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Für die Wissenschaft, die dem Sozi^aus-d^inil #2 UINIVERSITATSZETTUII ORGAN DER SED-KREISLEITUNG 45 KARL- MARX UNIVERSITÄT LEIPZIG 28. 11. 1968 12. JAHRGANG 15 PFENNIG Wenn wir schreiten Seit' an Seit’... Die FDJ-Gruppe IV/1 der Sektion Tierproduktion/Veterinärmedi- zin hat Sorgen. Nicht erst seit heute. Die Studenten sind der Meinung, daß in mehreren Lehrveranstaltungen Stoff vermittelt wird, den sie bereits zum zweiten- oder drittenmal vorgesetzt bekommen. Von 37 Wochenstunden entfielen lediglich vier auf Seminare. Von einer Spezialisierung nach Fachrichtungen, für die sich jeder entscheiden mußte, sei nichts in der Ausbildung zu spüren. Die Studenten sind unzufrieden. Im Erzieherkollektiv und in der Parteiversammlung haben sie mit ihrer Kritik nicht hinter dem Berg gehalten. Doch es änderte sich nichts. Einen Ausweg schien es zu geben: die Situation der Öffentlichkeit darzulegen. Am 14. November veröffentlichte die Leipziger Volkszeitung einen Beitrag der Gruppe IV/1, in dem die Studenten ihre Bitten und Forderungen an die Hochschullehrer darlegten. Was geschah nun? Gehen wir den ersten Reaktionen nach: 14. November. Tagung des Kreisparteiaktivs. Prof. Dr. Winkler, Direktor der Sektion, charakterisiert die Kritik der Studenten als berechtigt. Der Artikel aus der LVZ habe die ganze Sektionslei tung durcheinander gebracht. Sie sei in einem derartigen Tempo rotiert, daß eine Turbine dagegen langsam laufe. Genosse Ple- eher, Parteisekretär, erklärt ebenfalls, daß die Studenten recht hätten. Warum haben sich aber die FDJ-Mitglieder nicht an die natürlichen Verbündeten, die Parteileitung und die Genossen Wissenschaftler, gewandt? 16. November. Tagung des FDJ-Aktivs der Universität. Karl- Heinz Großkopf, FDJ-Sekretär des 4. Studienjahres und Mitunter zeichner des LVZ-Beitrages, legt dar, warum die Studenten sich an die Öffentlichkeit gewandt hätten. Warum soll die Hochschul reform an den Studenten des 4. Studienjahres vorbeigehen? Ist es richtig, wenn der Sektionsdirektor erklärt, daß die Leitung rotiert habe, aber die Studenten nicht in die Rotation einbezieht? Er habe, so Karl-Heinz Großkopf, ernste Bedenken, daß man den Studenten eine fertige Konzeption vorsetze, ohne sie in die Er arbeitung dieser Konzeption einzubeziehen. An dieser Episode wird einiges deutlich. Fragen- wir, worum geht es eigentlich in der Hochschulreform. Es geht im Grunde genommen darum, so führte Genosse Dr. Günter Mittag auf der 12. Staatsratstagung aus, für die Hochschulforschung und Hoch schulausbildung alle Konsequenzen zu ziehen, die sich daraus ergeben, daß «wir die Wissenschaft ols Produktivkrof unter Aus nutzung aller Vorzüge des Sozialismus voll zur Geltung bringen wollen". Welches sind dabei die wesentlichen inhaltlichen Ge sichtspunkte? Was heißt unter den jetzigen Bedingungen Erzie hung zum sozialistischen Klassenstandpunkt, um die es ja nach wie vor geht an der Universität? Dr. Günter Mittag erklärte dazu: „Erziehung zum sozialistischen Klassenstandpunkt unter den heu tigen Bedingungen unseres politischen Kampfes umschließt die Einheit von gründlicher theoretischer, marxistisch-leninistischer Bil dung und klassenmäßigem Handeln in der wissenschaftlich-tech nischen Arbeit. Dieses klassenbewußte Handeln muß vor allem auch darin zum Ausdruck kommen, daß die Wissenschaftler, Ingenieure und Studenten in der klassenmäßigen Auseinander setzung mit dem westdeutschen Imperialismus entsprechend ihrer gesellschaftlichen Verantwortung durch hohe schöpferische wissen schaftlich-technische Leistung zur Stärkung unseres sozialistischen Staates beitragen.“ Die Hochschulreform ist also ein zutiefst politisches Anliegen. Die DDR braucht wissenschaftlich-technische Höchstleistungen, die von Menschen vollbracht werden, denen der Sozialismus über alles geht. Wissenschaftler und Studenten, Lehrkörper und Jugend verband müssen zu echten Partnern bei der Verwirklichung der Hochschulreform werden. Prof. Gregor Schirmer hat das auf der Kreisaktivtagung der FDJ eingehend begründet. Lehrkörper und lugendverband sind einerseits für die klassenmäßige Erziehung der Studenten verantwortlich, andererseits müssen sie zu echten Partnern bei der Neugestaltung der Ausbildung werden. Beide Aufgaben bedingen und durchdringen einander. Was hemmt uns eigentlich, solche echten Partnerbeziehungen einzugehen? Kehren wir zürn Ausgangspunkt, den Sorgen der Landwirt schaftsstudenten, zurück. Die Studenten hatten keine Gelegenheit versäumt, ihre Bedenken über Teile der Ausbildung dem Lehrkör per vorzutragen. Sie hatten vorgeschlagen, was wie zu ändern sei. Warum haben die Professoren und Dozenten eigentlich nicht dar auf reagiert? Nachdem der LVZ-Artikel erschien, wurden mit Sofortmaßnahmen erste Änderungen herbeigeführt. Muß aber etwas, das kritikwürdig ist, erst in der LVZ stehen, ehe es ge ändert wird? Gewiß, nicht jeder studentische Vorschlag ist sofort oder überhaupt zu realisieren. Muß man aber nicht zwischen denen, die einer dringenden Behandlung bedürfen und denen, deren Bearbeitung noch Zeit hat, unterscheiden? Ist nicht ein differenziertes Herangehen erforderlich? Der Betreuer der Seminargruppe, Genosse Erhard Neubert, war über das Verhalten seiner Studenten etwas enttäuscht. Zwar hat ten sie ihn von ihrer Absicht, sich an die Öffentlichkeit zu wen den, kurz informiert. Den Inhalt des Briefes kannte er aber nicht, Er fühlte sich übergangen. Zu Recht. Hatte nicht auch er sich für die Vorschläge der Studenten eingesetzt? Warum schloß man ihn aus? Vertraute man ihm nicht? Auch die aufgeführte Frage des Parteisekretärs, warum sich die Studenten oder die FDJ-Leitung nicht/ an ihre natürlichen Ver bündeten gewandt hätten, besteht zu Recht. Hat eine Parteilei tung etwa nicht die Kraft, etwas zu ändern? Daß die FDJ-Gruppe IV/1 den Artikel in der LVZ veröffentlicht hat, ist richtig. Daran gibt es keinen Zweifel. Jetzt kommt es dar auf an, daß die Parteiorganisation, Jugendverband und Lehrkör per gemeinsam handeln. In der Veränderung der Ausbildung, aber auch in der Auseinandersetzung mit den Studenten, die die Vorlesungen nicht besuchen — und das sind nicht nur einige wenige. Eine FDJ-Leitung wird nichts erreichen, wenn sie glaubt, die Hochschulreform ohne den Lehrkörper bewältigen zu können. Wis senschaftler, die der Meinung sind, daß die Studenten nur über fertige Produkte oder überhaupt nicht mitreden sollen, werden ebenfalls keinen Erfolg verbuchen können. Ein altes Arbeiter- und Kampflied lautet: „Wenn wir schreiten Seit an Seit . . .. fühlen wir, es muß gelingen." Wir sollten es nicht nur öfter singen, son dern vor allem danach handeln. Dr. Günter Katsch KarMarx-Universität auf der XI. MMM in Leipzig 2035 Exponate von fast 20 000 jungen Neuerern, 60 000 Besucher allein in der ersten Woche, eine Atmosphäre des Ler nens und des Eifahrungsaustausches charakterisieren die XI. Messe der Mei ster von morgen, die seit dem 18. No vember auf dem Gelände der Techni schen Messe ihre Pforten geöffnet hat. Der Bereich Hoch- und Fachschulen un ¬ serer Republik ist in Halle 9 mit einer geschlossenen Abteilung vertreten, fin det sich aber auch in nicht wenigen Er- Zeugnissen uhd Verfahren, die aus Be trieben und Kombinaten kommen, an denen aber Studenten im Praktikum oder als Auftragsforschung mitgearbei tet haben, wieder. Zu diesen Arbeiten kann man z. B. auch eine Apparatur zur Messung von Retentionszeiten zählen, ausgestellt von den Studenten Jürgen Zacharias und Reinhold' Siegel, beide von unserer Uni versität. Die Apparatur entstand wäh rend des berufspraktischen Semesters im Kombinat Böhlen und ermöglicht es, die Qualität von Katalysatoren in. rela tiv kurzer Zeit zu bestimmen. (Fortsetzung auf Seite 2) Wollen wir forschen? Können wir forschen? UZ-Gespräch zu Problemen des 9. Plenums mit Dozent Dr. phil. Manfred Bensing und Dozent Dr. phil. habil. Werner Berthold, Institut für Deutsche Geschichte UZ: Walter Ulbricht und Kurt Hager haben auf dem 9. Plenum über die Bedeutung der Forschung für die Errichtung des entwickelten gesellschaftlichen Systems des Sozialismus und über den Zusammenhang von Lehre und Forschung gesprochen. Worin sehen Sie diesen Zusammenhang?- Dr. Bensing: Man möchte zunächst meinen, daß Sie zwei Völlig verschiedene Fragen ge stellt haben, die getrennt voneinander beant wortet werden müßten. Aber gerade durch das Studium der Materialien des ZK-Plenums wie auch der 12. Staatsrats-Sitzung wurde, für mich der Zusammenhang zwischen Gesell schaftsentwicklung, Forschung und Ausbil dung klarer. Es läßt sich nicht verschweigen, daß es an unserer Universität hinsichtlich der Stellung der Forschung im Gesamtsystem der Aufgaben voneinander abweichende Meinun gen gegeben hat. Der Hauptbezugspunkt all unseres Denkens ist die Formung des Systems der entwickelten sozialistischen Gesellschaft, mit der wir den entscheidenden Beitrag zur allseitigen Stär kung unserer DDR leisten. Dieser Prozeß voll zieht sich unter den Bedingungen der wissen schaftlich-technischen Revolution. Die Wissen schaft vermag nur eine Produktionskraft zu werden, wenn sie auf allen profilbestimmen den Gebieten in Neuland vorstößt, die heute aktuellen und die heranreifenden, noch un gelösten Fragen erkennt und löst, wenn sic forscht. Vom Tempo,. von der Entwicklungs richtung und Organisierung der Forschung und ihrer praktischen Anwendung hängt zu einem wesentlichen Teil die Entscheidung in dem an Härte zunehmenden Kampf zwischen Sozialismus und Imperialismus zu unseren Gunsten ab. Praxisbezogene Forschung und forschungsbezogene Ausbildung gehören zu sammen, müssen in ihrer Einheit erfaßt und konzipiert werden. Gilt die Forschung als die Mutter der Lehre, so ist die gesellschaftliche Praxis ihr Vater. Unter den Bedingungen einer solchen sozialistischen Praxis und pra- xisbezogener Forschung müßten gute Kinder gedeihen. Das hängt natürlich von vielen an deren Faktoren ab, von denen noch die Rede sein wird. UZ: Kommt cs nicht in der Lehre darauf an. das Studium wissenschaftlich-produktiv zu gestalten? Ohne Forschung ist das doch sicher gar nicht möglich? Dr. Bensing: Wer nicht selbst forscht, kann auch bei seinen Studenten keine Forscher- neigungen entwickeln. Er ist vielleicht in der Lage, die Ergebnisse der Forschung anderer zu vermitteln. Aber der Weg zu diesen Ergeb nissen — vom selbständigen Auffinden wis senschaftlicher Probleme über den komplizier ten Prozeß der wissenschaftlichen Erkenntnis bis zur Problemlösung — bleibt ihm fremd. Ich meine, daß die. entwickelte 1 sozialistische Gesellschaft Persönlichkeiten erfordert, die Schöpfer sind. Und wissenschaftliches Schöpfertum unserer Studenten ist nur in der Forschung zu entwickeln. Dabei sind selbstverständlich bestimmte Stufen zu be achten. Ich könnte von Fällen berichten, da Studenten erst im Zusammenhang mit ihren Staatsexamensarbeiten von der Größe des Forschungserlebnisses gepackt wurden und sich nun wünschten, noch einmal mit dem Studium beginnen zu können. Solche Erleb nisse muß es während des ■ gesamten Stu diums geben. Die Entwicklung des fausti schen Drangs nach Erkenntnis während des Studiums ist die Gewähr - dafür,' daß die Studenten auch nach Studienabschluß sich selbst immer neue Aufgaben stellen und an dere mitreißen. Ich möchte also Ihre Frage durchaus positiv beantworten. Übrigens fällt mir da ein interessanter Gedanke ein, der von Professor Steenbeck entwickelt worden ist und der hierher gehört: Der Hochschul lehrer muß mehr tun als seine Studenten in der Forschung auf die eigene Höhe -zu heben. Er erfüllt seinen Auftrag erst dann, wenn die Schüler den Meister überflügeln. Nur so wird die Wissenschaft den großen, durch eine rasante wissenschaftlich-tech nische Entwicklung im Sozialismus gekenn zeichneten Aufgaben gerecht, UZ: Walter Ulbricht sprach öfters von Großforschung. Muß inan nicht diesen Begriff auch auf die Gesellschaftswissenschaften an wenden? Was hieße das z. B. für die Ge schichtswissenschaft? - Dr. Bensing: In dem interessanten Ver gleich, den Walter Ulbricht in diesem Zu sammenhang mit dem Einzelbauern zog, steckt weit mehr als nur Kritik an der For- schungszersplitterung. Der „einfachen Wa renproduktion“ entsprechen bestimmte Ar beitsmethoden und im gewissen Sinne auch bestimmte Denk- und Lebensweisen, auch wenn die sozialistische Ideologie wirkt.' Rings um uns herum findet ein auffallender Prozeß der Vergesellschaftung statt: In der sozialistischen Industrie, in der Landwirt schaft und bei jenen Teilen der wissen- schaftlich-technischen Intelligenz, die eng mit den Erfordernissen der Großindustrie ver bunden sind. Mir scheint, daß die Gesell schaftswissenschaften insgesamt auf diesem Gebiet einen Rückstand haben, und das ist gerade bei ihnen, die doch die bewußtseins bildenden Prozesse bei unseren Werktätigen wesentlich unterstützen müssen, ein nicht mehr länger hinzunehmender Widerspruch. Der personellen Zersplitterung entspricht eine thematische. Dazu kommt, daß die Ge- schichtswissenschaft zu jenen Disziplinen ge hört, die am stärksten differenziert sind. An wievielen Instituten unserer Republik (und nicht nur an historischen) arbeiten Histori ker; eine gewaltige Potenz! Aber ich verstehe unter sozialistischer Großforschung auf unserem Gebiet nicht schlechthin die Integration der Historiker und der verschiedenen historischen Teildiszi plinen, die Zusammenfügung der einzelnen Teile zu einem Ganzen, sondern die kom plexe Forschung, die über unsere Wissen schaft hinausreicht und sich in ihrer Zusam mensetzung nach den jeweiligen gesellschaft lichen Bedürfnissen richtet. Insofern erwarte ich mit großem Interesse den Beschluß des Politbüros der SED über die Entwicklung der Gesellschaftswissenschaften, weil er uns un seren Platz in der sozialistischen Groß- forschung auf dem Gebiet der Gesellschafts- Wissenschaft zeigen wird. (Fortsetzung auf Seite 3)