüxleben au« Dortmund noch berichtet wird, hat die bi« zum Wahnsinn erregte Freifrau v Rüxleben im ganzen acht Schüsse auf ihren Gatten abgegeben; sieben haben, wre eine spätere genaue Untersuchung der Leiche ergeben hat, getroffen Eine Kugel jagte sie ihm noch durch die Tür nach. Hand an sich selbst gelegt hat die Frau erst eine halbe Stunde nach dem ersten Vorgänge, also zu einer Zeit, al« Hr. v. Rüxleben bereit« den Schubverletzungen erlegen war. Dje Leiche der Frau ist nach Berlin übergeführt worden Der von ihr geäußerten Wunsch, sie auch in der Familiengruft beizusetzen, ist von der Familie abgelehnt worden Bi« 5 Minuten vor ihrem qualvollen Ende ist Freifrau v. Rüxleben bei klarem Verstände gewesen und hat die furcht bare Tat, zu der ihr heiße« Blut sie getrieben hat, auf» bitterste bereut (Berl Morgenbl.) Braunschweig, 6. Mai. In Wall stadt wurden zwei Frauen vom Blitze getroffen Die eine ist tot, die andere liegt schwer verletzt danieder. Kaiserslautern, 6 Mai. Hier wurde ein Schüler der dortigen Oberrealschule, der Sohn eine« geachteten zergliederte nunmehr die einzelnen Bestimmungen de» neuen Gesetzt», und zwar besonder« diejenigen über das Vormund schaftsgericht, sowie über die Beaufsichtigung und die Unter bringung der Minderjährigen. Dann wandte er sich zu den verschiedenen Angriffen, die gegen einzelne Bestimmungen de« Gesetzes erfolgt seien. Namentlich gelte die» von der Beschränkung auf die sittliche Verwahrlosung. Die Fürsorgeerziehung solle jedoch in allen Fällen erst dann eintreten, wo die Gefahr einer sittlichen Verwahrlosung vorliege. Die Ausscheidung von Bestimmungen über eine rein leibliche Verwahrlosung empfehle sich schon deshalb, weil sonst zu befürchten sei, daß unter diesem Vorwande die Armenverbände sich ihren Verpflichtungen zu entziehen suchen. Ein anderer An griffspunkt sei die Altes grenze gewesen, bi« zu der die Fürsorge erziehung einzutreten habe. Nach dem neuen sächsischen Gesetze sei die obere Altersklasse auf das 18. Lebensjahr festgesetzt worden. Bei Mädchen sei es z. B. sehr oft noch notwendig, sie auch noch nach dem 16. Lebensjahre der Fürsorgeerziehung zu überweisen, über die gesetzlichen Voraussetzungen habe der Vor- mundschaftSrrchter Entschließung za fassen, und der Schwerpunkt liege natürlich immer in einer sachgemäßen Ausführung Der Redner erläuterte dann noch weitere Bestimmungen des Fürsorgeerziehungs verfahrens, daS sofortige Eingreifen, die vorläufige Unterbringung, sowie dir Durchführung des Gesetzes durch die BezirkSverbäade und die Stadtgemeinden, ferner die Frage der Familien- oder Anstaltserziehung, die Kosten frage und die Beendigung der Fürsorgeerziehung. Nach dem neuen Gesetze seien die nicht zurückerstatteten Kosten als Armenunterstübung anzusehen Die Aufsicht über die Fürsorgeerziehung führe da« Ministe rium de« Innern und die Kreishauptmannschaften Nach einer Erklärung der Übergangsbestimmungen und einer Br- rührung der religiösen und pädagogischen Grundsätze bei der Fürsorgeerziehung wies der Redner noch darauf hin, daß sich die Wirkungen des Gesetzes erst nach einem längeren Zeiträume bemerkbar machen könnten. Hoffentlich seien die aus führenden Organe mit allen Kräften bestrebt, den Absichten des Gesetzgeber« zum Siege zu verhelfen, denn He Fürsorgeerziehung sei eine Tat wahrhaft christlichen Erbarmen« zum Segen für die gefährdete Jugend und zum Wohle und Ruhme für unser Vaterland. Hr. Kreishauptmann vr. Rumpelt sprach dem Hrn. Vortragenden für seine Ausführungen den Dank der Versamm lung aus. Hr Hofrat vr. Ganser verbreitete sich nun über die psychiatrische Seite der Frage. Die Fürsorgeerziehung müsse auch dort Platz greifen, wo die geistige Entwickelung durch die Erzieher gehemmt werde. Auch auf körperliche Verwahr losung müsse man die Fürsorgeerziehung ausdehnen, denn körper- liche Verwahrlosung habe immer sittliche Verwahrlosung zur Folge. Nicht immer seien jedoch äußere Umstände, Mangel der Erziehung die Ursache der Kriminalität, sondern es sei diese auch in Fehlern der Anlage zu suchen. Hier liege Krankheit vor. DaS Krankhafte greife weit auf das moralische Gebiet hinüber und äußere sich m unsittlichen Handlungen, deren Wesen nur dem Psychiater klar erkennbar sei. Diese Leute gehörten nicht in Fürsorgeerziehung, sondern in Heil- und Pflegeanstalten. Es sei von größter Wichtigkeit für die Art der Unterbringung und für den Erfolg der Fürsorgeerziehung, daß festgestellt werde, ob der zu Erziehende geistig krank oder minderwertig sei. Der Arzt habe zwar in erster Linie die Krankheit zu behandeln, brauche aber durchaus nicht auf eine erzieherische Tätigkeit ver zichten. Die Unterbringung kranker Zöglinge in die Fürsorge erziehung sei von Nachteil für diese selbst. Deshalb sei es not wendigem jedem Falle den Arzt vor Anordnung der Fürsorge erziehung und während dieser zu hören. Diese Forde rungen ergeben sich aus der Psychiatrie und au« den in anderen Ländern mit der Fürsorgeerziehung. Man hätte sich die üblen Erfahrungen, die man in anderen Ländern mit der Fürsorgeerziehung gemacht hat, hier bei der Fürsorgegesetzgebung in Sachsen zunutze machen sollen. Wenn man auch die Arzte noch nicht genügend gehört habe, so sollten sich diese doch mit dem Gesetz recht gut vertraut machen, damit sie an dem großen humanen Werke richtig Mitarbeiten können. — Ja der Debatte regte Hr. KreiShauptmann vr. Rumpelt das Ausdehnen der Fürsorge für Strafentlassene auch auf die bedirgt verurteilte» Jugendlichen an, woraus Beziehungen zum FürsorgeerziehunaS- gesetz sich ergeben würden. — Hr. Landgerichtsdirektor vr. Becker begrüßte die Annahme de» Antrags Opitz in der Zweiten Kammer, wonach der Arzt in weitgehendem Maße bei der Ein leitung der Fürsorgeerziehung zugezogen werden kann. Wünschens wert sei eS auch, daß die Fürsorgevereine sich der Begnadigten annehmen — Se. Exz. Hr.Ministerialdirektor Wirkl.Geh. Rat vr. Waentig erläuterte, daß auch körperlich Verwahrloste in Fürsorge erziehung sollen genommen werden können. Die Anhörung des ArtteS halte er ebenfalls für wünschenswert; doch dürfte auch bei psychischer Minderwertigkeit dir Fürsorgeerziehung Platz zu greifen haben. — Nachdem die Referenten nochmals ihre Meinung vertreten hatten, erfolgte der Schluß der Versammlung