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Freude Ausdruck, wenn sie diese» Ziel erreicht Hin gegen Unzufriedenheit und Mißstimmung erst selbst schaffen und dann mit verdrehten Augen über die angebliche Stimmung de» deutschen „Bolle»" klagen und jammern, da» ist eine so nichtswürdige Heuchelei, daß für sie jeder echte Deutsche nur die tiefste Ver achtung übrig haben müßte. Auf Schritt und Tritt drängen sich dem Beob achter des politischen Lebens unserer Tage weitere Beispiele von Unwahrhaftigkeit auf. So erscheint in den Reichstagsverhandlungen von Zeit zu Zeit irgend ein soiialdemokratischer Antrag, der seinem Wortlaute nach die Absicht verfolgt, in diesem oder jenem Punkte das „Wohl der arbeitenden Klasse" zu fördern; auch sonst entflieht in den ReichStagSdebatten den Zähnen der sozialdemokratischen Abgeordneten öfter- da» Wort „Arbeiterwohl", und in beinahe jeder Nummer der umstürzlerischen Presse kehrt die Wendung wieder, daß man die „Interessen des Proletariat-" verfechte. Hier stehen wir vor der gegenwärtig wohl größten und, man ist versucht, zu sagen, skandalösesten Unwahrhaftigkeit unseres öffentlichen Lebens. E» giebt in der That keine größere Unwahrhaftigkeit, als die Behauptung, die Sozialdemokratie wolle daS Wohl der Arbeiter! In Wahrheit kann man den Herren an der Spitze der sozialdemokratischen Beweg ung durch nichts einen größeren Kummer bereiten, als durch positive Maßnahmen zur Förderung des ArbeiterwohleS. Mit Händen und Füßen sträuben sich diese Herren gegen solche Maßnahmen, wie in einer allen und jeden Zweifel ausjchließenden Weise ihr Verhalten gegenüber den sozialpolitischen deutschen Gesetzen beweist, diesen Gesetzen gegenüber, die den Arbeitern Wohlthaten zugewendet haben, wie sie die Geschichte bisher noch nicht gekannt, zu denen sich außer der deutschen, noch keine einzige andere Nation ausgeschwungen hat. Eben gerade nicht daS Wohl der Arbeiter, sondern das direkte Gegenteil, das Elend der Arbeiter, wollen die führenden Um- sturzmänner; verkümmerte und verbitterte Existenzen brauchen sie, wenn ihr eigener Weizen blühen soll. Denn nur der elende, systematisch in Verbitterung und Unzufriedenheit niedergehaltene Proletarier läßt sich durch eine skcuppellose Presse täglich blauen Dunst vormachen, nur er wirft ohne Murren und ohne Unterlaß seine abgesparten Groschen in den gewaltige», grundlosen Schlund der „Parteikasse", au- dem noch nicht eine einzige, wenn auch noch so ge ringe Wohlthat für die „Arbeiter" emporgetaucht ist, der aber dafür umsomehr Annehmlichkeiten für die „AuSerwählten" an der Spitze zu spenden versteht. Bei diesen völlig klar zu Tage liegenden Verhält nissen, bei den täglich an Schärfe, Absichtlichkeit und vor allem an Unverhülltheit zunehmenden Angriffen der Umstürzler gegen Königtum und Vakrland, Staat und Gesellschaft, Ordnung und Gesetzmäßigkeit, — ist es bei dieser Sachlage, so muß man fragen, wirklich nur Mangel an Fähigkeit, die Dinge zu er kennen, oder ist es nicht eine abermalige horrende Unwahrhaftigkeit unseres öffentlichen Lebens, wenn da noch immer unter den bürgerlichen Parteien die Frage behandelt und hin- und hergeworfen wird, ob die Sozialdemokratie nicht eine mit den anderen Parteien gleichberechtigte, eine Partei, wie jede andere auch sei? In der That ist es nicht möglich, sich hier für die mildere Auffassung zu entscheiden, zumal wenn man sich vergegenwärtigt, daß gerade diejenigen Par teien für die „Gleichberechtigung" der Umstürzler plaidieren und ihnen im Parlament sowohl, wie in der Presse in jeder Weise die Brücke zu treten und die Wege zu ebnen pflegen, die ihre ReichStagSsitze fast ausschließlich sozialdemokratischer Wahlhilfe ver danken. Es wäre ein Leichtes, noch Dutzende von Bei spielen solcher Unwahrhastigkeiten beizubringen. Vor der Hand aber mag das Angeführte genügen. Es be weist schon in ausreichendem Maße, daß eS nicht un angebracht ist, von einer weitgehenden Gleichgiltigkeit des Volkes gegen daS Unwahre und Unehrliche zu reden, das sich in unserem öffentlichen Leben breit macht. Optimisten wollen in der letzten Zeit hier und da Anzeichen dafür erblickt haben, daß eine ge wisse Wandlung in diesen Anschauungen unseres Volke- bevorsteh?. Es wäre sehr schön, wenn sie sich nicht getäuscht hätten, denn ein gründlicher Wechsel thut hier unzweifelhaft not und nur, wenn zuvor der Wahrhaftigkeit, der Ehrlichkeit wieder zu dem ihr ge bührenden Platze im Herzen unsere- Volke- verholfen sein wird, ist Aussicht auf eine Gesundung unserer öffentlichen Verhältnisse, insbesondere auch unserer politischen Zustände vorhanden Tagesgeschichtr. Dre-deu, 2l. Februar Se. Majestät der König unternahmen heute früh einen JagdauSflua nach dem Grillenburger Revier. Die Rückkehr erfolgte nach mittags H5 Uhr. Heute abend 7 Uhr werden Se. Majestät der König da- IV. Philharmonische populäre Künstler- Konzert im Gewerbehause besuchen. DreS-ev, Ll. Februar. Heute nachmittag um 5 Uhr fand bei Sr Königl. Hoheit dem Prinzen Georg im PalaiS Zinzendorfstraße eine größere Tafel statt. Deutsche» Reich. * Berlin Se. Majestät der Kaiser empfingen gestern vormittag 10 Uhr den Chef de« Zioilkabinett«, Wirk! Geh Rat Vr. v Lucanu» zum Vorträge und hörten von 11 Uhr an die Vorträge de« Staatssekretär« de« ReichS- Marineamt« Tirpitz und de« den Ches de« Marinekabinett« vertretenden Kapitäns zur See v d Gröben. — Im Monat Januar d. I«. haben 1240 Schiffe (gegen 839 Schiffe im Januar 1898) mit einem Netto- raumgehalt von 211656 Registertons (1898: 134374 Registerton«) den KaiserWilhelm-Kanal benutzt und, nach Abzug de« auf die Kanalabgabe in Anrechnung zu bringenden Elblootsgelde«, an Gebühren 110318 M (1898: 71867 M) entrichtet. — Gestern vormittag ist die 27. Plenarversamm lung de« Deutschen Landwirtschaftsrat« durch den Landeshauptmann v Roeder-Oberellguth (Schlesien) mit einem Hoch auf Se Majestät den Kaiser eröffnet worden. Al« Regierungsoertreter bemerkte man: vom Landwirtschafts ministerium den Unterstaatssekretär vr Sterneberg, vom Finanzministerium den geh. Oberjustizrat Vagede«, den geh Finanzrat Rodatz und den RegierungSrat Richter, vom Reichsschatzamte geh. Oberregierungsrat Kühn, vom Reichsjustizamte geh. OberregierungSrat vr. Hoffmann, vom Justizministerium geh Justizrat Wedow, vom Reichs amt de« Innern geh. OberregierungSrat Kelch, vom Reichsgesundheitsamt Geh. Rat Röckl, ferner den Königl. Sächsischen Bundesbevollmächtigten Geh Rat vr. Fischer, den Mecklenburgischen Gesandten Geh Rat v Oertzen, Regierungsrat vr. Heydenreich-Weimar, Ministerialrat Braun-Darmstadt Der alte Vorstand, bestehend au« den Herren o Röder-Oberellguth, Frhr. v Soden-Frauenhofen, Graf v. Könneritz > Loffa, wurde, ebenso wie der General sekretär vr. Dade, durch Zuruf wiedergewählt Der materielle Teil der Tagesordnung begann mit der Be sprechung von Maßnahmen zur Förderung der Zucker-Industrie. Die Referenten, Geh Rat Maercker- Halle a S. und Frhr. v Erffa-Wernburg, begründeten folgende Resolution: t) Die Hebung des Zuckerverkehrs ist in erster Linie durch die Verbilligung de- Zucker- zu erstreben. Für diesen Zweck ist die in ihrer jetzigen Höhe nicht zu rechtfertigende ZuckerverkehrSsteuer abzuschaffen und zwar zur Erleichterung dcS UebergangS nicht aus einmal, sondern um jährlich je 2 M pr Ztr. zu erniedrigen, sodaß sie nach b Jahren in Fortsall kommt 2) Die Exportprämie ist in ihrer jetzigen Höhe bi- zum voll kommenen Fortsall der Zuckerverzehrsstcuer beizubehalten, da durch ihre Abschaffung der Wettbewerb de- deutschen Zucker- im Ausland« schwer geschädigt würde. 3) Da die mit der Bersütterung der minderwertigen Nach produkte der Zuckerfabriken erzielten Erfolge dauernd günstige sind, ist die Denaturierung de- Zucker- zu ver einfachen und der Verkehr mit denaturiertem Zucker ebenso leicht zu gestalten wie derjenige mit denaturiertem Salz rc. 4) Dem denaturierten Zucker ist eine Prämie in derselben Höhe, wie sie derselbe Zucker beim Export erhalten würde, zu gewähren S) Zur Hebung des Zuckerverkehrs empfiehlt sich die Ab schaffung de- TheezollS, da ein vermehrter Thee- g nutz ersahrungsmäßig einen größeren Zuckerverkchr nach sich zieht. S) ES ist auf eine wirksame Durchführung des Saccharin- gesetzes besonder- durch sofortigen Erlaß von Aus- sührungSbeftimmungen durch den Bunde-rat zu dringen und eine Besteuerung de- Saccharin- anzubahnrn. 7) Da die Versuche mit der Einführung de- Zucker- in die Rationen der Soldaten dem Vernehmen nach günstig aus gefallen sind, ist der Zucker al- regelmäßiger Bestandteil der Rationen in der Armee einzusühren. 8) Eine wesentliche Entlastung würde die Zuckerindustrie durch die Förderung der Spiritu-industrie erfahren Bei einem gesteigerten Verbrauch von Spiritus für technische Zwecke würde man sich vielfach wieder dem Kartoffelbau anstatt d:m Rübenbau zuwrnden können. Die Steigerung des Ssiritu-oecbrauch- für technische Zwecke ist daher mit allen Kräften, als im höchsten Grade im Interesse der Landwirtschaft liegend, zu erstreben. 9) Der im Widerspruche mit unserem Meistbegünstigungs- Verträge stehende Differentialzoll für di» Einfuhr von deutschem Zucker nach den Vereinigten Gtaalrn von Nord amerika ist zu beseitigen. Inzwischen erschien Staakssekretär Graf v Posa- dow«ky und richtete auf die Begrüßunglworte de« Vor sitzenden folgende Ansprache an die Versammlung: „M. H! Jy freue mich, unter Ihnen zu sein und Jzren Verhandlungen folgen zu können E» ist noch nicht allzu lrnze her, daß sich di« deutschen Landwirte zu festen Organisationen verbunden und den Weg beschritten haben, der heutzutage der einzig richtige ist zur Er ledigung wirtschaftlicher Zwecke, die Vertretung in der Oeffentlichkeit. Die deutsche Landwirtschaft ver dankt ihrer solidarischen Haltung unzweifelhaft schon manchen Fortschritt Ich wünsche, die Regierung möchte in der Lage sein, in Zukunft noch manche schwebende Forderung der Landwirlschasl zu erfüllen." Unterstaat«sekretär Dr. Sternrbrrg entschuldigte da« Fern bleiben de« LandwirtschaftSm.nijlcrs Frhrn v. Hammer stein, stellte aber dessen Besuch für die nächsten Verhandlungen in Au«sicht Die weiteren Verhandlungen, betreffend oie Maßnahmen zur Förderung der Zuckerindustrie, ergaben nach sehr kurzer Erörterung Annahme der Resolution bi« auf die Punkte 5 und 8. Punkt 5 wurde von den Referenten zurückgezogen, von Arnim-Güterberg wieder ausgenommen, aber abgelehnt Punkt 8 erhielt aus Antrag des Frhrn. v. Wangenheims Spiegel folgende Fassung: „Da« beste Mittel zur Gesundung und Erhaltung der Zuckerindustrie sieht der Deutsche Landwirtschaftsrat nach wie vor in der Schaffung von Verhältnissen, welche die übrigen Zweige der Landwirtschaft, insbesondere aber die Getrerdeproduktion, sowie die landwirtschaftlichen Neben gewerbe wieder rentabel machen" Auf Antrag de« Ge heimrat Maercker wurde al« Punkt 10 noch folgender Zusatz angefügt: Die Reichsregierung ist zu ersuchen, mit den Anbauverhältnissen dr« Zuckerrohr« und der Entwickel- ungSfähigkeit der Rohzuckerindustrie vertraute Sachver ständige zum Studium der einer neuen Entwickelung entgegen gehenden Anbaugebiete de« Zuckerrohrs zu ent senden". Den Bericht der Kommission für Lebens versicherung erstattete Wirk!. Geh. Ober-Reg -Rat Frhr. v Hammerstem-Metz. Es wurde hierzu folgende Resolution angenommen: „Das gesamte Material über Lebensver sicherung von 1897—99 1) einer Anzahl von Versicher ungs-Gesellschaften mit dem Ersuchen um Mittheilung von Tarifen für die einzelnen Formen der Verbindungen von Lebensversicherung und Hypothekenschuld, 2) einer Anzahl von Kreditanstalten mit dem Ersuchen um Aeußerung über die Vorschläge zuzustellen" — Bereit« bei den ersten Erörterungen über da« jetzt abgelehnte Baugesuch des Berliner Magistrats betreff« des Friedhofes der Märzgefallenen im vorigen Herbst haben die „B. P. N" darauf hingewiesen, daß nach den Bestimmungen des Allg. Landrechts für die Prüfung eines Bauvorhabens nicht allein bautcchnische Gesichtspunkte in Betracht kommen, sondern daß eine Bauerlaubnis auch dann versagt werden kann, wenn ein Bau dem Gemeinwohl« schädlich ist. Daß ein Bau, der sich als eine Ehrung der Revolution oder von Revolutio nären darstellt, unter diesen Begriff fällt, unterliegt so wenig einem Zweifel, wie daß die Polizeibehörde gegebenen falls von ihren gesetzlichen Befugnissen Gebrauch zu machen hat. Wa« die Rechtsmittel gegen die Versagung der Bau erlaubnis anlangt, so finden, da die Baupolizei der OrtS- polizei zusteht, und eine baupolizeiliche Verfügung nicht deshalb diesen Charakter verliert, weil sie au« anderen polizeilichen Rücksichten erfolgt, al» denen der Baupolizei ordnung, die §8 127, 128 des LandeS-VerwaltungSgesktze» Anwendung, also Beschwerde an den Oberpräsidenten, gegen dessen Bescheid Klage unter der Behauptung von Rechtsverletzung oder Chikane beim Oberverwaltungsgericht oder unter gleicher Behauptung Klage beim Bezirksausschuß, Berufung an das Oberverwaltungsgericht. Wäre, wie in der Presse irrtümlich angenommen wird, die versagende Verfügung lande-polizeilicher Natur, so wäre derselbe Be schwerdezug gegeben. ES erscheint indessen müßig, sich mit der Frage der RechtSbehelse zu beschäftigen Denn der Magistrat hat, obwohl er sein Ziel, den Ruheplatz der Märzgefallenen in einen seiner Zweckbestimmung ent sprechenden ordentlichen Zustand zu versetzen, nicht rascher und nicht sicherer erreichen könnte, al« durch Aufstellung eine« neuen Bauplane«, welcher den gegen den ersteren zu erhebenden Bedenken nicht unterliegt, gegen den ablehnenden Bescheid de« Polizeipräsidiums al«bald beim Bezirksausschuß geklagt. Ob der Magistrat sich zu diesem Beschlusse durch Rücksichten auf die Mehrheit der Stadtverordnetenversamm lung und die dort stark vertretene sozialdemokratische und radikale Richtung bestimmen ließ, mag dahingestellt sein Wäre zu dieser Annahme Anlaß, so würde damit da» Verhältnis zwischen Staatsaufsicht und Kommunalverwaltung jedenfalls nicht gebessert. — Die beiden wesentlichsten Vorarbeiten für die zu künftige Zoll- unv Handelspolitik, weiche gegenwärtig ge ¬ fördert werden, sind die Produktionsstatistik und da» Zolltarifschema. Da» Material, da« auf die produktiv*«» statiftischen Erhebungen bei den zuerst in Angriff ge nommenen Gewrrb«zweigen im Reich«amte de« Innern em. gegangen war, ist gesichtet und in seinen Ergebnissen vor- läufig geordnet Wie bekannt, hat bei der Mehrzahl dieser Gewerbtzweige sich nur ein geringer Bruchteil der Betrieb«. Unternehmer zur Abgabe der von ihnen gewünschten Zahlen nicht verstanden Um für diese zu einem festm Ergebnis zu gelangen, bleibt nur der Weg der Schatzung übrig. Gegenwärtig ist in verschiedenen Beruf«genoffrnschasten, m denen ja die Vertrauensmänner die betreffenden Betrieb«. Verhältnisse am besten kennen, da« Schätzung«oerfahren eingeleitet Sobald auch diese« beendet sein wird, wird man die ersten, zutreffenden Zahlen über die Produktion der einzelnen Gewerb«zweige, soweit sie den Berus« genossenschafen angehören, feftstrllen können Da« Zoll tarifschema unterliegt noch der Begutachtung durch die Einzelregierungen Sobald sämtliche Gutachten der Regierungen vorhanden und die sich darau« ergebenden Änderungen und Ergänzungen vorgenommen sein werden, wird das Schema den Interessenten zugänglich gemacht werden — Die „Kons. Korr" schreibt: Der sozial demokratische Abgeordnete Heine hat in einer Berliner Versammlung erklärt, die Drohung „Schlagt den Hund tot", die bei dem Löbtauer Uederfall auSgestoßcn wurde, sei die „Sprache de« Volkes" und die RoheitS- verbrechen selbst, die „Genosse" Heine sogar al« entsetzliche bezeichnete, entsprächen den „Umgang«formen de» Volke«". DaS ist entschieden eine der ärgsten Be leidigungen de« deutschen Volkscharakter«, die jemal« aus gesprochen worden sind. Mag man in der Sozialdemokratie solch: „Sprache" und solche „Umgangsformen" für „be rechtigte Eigentümlichkeiten" halten, so ist man im deutschen Volke entschieden anderer Ansicht. Vor dem Bestehen einer starken sozialdemokratischen Agitation waren ja auch die Roheit«verbrechen seltener, Verrohungen der Jugend lichen kaum zu spüren. Jetzt wachsen uns diese Früchte sozialdemokratischer „Umgangsformen" über den Kopf, und die sozialdemokratische Presse legt e« darauf an, aus diese Weise immer weitere Volkskreise „aufzuklären" und in eine Sprache und in UmgangSfoimen hineinzutreiben, die dem deutschen Volkscharakter grundsätzlich fremd sind „Genosse" Heine verlangt für da« deutsche Voll Richter, die diese „Sprache de« Volkes" und diese „Umgangs formen" „kennen", er verlangt „Laienrichter", die das „Polk", dem derartige „Umgangsformen" eigen sind, wählen soll. Das könnte ein schöner RechtSzustand in den deutschen Landen werden! — Im preußischen Abgeordnetenhause begann gestern die Spezialbrratung de- JuftizetatS. Bei dem Ein nahmetitel „Kosten und Geldstrafen" bemängelte Abg Nölle lnatl) da» Gerichtskostengesetz und wünschte dringend eine Re form de-selben. Minister Schönstedt entgegnete, eine solche Resorm sei in Aussicht genommen, und zwar würden vorau-- sichtlich in der nächsten Tagung dem Hause nähere Mitteil ungen darüber zugehe». Abg. Krause-Waldenburg (frk.) wünschte eine Änderung der AuSsührnngSbestimmungen der Stempelfteuergesttzt» Abg. Pleß (Z.) plaidierte für eine brssire Fürsorge für die entlassenen Strafgefangenen und be mängelte di« Verwendung der Gefangenen zu Arbeiten, welche dem freien Arbeiter Konkurrenz machen Minister Schön stedt erwiderte, rS seien eingehende Bestimmungen getroffen, um nur solche Arbeiten für die Gefangenen zu wählen, die den freien Arbeitern keine Konkurrenz machten Der Ditel wurde bewilligt. Beim Titel „Ministcrgehalt' e» örterte Abg. Träger (srs. Bp.) da« an die Gerichtsvollzieher gerichtete Verbot, sich in Kollektivpetilionen an die Behörden oder vor gesetzte Instanzen zu wenden. DaS sei eine verfassung-widlige Beschränkung der jedem Bürger und Beamten zustehenden Petitionssreiheit. Minister Schönstedt erkannte die Dar legung de» Vorredner» nicht als begründet an Richt gegen die Einreichung von Petitionen allgemein, sondern gegen te- stimmte Arten von Petitionen richte sich die Versagung Abg. Schmitz (Z.) wünschte eine Einschränkung der Zahl der Ma- jestSt»t»btItidigungSprozefle. Die Richter seien so mit Arbeit überhäuft, daß der ordentliche Gang der Justiz darunter leide. Minister Schönstedt antwortete, daß angesicht» des Legalität-Prinzip- eine andere Behandlung der Strafsachen durch die Staatsanwälte und namentlich auch der Majestät- beleidigungen au-geschlosstn se«. Die Behauptung de- Vor redner-, daß die RoheitSverbrechen zunähmen, sei un begründet. Redner führte weiter au-, er habe an- geordnet, drß bei Denunziationen wegen Majestät-beleidiguug die Motiv« de» Denunzianten genau geprüft würden. Geh Finanzrat Belian wie- den Vorwurf zurück, daß im Finanz ministerium nicht genug für die Vermehrung der Richterstellen geschehe Seit 1892 sei die Zahl der Richterstellcn um b00 vermehrt Abg. vr. Dittrich (Z) wünschte, daß bei der Ver ietzung namentlich der Amt-lichter auf die konfessionellen Verhältnisse der Bevölkerung Bedacht genommen werde Abg Rewaldt(Frk) plaidirte für vorsichtige Prüfung der MajestSt- beleidigungen. De- weiteren bezweifelte er, daß die Finanz Verwaltung den Wünschen der Justizverwaltung stet» entgeger gekommen sei. Minister Schönstedt bemerkte, der Finanz Minister habe stets die notwendigen Mittel sür neue Stellen bewilligt. Er, Redner, habe allerdings den. Wunsch nach noch weiterer Vermehrung — Der Titel „Ministergehalt" wurde nach weiterer Debatte brwilligt. — Nächste Sitzung DienStag: Justizetat empfiehlt sich endlich Kühn» kleine« Bildchen mit der Mutter, die ihrem Kinde die Brust reicht. Unter den Landschaften der Autstellungen lassen sich eine Anzahl vorzüglicher Arbeiten anführcn, z B die Weiden am Bache im Herbste von B Buttersack, der in seiner Malerei immer breiter und farbiger wird, aber mit größter Sicherheit da«, wa« er zu sagen wünscht, au«zudrücken weiß In diesem Punkte wetteifert A. Nie meyer mit ihm, während Th Hummel in seinen ver» schieden«», äußerst geschickt gemalten Pastellbildern ganz eigene Wege eingeschlagen hat Benno Becker» großer „Olivenhain", eine Träumerei in blaugrünen Dämmer tönen, würde weit bester wirken, wenn er in hellerer Be leuchtung vorgeführt werden könnte, al» die» bei Arnold gegenwärtig der Fall ist. Von Ludwig Dill» neuesten Bemühungen, einen beliebigen Naturausschnitt durch die Ausschließung alle» Nebensächlichen zur Höhe eine» stili sierten Monumentalwerke» zu erheben, enthält die Au», stellung zur Probe: „Thauwctter im Moor" und „Birken im Moor". Doch können wir von ihnen nur die letztere als gelungen anerkennen, obwohl da» angewandte Mittel, die Stämme der Bäume oben abzuschneiden und den Horizont zu verkürzen, ziemlich einfach und oft genug be nutzt worden ist, während bei dem al» „Thauwetter" be zeichneten Bilde die Klarheit der Zeichnung unter der gewählten schmutzigen Farbe gelitten hat. CH. Torby» verschiedene Scenen au« dem Leben und Treiben der Hühner zeugen von fleißiger Naturbeobachtung und er freuen durch ihre malerische Vollendung, die überhaupt durchgängig den Arbeiten der „24" eigen ist Sie kommt auch den drei Figurenbildern Han» Borchardt» zugute, der un» Damen in altmodischer Tracht im Gespräch oder mit Handarbeiten beschäftigt vorführt, und empfiehlt ferner die beiden Bildnisse von Johanne« Leonhardt, (der wohl zum ersten Male bei un» in Dresden erschienen «st), obwohl auch er wie Lenbach einen altmeisterlichen Ton anstrebt und sich um die Errungenschaften de« Jmpressio- ni«mu« und der Freilichtmalerei nicht im mindesten zu kümmern scheint H A Lier Verein für Erdkunde. Im Drctdner Verein sür Erdkunde hielt am 17. d. M Hr vr. Teichmüller, Direktorialassistent am Königl mineralogischen Museum, einen Vortrag über die Ur geschichte Sachsens. Der Vortrag war um so dankens werter, al« e«, soviel dem Referenten bekannt ist, keine gedruckte Darstellung de« gegenwärtigen Standpunkte« unserer Kenntni« über diesen Gegenstand giebt In der Einleitung wies der Vortragende darauf hin, daß da« erste Auftreten de« Menschen in Europa in die Diluvial zeit fällt. In der sogenannten Eitzen ließ die von den Alpen und von Skandinavien ausgehende Vergletscherung eine» großen Teile» von Europa nur wenig Raum für die Entwickelung einer Pflanzen- und Tierwelt übrig, aus die eine größere Anzahl von Menschen ihre Existenz hätte gründen können; da« war erst möglich, al» die Eis decke mehr nach Norden und Süden zurückwich Diese Menschen waren die Zeitgenossen dr« Mammut« und de« Renntiers; sie hatten Waffen und Geräte au« Stein, wozu die Gerölle der Flüsse, Felsenstücke und Feuerstein da« Material lieferten, da« roh zuerst geschlagen wurde und so die gewünschte Form erhielt. Nach diesen Stein werkzeugen und -waffen heißt die älteste Periode der menschlichen Entwickelung die ältere Steinzeit Reichlich« Ueberreste haben in unseren Gegenden erst die Menschen der jüngeren Steinzeit oder der aerolithischen Periode . zurückgelasien und zwar im Alluvium. Diese Reste sind Zeugnisse für eine im Verhältnis zur Diluvialzeit weiter vorgeschrittene Kultur Äxte, Beile und Hämmer zeigen statt der rauhen eine glatt geschliffene und polierte Ober- fläche und sind zur besseren Befestigung de» Stiel« durch bohrt Al« Bohrer dienten Holzstäbe und Röhrenknochen, al« Bohrmittel Sand und Wasser Au» Feuerstein finden sich hauptsächlich bei un« nur kleine Gegenstände, z. B Messer, Schaber und kleine Beile, weil da» vorhandene Material nicht mehr hergab Da« Vorkommen einzelner größerer Feuersteinwaffen we st darauf hin, daß schon ein Handelsverkehr mit den Oftseeländern bestand. Einen großen Fortschritt zeigen auch die Thongefäße der jüngeren Steinzeit, indem sie einesteils gebrannt find (die ältere Steinzeit kannte da» Brennen de» Thone» nicht), andern- teils mannigfaltige Verzierungen aufweisen Atan unter scheidet in der Keramik der jüngeren Steinzeit zwei Arten -er Verzierung: da« Schnur- und da» Bankornament. Ta« erstere wurde, hauptsächlich am Halse de« Gesäßes, durch das Eindrücken einer Schnur in den noch weichen Thon hergestellt und zuweilen noch dadurch hervorgehodrn, daß die Vertiefungen mit einer weißen Masse, bestehend aus Gip» oder photphorsaurem, au» gebrannten Knochen gewonnemm Kalke, au»gefüllt wurden, da« letzter« bestand in Eindrücken, die mit Holzstäbchen oder auch mit dem Daumen in reihen weiser oder bandartiger Anordnung an allen Teilen der Gefäße angebracht wurden Die Schnurkeramik ist in Sachsen nur in den Gräbern, die Bandkeramik nur in den Ansiedlungen vertreten. Die Gräber der Steinzeit, deren Zahl bei un« nicht groß ist, zeigen durch die darin vorhandenen Skelette, daß die damaligen Menschen ihre Toten begruben. An den Herdstellen der Ansiedlungen finden sich neben Trümmern von Thongesäßen, neben Steinbeilen, Schleifsteinen, Messern und Schabern au« Feuerstein, Angeln, Pfriemen und Nadeln auch Hacken au« Knochen oder Hirschhorn, Mahlsteine und Korn quetscher, ein Beweis, daß neben Jagd und Fischfang al« den Hauptbeschäftigungen etwas Ackerbau und vielleicht auch Viehzucht getrieben wurde. An die Stelle der Höhlen traten al« Wohnungen Hütten, die au« Flechtwerk be standen, da« mit Lehm beworfen war. Die Kleidung bestand in dieser Zeit im wesentlichen au« den Fellen der Tiere, doch scheinen die Anfänge der Weberei nicht unbekannt gewesen zu sein Im Erzgebirge und in der Sächsischen Schweiz finden wir keine Spuren ter jüngeren Steinzeit, sie waren also damal« noch unbesiedelt; dagegen zogen sich die Niederlassungen von Böhmen her im Elbthale abwärt«, ferner fanden sie sich in einem Streifen läng« der Nordgrenze dr« Lande» von der Grenze Thüringen» het in der Richtung nach Osten und in der Lausitz Von diesen drei Richtungen her muß demnach die Bevölkerung Sachsen» eingewandert sein Für die im Elbthale aus. gefundenen Thonqefäße ist da« Bandornament, für die nördlichen Gegenden da« Schnurornament eigentümlich, und da die Schnurkeramik die ältere ist, so gebt darau« hervor, daß die älteste Bevölkerung Sachsen« von Thüringen her eingewandert ist. Eine neue Kultur begann mit der Verwendung der Metalle Eine Kupferzeit hat e« bei un« nicht gegeben, weil da« Kupfer, da« älteste vom Menschen verwendete Metall, zu selten in gediegenem Zustande vorkom»^ Diese» hat vielmehr seinen Einzug bei un« vermischt mit Zinn, also al« Bronze gehalten Au« dem Süden, «hrer Heimat, verbreitete sich diese auf den zwei Bernsteinstraßen nach Norden, nämlich vom Mittelmeer da« Rhonethal aufwärts nach dem Rhein und weiter nach Nordwestdeutschland und der Ostsee, sowie von den Ländern der Balkanhalbinsel durch Ungarn, Schlesien und Posen ebenfall« nach der Ostsee Zu un« ist die Bronze aus dem Norden ge- kommen, und zwar im 8. bi« 7. Jahrh v. Chr; man findet sie teils als Gegenstände des häuslichen Gebrauch», teil« in Gräbern noch lange Zeit neben den noch immer gebrauchten Steinwerkzeugen Diese Bronzefunde, teils Einzel-, teils Massen- oder Depotfunde, bestehen in Schwertern, Lanzen, Schmuckgegenständen, oxt- oder meißel- artigen Geräten oder sogenannten Kelten, in großen Ringen, die an den Armen und Schenkeln getragen wurden, sowie au» Gußsormen und Gußstücken, die au« späterer Zeit stammen und beweisen, daß man nicht mehr bloß die Stücke einführte, sondern sich auch mit der Metall gießerei beschäftige. Bekannt sind besonder« die Maffen- funde von Weißig bei Großenhain und in der Zwickauer Gegend Von den Niederlassungen, die wahrscheinlich dori- ähnlich waren, ist besonder« die auf dem Pfaffenstei« aus- gefundene von Interesse, weil sie zeigt, daß nunmrhr auch da« Gebirge besiedelt wurde Mehr al« die Hälfte aller sächsischen Bronzefunde entstammt Gräbern, wo sie in Urnen neben gebrannten Knochen ausgefunden wurden; denn an die Stelle der Totenbestattung war in der Bronzezeit die Verbrennung der Leichen getreten Diese Urnen wurden teil« auf der Erdoberfläche aufgcstellt und mit einem Hügel überdeckt, teil« in Gruben beigrsetzt, von denen man an der Oberfläche nicht« bemerkt, we«halb man Hügel- und Flachgräber unterscheide. Die ersteren sind in Sachsen selten, um so häufiger dagegen di« letzteren, die in Gruppen, al» Urnenfelder, austreten, wie bei Strehlen, auf dem Werftgrundstück« der „Kette" in Uebigau und im Garten de» Vitzthumschen Gymnasium» in Dre«den, wo sie bereit« in den dreißiger Jahren de«